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OGH vom 10.09.1996, 3Ob76/95

OGH vom 10.09.1996, 3Ob76/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Konrad S*****, vertreten durch Dr.Alfred Haslinger und andere Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Ursula S*****, vertreten durch Dr.Bernhard Aschauer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unzulässigerklärung einer Exekution, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 19 R 17/95-20, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom , GZ 13 C 2/94h-16, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und das Ersturteil wird wiederhergestellt.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

24.336 (darin enthalten S 3.726 Umsatzsteuer und S 1.980 Barauslagen) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am wurde die Ehe der Streitteile zu 4 C 19/91 des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung im Einvernehmen geschieden. Im Scheidungsfolgevergleich verpflichtete sich der Kläger im Punkt 6., der Beklagten ab einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 7.000 zu bezahlen. Dabei wurde unter anderem vereinbart:

"Bei diesem Unterhaltsvergleich ist die Umstandsklausel ausgeschlossen, insbesondere ist diese Unterhaltszahlung völlig unabhängig davon, über welches Einkommen die Erstantragstellerin selbst verfügt bzw noch verfügen wird."

Zur Hereinbringung des Unterhaltsrückstandes für Dezember 1993 und des laufenden Unterhaltes ab Jänner 1994 von jeweils monatlich S 7.00 führt die Beklagte zu 13 E 9372/93 des Bezirksgerichtes Linz Gehaltsexekution gegen den Kläger.

Mit der vorliegenden Klage erhob der Kläger Einwendungen gegen diesen Unterhaltsanspruch; er begehrte die Feststellung, daß der Anspruch der Beklagten aus dem Vergleich (infolge Ruhens) nicht vollstreckbar sei, sowie die Unzulässigerklärung der bewilligten Gehaltsexekution. Er brachte vor, der Unterhaltsanspruch ruhe seit Dezember 1993, weil die Beklagte mindestens seit Ende November 1993 eine Lebensgemeinschaft mit Ing.Guido H***** unterhalte. Das Eingehen einer Lebensgemeinschaft sei vom Ausschluß der Umstandsklausel nicht umfaßt; ansonsten wäre der Auschluß sittenwidrig.

Die Beklagte wendete ein, sie sei keine neue Lebensgemeinschaft eingegangen; außerdem sei im Vergleich die Umstandsklausel zur Gänze ausgeschlossen worden, sodaß der Unterhalt selbst bei Vorliegen einer Lebensgemeinschaft nicht ruhen würde; eine Sittenwidrigkeit liege darin aber nicht.

Das Erstgericht wies die Klage nach Beschränkung des Verfahrens auf die Frage, ob das Eingehen einer Lebensgemeinschaft vom Ausschluß der Umstandsklausel umfaßt ist, ab; es stellte fest, daß in der Scheidungsverhandlung, die zum Abschluß des Unterhaltsvergleichs führte, nicht detailliert besprochen wurde, wie weit der vereinbarte Ausschluß der Umstandsklausel reichen solle. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Geltung der Umstandsklausel könne beim Ehegattenunterhalt allgemein oder für bestimmte Bereiche ausgeschlossen werden. Der Verzicht auf die Geltendmachung der Umstandsklausel an sich sei auch nicht sittenwidrig, besondere Umstände, wonach Sittenwidrigkeit des Verzichts eintreten könne, bringe der Kläger nicht vor. Daß ein Verzicht auf die Geltendmachung der Umstandsklausel auch beim Eingehen einer Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten prinzipiell zulässig sei, ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach das Eingehen einer Lebensgemeinschaft mangels einer gegenteiligen Vereinbarung auch bei verglichenem Scheidungsunterhalt zu dessen Ruhen führe. Eine gegenteilige Vereinbarung sei somit prinzipiell zulässig und nicht an sich sittenwidrig.

