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OGH vom 24.04.1975, 7Ob70/75

OGH vom 24.04.1975, 7Ob70/75

Norm

ABGB § 861;

ABGB § 1029;

Versicherungsvertragsgesetz § 5;

Versicherungsvertragsgesetz § 43;

Kopf

SZ 48/52

Spruch

Zur Anscheinsvollmacht des Versicherungsagenten. Die §§ 43 ff.

VersVG sind auch auf Gelegenheitsvermittler anzuwenden

Der Versicherer, der mündliche Ergänzungen oder Abweichungen vom Text des Antragsformulares ausschließen will, muß dies durch einen auffallenden Aufdruck klarstellen

Die Genehmigungsfiktion des § 5 Abs. 1 VersVG ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Versicherer keine Möglichkeit hatte, auf Abweichungen des Versicherungsscheines vom Antrag besonders aufmerksam zu machen

(LGZ Graz 1 R 326/74; BGZ Graz 2 C 828/74)

Text

Die Klägerin begehrt Zahlung des Betrages von 14.897.60 S samt Anhang als Folgeprämie betreffend die Versicherung eines Wassersportfahrzeuges des Beklagten.

Der Beklagte ficht den Versicherungsvertrag mit der Begründung an, er habe sich vor Abschluß des Vertrages an den damals bei der G W Versicherungsanstalt beschäftigten J G gewendet, der sich erbötig gemacht habe, ihm einen Versicherungsvertrag bei der Klägerin zu vermitteln. Der Beklagte habe mit J G ausdrücklich vereinbart, daß der Versicherungsvertrag nur für ein Jahr laufen solle. An einer länger dauernden Kaskoversicherung habe der Beklagte kein Interesse gehabt. G habe ausdrücklich zugesagt, daß dies ohne weiteres möglich sei, und es sei vereinbart worden, daß das Versicherungsverhältnis vom bis dauern solle. In diesem Sinne habe der Beklagte auch einen Antrag an die Klägerin unterfertigt. Anläßlich der Unterfertigung des Versicherungsantrages seien ihm keine Versicherungsbedingungen für den Abschluß von Kaskoversicherungen bei Motorbooten vorgelegen. Die Allgemeinen Bedingungen für den Abschluß einer Kaskoversicherung bei der Klägerin seien dem Beklagten nicht bekannt gewesen, und G habe ihn nicht aufmerksam gemacht, daß sich der Vertrag selbsttätig um ein weiteres Jahr verlängere, wenn der Beklagte nicht drei Monate vor seinem Ablauf das Versicherungsverhältnis kundige. Schließlich sei ausdrücklich vereinbart worden, daß der Vertrag grundsätzlich nur auf ein Jahr abgeschlossen werde. Einige Zeit nach Unterfertigung des Antrages sei dem Beklagten die Polizze zugesandt worden. Zwar seien damals mit der Polizze die Versicherungsbedingungen mitgeschickt worden, doch habe der Beklagte diesen hinsichtlich der Kündigungsklausel keine Bedeutung beigemessen, da er von vornherein der Auffassung gewesen sei, den Vertrag nur für ein Jahr abgeschlossen zu haben. Er sei der Meinung gewesen, daß das Versicherungsjahr automatisch auslaufe.

Der Beklagte wendet eine Gegenforderung bis zur Höhe des Klagsbetrages mit der Begründung ein, er habe während der Versicherungszeit an seinem Boot einen Schaden erlitten, der von der Klägerin hätte gedeckt werden müssen. Dies sei nicht geschehen, obwohl der Beklagte den Schaden ordnungsgemäß gemeldet habe.

Schließlich focht der Beklagte das Rechtsgeschäft wegen des bei der schriftlichen Abfassung des Versicherungsvertrages durch Mitwirkung des bevollmächtigten Vertreters der Klägerin, G, eingetretenen Irrtums an.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und beurteilte den Versicherungsvertrag wegen Irrtums ex tunc als nichtig.

