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OGH vom 28.06.2016, 2Ob84/16s

OGH vom 28.06.2016, 2Ob84/16s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** K*****, vertreten durch die Sachwalterin S***** K*****, beide *****, diese vertreten durch Mag. Michael Hirm, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagten Parteien 1. A***** S*****, und 2. U***** AG, *****, beide vertreten durch Dr. Helmut Trattnig, Rechtsanwalt in Ferlach, wegen Feststellung (Streitwert 34.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 16/16d 44, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Ein unabwendbares Ereignis setzt voraus, dass der Halter die äußerste nach den Umständen des Falles mögliche und zumutbare Sorgfalt eingehalten hat; es muss alles vermieden werden, was zur Entstehung einer gefahrenträchtigen Situation führen könnte (2 Ob 44/06v ZVR 2006/177; 2 Ob 210/09k ZVR 2011/194; RIS-Justiz RS0058326, RS0058278, RS0058411). An diese Sorgfaltspflicht sind strengste Anforderungen zu stellen; sie darf andererseits aber auch nicht überspannt werden, soll eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Erfolgshaftung vermieden werden (2 Ob 19/04i; 2 Ob 44/06v; zuletzt etwa 2 Ob 99/15w mwN). Dabei ist nicht rückblickend zu beurteilen, ob der Unfall bei anderem Verhalten vermieden worden wäre, sondern von der Sachlage vor dem Unfall auszugehen. Entscheidend ist demnach, welche Maßnahmen vorausschauend geboten waren (RIS-Justiz RS0058216; zuletzt etwa 2 Ob 99/15w). Der Umfang der gemäß § 9 Abs 2 EKHG gebotenen Sorgfalt hängt regelmäßig von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab (RIS Justiz RS0111708).

2. Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen ein unabwendbares Ereignis angenommen. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Erstbeklagte näherte sich außerhalb des Ortsgebiets auf einer 4,4 m breiten Fahrbahn mit etwa 50 km/h einer Gruppe von fünf entgegenkommenden Radfahrern an, die mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 km/h das „Windschattenfahren“ übte. Der Erstbeklagte fuhr so weit rechts, dass für die Radfahrer eine Durchfahrtslücke von 2,3 m verblieb; bei Beibehalten der Fahrlinien hätte der Abstand zwischen ihren linken Schultern und der linken Flanke des Beklagtenfahrzeugs 1,5 m betragen. Aufgrund eines Missverständnisses in der Gruppe bremste der dritte Radfahrer, was auch die nachkommenden Radfahrer, darunter den Kläger, zum Bremsen veranlasste. Dabei stürzte der Kläger vor das Beklagtenfahrzeug und wurde beim Anprall schwer verletzt. Der Erstbeklagte hatte die Bremsmanöver als solche nicht wahrnehmen können, erkennbar war für ihn nur das dadurch bedingte „Auseinanderreißen“ der Gruppe – also die Vergrößerung der Abstände – gewesen. Auf das sich abzeichnende „Kippen“ des Klägers reagierte er unverzüglich durch Bremsen und Auslenken.

3. Unter diesen Umständen ist die Auffassung vertretbar, dass der Erstbeklagte die nach § 9 Abs 2 EKHG gebotene Sorgfalt eingehalten hat. Angesichts der Durchfahrtslücke von 2,3 m und des (voraussichtlichen) Seitenabstands von 1,5 m bestand für ihn kein Anlass, seine Geschwindigkeit bei Annäherung an die Gruppe herabzusetzen. Aus der für ihn erkennbaren Vergrößerung der Abstände musste er nur schließen, dass die hinteren Radfahrer langsamer würden. Daraus war keine erhöhte Gefahr abzuleiten, die eine unverzügliche Reaktion erforderlich gemacht hätte. Wurde aber die gebotene Sorgfalt ohnehin eingehalten, kommt es auf die in der Revision angesprochenen Fragen zur Kausalität einer allfälligen Sorgfaltspflichtverletzung nicht an. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00084.16S.0628.000

Fundstelle(n):
YAAAD-66732