Im vorliegenden Fall sei anläßlich der Scheidung ausdrücklich nichts darüber gesprochen worden, ob der Ausschluß der Umstandsklausel auch die Eingehung der Lebensgemeinschaft umfassen sollte. Dem Wortlaut nach sei dieser Vergleichspunkt so weitreichend wie nur möglich formuliert; die Umstandsklausel sei ohne jede Einschränkung ausgeschlossen. Nach dieser Formulierung fielen unter den Ausschluß der Umstandsklausel alle Umstände, die eine Änderung der Verhältnisse bewirken, somit eben auch die Eingehung einer Lebensgemeinschaft. Da die Umstandsklausel nicht nur wie in den meisten Fällen die Einkommensseite umfassen sollte, ergebe sich vor allem auch aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" bei der Formulierung der Vereinbarung. Da der Kläger somit auf die Geltendmachung der Umstandsklausel zur Gänze verzichtet habe, könne er das Eingehen einer Lebensgemeinschaft durch die Beklagte nicht mittels Oppositionsklage geltend machen.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil mit dem angefochtenen Beschluß auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung; es ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil der Beantwortung der Frage, wie weit der Ausschluß einer (grundsätzlich jeder Unterhaltsregelung innewohnenden) Umstandsklausel reiche bzw welche Änderungen von einem solchen Umstandsklauselverzicht umfaßt seien, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme; hiezu sei keine ausdrückliche höchstgerichtliche Rechtsprechung veröffentlicht; im übrigen sei der Rechtsstandpunkt des Erstgerichtes, von einem Ausschluß der Umstandsklausel seien alle Änderungen, somit auch das Eingehen einer neuen Lebensgemeinschaft, umfaßt, nicht minder vertretbar.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, nach der grundsätzlich jeder Unterhaltsregelung innewohnenden Umstandsklausel rechtfertige eine erhebliche Änderung der für die Unterhaltsbemessung wesentlichen Umstände eine Abänderung bzw Neufestsetzung der Unterhaltspflicht; als solche wesentliche Änderungen kämen etwa Einkommensänderungen oder neue Sorgepflichten des Unterhaltspflichtigen sowie Bedürfnisänderungen des Unterhaltsberechtigten in Frage. Derartige Änderungen der Umstände könnten somit eine Änderung des Unterhaltsanspruchs begründen. Demgegenüber regelten die §§ 73 ff EheG die Begrenzung und den Wegfall des Unterhaltsanspruchs des Ehegatten. Nach § 75 EheG erlösche die Unterhaltspflicht mit der Wiederverheiratung des Berechtigten. Unter anderem aus dieser Bestimmung werde auch das Ruhen des Unterhaltsanspruchs auf die Dauer der Lebensgemeinschaft abgeleitet. Wenngleich das Eingehen einer Lebensgemeinschaft kein Verwirkungstatbestand nach § 74 EheG sei, führe er aber doch in Anlehnung an § 75 EheG aus Gründen des § 879 ABGB zum Ruhen des Unterhaltsanspruchs auf die Dauer der Lebensgemeinschaft. Das Eingehen einer Lebensgemeinschaft sei somit keine Änderung der Verhältnisse, die eine Änderung der Unterhaltsbemessung nach sich ziehe, sondern eine solche, die den Wegfall des Unterhaltsanspruchs für die Dauer der Lebensgemeinschaft bewirke. Derartige Änderungen der Verhältnisse, die den zeitlich begrenzten oder endgültigen Wegfall des Unterhaltsanspruchs bedeuten, seien aber von einem Ausschluß der Umstandsklausel nicht mehr umfaßt. Ansonsten würde ja die Unterhaltspflicht auch bei einer Wiederverheiratung des Unterhaltsberechtigten zu Folge eines bloßen Ausschlusses der Umstandsklausel nicht mehr erlöschen. Richtig sei zwar, daß die Umstandsklausel ohne jede Einschränkung ausgeschlossen wurde. Von diesem Ausschluß der Umstandsklausel seien jedoch nur jene Änderungen der für eine Unterhaltsbemessung bzw Unterhaltsneufestsetzung maßgebenden Verhältnisse umfaßt, nicht aber jene Änderungen, die ein Verwirken, Erlöschen oder zeitliches Ruhen des Unterhaltsanspruchs bewirken. Aus diesen Erwägungen komme der Frage, ob die Beklagte eine Lebensgemeinschaft eingegangen ist, prozeßentscheidende Bedeutung zu, sodaß das Erstgericht die hiezu angebotenen Beweise aufzunehmen und sodann neuerlich zu entscheiden haben werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist berechtigt.