Das Berufungsgericht beurteilte das Verfahren erster Instanz als mangelfrei und die Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung als unbedenklich, doch hob es das Urteil erster Instanz auf Grund rechtlicher Erwägungen unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Den Entscheidungen der Vorinstanzen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beklagte beabsichtigte im Jahre 1972, eine Wassersport-Kaskoversicherung bezüglich seines Motorbootes abzuschließen, und wandte sich aus diesem Gründe an J G, der bei der G W Versicherungsanstalt beschäftigt war. Dieser erklärte ihm, daß seine Anstalt derartige Versicherungen nicht mehr abschließe, wohl aber die Klägerin. G besorgte in der Folgezeit bei der Klägerin ein entsprechendes Antragsformular und füllte es aus, nachdem er den Vertragsinhalt mit dem Beklagten durchbesprochen hatte. Es war der erklärte Wunsch des Beklagten, daß der Versicherungsvertrag nach einem Jahr selbstätig, also ohne Kündigung, erlischt. G unterließ jedoch einen diesbezüglichen Hinweis auf dem Antragsformular, obwohl in dessen Punkt 11 vorgesehen ist, daß sich die auf die Dauer eines Jahres erstreckende Versicherung stillschweigend von Jahr zu Jahr verlängert, wenn der Vertrag nicht mindestens drei Monate vor Ablauf von einer der Parteien durch eingeschriebenen Brief gekundigt wird. Der Beklagte unterfertigte diesen Antrag, ohne ihn durchgelesen zu haben. Im August 1972 wurde dem Beklagten die inhaltlich dem Antrag entsprechende Wassersport- Kaskoversicherungspolizze mit den Versicherungsbedingungen zugestellt. Die Versicherung sollte vom bis wirksam sein. In der Polizze wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Versicherung zu den "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Wassersportfahrzeuge 1972" gilt. Der Abs. 1 des Art. 14 dieser Versicherungsbedingungen enthält eine dem Punkt 11 des Antragsformulares analoge Bestimmung. Die für diesen Versicherungszeitraum zu leistende Prämie in der Höhe von 14.897.60 S wurde vom Beklagten bezahlt. Für die Vermittlung dieses Versicherungsvertrages erhielt J G von der Klägerin die übliche Provision ausbezahlt.

Zur rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes führte das Berufungsgericht aus:

Auszugehen sei zunächst davon, daß im österreichischen Recht der Vertrauensgrundsatz gelte und daß daher der Irrende an seine Erklärung gebunden sei, und zwar auch dann, wenn sie die Hauptsache oder eine wesentliche Beschaffenheit derselben betreffe, sofern der andere Vertragspartner darauf vertrauen dürfe. Nicht vertrauen könne der andere Teil jedoch auf eine Erklärung des Irrenden, wenn er entweder den Irrtum selbst veranlaßt habe, wenn ihm dieser offenbar habe auffallen müssen oder wenn der Irrtum rechtzeitig aufgeklärt worden sei. In diesen Fällen fehle das schutzwürdige Vertrauen und eröffne dem Irrenden die Möglichkeit, den Vertrag anzufechten.

Wenn auch nicht ausdrücklich vom Beklagten behauptet, so könne doch aus seinem Vorbringen entnommen werden, daß er den ersten der drei im § 871 ABGB taxativ aufgezählten Tatbestände als Grundlage für die Irrtumsanfechtung heranziehe, zumal er von J G, von dem er in Irrtum geführt worden sein wolle, als einem "Bevollmächtigten" der Klägerin spreche und damit zum Ausdruck bringe, daß diese die Irreführung auch zu vertreten habe.

