OGH 19.11.2014, 6Ob70/14h
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** M*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. P*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch die Proksch & Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. V***** G*****, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in Wien, 3. I***** K*****, vertreten durch Proksch & Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, 4. H***** S*****, 5. H***** S*****, beide *****, vertreten durch Mag. Dr. Andreas Schuster, Rechtsanwalt in Wien, 6. Dr. N***** F*****, 7. Dr. C***** F*****, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, Beseitigung/Wiederherstellung und Unterlassung, über die Revisionen der klagenden Partei sowie der erst-, zweit-, dritt-, sechst- und siebentbeklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 79/13p-70, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 9 Cg 15/07b-63, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
Die Revisionen der erst-, zweit-, dritt-, sechst- und siebentbeklagten Parteien werden zurückgewiesen.
Hingegen wird der Revision der klagenden Partei Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass es in seinem Punkt 2. zu lauten hat wie folgt:
„Es wird festgestellt, dass eine Dienstbarkeit oder ein sonstiges Recht, eine Ziegelmauer (eine Aufmauerung von Ziegelscharen) samt Verblechung auf der Mauer an der Grundgrenze des Gebäudekomplexes Gastwirtschaft des Grundstücks Nr *****, EZ *****, Grundbuch *****, Bezirksgericht H*****, als dienendem Grundstück zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Grundstücke Nr ***** und *****, EZ *****, Grundbuch *****, Bezirksgericht H*****, zu errichten, nicht besteht.“
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 25.236,61 EUR (darin 3.934,45 EUR USt und 1.629,90 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die mit 5.667,49 EUR (darin 620,42 EUR USt und 2.625,80 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.809,46 EUR (darin 161,79 EUR USt und 1.838,70 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft in Wien, auf der sie bis eine Gastwirtschaft betrieb. Mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom , 16 R 172/09w, wurde rechtskräftig erkannt, dass der Klägerin als Eigentümerin eines Grundstücks dieser Liegenschaft gegenüber den (dort) beklagten Eigentümern des Nachbargrundstücks die (ersessene) Dienstbarkeit zusteht, die Regen- und sonstigen Dachwässer von dem zum dienenden Gut geneigten Dachteil ihrer Gastwirtschaft auf das dienende Gut abzuleiten, dass die Beklagten in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen und künftig jeden Eingriff in die Dienstbarkeit, insbesondere solche, die die Ableitung der Niederschlagswässer von jenem Dachteil auf das dienende Gut behindern, zu unterlassen haben.
Die Drittbeklagte erwarb einen Miteigentumsanteil an der belasteten Liegenschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge; ihre Rechtsvorgängerin war wie die übrigen (hier) Beklagten bei Einbringung der Klage Miteigentümerin dieser Liegenschaft. Mittlerweile ist an dieser Wohnungseigentum begründet. Über das Vermögen der Erstbeklagten ist seit der Konkurs eröffnet.
Vor der Errichtung des Wohnhauses der Beklagten ragten Teile des Gebäudes der Klägerin, das seitliche Gesimse und ein Dachvorsprung der Feuermauer, an dem eine Saumrinne befestigt war, in den Luftraum des Nachbargrundstücks. Die Regen- und Dachwässer wurden von der zum Nachbargrundstück geneigten Dachfläche über ein Regenabfallrohr und eine Rinne auf dem Nachbargrundstück in den öffentlichen Kanal geleitet. Für die Errichtung des Neubaus auf der Nachbarliegenschaft war eine geschlossene Bauweise vorgegeben. Am fand im Gastlokal der Klägerin eine Informationsveranstaltung zur geplanten Errichtung des Neubaus statt. Die Klägerin nahm selbst daran nicht teil. Der Geschäftsführer der Erstbeklagten hatte ihr vor der Veranstaltung aber Baupläne gegeben, die Klägerin erhob grundsätzlich keinen Einwand gegen das Bauvorhaben. An der Bauverhandlung im Februar 2003 nahm der Bruder der Klägerin als deren Vertreter teil. Diesem war klar, dass das neu zu errichtende Gebäude unmittelbar an die Mauer des Gasthauses angebaut würde. Das war auch den der Klägerin übergebenen und den bei der Bauverhandlung vorgelegten Plänen zu entnehmen. Einer dieser Pläne (Plan „Ebene 2“) enthielt folgenden Satz: „Der über die Grundgrenze vorragende Dachvorsprung des Anrainers wird gekappt und das Dach des Anrainers wird adaptiert.