Grundsätzlich unterliegt jede Unterhaltsregelung der Umstandsklausel. Nur dann, wenn die Parteien ausdrücklich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise auf eine Änderung der Unterhaltsvereinbarung auch für den Fall einer wesentlichen Änderung in den beiderseitigen Verhältnissen verzichtet haben, kann auch im Falle des Eintrittes einer solchen wesentlichen Veränderung die Vereinbarung nicht geändert werden (SZ 26/222 uva; Rummel in Rummel, ABGB**2 Rz 8 zu § 901; Schwimann in Schwimann, ABGB, Rz 6 zu § 94; Schwimann, Unterhaltsrecht 140).

Die hier vorliegende Vereinbarung enthält nach ihrem klaren Wortlaut keinerlei Einschränkung des Ausschlusses der Umstandsklausel auf bestimmte Fälle; die bloß als Beispiel angeführten Einkommensverhältnisse der Unterhaltsberechtigten lassen keinen Schluß in dieser Richtung zu. Sie umfaßt daher grundsätzlich jede Änderung der Sachlage (SZ 34/78; Binder in Schwimann Rz 40 zu § 936 ABGB). Daß die Parteien entgegen dem Wortlaut ihrer Vereinbarung beabsichtigt hätten, die Umstandsklausel nicht für den Fall der Eingehung einer Lebensgemeinschaft durch die Unterhaltsberechtigte auszuschließen, wurde nicht festgestellt.

Die Ansicht des Berufungsgerichtes, die Eingehung einer Lebensgemeinschaft durch die Unterhaltsberechtigte sei keine Änderung der Verhältnisse, die überhaupt von der Umstandsklausel erfaßt sei, kann nicht gebilligt werden. Die Umstandsklausel bedeutet vielmehr, daß bei wesentlicher Änderung anspruchsbegründender Tatsachen der benachteiligte Teil im Klagewege (Änderungsklage) eine gerichtliche Anpassung der Unterhaltspflicht erreichen kann, also der Berechtigte eine Erhöhung, der Verpflichtete eine Herabsetzung oder Einstellung der Unterhaltsleistung; der Verpflichtete kann die Herabsetzung oder Beendigung der Unterhaltspflicht auch durch Oppositionsklage gemäß § 35 EO begehren (Schwimann, Unterhaltsrecht 140). Für eine Einschränkung auf Umstände, die bloß für die Höhe eines - weiterhin bestehenden - Unterhaltsanspruchs Bedeutung hätten, bietet die ständige Rechtsprechung und einhellige Lehre keinen Anhaltspunkt. Auf die Umstandsklausel kann man sich daher nicht berufen, wenn sie allgemein ausgeschlossen wurde (Binder aaO Rz 41).

Auch für eine Gleichbehandlung des Falls der Lebensgemeinschaft der Berechtigten mit demjenigen der Wiederverheiratung besteht kein Anlaß. Während der Unterhaltsanspruch nach Scheidung mit Wiederverheiratung des Berechtigten gemäß § 75 EheG erlischt, bewirkt eine Lebensgemeinschaft des Berechtigten nach ständiger Rechtsprechung und einhelliger Lehre bloß ein Ruhen des Unterhaltsanspruchs für diese Zeit (Schwimann, Unterhaltsrecht 139 mwN). In einem solchen Fall wird kein Unterhaltsanspruch gegen eine dritte Person begründet, sodaß die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 75 EheG fehlen.

Eine Sittenwidrigkeit des Ausschlusses der Umstandsklausel wäre etwa dann gegeben, wenn dem Unterhaltspflichtigen ohne Berücksichtigung der geänderten Umstände geradezu die Existenzgrundlage entzogen würde oder wenn ein krasses Mißverhältnis zwischen dem dem Unterhaltspflichtigen verbleibenden Einkommen und dem nunmehrigen Unterhalt des Berechtigten entstünde (Rummel in Rummel, ABGB**2, Rz 8 zu § 901 mwN; vgl Zankl in Schwimann, ABGB, Rz 54 zu § 66 EheG).

Nicht sittenwidrig ist es aber, dem geschiedenen Ehegatten auch für den Fall des Eingehens einer Lebensgemeinschaft Unterhalt vertraglich zuzusichern (RZ 1982/3; Pichler in Rummel**2, Rz 2 zu § 75 EheG).

Es war somit durch Urteil in der Sache selbst im klagsabweisenden Sinn zu entscheiden (§ 519 Abs 2 Satz 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.