OGH vom 08.09.2022, 3Ob77/22b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt Wien, vertreten durch die Magistratsabteilung 49 Forst- und Landwirtschaftsbetrieb, 1082 Wien, Rathaus, diese vertreten durch MMag. Dr. Claus Casati, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. H*, vertreten durch CHG Czernich Haidlen Gast & Partner Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 40 R 50/22g-34, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 40 R 50/22g-41, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1. Gemäß § 568 ZPO ist ein infolge Auflösung eines Bestandvertrags über einen Gegenstand nach § 560 ZPO gegen den Bestandnehmer erwirkter Räumungstitel auch gegenüber dem Afterbestandnehmer (Unterbestandnehmer) wirksam und vollstreckbar. Nach Beendigung des Hauptbestandverhältnisses kann der Unterbestandnehmer das aufrechte Unterbestandverhältnis nur gegenüber seinem Vertragspartner, nicht aber auch gegenüber dem Liegenschaftseigentümer, der ihn auf Räumung in Anspruch nimmt, erfolgreich einwenden (vgl RS0062380 [T8]), sofern der Unterbestandnehmer sein Benützungsrecht nicht materiellrechtlich direkt von der Klägerin ableitet (vgl RS0000907).
[2] 1.2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass zwischen den Streitteilen kein direktes Vertragsverhältnis oder sonstiges Rechtsverhältnis besteht, kann der Beklagte mit seinem Hinweis, mit dem Abschluss des (letzten) Hauptbestandvertrags seien dem Hauptbestandnehmer (Fischereiverein) die für den Bestand der bereits lange zuvor jeweils von seinen Mitgliedern errichteten Fischerhütten und Daubelanlagen erforderlichen Grundflächen „für seine Mitglieder“ überlassen worden, nicht in Zweifel ziehen. Darin kann nämlich bloß eine vereinbarte Einengung des Personenkreises, dem der Verein die in Bestand gegebenen Grundflächen mittels Afterbestandverträgen zur Verfügung stellen durfte, gesehen werden, nicht aber der Abschluss eines echten Vertrags zugunsten Dritter, mit dem die im Vertrag auch gar nicht konkret genannten einzelnen Mitglieder (in Bezug auf ebenfalls nicht näher umschriebene Afterbestandflächen) selbständig berechtigt hätten werden sollen.
[3] 2. Das Schwergewicht der Revision liegt in der angeblich verfehlten Beurteilung des Berufungsgerichts zu dem vom Beklagten behaupteten kollusiven Zusammenwirken der Klägerin mit dem Hauptbestandnehmer. Der Beklagte vermag jedoch nicht darzustellen, aus welchem Grund angesichts der bereits bestehenden Rechtsprechung dazu, wann kollusives Handeln anzunehmen ist (vgl nur 4 Ob 544/90; RS0083005; RS0061587 [T4]), ein Bedarf nach einer weiteren höchstgerichtlichen Entscheidung bestehen sollte. Dies ist umso weniger zu erkennen, als er nicht darlegt, warum der Fall einer gerichtlichen Aufkündigung samt unterbliebenen Einwendungen im Hinblick auf kollusives Vorgehen wertungsmäßig anders gelagert sein sollte als der vom Berufungsgericht zitierte bereits entschiedene Fall des Abschlusses eines prätorischen Vergleichs (3 Ob 71/21v; vgl im Übrigen schon 1 Ob 9/04m zu einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der der Eigentümerin verboten werden sollte, mit der Hauptmieterin einen Räumungsvergleich abzuschließen).
[4] 3. Dass das Berufungsgericht mit seiner Entscheidung von den in der Rechtsprechung des Höchstgerichts entwickelten Leitlinien zur Frage des Vorliegens kollusiven Verhaltens oder einer bewusst sittenwidrigen Schädigung (vgl RS0083005) abgewichen wäre, kann der Beklagte – auch auf Basis der von ihm in der Berufung begehrten Ersatzfeststellungen – nicht aufzeigen. In der Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach sogar unter Zugrundelegung dieser Ersatzfeststellung aus dem Sachverhalt kein kollusives Verhalten abzuleiten wäre, liegt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, zumal auch der Ersatzfeststellung weder eine bewusste Schädigung der Unterbestandnehmer durch die Klägerin oder den Hauptbestandnehmer (bei Unterbleiben von Einwendungen) bzw ein objektives Zusammenwirken (der Verein nahm die gerichtliche Aufkündigung bloß hin) oder eine Absprache zu diesem Verhalten zwischen den Streitteilen zu entnehmen ist. Angesichts der Rechtsunsicherheit zur Frage, ob das Bestandverhältnis überhaupt dem Mietrechtsgesetz unterlag, ist überdies nicht ersichtlich, in welcher Weise der Hauptbestandnehmer bei Hinnahme der Kündigung bewusst widerrechtlich gehandelt haben sollte.
[5] 4. Soweit der Beklagte behauptet, die Klägerin verfolge mit der Räumungsklage den Zweck, ihn durch Enteignung (hinsichtlich des Superädifikats) zu schädigen und einem neuen (ihm von der Klägerin angebotenen) Benützungsübereinkommen zu unterwerfen, entfernt er sich vom festgestellten Sachverhalt und führt die Rechtsrüge insofern nicht gesetzmäßig aus.
[6] 5. Die vom Beklagten relevierte Frage, ob die Aufkündigung des Bestandverhältnisses infolge der behaupteten Monopolstellung der Klägerin in Bezug auf die Ausübung der Daubelfischerei sittenwidrig war, betrifft ausschließlich das bereits aufgelöste Hauptbestandverhältnis und ist daher nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Gleiches gilt für die Frage, ob die Klägerin als Monopolistin einem Kontrahierungszwang unterliegt, aufgrund dessen sie mit dem Beklagten einen neuen Bestandvertrag (ohne das bisher von ihr dafür geforderte Anerkenntnis, dass es sich bei der Fischerhütte nicht um ein Superädifikat handle) abschließen muss.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00077.22B.0908.000 |
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