OGH vom 28.02.2018, 6Ob7/18z

OGH vom 28.02.2018, 6Ob7/18z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache 1. der am ***** geborenen L***** und 2. der am ***** geborenen S*****, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Vaters T*****, vertreten durch Kreuzer, Pfister & Girshausen Rechtsanwälte in München, Einvernehmensanwalt Dr. Michael Hohenauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom , GZ 2 R 27/16v-176, womit über Rekurs der Minderjährigen und des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts Liezen vom , GZ 3 Pu 127/11w-152, teilweise abgeändert und aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der im Übrigen als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird in seinem Punkt IV. dahin abgeändert, dass er zu lauten hat wie folgt:

„3. Der Vater T***** ist in Abänderung der ihm mit Beschluss des Bezirksgerichtes Liezen vom , GZ 3 Pu 127/11w76, bisher auferlegten Verpflichtung, für seine beiden Töchter monatlich je EUR 402 Unterhalt zu zahlen, zur Leistung nachstehender Unterhaltsbeiträge zu Handen der Mutter B*****, schuldig:

a) für L***** vom bis monatlich eines weiteren Betrags von 101 EUR, insgesamt daher monatlich 503 EUR, und

b) für S***** vom bis monatlich eines weiteren Betrags von 128 EUR, insgesamt daher monatlich 530 EUR.

Diese Erhöhungsbeträge sind binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen.

4. Das Mehrbegehren, den Unterhalt für beide Kinder vom bis auf je monatlich EUR 465,87 und vom bis auf monatlich EUR 474,54 sowie den Unterhalt für S***** vom bis auf monatlich EUR 593,18 zu erhöhen, wird abgewiesen.“

Soweit sich der Revisionsrekurs gegen Punkt V. des angefochtenen Beschlusses (Aufhebung der Unterhaltsbemessung für den Zeitraum ab ) richtet, wird ihm nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

L***** und S***** sind die Töchter von B***** und T***** S*****. Die Ehe der Eltern endete im November 2007. Die Töchter leben bei ihrer Mutter in Österreich. Der Vater ist aufgrund des Beschlusses des Erstgerichts vom zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 402 EUR für jede seiner Töchter verpflichtet.

Die Töchter beantragten, die Unterhaltspflicht ihres Vaters wie folgt neu festzusetzen:

a) vom bis je monatlich 465,87 EUR;

b) vom bis je monatlich 474,54 EUR.

a) vom bis monatlich 503,63 EUR;

b) vom bis monatlich 700,75 EUR;

c) vom bis monatlich 359,17 EUR;

d) ab monatlich 363,66 EUR.

a) vom bis monatlich 593,18 EUR;

b) ab monatlich 618,04 EUR.

Zudem stellten die Minderjährigen den Antrag, ihren Vater zur Leistung eines Unterhaltssonderbedarfs von 3.000 EUR für ihre rechtsanwaltlichen Vertretungskosten zu verpflichten.

Dazu brachten sie im Wesentlichen vor, die Einkommensverhältnisse ihres Vaters hätten sich seit der letzten Unterhaltsfestsetzung wesentlich geändert.

Der Vater beantragte im Hinblick auf das Erreichen der nächsten Altersstufe durch L***** am und ihre seit September 2014 im Zusammenhang mit ihrer Ausbildung bezogene Lehrlingsvergütung seinerseits, den Unterhalt für L***** ab Jänner 2014 bis einschließlich August 2014 mit monatlich 545 EUR neu festzusetzen und ihn dann ab September 2014 von seiner Unterhaltspflicht für sie zu befreien. Für S***** möge der Unterhalt ab Jänner 2014 auf monatlich 481 EUR erhöht werden.