Dem Erstgericht sei zuzugeben, daß nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ein Irrtum vom anderen Teil auch dann als veranlaßt anzusehen sei, wenn er zwar nicht von diesem selbst, aber doch von einer Person hervorgerufen worden sei, die für ihn, sei es als Stellvertreter, als Abschluß- oder Vermittlungsagent oder als andere Hilfsperson beim Vertragsabschluß oder bei seiner Vorbereitung tätig gewesen sei. Im vorliegenden Fall könne jedoch keineswegs gesagt werden, daß J G für die Klägerin tätig geworden sei. Aus den Feststellungen ergebe sich vielmehr das Gegenteil. Es sei schließlich der Beklagte gewesen, der sich an den bei einer anderen Versicherungsgesellschaft beschäftigten J G mit dem Wunsch gewandt habe, einen Versicherungsvertrag abzuschließen. Wenn sich G in der Folge ein Antragsformular der Klägerin besorgt, den Inhalt des abzuschließenden Vertrages mit dem Beklagten durchbesprochen, den Antrag ausgefüllt und der Klägerin übermittelt habe, so sei daraus nur zu ersehen, daß er zumindest im Interesse des Beklagten, wenn schon nicht in seinem Auftrag, also für ihn, tätig geworden sei, keineswegs aber für die Klägerin. Daran vermöge der Umstand nichts zu ändern, daß die Klägerin grundsätzlich am Abschluß von Versicherungsverträgen interessiert sein möge und an G eine Provision ausgezahlt habe. Die Tätigkeit des J G könne daher nur als die eines Vertreters bzw. Bevollmächtigten des Beklagten, keineswegs aber als die eines Vermittlers der Klägerin gewertet werden. Wenn daher der Irrtum des Beklagten auf das Verhalten des G zurückzuführen sei, dann könne er nicht als von der Klägerin veranlaßt angesehen werden, wodurch einer Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen Irrtums schon aus diesem Gründe der Boden entzogen sei. Darüber hinaus gehe die aus dem Vertrauensgrundsatz von der herrschenden Rechtsprechung entwickelte Meinung dahin, daß die unbesehene Unterfertigung einer Urkunde eine Irrtumsanfechtung überhaupt ausschließe, daß vielmehr derjenige, der eine Urkunde unterschreibe, ohne sie durchgelesen zu haben, auch deren Inhalt zu vertreten habe. Diese Auffassung werde im Interesse der Rechtssicherheit insbesondere dann vertreten werden müssen, wenn der Inhalt der Urkunde, wie im vorliegenden Fall das Antragsformular, keine Zweifel offenlasse. Wenn daher der Beklagte das Antragsformular unterfertigt habe, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen werde, daß sich der Versicherungsvertrag stillschweigend von Jahr zu Jahr verlängere, wenn er nicht mindestens drei Monate vor Ablauf durch eine der Parteien gekundigt werde, so könne er sich nun nicht darauf berufen, daß dies nicht Vertragswille gewesen sei, da er in Unkenntnis des Inhaltes des Antrages damit habe rechnen müssen, daß dieser von den mündlichen Vereinbarungen abweiche. Im übrigen müsse im Hinblick auf § 5 des Versicherungsvertragsgesetzes, wonach eine Abweichung des Inhaltes des Versicherungsscheines vom Antrag dann als genehmigt gelte, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monates schriftlich widerspreche, von jedem Versicherungsnehmer erwartet werden, daß er die Übereinstimmung des Inhaltes des Versicherungsscheines mit seinem Antrag bzw. seinem Vertragswillen überprüfe. Wäre der Beklagte dieser für ihn als Kaufmann selbstverständlichen Verpflichtung nachgekommen, so hätte er durch eine kurze schriftliche Mitteilung die von ihm nicht gewollte stillschweigende Verlängerung des Versicherungsvertrages ohne weiteres verhindern können. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes liege daher ein Irrtum auf Seite des Beklagten, der eine Aufhebung des Versicherungsvertrages rechtfertigen würde, nicht vor. Infolge der nicht rechtzeitigen Kündigung des Versicherungsvertrages habe sich dieser vielmehr um ein weiteres Jahr, nämlich bis zum , verlängert, so daß der Beklagte zur Bezahlung der Versicherungsprämie für dieses Versicherungsjahr verpflichtet sei. Da der Beklagte ein aus dem Versicherungsvertrag entspringende, somit mit der Klagsforderung im rechtlichen Zusammenhang stehende Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung aufrechnungsweise geltend gemacht habe und das Erstgericht eine Erörterung dieser Einwendung unterlassen habe, sei das Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem eine neue Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Überlegungen des Berufungsgerichtes und des Rekurswerbers darüber, ob ein Irrtum des Letztgenannten bei der unbesehenen Unterfertigung des Antragsformulares wegen der Veranlassung durch G der klagenden Partei zuzurechnen ist, treffen nicht den Kern der Sache, weil sie Besonderheiten des Versicherungsvertragsrechtes außer acht lassen. Es handelt sich um § 43 VersVG, nach dessen Z. 1 ein Versicherungsagent, auch wenn er nur mit der Vermittlung von Versicherungsgeschäften betraut ist, als bevollmächtigt gilt, in dem Versicherungszweig, für den er bestellt ist, unter anderem Anträge auf Abschluß eines Versicherungsvertrages entgegenzunehmen. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hängt allerdings ähnlich wie beim Ausgangspunkt des Berufungsgerichtes von den näheren Umständen ab, unter denen G den hier zu beurteilenden Versicherungsvertrag zwischen den Parteien vermittelte. Insoweit ist seine Rechtsstellung entgegen der Ansicht beider Untergerichte auch keine bloße Rechtsfrage. Die vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstrichters sind andererseits in diesem Punkte derart dürftig, daß sie für sich allein eine Beurteilung im Sinne des § 43 VersVG nicht zuließen: weder die Besorgung des Antragsformulars (und der Prämienberechnungsgrundlagen) für den Beklagten noch andererseits die Entgegennahme einer Provision aus der Hand der Klägerin können klarstellen, in welcher Geschäftsverbindung G allgemein oder im besonderen Einzelfall mit der Klägerin stand, ob er nämlich von ihr betraut war, ein Versicherungsgeschäft der vorliegenden Art zu vermitteln.

