OGH 18.04.2013, 5Ob66/13m
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Hurch als Vorsitzende und die Hofrätin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer sowie die Hofrätin Mag. Malesich als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers H***** E*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts und anderer Grundbuchhandlungen ob der Liegenschaft EZ 147 GB *****, aus Anlass des Revisionsrekurses des 1. Antragstellers, 2. Ing. H***** E*****, geboren am *****, und der 3. Mag. G***** G*****-E*****, geboren am *****, alle *****, alle vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 19 R 79/12x-3, mit dem infolge Rekurses des 1. Antragstellers, 2. Ing. H***** E***** und der 3. Mag. G***** G*****-E***** der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom , TZ 20920/12, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Nach § 1 Abs 1 Satz 1 ERV 2006 können alle Eingaben und Beilagen von Eingaben an Gerichte und Staatsanwaltschaften nach Maßgabe der §§ 5, 8a, 9, 10 und 10a ERV 2006 elektronisch eingebracht werden. Gemäß § 5 Abs 1 ERV 2006 müssen elektronisch eingebrachte Eingaben und elektronisch zuzustellende Erledigungen sowie Beilagen der Schnittstellenbeschreibung nach § 5 Abs 2 ERV 2006 entsprechen. Eingaben und Erledigungen können grundsätzlich auch als PDF-Anhang entsprechend der Schnittstellenbeschreibung nach § 5 Abs 2 ERV 2006 übermittelt werden.
1.2. Nach § 5 Abs 2 ERV 2006 hat das Bundesministerium für Justiz eine Beschreibung über die Art der Datenübermittlung, der vollständigen Datenstruktur, der zulässigen Beilagenformate, einschließlich der Regeln über die Feldinhalte und den höchstzulässigen Umfang für alle elektronischen Eingabe- und Erledigungsarten (Schnittstellenbeschreibung) auf der Website „www.edikte.justiz.gv.at“ bekannt zu machen. Darüber hinaus haben die Übermittlungsstellen allfällige Spezifikationen der von ihnen angebotenen Zusatzdienste auf ihrer Website zu veröffentlichen.
1.3. Gemäß § 10 Abs 1 Satz 1 ERV 2006 können auch Eingaben und Beilagen im Grundbuchverfahren elektronisch eingebracht werden.
2. Nach § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 sind Rechtsanwälte und Notare - nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten - zur Teilnahme am Elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26). Für Eingaben eines Rechtsanwalts oder Notars ab dem maßgeblichen Stichtag (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG), die - wie hier der Revisionsrekurs der Rechtsmittelwerber - persönlich überreicht und nicht im Elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, ist demnach ein Verbesserungsverfahren durchzuführen. Die bisherige Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0124215; RS0124335; RS0124555), die in der nicht auf elektronischem Weg eingebrachten Eingabe keinen die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernden Formmangel erkannte und von einem folgenlosen Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift ausging, kann infolge Änderung der Rechtslage für solche Eingaben seit nicht mehr aufrecht erhalten werden. In gewollter Abkehr von dieser Judikatur müssen die im neu gefassten § 89c Abs 5 GOG idF BGBl I 2012/26 genannten ERV-Teilnehmer/innen in Hinkunft den Elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden (ErläutRV 1676 BlgNR 24. GP 3). Das gesetzwidrige Absehen von der Nutzung des Elektronischen Rechtsverkehrs durch zur Nutzung Verpflichtete soll - als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26) - zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen (JAB 1699 BlgNR 24. GP 1; RIS-Justiz RS0128266).
3. Die Rechtsmittelwerber haben vorliegend den Revisionsrekurs nicht im Elektronischen Rechtsverkehr eingebracht. Dies wäre im Lichte der zuvor beschriebenen Rechtslage nur dann zulässig, wenn dafür die technischen Möglichkeiten fehlten. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden:
3.1. Nach den „Neuerungen im Grundbuch ERV“ (Dateiname: GB_NeuerungenERV.doc Dok-Version: 1.5 vom ; http://www.edikte.justiz.gv.at/edikte/km/ kmhlp05.nsf/all/gbneu!OpenDocument) wurden „aus Gründen der Übersichtlichkeit“ (...) für die GB-Version 1.5 gegenüber der in Produktion befindlichen GB-ERV-Version 2.0v unter 4.1.2 näher aufgelistete Strukturelemente aus den Schemadateien entfernt, darunter auch die (bislang ohnehin noch nicht freigeschaltet gewesene) „Folgeeingabe/Rekurs, Folgeeingabe/Zurückziehung“. Daraus folgt zunächst, dass im Grundbuchverfahren eine besondere Struktur für die Einbringung eines Rechtsmittels nicht zur Verfügung steht.