“ Der Vertreter der Klägerin stimmte bei der Bauverhandlung dem Bauvorhaben grundsätzlich zu. Nach Erteilung der baubehördlichen Baubewilligung für die Errichtung eines Wohngebäudes mit Bescheid vom begann der Abriss der Baulichkeiten auf der Liegenschaft der Beklagten. Dabei wurde auch das Regenabfallrohr, das die Regenabwässer vom Gebäude der Klägerin auf das Nachbargrundstück ableitete, entfernt. In einem Schreiben vom an die Erstbeklagte wies die Klägerin unter anderem darauf hin, dass durch die Baumaßnahmen das intakte Entwässerungssystem zwischen den beiden Liegenschaften erheblich beeinträchtigt und funktionslos gemacht worden sei, und forderte die Erstbeklagte auf, umgehend mit ihr Kontakt aufzunehmen und sämtliche Schäden infolge bereits erfolgter Wassereintritte binnen 14 Tagen zu beheben. Die Erstbeklagte antwortete mit Schreiben vom , dass die Niederschlagswässer vom Dach des Gebäudes der Klägerin auf das Grundstück der Erstbeklagten abgeleitet würden und dass Teile des Dachs über die gemeinsame Grundgrenze ragten, dass beides nicht gestattet sei, dass nach der Wiener Bauordnung die Abwässer in Straßenkanäle einzuleiten seien und Niederschlagswässer nur auf eigenem Grund über die Oberfläche versickern dürfen. In diesem Schreiben gestattete die Erstbeklagte der Klägerin die Durchführung der zur Beseitigung der erwähnten Missstände notwendigen Arbeiten auf ihrer Liegenschaft. Bei einer Besprechung am wurde die Klägerin von der Erstbeklagten aufgefordert, die Dachrinne auf ihr Grundstück zurückzusetzen und Abwässer auf ihr (eigenes) Grundstück abzuleiten.
Mit Schreiben vom machte die Erstbeklagte die Klägerin darauf aufmerksam, dass sie ab beginnen würde, das in ihre Baufluchtlinie hineinragende Gesimse inklusive der darauf befindlichen Rinne „projektgemäß“ zu entfernen, dass sie im Sinne „gutnachbarlicher Beziehungen“ ihr entgegenkommender Weise anbiete, auf ihrer Dachseite eine Rinne mit Gefälle zur Straße hin auf ihre (der Erstbeklagten) Kosten zu errichten und diese mit einem Fallstrang auf ihrem (der Erstbeklagten) Grund im unverbaut bleibenden Teil der D***** Straße an die Kanalisation anzuschließen. Sie ersuchte die Klägerin in diesem Schreiben, zu den Baumaßnahmen auf ihrem Dach die Zustimmung bis zu erteilen, und wies darauf hin, dass die Klägerin, wenn sie den Baumaßnahmen nicht zustimme, für die Entwässerung ihres Dachs auf ihrem Grund Sorge tragen müsse. Die Klägerin antwortete mit Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters vom , dass das behauptete Recht auf Entfernung des Gesimses und der Rinne nicht bestehe und „aufs Schärfste“ zurückgewiesen werde, dass jeder derartige Eingriff die Inanspruchnahme verwaltungsbehördlicher und/oder gerichtlicher Hilfe zur Folge haben würde und dass die Erstbeklagte „ohnehin“ gesetzlich verpflichtet sei, die Folgen des widerrechtlichen Eingriffs in das Recht der Dachtraufe der Klägerin zu beseitigen und den Vorzustand der Ableitung der Dachwässer wiederherzustellen. Ungeachtet dieser Schreiben und der Besitzstörungsklagen ließ die Erstbeklagte Teile des Gesimses und den Dachvorsprung, der in den Luftraum der Liegenschaft der Beklagten hineinragte, abtragen. Um das Dach zu verschließen und ein neues Regenwasserableitungssystem zu schaffen, wollte die Erstbeklagte zunächst die Regenwässer dort, wo früher das Regenabfallrohr von der Liegenschaft der Klägerin nach unten (zum Grundstück der Beklagten) führte, über den neu errichteten Innenhof auf ihrer Liegenschaft entwässern.
