OGH vom 22.06.2021, 4Ob77/21h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Matzka und die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Dr. Johannes Öhlböck, LL.M, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei P*****, vertreten durch die Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte – Gesellschaft mbH in Wien, wegen 39.095,81 EUR sA, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 13/20y-18, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 35 Cg 89/18d-12, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Das Revisionsverfahren wird fortgesetzt.
II. Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.205,18 EUR (darin enthalten 367,53 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Zu I:
[2] Der Oberste Gerichtshof hat das Revisionsverfahren mit Beschluss vom , AZ 4 Ob 117/20i, bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren zu AZ 27 Kt 5/18i des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht unterbrochen.
[3] Dieses Verfahren ist durch den Beschluss des Obersten Gerichtshofs als Kartellobergericht vom zu AZ 16 Ok 4/20d im hier relevanten Teil beendet worden. Entgegen der Annahme des Senats im Zeitpunkt der Fassung des von der Klägerin beantragten Unterbrechungsbeschlusses war das Ergebnis des kartellrechtlichen Verfahrens für diesen Rechtsstreit nicht präjudiziell.
[4] Das Revisionsverfahren ist daher wie von der Klägerin mit Schriftsatz vom beantragt fortzusetzen.
[5] Zu II:
[6] Die klagende Kfz-Vertragshändlerin macht Schadenersatzansprüche gegen die beklagte Generalimporteurin wegen Marktmachtmissbrauchs gemäß Art 102 AEUV und § 5 KartG geltend. Bis 2010 habe die Beklagte der Klägerin bei Einhaltung gewisser Qualitätsstandards eine Fixmarge von 5,5 % vom Nettolistenpreis der im jeweiligen Monat ausgelieferten Fahrzeuge und zusätzlich Prämien bei Erreichung von Jahreszielen ausgezahlt. Im Jahr 2010 habe sie das Prämiensystem einseitig von der Auszahlung einer Fixmarge ohne Verkaufszielbindung auf die Auszahlung einer variablen, an die Erreichung von Jahreszielen gebundenen Marge umgestellt. Im Vertragshändlervertrag vom habe die Beklagte sich außerdem unzulässigerweise vorbehalten, die Verkaufsziele ohne definierte sachliche Gründe einseitig zu ändern. Für die Jahre 2016 und 2017 habe die Beklagte unerreichbare quartalsweise bzw monatliche Verkaufsziele vorgegeben. Als Schaden machte die Klägerin ihren Mindererlös an Prämien in den Jahren 2016 und 2017 im Vergleich zur vor 2010 üblichen Fixmarge von 5,5 % geltend.
[7] Die Beklagte wendete Verjährung sowie Unschlüssigkeit der Klage ein. Selbst bei unzulässigen Zielvorgaben für 2016 und 2017 habe die Klägerin schon nach ihrem Vorbringen keinen Anspruch auf die Fixmarge aus der Zeit bis 2010. In der Sache brachte sie vor, dass weder eine marktbeherrschende Stellung noch ein Missbrauch derselben vorliege. Die Beklagte habe auch 2016 und 2017 noch Fixmargen bezahlt. Zusätzlich gewähre sie als Anreiz variable Vertriebspartner- und Strukturboni sowie Leistungsprämien. Die Prämiengewährung erfolge dabei nach sachlichen Kriterien diskriminierungsfrei für alle Vertragshändler auf Basis der jährlich festgesetzten „Kommerziellen Politik“.
[8] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Ausgehend vom Vorbringen der Parteien sei das Klagebegehren unschlüssig und zudem verjährt. Die Klägerin habe trotz entsprechender Einwendungen der Beklagten und Erörterung durch das Gericht nicht klargestellt, wieso ihr wegen behaupteter überhöhter Monatsziele aus 2016 und 2017 eine Fixmarge nach dem Prämienmodell aus 2008 zustehe.
