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OGH 18.04.2002, 2Ob86/02i

OGH 18.04.2002, 2Ob86/02i

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Anna K*****, und der Sarah C*****, ebendort, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie als Unterhaltssachwalter im Verfahren über den Revisionsrekurs des Vaters Jörg F*****, vertreten durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 724/01f-76, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt vom , GZ 2 P 215/00p-63, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über den Antrag des Obersten Gerichtshofes vom , 6 Ob 262/01z, § 12a FLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.

Text

Begründung:

Anna K***** und Sarah C***** sind die ehelichen Kinder des J***** und leben bei ihrer Mutter. Der Vater war seit verpflichtet, für Anna Katharina monatlich S 4.370 und für Sarah Charlotte ab monatlich S 3.680 an Unterhaltsbeitrag zu leisten.

Mit Beschluss vom erhöhte das Erstgericht diese Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab auf monatlich je S 6.600.

Das nur vom Vater angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Rekurswerber habe in seinem Rechtsmittel auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes am 27. 6. 2001 B 1285/00 verwiesen. Zur Frage, inwieweit die steuerliche Belastung bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen sei, liege keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom , 6 Ob 262/01z, gemäß § 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) beantragt, § 12a FLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag sind weitere Anträge gefolgt, weshalb schon derzeit zahlreiche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind. Es ist anzunehmen, dass sich die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 12a FLAG noch in vielen Verfahren stellen wird, weil sich die in dieser Bestimmung verfügte Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung des Geldunterhalts in der weitaus überwiegenden Zahl der Unterhaltsbemessungsverfahren auswirkt.

Der Verfassungsgerichtshof hat in ähnlich gelagerten Fällen gemäß § 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG ausgesprochen, dass die angefochtene und von ihm aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht mehr anzuwenden sei (s ). Es wäre eine unsachliche Verschiedenbehandlung, würde der Verfassungsgerichtshof - sollte er § 12a FLAG aufheben - nicht auch in dem bereits anhängigen Verfahren aussprechen, dass die Bestimmung nicht bloß im jeweiligen Anlassfall, sondern auch in allen übrigen Fällen nicht mehr anzuwenden sei. Ist aber davon auszugehen, dass der Verfassungsgerichtshof im Fall einer Aufhebung des § 12a FLAG die Anlassfallwirkung auf die rechtlich gleichgelagerten Verfahren erstrecken wird, sind die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren präjudiziell für das vorliegende Verfahren, weil nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes eine Berücksichtigung der Familienbeihilfe an § 12a FLAG scheitern muss (6 Ob 262/01z) und eine Unterhaltsbemessung im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom , B 285/00, nur nach Aufhebung dieser Norm möglich erscheint. Sollte § 12a FLAG aufgehoben werden, so wäre der für den Minderjährigen gewährte Unterhaltsabsetzbetrag nicht an Durchschnitts-, sondern an den den Vater treffenden Höchststeuersatz zu messen, weil nur dann die vom Verfassungsgerichtshof für notwendig erachtete Steuerentlastung für den halben Unterhalt auch tatsächlich bewirkt wird.

Gemäß § 190 Abs 1 ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, oder das in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine derartige Unterbrechungsmöglichkeit ist weder bei einem vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahren noch für das Außerstreitverfahren vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist durch analoge Anwendung des § 190 ZPO zu schließen, weil der Zweck der Bestimmung - widersprechende Entscheidungen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung zu verhindern - auch im vorliegenden Fall zutrifft.

Das Verfahren war daher bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die Anfechtung des § 12a FLAG zu unterbrechen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl sowie Univ. Doz. Dr. M. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Anna Katharina F*****, und der Sarah Charlotte F*****, über den Revisionsrekurs des Vaters Jörg F*****, vertreten durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 724/01f-76, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt vom , GZ 2 P 215/00p-63, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs des Vaters wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der in der Bundesrepublik Deutschland lebende Vater hatte seit für seine eheliche Tochter Anna Katharina monatlich S 4.370 und für die weitere Tochter Sarah Charlotte ab monatlich S

3.680 an Unterhalt zu leisten.