Vergleichsgespräche mit der Klägerin scheiterten im Sommer 2006. Die Erstbeklagte entschied sich daraufhin, die Niederschlagswässer vom Dach der Klägerin ausschließlich auf dem Grundstück der Klägerin abzuführen. Dazu ließ sie in dem Bereich, in dem der Dachvorsprung samt Saumrinne abgetragen wurde, aber keine (Feuer-)Mauer des neuen Wohngebäudes, sondern ein Innenhof direkt an der Außenwand der Gastwirtschaft errichtet wurde, auf dieser Außenwand (Feuermauer) des Gebäudes der Klägerin eine Mauer aus drei Ziegelscharen in einer Länge von etwa 3 m, einer Breite von etwa 30 cm und einer Höhe von 45 cm errichten. Die Aufmauerung verhindert, dass vom Dach der Gastwirtschaft der Klägerin Niederschlagswasser, auch Schnee und Lawinen, in den Innenhof der Beklagten gelangten. Zwischen dem Dach und der Aufmauerung wurde eine Trogrinne errichtet, die nicht über das Grundstück, den Innenhof, der Beklagten entwässert wird, sondern zur Saumrinne auf der Frontseite der Gastwirtschaft der Klägerin führt. Die Trogrinne hat keinen Korrosionsschutz, ihre Lebensdauer beträgt etwa 40 Jahre. Sie wird auch ohne Anstrich länger halten als die abgetragene Dachrinne. Das Reinigen einer Trogrinne ist einfacher als das Reinigen einer Saumrinne. Das neue Regenabflusssystem ist keine gleichwertige Lösung zur ursprünglichen Ableitung der Regenwässer auf das Nachbargrundstück, weil es bewirkt, dass zusätzliches Niederschlagswasser in ein bestehendes Regenabflusssystem eingeleitet wird, das mit dem Niederschlagswasser, für das es berechnet ist, bereits ausgelastet ist. Die Klägerin erfuhr erst Ende 2006 von der Errichtung der Trogrinne und der Aufmauerung ihrer Außenmauer.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass eine Dienstbarkeit oder ein (anderes) Recht der Beklagten, eine Ziegelmauer samt Verblechung auf der Mauer an der Grundgrenze ihrer Gastwirtschaft zu errichten oder bestehen zu lassen oder abzustützen, nicht bestehe. Darüber hinaus begehrt sie die Entfernung der vorgenommenen Aufmauerung von drei Ziegelscharen und der Verblechung, die Wiederherstellung des Vorzustandes sowie die Unterlassung weiterer derartiger Eingriffe, die sich als die Ausübung einer solchen Dienstbarkeit oder eines solchen Rechts darstellen, hilfsweise aber die Einwirkung auf Dritte, die die Baumaßnahmen auf ihrem Grund gesetzt haben, zum Zweck der begehrten Wiederherstellung und Unterlassung. Sie habe der durchgeführten Aufmauerung ihrer Feuermauer nicht zugestimmt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin habe auf die Ausübung ihrer Rechte im Zusammenhang mit der Ableitung der Regenwässer verzichtet. Aus der bekämpften Baumaßnahme sei der Klägerin kein Nachteil entstanden. Sie habe nunmehr den Vorteil einer weniger aufwendigen Reinigung. Die Beklagten hätten sich mit der Aufmauerung keine Servitut angemaßt, sondern eine Baumaßnahme vorgenommen, für die an sich die Klägerin selbst zuständig gewesen wäre.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es dem Entfernungs- und Unterlassungsbegehren stattgab. Das Feststellungsbegehren wies es ab. Nach Verwerfung einer Mängelrüge erwog es in rechtlicher Sicht, die vorgenommenen Baumaßnahmen auf dem Grund der Klägerin stellten einen Eingriff in deren nach den §§ 353, 354 ABGB absolut geschütztes Eigentum dar, der von ihr mit der Eigentumsfreiheitsklage gemäß § 523 ABGB abgewehrt werden könne. Die Klägerin müsse dazu nur ihr Eigentum und den erfolgten Eingriff der Beklagten beweisen. Für den Eingriff genüge die objektive Rechtswidrigkeit; die Anmaßung einer Servitut sei ebenso wenig erforderlich wie ein Verschulden