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OGH vom 24.04.2020, 7Ob24/20k

OGH vom 24.04.2020, 7Ob24/20k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** G*****, vertreten durch Hule Bachmayr-Heyda Nordberg Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei F***** H*****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 13.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 193/19g-17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 2 C 126/18w13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 939,24 EUR (darin 156,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision gegen sein die Klageabweisung bestätigendes Urteil für zulässig erklärt, „weil zur Abgrenzung von Sachschäden und optischen Schäden im Bereich der Sachversicherung keine oberstgerichtliche Judikatur vorliegt und die Auslegung der AStB (Allgemeine Bedingungen für die Sturmschaden-Versicherung; gemeint wohl: des Art. 1.2.b AStB 1995) dazu über den bloßen Einzelfall hinausgeht“.

Weder das Berufungsgericht noch die Klägerin zeigen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Revision ist daher entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

1. Die Vorinstanzen und die Klägerin gehen übereinstimmend davon aus, dass der Beklagte als Versicherungsagent tätig war.Der (bloße) Vermittlungsagent ist Erfüllungsgehilfe (§ 1313a ABGB) des Versicherers und zwar auch bezüglich der – von der Klägerin hier geltend gemachten – vorvertraglichen Aufklärungspflichten des Versicherers (RS0080420). Soweit der Vermittlungsagent als Erfüllungsgehilfe tätig ist, kann er aber, weil er ja nicht selbst zur Erfüllung verpflichtet ist, dem Dritten gegenüber nur deliktisch haften (6 Ob 26/09f). Der Beklagte hat auf die insoweit fehlende Passivlegitimation ausdrücklich hingewiesen.

2.1. Die Haftung des Beklagten als Versicherungsagent hat die Klägerin vor dem Erstgericht auf § 43 Abs 4 VersVG (idF vor dem VersVertrRÄG 2018, BGBl I 2018/16) gestützt. Nach dieser Bestimmung hatte der Versicherungsvermittler, zu denen auch der selbständige Versicherungsagent gehört, gegenüber dem Versicherungskunden (ua) die Pflicht, die Informationen gemäß § 137g Abs 1 Satz 1 GewO unter Beachtung des § 137h GewO zu erteilen. Gemäß § 137g Abs 1 Satz 1 GewO hat der Versicherungsvermittler den Kunden, abgestimmt auf die Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags, entsprechend den Angaben, Wünschen und Bedürfnissen des Kunden zu beraten. Den selbständigen Versicherungsagenten treffen dadurch eigenständige Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten gegenüber dem Kunden. Diese Pflichten sind von ihm zu erfüllen, weshalb ihn insoweit auch selbst die haftungsrechtlichen Folgen einer fehlerhaften Erfüllung treffen. Allerdings haftet der Versicherungsvermittler grundsätzlich nicht für das positive Vertragsinteresse. Der Versicherungsnehmer kann nur verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn der Versicherungsvermittler pflichtgemäß gehandelt hätte (7 Ob 161/14y).

2.2. Der Gatte der Klägerin erklärte dem Beklagten zum gewünschten Deckungsumfang lediglich, dass er „an und für sich das beste an Eigenheimversicherung möchte“. Daraufhin erwiderte ihm der Beklagte, „dass in diesem Fall nur die Variante Premium in Frage käme“. Der Gatte der Klägerin sprach außerdem an, „dass (das Haus) sehr viel Glas hätte, und dass es ihm wichtig sei, dass auch das Glas mitversichert sei, was vom Beklagten auch bestätigt wurde“. Warum bei diesem Informationsstand des Beklagten die Empfehlung der „Eigenheimversicherung Variante Premium“ nicht den genannten Kriterien des § 137g Abs 1 Satz 1 GewO entsprochen haben sollte, zeigt die Klägerin nicht konkret auf. Die Ansicht des Erstgerichts, die im Ergebnis darauf hinaus läuft, dass die von der Klägerin gewünschte Aufklärung über Details des Deckungsumfangs von Hagelschäden (Abgrenzung von Zertrümmerungsschäden gegenüber optischen Schäden) eine Überspannung der Aufklärungspflicht darstelle, muss sich typischerweise am Einzelfall orientieren und hält sich im Rahmen des dabei einzuräumenden Beurteilungsspielraums. Die am jeweiligen Informationsstand des Versicherungsagenten orientierte Ansicht, dass bei einer angestrebten Bündelversicherung mit Versicherungsschutz für mehrere, ganz unterschiedliche Arten von Schäden auch nicht erfragte Abgrenzungsdetails zum Deckungsumfang erörtert werden müssten, ist im vorliegenden Einzelfall nicht zu beanstanden. Kein Versicherungsnehmer kann erwarten, dass jedes denkbare Risiko gedeckt ist (RS0016133 [T1]). In der österreichischen Versicherungspraxis gibt es keine generelle „All-risk-Versicherung“ (RS0119747). Es erübrigen sich daher Erörterungen über die Auslegung des Art. 1.2.b AStB 1995.

3.1. Die Klägerin zeigt somit insgesamt das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht auf. Die Revision ist daher nicht zulässig und folglich zurückzuweisen.

3.2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 50, 41 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00024.20K.0424.000

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