3.2. ERV-technisch sind Rechtsmittel im Grundbuchverfahren allerdings keine Folgeanträge (keine Eingabe unter der bisherigen TZ); vielmehr sind Rechtsmittel als „sonstige/sonstige Neueintragung“ (neue TZ) erforderlichenfalls verbunden mit einem in einem GOG-Archiv zu hinterlegenden PDF-Anhang einzubringen.
3.3. Es mag zwar zutreffen, dass der ERV-Grundbuch eine eigene Anwendung bildet und nicht als Bestandteil des ERV-Verfahrensautomation Justiz (VJ) anzusehen ist; im vorliegenden Kontext geht es allerdings ausschließlich um die Einhaltung des § 89c Abs 5 GOG, welche Bestimmung nicht zwischen einzelnen ERV-Anwendungen unterscheidet. Solange daher für ein Rechtsmittel in Grundbuchsachen keine gesonderte Struktur zur Verfügung steht, welche gemäß § 10 Abs 3 ERV 2006 zwingend einzuhalten wäre, wird dem § 89c Abs 5 GOG auch dadurch entsprochen, dass das Rechtsmittel im ERV-Verfahrensautomation Justiz (VJ) als „sonstige Ersteingabe“ mit PDF-Anhang unter Bezugnahme auf die TZ des Erstgerichts eingebracht wird.
4. Demnach sind die Akten dem Erstgericht zurückzustellen, welches die Rechtsmittelwerber gemäß § 75 Abs 2 AußStrG iVm § 10 Abs 4 AußStrG - § 82a GBG gilt nur das verfahrenseinleitende Grundbuchgesuch - unter Setzung einer angemessenen Frist zur Einbringung seines Revisionsrekurses im Elektronischen Rechtsverkehr (im Sinn des Punktes 3.2. bzw 3.3.) aufzufordern haben wird. Wird die gesetzte Frist eingehalten, so gilt das Anbringen als zum ursprünglichen Zeitpunkt eingebracht (§ 10 Abs 5 Satz 1 AußStrG).
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers H***** E*****, geboren am *****, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts und anderer Grundbuchhandlungen ob der Liegenschaft EZ 147 GB *****, über den Revisionsrekurs des Antragstellers sowie des Ing. H***** E*****, geboren am *****, und der Mag. G***** G*****-E*****, geboren am *****, alle *****, alle vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in Maria Enzersdorf, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 19 R 79/12x-3, mit dem infolge Rekurses 1. des Antragstellers, 2. des Ing. H***** E***** und 3. der Mag. G***** G*****-E***** der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom , TZ 20920/12, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Rekursgericht hat ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es sei keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Fragen ersichtlich, ob es einer Verbesserung gemäß § 82a GBG zugänglich sei, wenn einer der im Grundbuchgesuch angeführten Beteiligten in Wahrheit als Partei einschreiten soll, und wenn ein Formgebrechen nicht aus dem Antrag selbst oder dessen Beilagen, sondern erst durch einen späteren, aber vor der Entscheidung über den Antrag eingetretenen Sachverhalt (hier: Telefonat mit dem Antragstellervertreter) für das Gericht erkennbar werde.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Zurückweisung des Revisionsrekurses infolge Fehlens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG ist - wie folgt - kurz zu begründen (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 75 Abs 2 GBG):
1. Gemäß § 89d Abs 1 GOG gelten elektronische Eingaben (§ 89a Abs 1 GOG) als bei Gericht angebracht, wenn ihre Daten zur Gänze bei der Bundesrechenzentrum GmbH eingelangt sind. Ist vorgesehen, dass die Eingaben über eine Übermittlungsstelle zu leiten sind (§ 89b Abs 2 GOG), und sind sie auf diesem Weg bei der Bundesrechenzentrum GmbH tatsächlich zur Gänze eingelangt, so gelten sie als bei Gericht mit demjenigen Zeitpunkt angebracht, an dem die Übermittlungsstelle dem Einbringer rückgemeldet hatte, dass sie die Daten der Eingabe zur Weiterleitung an die Bundesrechenzentrum GmbH übernommen hat. Dass das von den Vorinstanzen beurteilte Grundbuchgesuch inhaltlich nicht dem bei der Bundesrechenzentrum GmbH eingelangten Gesuchsinhalt entsprochen hätte (zu einem solchen Fall vgl 5 Ob 188/12a), wird im Revisionsrekurs nicht nachvollziehbar behauptet und dafür ergeben sich aus dem Akteninhalt auch keine Hinweise.