Die mangelhaften Feststellungen der Untergerichte lassen sich jedoch aus Tatsachengeständnissen der Klägerin zu ihren Lasten ergänzen:

Danach ist nämlich unbestritten, daß der von G ausgefüllte Antrag vom , den die Klägerin ohne Hinweis auf eine Abweichung ihrer Polizze "in dessen Wortlaut angenommen hat", im Zeitpunkte der Unterfertigung durch den Beklagten die mit blauem Kugelschreiber vorgenommenen Einfügungen noch nicht enthielt, wohl also die Eintragungen mit schwarzem Kugelschreiber. Zu den letzteren gehört nach dem Inhalt der hinsichtlich ihrer Echtheit unbestrittenen Urkunde Beilage C die Ausfüllung der im Kopf unmittelbar unter der Bezeichnung der klagenden Versicherung enthaltenen Spalte "Vertretung" mit "J G" noch vor dem Text des Versicherungsantrages, und weiters die Mitfertigung des Antrages durch G in der Spalte "Unterschrift des Vermittlers". Dieser Urkundeninhalt läßt zweifelsfrei erkennen, daß G, auch wenn er - dem Beklagten bekannt - an sich bei der G W Versicherungsanstalt beschäftigt war, bei der Vermittlung des vorliegenden Versicherungsantrages an die Klägerin nicht als Vertrauensmann des Beklagten auftrat, sondern als Versicherungsagent der Klägerin. Letztere hat zwar bestritten, daß G ihr "Vertreter" war, und bloß zugestanden, daß er das Rechtsgeschäft "nur" vermittelt habe und "im übrigen" in keinerlei sonstiger Rechtsbeziehung zu ihr gestanden sei. Sie hat aber nicht einmal behauptet, dem von G geschaffenen und ihr noch vor der Annahme des Antrags aus der Ausfüllung ihres Formulars bekannt gewordenen Anschein eines Vertretungsverhältnisses widersprochen zu haben. In dieser Richtung ergeben sich deshalb keine Mängel der Tatsachenfeststellungen. Der Klägerin wäre es nämlich zwar freigestanden zu erklären, daß sie an G keinerlei Vollmacht erteilt habe; diese Erklärung hätte aber dem Beklagten zugehen müssen, weil sonst durch das Dulden des Auftretens des angeblich Bevollmächtigten und die Annahme des solcherart deutlich gekennzeichneten Antrages auf schlüssige Weise wenigstens der Schein einer Vollmacht entstand, den der schweigende Geschäftsherr wegen des besonders im Versicherungsrecht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben gegen sich gelten lassen muß (vgl. zur sogenannten Anscheinsvollmacht Koziol - Welser, Grundriß[3] I, 127 und zur Betonung von Treu und Glauben im Versicherungswesen Prölß - Martin, VersVG[19], 13). Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes ist somit G in bezug auf den Versicherungsantrag nicht als Vertreter des Beklagten, der sich bloß vermitteln ließ, sondern als Vermittler auf Seite der Klägerin anzusehen.

