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OGH vom 06.07.1989, 7Ob23/89

OGH vom 06.07.1989, 7Ob23/89

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helga E***, Hausfrau, Dietach, Humpelgasse 20, vertreten durch Dr. Alfred Thewanger u.a., Rechtsanwälte in Linz, sowie der Nebenintervenienten auf Seite der Klägerin 1.) G***'S Söhne Gesellschaft mbH & Co. KG, Steyr, Kirchengasse 2,

2.) L*** S***/W*** registrierte

Genossenschaft mbH, Garsten, Klosterstraße 4, beide vertreten durch Dr. Walter Lanner, Rechtsanwalt in Steyr, 3.) Dipl.Ing. Rudolf E***, Ziviltechniker, Linz, Hofgasse 9, vertreten durch Dr. Peter Wagner, Rechtsanwalt in Linz, und 4.) S*** N***/K***, Neuhofen/Krems, Marktplatz 17, vertreten durch Dr. Heimo Fürlinger, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei O*** W*** V***, Linz, Gruberstraße 32,

vertreten durch Dr. Heinz Oppitz u.a., Rechtsanwälte in Linz, wegen S 12,006.508,-- s.A., infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 3 R 122/89-45, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Zwischenurteil des Landesgerichtes Linz vom , GZ 10 Cg 75/87-36, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Rechtssache zur Entscheidung über die Berufung der Klägerin an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten aufgrund eines abgeschlossenen Versicherungsvertrages S 12,006.508,- s.A., wobei sie ihren Anspruch unter anderem auch darauf stützt, daß ihre Hypothekargläubigerin, die Sparkasse Neuhofen/Krems, ihr die vinkulierte Forderung im Sinne des § 102 VersVG gegen die Beklagte zediert habe.

Die Beklagte machte Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen geltend und wendete ferner ein, auch auf § 102 VersVG könne die Klägerin ihren Anspruch nicht stützen. Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es nahm die behaupteten Obliegenheitsverletzungen als erwiesen an, bejahte aber eine Haftung der Beklagten nach § 102 VersVG, weil die Verpflichtung des Versicherers gegenüber einem Hypothekargläubiger auch dann bestehen bleibe, wenn der Versicherer wegen des Verhaltens des Versicherungsnehmers von der Verpflichtung zur Leistung frei sei. Auch die Klägerin erhob gegen das Zwischenurteil Berufung, wobei sie allerdings nur die Rechtsansicht des Erstgerichtes bekämpfte, soweit ein Anspruch gegen die Versicherung nicht aus § 102 VersVG abgeleitet werden könne, bestehe gegenüber der Klägerin wegen der Obliegenheitsverletzung Leistungsfreiheit.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin mit der Begründung zurückgewiesen, die Berechtigung einer Berufung setze eine Beschwer voraus. Eine solche Beschwer könne nur durch den Spruch des Urteiles entstehen. Demnach sei eine Berufung lediglich zur Bekämpfung der Entscheidungsgründe nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist gerechtfertigt. Richtig ist, daß sich im allgemeinen eine Berufung nur gegen den Spruch einer Entscheidung, nicht aber gegen die Entscheidungsgründe richten kann. Wird daher einer Klage stattgegeben, so ist im allgemeinen der Kläger nicht dadurch beschwert, daß das Gericht die Stattgebung nur auf einen Teil der geltend gemachten Rechtsgründe stützt, während es das Vorliegen anderer geltend gemachter Rechtsgründe verneint.

Im vorliegenden Fall wurde jedoch ein Zwischenurteil bekämpft. Bei Zwischenurteilen über den Grund des Anspruches kann eine Partei nicht nur durch den Urteilsspruch, sondern unter Umständen auch durch die Entscheidungsgründe beschwert sein. Wenn durch den Spruch des Zwischenurteiles der Anspruch undeutlich, ungenau oder zu eng bemessen wurde oder wenn Einwendungen, die zum Grund des Anspruches gehören, nicht durch den Spruch erledigt wurden, kann sich auch der Kläger durch das Zwischenurteil beschwert erachten, obwohl der Spruch dahin geht, daß sein Anspruch dem Grunde nach zu Recht besteht (6 Ob 260/65). Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn sich die Einschränkung des geltend gemachten Anspruches in der Begründung des Urteiles findet, weil dieser Begründung insbesondere dann, wenn sie vom Berufungsgericht bestätigt würde, eine bindende Wirkung für das fortgesetzte Verfahren zukommt. Der Spruch des Zwischenurteiles, der Anspruch bestehe dem Grunde nach zu Recht, erfährt seine Konkretisierung in einem solchen Fall erst durch die Begründung des Urteiles. Der Kläger ist hiedurch beschwert. Demgemäß muß er daher auch das Beschwerderecht haben, wenn er nicht Gefahr laufen will, daß die darin zum Ausdruck gekommene Rechtsansicht als für ihn bindend bestehen bleiben soll (Fasching III, 598, Fasching Zivilprozeßrecht Rz 1718, EvBl. 1964/229, 5 Ob 84/75). Im vorliegenden Fall trägt zwar der Spruch des angefochtenen Zwischenurteiles dem Klagebegehren dem Grunde nach vollinhaltlich Rechnung, doch ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des Erstgerichtes, daß dieses das Klagebegehren nur aus einem von mehreren geltend gemachten Rechtsgründen für berechtigt erachtet. Es besteht die Möglichkeit, daß unter Zugrundelegung dieses Rechtsgrundes nicht der gesamte Klagsbetrag, sondern nur ein Teil zugesprochen werden könnte. Würde demnach das erstgerichtliche Zwischenurteil bestehen bleiben, so müßte dies im Falle der Bestätigung des Ersturteiles infolge der mit der Bestätigung verbundenen bindenden Wirkung dazu führen, daß das übrige Klagebegehren abgewiesen wird, ohne daß der vom Erstgericht verneinte Rechtsgrund einer weiteren Prüfung zugeführt werden würde. Dies zeigt aber, daß ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der endgültigen Klärung der Frage besteht, ob im vorliegenden Fall auch der weitere von ihr geltend gemachte Rechtsgrund ihr Begehren deckt oder nicht. Aus diesem Grunde hat das Berufungsgericht zu Unrecht das Beschwerderecht der Klägerin betreffend der erstgerichtlichen Entscheidungsgründe verneint.

Das Berufungsgericht wird demnach auch über die Berufung der Klägerin sachlich zu entscheiden haben.