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OGH vom 13.07.1994, 3Ob551/94

OGH vom 13.07.1994, 3Ob551/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klaus I*****, vertreten durch Dr.Gerda Mahler-Hutter, Rechtsanwältin in Berndorf, wider die beklagte Partei Österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen-Aktiengesellschaft (früher Pyhrn Autobahn Aktiengesellschaft), Graz, Wilhelm-Raabe-Gasse 24, vertreten durch Dr.Michael Zsizsik, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen S 269.367,60 sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom , GZ 6 R 37/93-11, womit der Beschluß des Kreis- (nunmehr Landes-)gerichtes Leoben vom , GZ 5 Cg 326/92-7, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 11.565,-- (darin S 1.927,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die nunmehr beklagte Partei ist gemäß dem Bundesgesetz BGBl 1992/826 seit kraft Verschmelzung gemäß § 233 ABGB Rechtsnachfolgerin der ursprünglich beklagten Pyhrn Autobahn Aktiengesellschaft (im folgenden ebenfalls als beklagte Partei bezeichnet). Der Pyhrn Autobahn Aktiengesellschaft wurde mit Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom BGBl 564 unter anderem die Teilstrecke Kalwang - Mautern der A 9 Pyhrn Autobahn zur Planung, Errichtung und Erhaltung übertragen.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Bezahlung von S 269.367,60 sA. Im Zuge der Errichtung der angeführten Autobahnteilstrecke sei es in der von ihm betriebenen Fischzucht zu einer starken Verschmutzung des Fischwassers und zu einem umfangreichen Fischsterben gekommen. Es seien dann Gutachten über den Schaden eingeholt worden, der dem Kläger hiedurch entstanden sei. Am sei es zu einer Besprechung mit einem Vertreter der beklagten Partei gekommen, bei der dieser einen Schadenersatzanspruch in der Höhe von S 1,958.710,-- anerkannt habe. Eine Einigung über die Kosten, die dem Kläger wegen der Beiziehung eines Rechtsanwalts entstanden seien, habe nicht erzielt werden können. Die beklagte Partei habe zugesagt, daß der Vergleich noch schriftlich fixiert werde. Als Termin hiefür sei der 29. (gemeint wohl: 28.) 10.1992 in Aussicht genommen worden. Als schon mit der schriftlichen Fixierung des Vergleiches begonnen worden sei, sei völlig überraschend ein Beamter des Amtes der steiermärkischen Landesregierung erschienen und es habe sich herausgestellt, daß die beklagte Partei die Durchführung einer verwaltungsrechtlichen Verhandlung beantragt habe. Dabei sei im wesentlichen in einem Übereinkommen der am abgeschlossene Vergleich schriftlich fixiert worden. Sowohl der Vertreter des Klägers als auch der zur Verhandlung erschienene Vertreter der beklagten Partei seien sich einig gewesen, daß von dem Übereinkommen die dem Kläger durch die rechtsfreundliche Vertretung entstandenen Kosten nicht mitumfaßt seien und daß die Zuständigkeit des Verwaltungsverfahrens nicht gegeben sei. Der verglichene Betrag sei in der Zwischenzeit bezahlt worden. Dem Kläger seien durch die rechtsfreundliche Vertretung Kosten in der Höhe des Klagsbetrages entstanden.

Die beklagte Partei erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Es sei zwar richtig, daß im Zuge der Errichtung der Pyhrn Autobahn Schäden an der Fischzucht des Klägers entstanden seien. Dem Kläger sei deshalb mit Bescheiden des Amtes der steiermärkischen Landesregierung eine Entschädigung zuerkannt worden. Grundlage dieser Bescheide sei § 24 Abs 5 des Bundesstraßengesetzes 1972 BGBl 286 (BStG) gewesen. Die eingeklagten Kosten könnten daher nur im Verwaltungsverfahren geltend gemacht werden.

Das Erstgericht beschloß die abgesonderte Verhandlung über die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und wies die Klage im Sinn dieser Einrede zurück. Die Frage des Kostenersatzanspruchs könne nur von jener Behörde entschieden werden, vor der das Verfahren stattgefunden habe. Der Ersatz der in einem Verwaltungsverfahren aufgelaufenen Kosten könne nicht im Rechtsweg begehrt werden.