der Störer. Den Beklagten sei der Nachweis nicht gelungen, dass die beanstandete Erhöhung und Verblechung der Feuermauer der Klägerin Gegenstand der Baubewilligung gewesen wäre oder auch nur wegen der vorgegebenen geschlossenen Bauweise zwingend notwendig gewesen wäre. Die Klägerin habe nur auf die Ausübung der Servitut in der konkreten Form, also mittels des bis dahin bestehenden Dachvorsprungs samt Saumrinne und zum Grundstück der Beklagten geführten Regenabfallrohr verzichtet, nicht aber auf das Recht an sich. Das neue Abwassersystem sei nicht gleichwertig, weil es die Klägerin dazu gezwungen hätte, Niederschlagswasser von ihrem Dach über ihr eigenes Grundstück anstatt - wie es bis zur Bauführung der Fall war - über das Grundstück der Beklagten abzuleiten. Außerdem sei das von der erstbeklagten Partei neugeschaffene System keine gleichwertige Lösung, weil dadurch zusätzliches Niederschlagswasser in ein bereits ausgelastetes Regenabflusssystem eingeleitet werde. Aus diesen Gründen liege auch keine notwendige oder nützliche Geschäftsführung vor. Daher sei das Unterlassungs- und Wiederherstellungsbegehren berechtigt.
Hingegen sei die Abweisung des Feststellungsbegehrens zu bestätigen, weil die Beklagten nie ein dingliches oder obligatorisches Recht zur Bauführung auf fremdem Grund verbal in Anspruch genommen hätten, sondern von Prozessbeginn an zugestanden hätten, dass ihnen ein solches Recht nicht zustehe.
Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine Rechtsfragen von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung zu beantworten seien.
Rechtliche Beurteilung
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Die Revision der klagenden Partei ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist auch berechtigt. Hingegen sind die von den erst-, zweit-, dritt-, sechst- und siebentbeklagten Parteien erhobenen Revisionen nicht zulässig.
Zur Revision der klagenden Partei:
1.1. § 523 ABGB gibt das Klagerecht nicht nur gegen die (ausdrückliche) Anmaßung einer Servitut, sondern auch gegen jeden unberechtigten Eingriff in das Eigentumsrecht (RIS-Justiz RS0012040). Die Eigentumsfreiheitsklage steht auch gegenüber demjenigen zu, der in das Eigentumsrecht unbefugter Weise eingreift, mag er ein Recht hiezu behaupten oder nicht (RIS-Justiz RS0012110 [T2]). Die bloße Behauptung eines die Freiheit des Eigentums beschränkenden Rechts ist dem gegenüber noch keine Anmaßung und daher nicht mit der actio negatoria abzuwehren; sie kann aber eine negative Feststellungsklage begründen (RIS-Justiz RS0106909).
1.2. Ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 228 ZPO ist nach der Rechtsprechung schon dann zu bejahen, wenn der Beklagte ein solches Recht behauptet (1 Ob 2003/96g). Hingegen leitet sich nach der seit Jahrzehnten nahezu einhelligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei einer gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks gerichteten Servitutenklage der Anspruch auf Feststellung der Dienstbarkeit aus § 523 ABGB ab, sodass für das Feststellungsbegehren die sonst für Feststellungsklagen erforderlichen Voraussetzungen (§ 228 ZPO) nicht gegeben sein müssen (RIS-Justiz RS0012120; RS0011506; RS0012121). Bei diesen Klagen ist daher die Frage nach dem Verhältnis zwischen Feststellungs- und Leistungsklage nicht aufzuwerfen (RIS-Justiz RS0038877). Die Feststellungsklage des Eigentumsfreiheitsklägers gegen den störenden Grundeigentümer ist auch dann zulässig, wenn gegen diesen auch ein den selben Gegenstand betreffender Unterlassungsanspruch möglich und sogar geltend gemacht ist (RIS-Justiz RS0112360 [T2]).