Bezüglich des Unterhaltserhöhungsantrags der Minderjährigen wendete der Vater zusammengefasst ein, im Jahr 2012 habe sich sein Lohn nur geringfügig erhöht, sodass eine Änderung der bestehenden Unterhaltspflicht nicht gerechtfertigt sei. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse habe sich erst im September 2013 durch den Wegfall seiner Unterhaltspflicht gegenüber seiner geschiedenen Gattin und in der Folge per Februar 2014 (Vollendung des 15. Lebensjahres durch L*****) sowie per Oktober 2014 (Beginn der Lehre durch L***** ab September 2014) ergeben. Nach seinen Berechnungen betrage die Unterhaltsbemessungsgrundlage ab September 2013 3.130,67 EUR, ab Februar 2014 3.197,35 EUR und ab August 2014 3.270,84 EUR, wobei er die Krankenversicherungsbeiträge und die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgezogen habe. Ab September 2013 sei der Unterhalt für L***** und S***** auf je 469 EUR pro Monat zu erhöhen. L***** gebühre dann ab Februar 2014 ein monatlicher Unterhalt von 543 EUR und ab Oktober 2014 ein solcher von nur noch 112 EUR.

Mit Beschluss vom wies das Erstgericht den Antrag der Minderjährigen, die Unterhaltspflicht des Vaters vom bis für beide Kinder auf je 465,87 EUR pro Monat zu erhöhen, zurück (Punkt 1. der Entscheidung). Ihren Antrag, den Vater zur Leistung eines Unterhaltssonderbedarfs von 3.000 EUR zu verpflichten, wies es ab (Punkt 2.). Die Unterhaltspflicht des Vaters für L***** setzte es für die nachstehenden Zeiträume folgendermaßen neu fest (Punkt 3.a):

aa) vom bis monatlich 447 EUR;

ab) vom bis monatlich 542 EUR;

ac) vom bis monatlich 558 EUR;

ad) vom bis monatlich 277 EUR;

ae) vom bis monatlich 285 EUR;

af) vom bis monatlich 283 EUR;

ag) ab monatlich 234 EUR.

Hinsichtlich S*****s verpflichtete das Erstgericht den Vater für nachstehende Zeiträume zur Leistung folgender neuen Unterhaltsbeträge (Punkt 3.b):

ba) vom bis monatlich 478 EUR;

bb) vom bis monatlich 493 EUR;

bc) vom bis monatlich 496 EUR;

bd) ab monatlich 562 EUR.

Das Unterhaltsmehrbegehren der Minderjährigen wies es ab (Punkt 4.).

Dabei ging das Erstgericht im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Der Vater ist beim Landesamt für Finanzen, Dienststelle M*****, beschäftigt. Er erzielte unter Berücksichtigung der Weihnachtsgratifikation, der monatlichen Krankenversicherungsbeiträge sowie der monatlichen Fahrtkosten folgende durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen

a) im Jahr 2012 in Höhe von 3.267,52 EUR,

b) im Jahr 2013 von 3.189,62 EUR,

c) im Jahr 2014 von 3.284,52 EUR und

d) im Jahr 2015 von 3.307,77 EUR.

Er ist außer für die beiden Minderjährigen noch für seine Ehefrau sorgepflichtig, die im Jahr 2012 einen Verlust von 1.019,63 EUR, im Jahr 2013 einen Gewinn von 1.266,63 EUR und im Jahr 2014 einen Gewinn von 709,02 EUR erzielte. Bis einschließlich August 2013 war er auch für seine geschiedene Ehegattin sorgepflichtig.