Das Rekursgericht hob infolge Rekurses des Klägers den Beschluß des Erstgerichtes auf und trug diesem die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens auf; es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Gegenstand der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung sei die Gewährung von Schadenersatz und nicht die Zuerkennung einer Enteignungsentschädigung gewesen. Für die Entscheidung über Schadenersatzansprüche seien auch dann, wenn der Schaden im Zuge der Errichtung einer Straße entstanden sei, die Gerichte zuständig. Die Beurkundung der Vereinbarung durch die Verwaltungsbehörde habe daran nichts geändert. Die Bescheide der Verwaltungsbehörde hätten auch keine Bindungswirkung in der Richtung entfaltet, daß der Kläger seine Kosten im Sinn des § 74 AVG im Verwaltungsverfahren hätte geltend machen müssen. Da es wegen des in der Hauptsache geschlossenen Vergleiches nicht zu einem Verfahren gekommen sei, könnten die den Gegenstand der Klage bildenden vorprozessualen Kosten nach den Bestimmungen des materiellen Rechtes (Schadenersatz, der sich inhaltlich nach den Grundsätzen der §§ 40 ff ZPO richte, oder Vertrag), vom Kläger verlangt und im ordentlichen Rechtsweg selbständig eingeklagt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der von der beklagten Partei gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zwar zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Bei der Prüfung der Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs ist grundsätzlich vom Vorbringen des Klägers und dem Klagebegehren auszugehen (RZ 1991/40; RZ 1984/18; SZ 51/41 ua). Da der Kläger selbst darauf Bezug genommen hat, ist bei der Entscheidung allerdings auch auf folgenden, im übrigen unbestrittenen und aus den von den Parteien vorgelegten Urkunden hervorgehenden Sachverhalt Bedacht zu nehmen:

Das Amt der steiermärkischen Landesregierung erließ am 30.4. und Bescheide, mit denen dem Kläger unter Berufung auf die §§ 17 bis 20 BStG und unter sinngemäßer Anwendung des EisbEG "Entschädigungsbeträge" für die Schäden zuerkannt wurden, die ihm durch den Bau der Pyhrnautobahn in seinem Fischaufzuchtbetrieb entstanden seien. In der Folge wird darauf hingewiesen, daß die Höhe der Entschädigung zwischen den Streitteilen im Wege eines gemäß § 29 EisbEG getroffenen Übereinkommens, dessen Inhalt sodann wiedergegeben wird, vereinbart worden sei. In der Niederschrift über die dem Bescheid vom zugrundeliegende, am von einem Beamten des Amtes der steiermärkischen Landesregierung durchgeführten Verhandlung ist die Erklärung des Vertreters des Klägers festgehalten, daß sich dieser seine Forderungen aus dem Titel des Schadenersatzes, insbesondere hinsichtlich der Kosten für rechtsfreundliche Vertretung, vorbehalte, daß der Vergleich der Bereinigung von Schadenersatz diene und daß daher keine Zuständigkeit des Verwaltungsverfahrens gegeben sei.

Der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung, daß der im § 24 Abs 5 BStG vorgesehene "Anspruch auf Schadenersatz" dem Wesen nach eine Enteignungsentschädigung sei, kann nicht gefolgt werden. § 24 Abs 5 BStG lautet:

"Die Eigentümer von der Bundesstraße benachbarten Grundstücken können die beim Bau einer Bundesstraße von Grundstücken des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) ausgehenden Einwirkungen nicht untersagen. Wird durch solche Einwirkungen die ortsübliche Benützung des nachbarlichen Grundes wesentlich beeinträchtigt, hat der Nachbar Anspruch auf Schadenersatz gegen den Bund (Bundesstraßenverwaltung) nur dann, wenn Organe des Bundes an dieser Beeinträchtigung ein Verschulden trifft oder soweit es sich um den Ersatz von Sachschäden an Bauwerken oder um die nicht bloß vorübergehende oder unerhebliche Beeinträchtigung einer rechtmäßigen Nutzung des Grundwassers oder Quellwassers handelt."