1.3. Das Berufungsgericht begründete die Abweisung des Feststellungsbegehrens damit, dass die Beklagten nie ein dingliches oder obligatorisches Recht zur Bauführung auf fremdem Grund „verbal“ in Anspruch nahmen. Abgesehen davon, dass die erst- bis drittbeklagten Parteien in ihrer Klagebeantwortung vorbringen, die Klägerin hätte auch dem Aufbringen der Ziegelschar auf der Feuermauer zugestimmt, und damit ein obligatorisches Recht zur Bauführung behaupten, kommt es nach dem Gesagten auf die verbale Berühmung eines Rechts nicht an. Entscheidend ist, dass die beklagten Parteien einen Eigentumseingriff gesetzt haben und diesen in der Folge sogar noch im Verfahren verteidigen. Im Hinblick auf die aktenkundigen langjährigen Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen wäre im Übrigen auch ein Interesse an der Feststellung im Sinne des § 228 ZPO gegeben.
1.4. Daher war der Revision der klagenden Partei Folge zu geben und das angefochtene Urteil in diesem Punkt im klagsstattgebenden Sinn abzuändern.
II. Zu den Revisionen der erst-, zweit-, dritt-, sechst- und siebentbeklagten Parteien:
2.1. Nach herrschender Rechtsprechung und Lehre ist die Eigentumsfreiheitsklage gegen sämtliche Miteigentümer zu richten. Ein Grundeigentümer, der sich durch eine Fremdbenützung gestört fühlt, hat auch dann, wenn sich die behauptete Störungshandlung etwa als Anmaßung einer Grunddienstbarkeit zugunsten eines im Miteigentum stehenden Grundstücks darstellen sollte, die Wahl, ob er gegen den Störer allein mit „schlichter“ Unterlassungsklage vorgeht oder aber aber im Sinne des § 523 ABGB auch das Bestehen eines von diesem Störer behaupteten Rechts zum Gegenstand der Freiheitsklage macht. Im letzteren Fall besteht wegen der Unteilbarkeit der Grunddienstbarkeit eine notwendige Streitgenossenschaft der Liegenschaftseigentümer (7 Ob 8/07p; 4 Ob 236/99f; RIS-Justiz RS0010425; RS0010426). Die Miteigentümer einer Liegenschaft bilden bei Klagen auf Einräumung einer Grundservitut oder Hausservitut eine notwendige und einheitliche Streitgenossenschaft (RIS-Justiz RS0012106). In der Regel erstreckt sich nämlich die Wirkung des zu fällenden Urteils kraft Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses notwendiger Weise auf sämtliche Miteigentümer (Spath in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 523 Rz 21).
2.2. Nach ständiger Rechtsprechung kann nicht nur der unmittelbare Störer negatorisch geklagt werden, sondern jeder belangt werden, der durch Handlungen oder Unterlassungen die Voraussetzung für die Störung durch Dritte schafft. Wesentlich ist, dass der mittelbare Störer die rechtliche Möglichkeit oder gar die Pflicht hatte, die störenden Handlungen Dritter zu steuern und gegebenenfalls zu verhindern (RIS-Justiz RS0103058; Spath in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 523 Rz 20). Der Wiederherstellungsanspruch besteht auch gegenüber einem mittelbaren Störer (vgl 2 Ob 219/09h).
2.3. Dabei ist nicht entscheidend, ob die beklagten Parteien die beanstandeten Baumaßnahmen selbst gesetzt haben. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Eigentümer für von einer Anlage ausgehende Störungen auch dann passiv legitimiert, wenn ein Dritter die Anlage errichtet hat (4 Ob 529/83; Kietaibl in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 354 ABGB Rz 25 mwN). Die dogmatische Grundlage für diese „Eigentümerhaftung“ liegt nach neuerer Auffassung in der umfassenden rechtlichen Befugnis des Eigentümers, mit der auch eine entsprechende Verantwortung bzw ein entsprechendes Risiko einhergehen (Kietaibl aaO). Diese Überlegung ist aber nicht auf § 364 ABGB beschränkt, sondern lässt sich auch auf die vorliegende Konstellation übertragen, in der es um im Zusammenhang mit der Errichtung des im Eigentum der Beklagten stehenden Gebäudes vorgenommene Eingriffe in Rechte der Eigentümerin des Nachbargrundstücks geht. Daher hat das Berufungsgericht zu Recht dem Begehren gegenüber sämtlichen - bereits im durch Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom , 1 Ob 142/10d abgeschlossenen Vorverfahren in Anspruch genommenen - Beklagten stattgegeben, zumal die vorgenommenen Baumaßnahmen allen Miteigentümern der Nachbarliegenschaft in gleicher Weise zugute komme.