L***** ist seit als HGA-Lehrling beschäftigt. Im ersten Lehrjahr erhielt sie inklusive anteiliger Sonderzahlungen eine Nettolehrlingsentschädigung von monatlich 669,29 EUR. Nach Abzug der Kleiderpauschale verbleibt ein anrechenbares Eigeneinkommen von 634,09 EUR pro Monat. Seit beträgt dieser Betrag 729,38 EUR pro Monat. Die Kosten für die Berufsschule von ca 900 EUR hat L***** selbst zu tragen. Gleiches gilt für die Fahrtkosten von ca 100 EUR jährlich. Im ersten Lehrjahr hatte L***** Kleideraufwendungen in Höhe von ca 48,12 EUR monatlich. Nach Abzug der vom Dienstgeber gewährten Kleidungspauschale verbleibt ein monatlicher, von ihr zu tragender Aufwand für Arbeitskleidung in Höhe von 12,92 EUR.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft des Beschlusses vom die neuerliche Sachentscheidung für den Zeitraum bis ausschließe. Nach der für die Unterhaltsbemessung grundsätzlich anzuwendenden Prozentmethode gebühre Kindern in der Altersgruppe von 10 bis 15 Jahren 20 % und Kindern über 15 Jahren 22 % des anrechenbaren Einkommens des Unterhaltspflichtigen als Unterhalt. Die Sorgepflicht für jedes weitere Kind über 10 Jahre sei mit einem Abzug von 2 %Punkten zu berücksichtigen. Im Fall der Sorgepflicht für eine Ehefrau seien je nach dem Verhältnis der Einkommen des Unterhaltsschuldners und seiner Gattin 0 bis 3 %Punkte abzuziehen. Im vorliegenden Fall sei im Hinblick auf die Einkommensdifferenz ein Abzug von 3 % vorzunehmen. Die bis August 2013 bestehende weitere Sorgepflicht des Vaters für seine geschiedene Gattin sei ebenfalls mit einem Abzug von 3 % zu berücksichtigen. Dies ergebe für L***** für den Zeitraum bis einen Anspruch auf 14 % und ab September 2013 17 % des anrechenbaren Einkommens des Vaters. Infolge ihres Einkommens ab September 2014 verringere sich ihr Unterhaltsanspruch.

S***** habe vom bis Anspruch auf 15 % und ab August 2015 auf 17 % des anrechenbaren Einkommens ihres Vaters.

Eine steuerliche Entlastung des in Österreich nicht steuerpflichtigen Unterhaltsschuldners habe nicht zu erfolgen. Der Splittingvorteil für Ehegatten gelte nur in Deutschland.

Mit den nunmehr festgelegten Unterhaltsbeiträgen sei die Leistungsfähigkeit des Vaters ausgeschöpft, sodass der von den Minderjährigen begehrte Unterhaltssonderbedarf nicht zuzuerkennen sei. Zudem liege kein Deckungsmangel vor.

Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des Antrags auf Sonderbedarf. Für den Zeitraum bis änderte es die Unterhaltsbemessung des Erstgerichts dahin ab, dass der Vater zu folgenden erhöhten Unterhaltsbeiträgen verpflichtet wurde:

aa) vom bis monatlich 435 EUR;

ab) vom bis monatlich 503,63 EUR;

ba) vom bis monatlich 435 EUR;

bb) vom bis monatlich 545 EUR.

Zum Einkommen des Vaters traf es folgende ergänzende Feststellungen:

Im den Vater und seine Gattin betreffenden Bescheid über die Einkommenssteuer und den Solidaritätszuschlag für 2012 sind der Berechnung des zu versteuernden Einkommens der Ehegatten Einkünfte des Vaters aus nicht selbstständiger Arbeit von 52.391 EUR (Bruttoarbeitslohn 53.391 EUR abzüglich Arbeitnehmer-Pauschbetrag 1.000 EUR) und Einkünfte seiner Gattin aus einem Gewerbebetrieb als Einzelunternehmerin von - 804 EUR, also Gesamteinkünfte von 51.587 EUR zugrunde gelegt worden. Von diesen wurden Krankenversicherungsbeiträge von 2.941 EUR (Ehemann 1.895 EUR; Ehefrau 1.046 EUR), Pflegeversicherungsbeiträge von 271 EUR (Ehemann 117 EUR; Ehefrau 154 EUR), ein Kirchensteuerbetrag von 96 EUR und ein Betrag von 370 EUR (im Kalenderjahr 2012 geleistete Zuwendungen § 10b EStG) in Abzug gebracht, sodass sich ein nach dem Splittingtarif zu versteuerndes Einkommen von 47.909 EUR ergab. Auf Basis dieses Betrags wurde die Einkommenssteuer mit 7.604 EUR, davon 5,5 % Solidaritätszuschlag 418,22 EUR, festgesetzt. Da vom Lohn 2012 aber bereits ein Steuerbetrag von 11.088 EUR und ein Solidaritätszuschlag von 609,77 EUR abgezogen worden waren, ergab sich ein Guthaben von 3.675,55 EUR (Einkommenssteuer 3.484 EUR; Solidaritätszuschlag 191,55 EUR).