Gegen die Ansicht der beklagten Partei spricht schon, daß im § 24 Abs 5 BStG im Unterschied zu dem im § 18 BStG für die Enteignung gebrauchten Wort "Entschädigung" die Wörter "Anspruch auf Schadenersatz" verwendet werden. Ohne hinreichenden Grund ist aber nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber in ein und demselben Gesetz Wörtern mit verschiedener Bedeutung denselben Sinn beilegen wollte. Ferner spricht gegen die Ansicht der beklagten Partei, daß einer der Tatbestände des § 24 Abs 5 BStG Verschulden voraussetzt. Die Frage des Verschuldens ist aber nur für einen Anspruch auf Schadenersatz typisch und für eine Enteignungsentschädigung gewöhnlich ohne Bedeutung. Auch das Argument der beklagten Partei, es handle sich um eine solche Entschädigung, weil der geschädigte Grundeigentümer die Einwirkungen nicht untersagen könne, überzeugt nicht. Gerade der im Revisionsrekurs zitierte § 364a ABGB zeigt, daß auch in einem solchen Fall ein bürgerlichrechtlicher Ersatzanspruch zustehen kann, wobei sogar öffentliche Straßen ebenfalls Anlagen im Sinn der angeführten Bestimmung sind (JBl 1987, 381; Spielbüchler in Rummel, ABGB2 Rz 4 zu § 364a je mwN). Der Oberste Gerichtshof hat daher bereits ausgesprochen, daß durch die Bestimmung des § 24 Abs 5 BStG kein neuer besonderer Haftungstatbestand normiert, sondern die nachbarrechtliche Haftung des ABGB eingeschränkt werden und daher nicht zur Anwendung kommen sollte (EvBl 1980/143; vgl ZVR 1984/279). Nachbarrechtliche Ansprüche sind bürgerlichrechtlicher Natur, für ihre Geltendmachung steht gemäß § 1 JN der ordentliche Rechtsweg offen.

Die eingeklagten Kosten dienten daher zur Vorbereitung der Geltendmachung eines Anspruchs, über den die Gerichte im streitigen Verfahren zu entscheiden haben. Es handelt sich somit um echte "vorprozessuale" Kosten. Solche Kosten können aber selbständig eingeklagt werden, wenn der Hauptanspruch, zu dessen Geltendmachung sie bestimmt waren, vor der Einbringung einer Klage verglichen (SZ 27/115) oder berichtigt (ZVR 1987/42; SZ 12/68) wurde (für diese Fälle zustimmend auch M. Bydlinski, Kostenersatz 155 unten f). Beide Voraussetzungen sind hier aber erfüllt.

Zu prüfen bleibt allerdings noch, welche Bedeutung es hatte, daß der Hauptanspruch von einer Verwaltungsbehörde als öffentlich-rechtlicher Anspruch behandelt, daß das hierüber geschlossene Übereinkommen von ihr beurkundet und daß der Anspruch überdies noch durch einen vom Kläger nicht bekämpften Bescheid zuerkannt wurde. All dies kann aber an der rechtlichen Qualifikation des Hauptanspruchs als bürgerlichrechtlichen Anspruchs nichts ändern, weil sie der Disposition der Parteien entzogen ist. Die angeführten Umstände sind nur für die Kosten des vor der Verwaltungsbehörde durchgeführten Verfahrens wesentlich. Hiefür ist nämlich § 74 AVG maßgebend und es können diese Kosten im Rechtsweg nicht geltend gemacht werden (SZ 26/26; SZ 18/41; auf die abweichende Entscheidung SZ 27/77 = JBl 1954, 568 (abl Michlmayr) muß hier nicht eingegangen werden). Kosten des Verwaltungsverfahrens bilden aber nicht den Gegenstand der Klage. Die Frage, ob die eingeklagten vorprozessualen Kosten von dem von der Verwaltungsbehörde beurkundeten Übereinkommen erfaßt sind, betrifft die Berechtigung des Klagebegehrens und ist auf die Zulässigkeit des Rechtswegs ohne Einfluß, weshalb hierauf nicht weiter einzugehen ist.

Nicht weiter begründet werden muß, daß das Gesagte auch gilt, wenn man, wie der Kläger dies in der Revisionsrekursbeantwortung tut, als Rechtsgrund für die eingeklagte Forderung die Verletzung von Vertragspflichten aus dem mündlich zustandegekommenen Übereinkommen annimmt. Auch auf diese Frage muß daher nicht näher eingegangen werden.

Jedenfalls nicht gefolgt werden kann der vom Kläger in der Revisionsrekursbeantwortung noch vertretenen Meinung, sein Anspruch könne auch aus den Bestimmungen des WRG abgeleitet werden. Gegenüber dem hiefür allein in Betracht kommenden § 31 WRG ist nämlich § 24 Abs 5 BStG eine lex specialis, was die Anwendung der zuerst genannten Bestimmung ausschließt.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.