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OGH vom 06.07.2010, 1Ob89/10k

OGH vom 06.07.2010, 1Ob89/10k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ. Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. Kurt D*****, vertreten durch Dr. Dietrich Clementschitsch, Dr. Wolfgang Flucher, Dr. Reinhard Köffler und Dr. Günther Clementschitsch, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei Ing. Gaston G*****, vertreten durch Klaus Partner Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, wegen Feststellung (Streitwert 7.270 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 281/09i 43, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 16 C 2557/07w 39, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 556,99 EUR (darin enthalten 92,83 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte die Feststellung des Bestehens einer Servitut des Badestegs auf einem Grundstück des Beklagten (Wasserfläche eines Sees, der öffentliches Gewässer ist).

Die Vorinstanzen haben die wirksame Ersitzung dieser Servitut bejaht. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu der Frage fehle, ob notwendige, noch nicht erteilte verwaltungsbehördliche Bewilligungen die Ersitzung einer Dienstbarkeit des (auf einem im Privateigentum stehenden Grundstück errichteten) Badestegs verhinderten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist entgegen diesem nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.

1. Ein Dienstbarkeitsrecht, das zwingenden Bestimmungen öffentlichen Rechts widerspricht, kann nicht ersessen werden (RIS Justiz RS0113071; RS0109028). Das erfordert ein unmissverständlich und zwingend angeordnetes Verbot jener Nutzungsausübung, die andernfalls zum Erwerb des dinglichen Rechts durch Ersitzung führen könnte (5 Ob 70/04m = SZ 2004/55; 1 Ob 275/03b). Ein ausdrückliches Ersitzungsverbot enthält § 4 Abs 6 WRG, der die Ersitzung von Servituten am öffentlichen Wassergut ausschließt. Im konkreten Fall handelt es sich aber nicht um öffentliches Wassergut im Sinn der Legaldefinition des § 4 Abs 1 WRG, weil die Grundfläche, auf der die Steganlage errichtet wurde, im Privateigentum (des Beklagten) steht. Unter öffentlichem Wassergut ist nämlich nicht das öffentliche Gewässer (See) zu verstehen, sondern ausschließlich das Wasserbett als Grundfläche (1 Ob 155/74 = SZ 47/131; Oberleitner , WRG 2 [2007] § 4 Rz 1). Zum Eigentum des Grundeigentümers am Wasserbett gehört auch der über dem Grund befindliche Luftraum ( Bumberger/Hinterwirth , WRG [2008] § 4 E 11; EvBl 1963/163).

In den Fällen, in denen gesetzliche Vorschriften kein ausdrückliches Ersitzungsverbot festlegen, hat die Judikatur des Obersten Gerichtshofs bereits klargestellt, dass ein rechtlich unmöglicher Sachgebrauch als Ersitzungshindernis dann vorliegt, wenn die Nutzung während des Ersitzungszeitraums gegen gesetzliche Verbote (1 Ob 262/97d: nach § 1 Abs 1 Tiroler Landes Polizeigesetz unzulässige Lärmentwicklung; 7 Ob 226/01p: Bausperre nach § 8 Abs 1 Wiener Bauordnung bei einem fehlenden rechtsgültigen Flächenwidmungs und Bebauungsplan) oder gegen in einem Verwaltungsbescheid enthaltene Anordnungen (1 Ob 225/99s: bescheidwidrige Einleitung ungeklärter Abwässer) verstößt. Die Errichtung derartiger Steganlagen ist zwar nach § 38 Abs 1 WRG und seit (also ca 10 Jahre nach Ablauf der Ersitzungszeit) - nach § 4 lit a Kärntner Naturschutzgesetz 2002, LGBl 2002/79, bewilligungspflichtig, aber nicht verboten. Die Auffassung der Vorinstanzen, diese Bewilligungspflicht sei einer gegen zwingende öffentliche Vorschriften verstoßenden und damit rechtlich unmöglichen Nutzung nicht gleichzusetzen, hält sich somit im Rahmen der von der Judikatur entwickelten Kriterien.

2. Ein Rechtsbesitzer ist redlich, wenn er glauben kann, dass ihm die Ausübung des Rechts zusteht (RIS Justiz RS0010137). Der für die Ersitzung erforderliche gute Glaube fällt weg, wenn der Besitzer entweder positiv von der Unrechtmäßigkeit seines Besitzes Kenntnis erlangt oder zumindest solche Umstände erfährt, die an der Rechtmäßigkeit eines Besitzes zweifeln lassen (RIS Justiz RS0010184). Entscheidend für die Beurteilung der Redlichkeit ist ausschließlich die Rechtsausübung im Verhältnis zum Ersitzungsgegner. Die Redlichkeit der Besitzausübung wird etwa verneint, wenn der Eigentümer des (angeblich) dienenden Guts den Besitz für sich in Anspruch nimmt (1 Ob 508/92) oder die Benutzung eines Wegs von bestimmten Bedingungen (Aufstellen von Hinweistafeln „Privatbesitz Durchgang bis auf Widerruf gestattet“) abhängig gemacht wird (1 Ob 41/08y). Anhaltspunkte, an der Rechtmäßigkeit der Besitzausübung zu zweifeln, haben die Vorinstanzen verneint, was bei dem festgestellten Sachverhalt keinesfalls eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung darstellt. Bereits 1937 oder 1938 begann der Vater des Klägers mit der Errichtung eines Badestegs, der in der jetzigen Form seit 1962 besteht und jahrzehntelang völlig unbeanstandet durch den Grundstückseigentümer von der Familie des Klägers sowie von eingeladenen Freunden und Bekannten benutzt und teilweise vermietet wurde. Erstmals im Jahr 1993 forderte der frühere Eigentümer des Grundstücks für dessen Benutzung eine pauschale Entschädigung von 1.650 ATS. Der Kläger reagierte mit dem Hinweis auf ein ersessenes Recht, was der Voreigentümer auch bis zum Jahr 2000 akzeptierte. Mit seinen Argumenten zur nicht abgelaufenen Ersitzungszeit, insbesondere soweit es die erweiterte Nutzung durch Mieter und sonstige Dritte betrifft, geht der Revisionswerber nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

3. Da die Revision keine erheblichen Rechtsfragen aufzeigt, ist sie als unzulässig zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.