Im den Vater und seine Gattin betreffenden Bescheid über die Einkommenssteuer und den Solidaritätszuschlag für 2013 sind der Berechnung des zu versteuernden Einkommens der Ehegatten Einkünfte des Vaters aus nicht selbstständiger Arbeit von 55.110 EUR (Bruttoarbeitslohn 56.110 EUR abzüglich mind Arbeitnehmer-Pauschbetrag 1.000 EUR) und Einkünfte seiner Gattin aus einem Gewerbebetrieb als Einzelunternehmerin von 1.741 EUR, also Gesamteinkünfte von 56.851 EUR zugrunde gelegt worden. Von diesen wurden Krankenversicherungsbeiträge von 2.181 EUR (Ehemann 1.910 EUR; Ehefrau 271 EUR), Pflegeversicherungsbeiträge von 155 EUR (Ehemann 114 EUR; Ehefrau 41 EUR), ein Kirchensteuerbetrag von 339 EUR und ein Betrag von 375 EUR (im Kalenderjahr 2013 geleistete Zuwendungen § 10b EStG) in Abzug gebracht, sodass sich ein nach dem Splittingtarif zu versteuerndes Einkommen von 54.479 EUR ergab. Auf Basis dieses Betrags wurde die Einkommenssteuer mit 9.496 EUR, davon 5,5 % Solidaritätszuschlag 522,28 EUR festgesetzt. Da vom Lohn 2013 aber bereits ein Steuerbetrag von 14.137 EUR und ein Solidaritätszuschlag von 777,41 EUR abgezogen worden waren, ergab sich ein Guthaben von 4.896,13 EUR (Einkommenssteuer 4.641 EUR; Solidaritätszuschlag 255,13 EUR).

Rechtlich führte es aus, unter Berücksichtigung dieser ergänzenden Feststellungen erscheine es im Hinblick auf den von der Gattin des Vaters im Jahr 2012 erwirtschafteten Verlust sachgerecht, das gesamte Guthaben für dieses Jahr von 3.675,55 EUR dem Vater zuzurechnen. Teile man diesen Betrag auf 12 Monate auf, ergebe sich ein monatlicher Betrag von 306,30 EUR, um welchen sich die bisher angenommene Unterhaltsbemessungsgrundlage von monatlich 3.305 EUR erhöhe, sodass für 2012 von einer Bemessungsgrundlage von gerundet 3.610 EUR pro Monat auszugehen sei. Damit ergebe sich bereits für 2012 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse. Im Jahr 2013 betrügen die Bruttoeinkünfte des Vaters 56.110 EUR, die Einkünfte seiner Gattin 1.741 EUR. Somit stellten die Einkünfte des Vaters rund 97 % des Familieneinkommens dar. Vom Guthabensbetrag für 2013 von 4.896,13 EUR seien ihm daher 97 %, also ein Betrag von 4.749,25 EUR zuzurechnen. Aufgeteilt auf 12 Monate ergebe sich ein Betrag von monatlich 395,77 EUR. Damit erhöhe sich die bisherige Unterhaltsbemessungsgrundlage von 3.229 EUR auf gerundet 3.625 EUR pro Monat.

Für den Zeitraum bis (Wegfall der Sorgepflicht des Vaters für seine geschiedene Gattin ab September 2013) gebührten den beiden damals in der Altersstufe von 10 bis 15 Jahren befindlichen Minderjährigen jeweils 12 % des anrechenbaren Einkommens des Vaters als Unterhalt (20 %  2 % für die Schwester  3 % für die Ehegattin  3 % für geschiedene Gattin). Ausgehend von einer Unterhaltsbemessungsgrundlage von 3.610 EUR pro Monat im Jahr 2012 habe der Vater daher vom 10. 2. bis sowohl für L***** als auch für S***** monatlich 435 EUR Unterhalt zu leisten.