Daraus ergeben sich allerdings eine Reihe von weiteren Rechtsfragen. Als erstes bleibt offen, ob G nur ausnahmsweise für die Klägerin tätig wurde oder auch sonst mit ihr in Geschäftsverbindung stand und allenfalls ständig mit der Vermittlung derartiger Versicherungsgeschäfte betraut war. Dieser Frage käme Bedeutung zu, wenn mit einem Teil der Lehre (vgl. Bruck - Möller, VersG[8] I, 976) die Anwendbarkeit der §§ 43 VersVG auf ständig betraute Personen beschränkt würde. Andere Lehrmeinungen vertreten jedoch die Ansicht, daß die Vorschriften der §§ 43 ff. VersVG auch auf Gelegenheitsvermittler anzuwenden sind, sodaß Versicherungsagent im Sinne dieser Bestimmungen jeder sei, der - wie hier G nach dem oben Gesagten infolge der mindestens nachträglichen Genehmigung der Bezeichnung als Vertreter der Klägerin - mit Wissen und Willen des Versicherers einen Versicherungsvertrag vermittelt oder abschließt, sei es auch nur in einem Einzelfall oder gelegentlich (Prölß - Martin[19], 247 mit weiteren Zitaten, darunter besonders Ehrenzweig, Versicherungsvertragsrecht, 42). Der OGH, an den diese Frage soweit ersichtlich bisher noch nicht herangetragen wurde, schließt sich der zweiten Ansicht an. Zunächst kommt der von Bruck - Möller angeführten Amtlichen Begründung zum deutschen VersVG in Österreich keine Bedeutung zu, weil das Versicherungsvertragsgesetz 1958 zwar mit fast dem gleichen Wortlaut des deutschen Gesetzes, aber ohne Billigung der dortigen Materialien erlassen wurde und die Verwandtschaft des dVersVG mit dem früheren österreichischen Gesetz vom 23, Dezember 1917, RGBl. 501, über den Versicherungsvertrag nicht gegen, sondern für eine Abstimmung der Vorschriften des VersVG mit dem übrigen österreichischen Recht spricht (vgl. Wahle - Grubmann, VersVG, 6), das in § 29 HVG auch die nicht ständig betrauten Geschäftsvermittler in wesentlichen Belangen den Handelsvertretern gleichstellt. Dazu kommt, daß nach der österreichischen Vertragsübung jeder als Versicherungsagent gilt, der von einem Versicherer mit der Vermittlung von Versicherungsgeschäften, sei es auch nur bei Gelegenheit, betraut ist (Ehrenzweig, 42). Weiters wird die von Prölß hervorgehobene Tendenz des Gesetzes, die sehr streitige Rechtsstellung der Agenten in der vorgesetzlichen Zeit mit betonter Rücksicht auf die Interessen des Publikums zu regeln, durch die Überlegung gefestigt, daß dem Versicherungsnehmer in der Regel der nähere Inhalt der Rechtsbeziehungen des für einen Versicherer auftretenden Agenten selbst dann nicht bekannt ist, wenn dieser wie hier hauptsächlich für eine andere Anstalt arbeitet. Schließlich spricht das Gesetz nur von der Betrauung des Versicherungsagenten mit der Vermittlung von Versicherungsgeschäften, ohne ein Erfordernis ständiger Betrauung klar auszudrücken. Da es andererseits dem Versicherer offensteht, die gesetzliche Vollmacht des Versicherungsagenten nach § 43 VersVG im Einzelfall zu beschränken (§ 47 VersVG; s. auch unten), ist tatsächlich der Rechtskreis der präsumtiven Versicherungsnehmer des Schutzes des Gesetzes bedürftiger.

