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OGH vom 28.08.2013, 6Ob7/13t

OGH vom 28.08.2013, 6Ob7/13t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** W*****, vertreten durch Dr. Longin Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde S*****, vertreten durch Holter Wildfellner Rechtsanwälte OG in Grieskirchen, wegen Feststellung und Einwilligung, über den Rekurs und den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungs und Rekursgericht vom , GZ 3 R 191/12x 51, mit dem die Entscheidung des Landesgerichts Wels vom , GZ 26 Cg 52/11t 47, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2, § 528 Abs 3 Satz 2 und § 521a Abs 2 ZPO abgewiesen.

II. Der Rekurs wird zurückgewiesen .

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit 463,82 EUR (darin enthalten 77,30 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

III. Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Schriftsatzes vom selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Wurde die strittig gewordene Grenze zwischen Grundstücken im Außerstreitverfahren nach dem letzten ruhigen Besitzstand festgelegt, bleibt es jeder Partei gemäß § 851 Abs 2 ABGB vorbehalten, ihr besseres Recht im Prozessweg geltend zu machen. Dieses bessere Recht kann Eigentum oder publizianischer Besitz an der strittigen Fläche sein. Der Kläger bleibt für die zuletzt in der dafür vorgesehenen Rechtsform festgelegte Grenze beweispflichtig. Gelingt ihm dieser Beweis nicht, so hat es bei der vom Außerstreitrichter festgelegten Grenze zu verbleiben (7 Ob 701/89; 1 Ob 512/96 SZ 69/187; 3 Ob 247/97p; 7 Ob 117/08v [Eigentumsklage besonderer Art]; Parapatits in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.01 [2013] § 851 Rz 9; Egglmeier-Schmolke in Schwimann/Kodek , ABGB 4 [2013] § 851 ABGB Rz 8; dies in Schwimann , TaKomm² [2013] § 851 ABGB Rz 3). An eine frühere Entscheidung über den Grenzverlauf im Außerstreitverfahren ist der Richter im streitigen Verfahren nicht gebunden ( Parapatits aaO).

Die Entscheidung des Bezirksgerichts Eferding im Verfahren 1 Nc 25/03i entfaltet damit für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bindungswirkung.

2. Die Einmaligkeitswirkung erfasst zwar nach ihrer Reichweite sich betragsmäßig deckende Ansprüche im Folgeprozess sowie ein quantitatives Minus; sie erfasst ebenso das begriffliche Gegenteil des rechtskräftig entschiedenen Begehrens. Diese Grundsätze gelten auch für ein rechtskräftig entschiedenes Feststellungsbegehren. Daraus ergibt sich etwa für den Fall, dass ein sich nur auf einen Teil eines Weges zwischen den fraglichen Grenzpunkten beziehendes Begehren auf Feststellung beziehungsweise auf Unterlassung im korrespondierenden Begehren, das den gesamten Weg zwischen diesen Grenzpunkten betrifft, enthalten ist und damit Bindungswirkung besteht (8 Ob 126/12f).

Die zweite Instanz ist davon ausgegangen, dass sich die Begehren auf Feststellung des Eigentums der Klägerin im Verfahren 6 C 1003/97m des Bezirksgerichts Eferding und im vorliegenden Rechtsstreit nicht auf dieselben „Bereiche“ des strittigen Weggrundstücks bezogen; die beklagte Partei bestreitet dies.

3. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO wird damit nicht angesprochen, weshalb der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen war. Dies gilt auch hinsichtlich der Ausführungen der zweiten Instanz, die den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung zuließ, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „zur konkreten Fallkonstellation im Zusammenhang mit der Reichweite des Prozessstoffes im Sinn des § 411 ZPO“.

4. Das Begehren einer Klage nach § 851 Abs 2 ABGB lautet nach herrschender Meinung ( Lachout , Nachbarrecht, ÖJZ 1953, 589; Sailer in Koziol/Bydlinski/Bollenberger , ABGB³ [2010] § 851 Rz 7; Parapatits in Kletečka/Schauer , ABGB ON 1.01 [2013] § 851 Rz 8; Egglmeier Schmolke in Schwimann/Kodek , ABGB 4 [2013] § 851 ABGB Rz 8) auf Feststellung der richtigen Grenze und auf Einwilligung in die Vermarkung. Dass die verfahrensgegenständlichen Grundstücke bereits im Grenzkataster enthalten wären und deshalb § 851 Abs 2 ABGB keine Anwendung (mehr) finden würde (§ 853a ABGB), haben weder die Parteien behauptet noch ließe sich dies aus dem Grundbuch ersehen; bei keinem der Grundstücke ist dort nämlich ein G vermerkt (vgl Parapatits aaO § 853a Rz 1).

Damit liegt aber auch die von der beklagten Partei als erheblich bezeichnete Rechtsfrage der Rechtsgrundlage für das Einwilligungsbegehren der Klägerin in die Vermarkung nicht vor.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in der Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Da die Klägerin ihr Begehren auf Einwilligung in die Vermarkung nicht bewertet hat, gilt der Zweifelsstreitwert des § 56 Abs 2 JN.

Die Entscheidung über die Kosten des Schriftsatzes der beklagten Partei vom gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Dass die Klägerin bei Verfassung ihrer Rechtsmittelbeantwortungsschrift Kenntnis vom Gemeinderatsbeschluss der beklagten Partei vom gehabt und daher „wider besseren Wissens und rechtsmissbräuchlich“ die Urkundenvorlage veranlasst hätte, stellt wie sich aus dem Schriftsatz der beklagten Partei selbst ergibt eine Vermutung dar; im Übrigen wäre es Sache der beklagten Partei gewesen, von vorneherein dafür Sorge zu tragen, dass das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen ausreichend bescheinigt wird.