Mit Beschluss vom erhöhte das Erstgericht diese Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab auf monatlich je S

6.600. Es ging dabei von einem monatlichen Nettoeinkommen von S 40.256,24 (DM 5.726,35) im Jahr 2000 und für die Zeit vom 1. 1. bis von einem solchen von S 42.640,11 (DM 6.065,45) und weiters davon aus, dass der Vater noch für den am geborenen Philipp und die am geborene Sophie gesetzlich zu sorgen habe. Der nach der vom Erstgericht dargestellten Prozentsatzmethode festgelegte Unterhalt entspreche dem Einkommen des Vaters, wobei Aufwendungen für eine private Kranken- und Rentenversicherung nicht zu berücksichtigen seien.

Das vom Vater angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es stellte aus der im Akt liegenden Lohnauskunft noch fest, dass der Vater im maßgeblichen Zeitraum Sachbezüge in Höhe von monatlich DM 720,20 erhalten habe und weitere Abzüge von monatlich je DM 78 der Unterhaltsbemessungsgrundlage hinzuzufügen seien. Unter Berücksichtigung dieser Sachleistungen ergebe sich eine höhere Bemessungsgrundlage, als vom Erstgericht festgestellt, weshalb die Frage, ob die vom Vater bezahlte private Krankenversicherung von der Bemessungsgrundlage abzuziehen sei, nicht von Bedeutung sei. Das Rekursgericht erachtete einen Abzug von rund 1 % als angemessen für die Berücksichtigung der Sorgepflicht des Vaters für seine getrennt lebende Ehefrau. Soweit eine Anrechnung des Kindergeldes (offenbar der Familienbeihilfe) auf den Kindesunterhalt begehrt werde, sei darauf zu verweisen, dass nach § 12a FLAG die Familienbeihilfe den Unterhaltsanspruch des Kindes nicht mindere. Der Verfassungsgerichtshof habe zwar in seiner Entscheidung vom , B 1285/00, die gegenteilige Auffassung vertreten, doch schließe sich der Rekurssenat dieser Auffassung nicht an.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil zur Berücksichtigung der steuerlichen Belastung bei der Unterhaltsbemessung noch keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege:

Der Vater macht in seinem ordentlichen Revisionsrekurs geltend, das Rekursgericht habe seine Aufwendungen für die private Krankenversicherung und die Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt DM 582,43 monatlich unberücksichtigt gelassen und die Familienbeihilfe bei der Unterhaltsbemessung zu Unrecht nicht berücksichtigt Schließlich seien auch die Zahlungen an die getrennt lebende Ehefrau nicht berücksichtigt worden.

Rechtliche Beurteilung

Der erkennende Senat hat das Verfahren über den Revisionsrekurs bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über den Antrag des Obersten Gerichtshofes vom , 6 Ob 262/01z, § 12a FLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen. Nach Einlangen des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom , G 7/02, ist auf das Rechtsmittel des Vaters wie folgt zu antworten:

1. Ob eine private Krankenversicherung bei der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen ist, ist hier nicht von Bedeutung, weil das Rekursgericht - unwidersprochen - festgehalten hat, dass selbst bei Berücksichtigung der privaten Krankenversicherung von DM 582,43 die vom Erstgericht zur Unterhaltsbemessung herangezogene Unterhaltsbemessungsgrundlage immer noch niedriger wäre, als das tatsächliche für die Unterhaltsbemessung maßgebende Einkommen des Klägers.