Nach den Feststellungen der Untergerichte wußte der somit als Vermittlungsagent der Klägerin im Sinne des § 43 VersVG anzusehende J G aus der Besprechung des Inhaltes des abzuschließenden Vertrages mit dem Beklagten, daß dieser das Wassersportfahrzeug nur durch ein Jahr kaskoversichern wolle und daß das Versicherungsverhältnis sodann selbsttätig ohne Kündigung erlöschen solle. Dennoch unterließ es G, entsprechend diesem Vertragswillen des Beklagten den Verlängerungsvermerk im Antragsformular zu streichen oder den Beklagten gegebenenfalls darüber aufzuklären, daß er nicht berechtigt sei, eine derartige "Vereinbarung" zu treffen. Von einer Vereinbarung spricht der Erstrichter in diesem Zusammenhang allerdings zu Unrecht, weil G offenbar keine Abschlußvollmacht besaß. Er galt aber nach § 43 Z. 1 VersVG als gesetzlich bevollmächtigt, den Antrag auf Abschluß des Versicherungsvertrages entgegenzunehmen. Da andererseits mündliche Ergänzungen eines schriftlich gestellten Antrages durchaus möglich und zulässig sind, wenn auch der erste Anschein gegen sie sprechen mag (Bruck - Möller 122; Prölß - Martin 50), gilt der aus den schriftlichen und mündlichen Erklärungen zusammengesetzte Antrag dem Versicherer in dieser Gesamtheit zugekommen, also in dem Sinne, in dem das Geschäft dem Agenten angetragen und von ihm entgegengenommen worden ist (Prölß - Martin, 249; Bruck - Möller, 980; Wahle zur Entscheidung, JBl. 1959, 500; SZ 32/37; vgl. auch SZ 16/61).

Allerdings bleibt damit zunächst die Frage unbeantwortet, wie ein Widerspruch der mündlichen Erklärungen des Versicherungsnehmers zu seinem gleichzeitigen schriftlichen Antrag zu beurteilen ist. Bei ihrer Beantwortung ist von dem eben geprüften Rechtssatz auszugehen, daß alle jene Willenserklärungen, die in bezug auf den abzuschließenden Vertrag dem Vermittlungsagenten gegenüber abgegeben wurden, als dem Versicherer selbst zugegangen anzusehen sind. Entgegen der Meinung der Untergerichte stellt sich dann aber kein Problem der Vertragsanfechtung wegen Irrtums, wenn der Vermittlungsagent, der die ganze Erklärung des Antragstellers mit Wirkung für den Versicherer entgegennimmt, in den von ihm verfaßten schriftlichen Antrag, eine vollkommen richtig verstandene klare Äußerung des Antragstellers falsch aufnimmt oder wie hier ungeachtet einer solchen Erklärung eine ihr entsprechende Streichung im Formular unterläßt. Die einheitliche, aus der schriftlichen und mündlichen Erklärung zusammengesetzte Willensäußerung des Antragstellers ist in einem solchen Fall nur scheinbar widerspruchsvoll, in Wahrheit aber nach den übereinstimmenden Vorstellungen des Antragstellers und des Vermittlungsagenten auszulegen, weil bei Abweichung der schriftlichen Abfassung vom richtig verstandenen Gewollten das Letztere ebenso gilt wie nach den Rechtsgrundsätzen der §§ 861 ff. ABGB bei einem Vertragsabschluß, wenn wie hier unzweifelhaft dem schriftlichen Antrag keine von der mündlichen Erklärung abweichende oder sie klarstellende Wirkung zukommen sollte, er also bloß deklaratorischen Charakter hatte (vgl. Bydlinski in JBl. 1975, 91 im Einklang mit der dort veröffentlichten, den vergleichbaren Fall eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens betreffenden Entscheidung 1 Ob 73/74).