3. Zutreffend hat schon das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass es sich bei der Errichtung einer Mauer auf der Feuermauer der Klägerin um einen Eingriff in deren Eigentum handelt. Voraussetzung eines Klagerechts nach § 523 ABGB ist, dass es sich dabei um einen unberechtigten Eingriff handelt (RIS-Justiz RS0012040; Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON § 523 Rz 12). Für die Negatorienklage genügt die objektive Rechtswidrigkeit. Verschulden des Störers ist ebenso wenig erforderlich wie eine Störungsabsicht oder die Absicht der Rechtsanmaßung (RIS-Justiz RS0012169). Bei der Negatorienklage hat der Kläger zunächst sein Eigentum darzutun. Beruft sich hingegen der Beklagte auf ein Recht zum Eingriff, zB eine Dienstbarkeit, so muss er dessen Bestehen und nicht der Kläger den Nichtbestand des Rechts beweisen (RIS-Justiz RS0010164 [T2]).
4. Im vorliegenden Fall stützen sich die Beklagten auf eine angebliche konkludente Zustimmung der Klägerin zu der Errichtung von Aufbauten auf der in ihrem Eigentum stehenden Feuermauer. Die Auslegung ausdrücklicher und konkludenter Willenserklärungen ist regelmäßig einzelfallbezogen und begründet mangels auffallender Fehlbeurteilung daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0042555). Wenn das Berufungsgericht im vorliegenden Sachverhalt eine derartige konkludente Zustimmung der Klägerin - im Einklang mit den Ergebnissen des Vorprozesses - verneint hat, so ist darin keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken.
5. Soweit sich die Beklagten in verschiedenen Formulierungen darauf berufen, dass „die Verpflichtung zum Abfangen der Dachwässer ausschließliche Angelegenheit der Klägerin geworden“ sei, das neue Dachwasserauffangsystem „voll tauglich und an sich von der Klägerin zu schaffen gewesen wäre“ und dass die erstbeklagte Partei „eine öffentlich-rechtliche und auch privatrechtliche Leistungsverpflichtung der Klägerin zur Vermeidung eines Schadens an ihrer Stelle zur Erfüllung übernommen habe“, ist nicht ersichtlich, inwieweit diese Umstände geeignet sein sollen, den Eingriff in das Eigentum der Klägerin zu rechtfertigen.
6. Die Normen über die Geschäftsführung ohne Auftrag erlauben eine Geschäftsführung im Notfall nur in den engen Grenzen des § 1036 ABGB. Eine im Notfall vorgenommene Geschäftsführung ohne Auftrag ist nur dann anzunehmen, wenn es den Geschäftsführern nicht möglich war, rechtzeitig die Zustimmung des Geschäftsherrn einzuholen (vgl RIS-Justiz RS0019798 [T1]). Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Die Zulässigkeit von Gefahrenabwehr durch Selbsthilfe würde nach §§ 19, 344 ABGB jedenfalls voraussetzen, dass staatliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist (RIS-Justiz RS0009027; G. Kodek in Kletečka/Schauer, ABGB-ON § 344 Rz 1). Da eine solche Notsituation im vorliegenden Fall nicht vorlag, waren die Beklagten selbst dann nicht berechtigt, gegen den Willen der Klägerin auf deren Eigentum ein Bauwerk zu errichten, wenn dieses technisch völlig einwandfrei ist und auch die Klägerin selbst zur Errichtung eines derartigen Bauwerks verpflichtet wäre. Damit erweist sich aber das Entfernungsbegehren der Klägerin als berechtigt.