[9] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts seien die Schadenersatzansprüche zwar nicht verjährt. Änderungsvorbehalte in Verträgen zwischen Unternehmern seien nicht per se unzulässig. Die Klage sei jedoch unabhängig von der Wirksamkeit dieser Klausel im Vertrag 2011 unschlüssig. Aus dem Vorbringen sei nicht abzuleiten, wieso bereits die Umstellung des Prämiensystems im Jahr 2010 missbräuchlich iSd § 5 KartG bzw Art 102 AEUV gewesen sein sollte. Selbst falls die Zielvorgaben für die Jahre 2016 und 2017 einen Marktmissbrauch begründen sollen, so wäre der daraus resultierende Schaden allein auf Basis des im Jahr 2010 eingeführten Prämiensystems zu berechnen, nicht hingegen durch Vergleich mit einer davor üblichen Fixmarge.
[10] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die Beurteilung der kartellrechtlichen Grenzen der Zulässigkeit auf einer Änderungsklausel basierender Änderungen des Prämiensystems noch nicht Gegenstand der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gewesen sei.
[11] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.
[12] Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die Revision ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts in Ermangelung von erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[14] 1. Das Berufungsgericht hielt die Klage unabhängig von der Gültigkeit des Änderungsvorbehalts im Händlervertrag aus dem Jahr 2011 für unschlüssig. Aus dem Vorbringen der Klägerin sei nicht erkennbar, wieso bei Wegfall der Klausel im Händlervertrag aus 2011 nicht auf das bereits 2010 eingeführte Prämiensystem zurückzugreifen wäre, sondern auf ein noch früher verwendetes.
[15] 2. Die Klägerin setzt sich mit dieser rechtlichen Beurteilung zur fehlenden Schlüssigkeit inhaltlich nicht auseinander. Sie beschränkt sich stattdessen auf eine Wiederholung ihrer Rechtsansicht, dass die Änderungsklausel im Händlervertrag aus 2011 unbestimmt, gröblich benachteiligend und daher nichtig sei, und postuliert, dass ohne die Änderungsklausel der Grundsatz unveränderter vertraglicher Bindung uneingeschränkt zu gelten habe, weshalb es nie zu einer wirksamen Abänderung der Fixmarge gekommen sei. Weitere Ausführungen finden sich dazu nicht.
[16] Die von den Vorinstanzen bejahte Unschlüssigkeit der Schadensberechnung kann so nicht widerlegt werden. Aus dem Vorbringen der Klägerin während des gesamten Verfahrens ist nicht erkennbar, auf welchem Rechtsgrund die Zahlung einer Fixmarge bis 2010 beruht habe, geschweige denn, dass derselbe Rechtsgrund überhaupt Leistungsanreize auch für die Zeit nach 2010 regeln und daher als Vergleichswert für eine Differenzberechnung dienen könnte. Die Klägerin bestritt in diesem Zusammenhang nicht einmal das konkrete Vorbringen der Beklagten, dass die Prämien und Leistungsanreize jeweils immer nur für ein Jahr festgelegt worden seien.
[17] Im Ergebnis bekämpft die Revision die Begründung der Vorinstanzen, dass das Klagebegehren unschlüssig sei, daher nicht.
[18] 3. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofs ist nach § 502 Abs 1 ZPO aber nur zulässig, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, die angeschnittene Rechtsfrage also für die Entscheidung präjudiziell ist (RISJustiz RS0088931 [T2]; Lovrek in Fasching/Konecny3 IV/1 § 502 ZPO Rz 115 [Stand , rdb.at]). Fehlende Relevanz für die Entscheidung des zu beurteilenden Falls schließt das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus.
[19] Die vom Berufungsgericht und der Revision als erheblich bezeichnete Frage der Zulässigkeit des Änderungsvorbehalts ist wegen der Unschlüssigkeit der Klage nicht präjudiziell. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
[20] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41, 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00077.21H.0622.000 |
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Fundstelle(n):
JAAAD-66588