Im Jahr 2013 betrage die Unterhaltsbemessungsgrundlage 3.635 EUR pro Monat, sodass vom 1. 1. bis ebenfalls ein monatlicher Unterhalt von jeweils 435 EUR für die beiden Kinder resultiere. Vom 1. 9. bis hätten die Minderjährigen infolge des Wegfalls der Sorgepflicht des Vaters für seine geschiedene Gattin Anspruch auf 15 % der Bemessungsgrundlage von 3.625 EUR. Dies ergebe einen Betrag von 545 EUR pro Monat. Für L***** sei in diesem Zeitraum aber nur ein monatlicher Unterhalt von 503,63 EUR gefordert worden, weshalb ihr auch nur Unterhaltsbeiträge in dieser Höhe zuerkannt werden könnten.

Für die Jahre ab 2014 lägen bislang keine Steuerbescheide vor. Hinsichtlich dieses Zeitraums sei daher mit Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht vorzugehen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil zur Frage der konkreten Vorgangsweise bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen im Fall eines ihm nach deutschem Recht zukommenden steuerlichen Splittingvorteils noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; er ist teilweise berechtigt.

1.1. Die grundsätzliche Frage, ob und wie das deutsche Ehegattensplitting beim Einkommen des Vaters zu berücksichtigen ist, ist durch die Entscheidung des erkennenden Senats 6 Ob 153/16t bereits geklärt. Demnach ist der Splittingvorteil sowohl bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs minderjähriger Kinder als auch bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Die konkrete Aufteilung des Steuerguthabens auf den Vater und seine neue Ehefrau im Verhältnis ihrer Einkommen wird im Revisionsrekurs nicht bekämpft. Diesbezüglich wurde in der Vorentscheidung 6 Ob 153/16t (ErwGr 1.6) unter Hinweis auf BGHJudikatur bereits ausgeführt, dass mangels gegenteiliger Anhaltspunkte der Splittingvorteil im Verhältnis der Höhe der jeweils erzielten Einkommen der Ehegatten aufzuteilen ist.

1.2. Dem im Revisionsrekurs erhobenen Einwand, die im Unterhaltsrecht gängige Prozentsatzmethode sei im vorliegenden Fall nicht angemessen, weil der Vater nicht an den österreichischen Transferleistungen partizipiere, ist entgegenzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung zwar die im Rahmen der Unterhaltsbemessung gebotene steuerliche Entlastung dann nicht zu erfolgen hat, wenn der Unterhaltsschuldner in Österreich nicht steuerpflichtig ist (RISJustiz RS0117122), gleichwohl aber in derartigen Fällen die Prozentsatzmethode angewendet wird (vgl zB 7 Ob 207/03x). Auch in der zitierten Vorentscheidung 6 Ob 153/16t (ErwGr 3.1) wurde auf diese Frage bereits eingegangen und ausgeführt, durch die Prozentmethode werde dem Bedarf des Kindes in Österreich Rechnung getragen. Der Frage, ob die Unterhaltsleistungen in Deutschland steuerlich berücksichtigt werden können, kommt insofern daher keine Relevanz zu.

1.3. In der zuletzt zitierten Entscheidung (ErwGr 1.5) ist der erkennende Senat auch auf die deutsche Judikatur und den Schutz der Ehe nach dem deutschen Grundgesetz eingegangen. Die nunmehrigen Rekursausführungen wiederholen im Wesentlichen die seinerzeitige Rekursbeantwortung des Vaters, ohne neue Argumente ins Treffen zu führen. Damit ist die Frage der grundsätzlichen Berücksichtigung des Steuersplittings durch die Vorentscheidung bereits abschließend beantwortet.

2.1. Hingegen ist dem Revisionsrekurswerber beizupflichten, soweit er sich dagegen wendet, dass das Rekursgericht die Steuererstattung für das Jahr 2012 nicht erst 2013, sondern schon 2012 berücksichtigt hat. Tatsächlich sei die Steuererstattung dem Vater erst im Jahr 2013 zugeflossen.