Eine weitere Frage ist es allerdings, ob mündliche Erklärungen neben oder wie hier entgegen einem Antragsformular zulässig sind oder ob in diesem Fall eine Vollmachtsbeschränkung im Sinne des § 47 VersVG allein daraus hervorgeht, daß der Versicherer ein derartiges Formular aufgelegt hat. Letzteren Standpunkt vertritt Ehrenzweig (47), doch ist seine Meinung vereinzelt geblieben, und es hat Wahle nachgewiesen, daß ihr die historische Entwicklung des österreichischen Versicherungsvertragsrechtes widerspricht, so daß der Versicherer, der mündliche Ergänzungen oder Abweichungen vom Formulartext ein für allemal ausschließen will, dies durch einen auffallenden Aufdruck etwa in roter Farbe klarstellen muß (JBl. 1959, 502; ebenso schon SZ 16/61).

Nach dem bisher Gesagten ist der Antrag des Rekurswerbers auf Abschluß des Versicherungsvertrages entsprechend dem gegenüber dem Vermittlungsagenten G klar geäußerten und von ihm auch so verstandenen Willen auszulegen, daß der Vertrag nach Ablauf des ersten Jahres selbsttätig ohne Kündigung erlösche. Wurde der Klägerin dieser Wunsch des Rekurswerbers durch ihren Vermittlungsagenten nicht übermittelt, sodaß der Beklagte einen Versicherungsschein mit Verlängerungsklausel erhielt, so liegt in diesem Umfang nach § 869 ABGB Dissens mit der Wirkung vor, daß der Versicherungsnehmer jedenfalls keine Prämie für das zweite Versicherungsjahr schuldet (Bruck - Möller I, 990).

Daran ändert auch die widerspruchslose Annahme des Versicherungsscheines durch den Rekurswerber im Zusammenhang mit der Genehmigungsfiktion des § 5 VersVG nichts. Letztere ist nämlich nach dem Schlußsatz des Abs. 2 der Gesetzesbestimmung nur anwendbar, wenn der Versicherer auf die einzelnen Abweichungen des Versicherungsscheines vom Antrag bei der Aushändigung des Versicherungsscheines besonders aufmerksam macht. Selbst wenn er das nicht kann, weil er von der Abweichung nichts weiß, wird der Versicherungsnehmer an den abweichenden Inhalt der Polizze nicht gebunden, weil er mit Rücksicht auf die Vorschrift des § 5 VersVG darauf vertrauen kann, daß sein Antrag unverändert angenommen worden ist. Als Ergebnis bleibt gemäß § 869 ABGB die Folge des Nichtzustandekommens des Vertrages bzw. im vorliegenden Fall wenigstens die Unwirksamkeit der nicht vereinbarten Zusatzklausel über die automatische Verlängerung (SZ 32/37, ebenso Wahle JBl. 1959, 502). Der Kritik von Prölß - Martin (19. Auflage, 65) an der genannten auch in VersSlg. 134 veröffentlichten Entscheidung infolge seiner Rechtsansicht, daß § 5 Abs. 1 VersVG jedenfalls anwendbar bleibe, auch wenn § 5 Abs. 3 VersVG nicht in Betracht komme, vermag der OGH nicht zu folgen, weil eine Genehmigung der Abweichung im Sinne des § 5 Abs. 1 VersVG nach dessen Abs. 2 ausdrücklich voraussetzt, daß der Widerspruch trotz Hervorhebung der geschehenen Abweichung unterlassen wurde. Der Versicherungsnehmer ist daher geschützt, aus welchem Gründe immer der Versicherer auf die Abweichung nicht besonders aufmerksam gemacht hat.

Da somit über die stillschweigende Verlängerung des vom Beklagten ausdrücklich nur für ein Jahr beantragten Versicherungsvertrages keine Willenseinigung zustande gekommen ist, hat die Klägerin ungeachtet der Unterlassung einer Aufkündigung durch den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung der Prämie für ein weiteres Jahr. Das erstrichterliche Urteil wird wiederherzustellen sein.