7. Das Klagebegehren der Eigentumsfreiheitsklage kann unter anderem auf Wiederherstellung des früheren bzw des ordnungsgemäßen Zustands gerichtet sein (RIS-Justiz RS0012143; RS0012040 [T12]). Die Naturalherstellung muss nicht immer eine wirkliche „Zurückversetzung in den vorigen Stand“ sein; sie kann auch in der Herstellung einer im Wesentlichen gleichartigen Lage bestehen, die ohne das schadenbringende Verhalten des Schädigers nach dem natürlichen Ablauf der Dinge derzeit bestünde (RIS-Justiz RS0030523). In diesem Sinne bejahte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 15/02s einen Anspruch auf Errichtung einer Stützmauer, weil sich die ursprüngliche Stützböschung nicht wiederherstellen ließ. Anknüpfungspunkt für das Wiederherstellungsbegehren ist dabei der rechtswidrige Eingriff des Störers.
8. Nach der Vorentscheidung 1 Ob 142/10d war die Entfernung von Teilen des Gesimses sowie des Dachvorsprungs, die auf die Liegenschaft der Beklagten ragte, und das damit verbundene „Aufschneiden“ des Daches nicht rechtswidrig. Wie der 1. Senat in der zitierten Entscheidung ausgesprochen hat, war nämlich allen Beteiligten unmissverständlich klar, dass durch die (vorgeschriebene) Errichtung des Neubaus „Mauer an Mauer“ bzw „Dach an Dach“ das „Hineinragen“ des Gastwirtschaftsgebäudes in den Nachbargrund faktisch ausgeschlossen war. Durch ihr ursprüngliches Verhalten hat die Klägerin den genannten Baumaßnahmen konkludent zugestimmt. Als rechtswidrig stellt sich somit nur die Errichtung einer Mauer und der Trogrinne auf der im Eigentum der Klägerin stehenden Mauer dar.
9. Schikane liegt nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht (RIS-Justiz RS0026265; RS0026271). Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0013207 [T1]). Im vorliegenden Fall ist der Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Entfernung und Wiederherstellung des Vorzustandes schon deshalb zuzubilligen, weil sie dadurch in die Lage versetzt wird eine andere Dachkonstruktion bzw ein anderes Regenabflusssystem zu errichten.
10. Zusammenfassend bringen die beklagten Parteien sohin keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass die Revisionen der beklagten Parteien spruchgemäß zurückzuweisen waren.
11. Im Hinblick auf die teilweise Abänderung des Urteils des Berufungsgerichts war auch die Kostenentscheidung neu zu fassen. Diese gründet sich für alle Instanzen auf die §§ 41, 50 ZPO.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** M*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. P*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Proksch & Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. V***** G*****, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in Wien, 3. I***** K*****, vertreten durch Proksch & Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, 4. H***** S*****, 5. H***** S*****, beide *****, vertreten durch Mag. Dr. Andreas Schuster, Rechtsanwalt in Wien, 6. Dr. N***** F***** und 7. DDr. C***** F*****, beide *****, vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, Beseitigung/Wiederherstellung und Unterlassung, über den Berichtigungsantrag der klagenden Partei den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom , 6 Ob 70/14h, wird dahingehend berichtigt, dass die Kostenentscheidung zu lauten hat wie folgt:
„Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 25.236,61 EUR (darin 3.934,45 EUR USt und 1.629,90 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die mit 5.667,49 EUR (darin 620,42 EUR USt und 2.625,80 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.809,46 EUR (darin 161,79 EUR USt und 1.838,70 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.“
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der - obsiegenden - Klägerin wurden die Kosten für alle drei Instanzen zugesprochen. Dabei wurden für das erstinstanzliche Verfahren irrtümlich lediglich 20.768,30 EUR zugesprochen; dieser Betrag scheint im Kostenverzeichnis der klagenden Partei nur als Zwischensumme auf. Gemäß § 419 ZPO war die Kostenentscheidung daher dahingehend zu berichtigen, dass der gesamte verzeichnete Betrag von 25.236,61 EUR (darin 1.629,90 EUR Barauslagen und 3.934,45 EUR USt) zuzusprechen war.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00070.14H.1119.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAD-66845