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung sind Lohnsteuerrückvergütungen in die Bemessungsgrundlage einzurechnen. Diese vermehren die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen in dem Jahr, in dem die Rückvergütungen dem Abgabenpflichtigen zufließen, sodass es billig erscheint, diese Einkommensbestandteile auf dieses Jahr insgesamt aufzuteilen (RISJustiz RS0047261). Dies steht mit dem Rechtssatz im Einklang, wonach Bemessungsgrundlage für den Unterhalt stets die tatsächliche wirtschaftliche Lage sein solle (RISJustiz RS0013386).

2.3. Diese Vorgangsweise ist auch im Zusammenhang mit dem Ehegattensplitting nach deutschem Recht einzuhalten. Der Vorteil ist daher für jenes Jahr zu berücksichtigen, in dem er dem Steuerpflichtigen tatsächlich zufließt (RISJustiz RS0047261). Im vorliegenden Fall wurde der Einkommenssteuerbescheid für 2012 am erlassen; darin wird die Auszahlung eines Guthabens von 3.675,55 EUR angekündigt. Der Einkommenssteuerbescheid für 2013 datiert aus dem Jahr 2014; auch darin wird eine Auszahlung des Guthabens von 4.896,13 EUR angekündigt. Daher ist davon auszugehen, dass der Steuervorteil aus dem Einkommenssteuersplitting 2012 dem Vater erst im Jahr 2013 zugeflossen ist und somit erst in diesem Jahr zu berücksichtigen ist. Der Vorteil aus dem Jahr 2013 wäre dementsprechend erst im Folgejahr 2014 zu berücksichtigen. Gleiches gilt für den gesamten Zeitraum, für den das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichts aufgehoben hat.

2.4. Damit erhöhte sich das Einkommen des Vaters erst im Jahr 2013. Der monatliche Betrag der Steuergutschrift für das Jahr 2012 von 3.675,55 EUR errechnet sich mit 306,30 EUR. Daraus ergibt sich zusammen mit dem monatlichen Durchschnittseinkommen von 3.229 EUR eine Bemessungsgrundlage von 3.535,30 EUR. Dies bedeutet gegenüber der im Beschluss des Erstgerichts vom zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage von 3.354,23 EUR aber nur eine Erhöhung von 5,4 %. Dies liegt jedoch deutlich unter der von der Rechtsprechung für die Annahme geänderter Einkommensverhältnisse angesetzten Grenze von etwa 10 % (vgl 8 Ob 75/10b; RISJustiz RS0126233).

2.5. Eine relevante Änderung ergibt sich daher erst mit dem Wegfall der Unterhaltspflicht des Vaters für seine geschiedene Gattin ab , weil die Kinder ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf 15 % der Bemessungsgrundlage haben. Dies ergibt einen Betrag von jeweils 530 EUR, wobei für L***** aber nur 503,63 EUR gefordert wurden. Insoweit war der angefochtene Beschluss daher spruchgemäß abzuändern, wobei eine Rundung auf ganze EuroBeträge erfolgte.

Der Vater hat nicht vorgebracht, seinen Töchtern im Zeitraum bis mehr als je 402 EUR gezahlt zu haben.

3. Die Auffassung des Rekursgerichts, für das Jahr 2014 sei eine abschließende Festsetzung des Unterhaltsbetrags mangels vorliegender Unterlagen über das Einkommen des Vaters nicht möglich, bedarf keiner Korrektur. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Steuergutschrift für das Jahr 2013 erst im Jahr 2014 ausbezahlt und damit wirksam wurde.

4. Der im Revisionsrekurs gestellte Antrag, „die Sache“ dem „Verfassungshof“ (gemeint: Verfassungsgerichtshof) vorzulegen, ist nach ständiger Rechtsprechung nicht zulässig (RISJustiz RS0058452). Außerdem wird im Revisionsrekurs gar nicht die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes oder einer Verordnung behauptet, sondern die Frage aufgeworfen, ob die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mit dem europarechtlichen Diskriminierungsverbot gemäß Art 18 AEUV bzw „den gesetzlichen Bestimmungen zum Unterhalt in Österreich“ im Einklang steht. Für die Beantwortung derartiger Fragen ist der Verfassungsgerichtshof aber gar nicht zuständig (vgl Art 137 ff BVG).

5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00007.18Z.0228.000

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