2.1. Die teilweise Gesuchsabweisung durch das Erstgericht beruht entscheidend auf dessen Rechtsansicht, wonach nur H***** E***** als (im Gesuch als solcher bezeichneter) Antragsteller zu behandeln gewesen sei. Die beiden weiteren (nunmehrigen) Rechtsmittelwerber seien nämlich im Gesuch nur als „Beteiligte“ bezeichnet und daher auch nicht als Antragsteller anzusehen gewesen. Die Rechtsmittelwerber vertreten demgegenüber den Standpunkt, sie wären nach Gesuchs- und Urkundeninhalt sowie aufgrund einer dahingehenden, nach Gesuchseinbringung telefonisch erfolgten Mitteilung des Antragstellervertreters richtigerweise alle Drei als Antragsteller zu behandeln gewesen.
2.2. Im verfahrenseinleitenden Grundbuchgesuch wurden hier insgesamt neun (natürliche und juristische) Personen bzw Ämter als „Beteiligte“ bezeichnet. Welche Personen nun nach dem Inhalt des erhobenen Begehrens und den dazu vorgelegten Urkunden als Antragsteller zu gelten haben, ist eine Frage der materiellen Beurteilung des Sachantrags. Diese Frage haben die Vorinstanzen nicht unvertretbar gelöst, sieht doch gerade die Schnittstellen-Beschreibung: Grundbuch-ERV GT ERV (Version 1.5) die Angabe jener konkreten Rolle vor, in der eine Person im Antrag in Erscheinung tritt (4.1.3.2 Rolle). Dabei wird (ua) zwischen dem Antragsteller als „Eine Person, die für den Grundbuchsantrag berechtigt ist“ und dem „Beteiligten“ als „Eine Person, der keine der o.g., anderen Rollen zugeordnet ist, der aber der Beschluss zugestellt werden soll/muss,“ unterschieden. Die von den Vorinstanzen dementsprechend vorgenommene Rollenverteilung entspricht damit gerade der bezeichneten Schnittstellen-Beschreibung und dem eindeutigen Wortlaut des Gesuchs, sodass eine aufzugreifende, unvertretbare Einzelfallbeurteilung nicht vorliegt.
3. Eine nach der Gesuchseinbringung erfolgte Mitteilung des Antragstellervertreters, wen er - seinem Verständnis nach - im betreffenden Verfahren vertritt, ist in einem reinen Urkundenverfahren wie dem Grundbuchverfahren unbeachtlich. Dass mündliche Verfahrenshandlungen im Grundbuchverfahren als dort systemwidrig (selbst für das Gericht) nicht in Frage kommen, hat jüngst der Gesetzgeber verdeutlicht, indem er mit der Grundbuchs-Novelle 2012 (BGBl I 2012/30) die Möglichkeit eines mündlichen Verbesserungsauftrags beseitigt hat (vgl § 82a Abs 3 GBG idF GB-Nov 2012; s dazu auch die ErläutRV 1675 BlgNR 24. GP 5 mit dem Hinweis auf den „Charakter des Grundbuchsverfahrens als reinem Urkundenverfahren“).
4. Aus den dargestellten Erwägungen stellt sich insgesamt keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 126 Abs 2 GBG). Der Revisionsrekurs ist daher unzulässig und zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Grundbuchsrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2013:0050OB00066.13M.0418.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAD-67005