2. Nach ständiger Rechtsprechung werden weitere Unterhaltspflichten des Unterhaltsschuldners nicht durch Abzüge ihrer absoluten Höhe von der Bemessungsgrundlage, sondern ausschließlich durch Abzüge von Prozentpunkten vom maßgebenden Unterhaltssatz berücksichtigt (Schwimann, Unterhaltsrecht2, 41 mwN). Für eine unterhaltsberechtigte Ehefrau sind je nach ihrem Eigeneinkommen 0-3 % abzuziehen. Der vom Rekursgericht angenommene Prozentsatz entspricht dieser Rechtsprechung.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G 7/02, die in § 12a FLAG enthaltene Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden sei und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit träten.

Die Auswirkungen dieses Erkenntnisses in Verbindung mit dem bereits früheren des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1285/00, auf die Unterhaltsbemessung im Falle von vom Unterhaltspflichtigen getrennt lebenden Kindern wurden bereits durch mehrere Senate des Obersten Gerichtshofes gelöst und beantwortet (4 Ob 52/02d, 7 Ob 174/02t, 2 Ob 37/02h ua). Danach ist - in verfassungskonformer Auslegung der maßgeblichen Rechtslage - bei der Unterhaltsbemessung für Kinder bei getrennter Haushaltsführung darauf Bedacht zu nehmen, dass die Familienbeihilfe nicht (nur) der Abgeltung von Betreuungsleistungen dient, sondern, soweit notwendig, die steuerliche Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bewirken soll. Der Verfassungsgerichtshof hat schon in seinem Erkenntnis vom , B 1285/00 den normativen Gehalt des § 12a FLAG teleologisch auf jenen Bereich reduziert, in dem die Transferleistungen nicht zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung benötigt werden. Bei dieser Auffassung blieb der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom . Die dem Kind geschuldete Unterhaltsleistung müsse bei einer Steuer (Einkommensteuer), deren Belastungskonzept nach dem Prizip der Individualbesteuerung die Erfassung der persönlichen Leistungsfähigkeit zum Ziel habe, steuermindernd berücksichtigt werden. Nach den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich die Familienbeihilfe nur in jenen Fällen unterhaltsmindernd auswirken kann, in denen sie neben ihrem Zweck, grundsätzlich den betreuenden Elternteil zu entlasten, auch der steuerlichen Entlastung des steuerpflichtigen Unterhaltsschuldners zu dienen hat. Eine Anrechnung der Familienbehilfe ist daher nur dann und insoweit erforderlich, als überhaupt eine steuerliche Entlastung verfassungsrechtlich geboten ist. Soweit daher der Revisionsrekurswerber auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes B 1285/00 Bezug nimmt und ausführt, dass eine Berücksichtigung der Familienbeihilfe bei Festsetzung der Höhe der Unterhaltsverpflichtung zu erfolgen habe, übersieht er, dass er - aktenkundig - in Österreich nicht steuerpflichtig ist, keine - österreichische - Einkommensteuer zu zahlen hat und somit alleine in Deutschland steuerpflichtig ist. Dieses Erkenntnis hat daher auf seine Steuerpflicht in Deutschland auch nach dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuer (BGBl 1955/221 idgF) keine Auswirkungen. Soweit im Verfahren darauf verwiesen wird, dass das "Kindergeld" in Deutschland zur Hälfte auf das Einkommen des Kindes anzurechnen ist, ist dem entgegenzuhalten, dass dies der gesetzlichen Regelung in der Bundesrepublik Deutschland entspricht (§ 1612b BGB), doch fehlt eine korrespondierende Regelung in Österreich. Es hat daher auch nach Aufhebung des zweiten Halbsatzes des § 12a FLAG als verfassungswidrig im Fall in Österreich nicht steuerpflichtiger Unterhaltsschuldner dabei zu bleiben, dass die Familienbeihilfe nicht auf die Unterhaltspflicht des geldunterhaltspflichten Elternteils anzurechnen ist (vgl 6 Ob 108/02d für den Fall eines überhaupt nicht steuerpflichtigen Unterhaltsschuldners).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2002:0020OB00086.02I.0418.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAD-66894