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OGH vom 22.09.2005, 2Ob83/05b

OGH vom 22.09.2005, 2Ob83/05b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Magdalena H*****, in Obsorge der Mutter Eva H*****, infolge Revisionsrekurses der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Rekursgericht vom , GZ 6 R 176/04f-20, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Mattighofen vom , GZ 3 P 766/03a-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Erstgerichtes wird dahin abgeändert, dass er in seinem vierten und fünften Absatz wie folgt zu lauten hat:

„Dem Unterhaltsschuldner wird aufgetragen, ab Zustellung des Beschlusses den von der Republik Österreich bevorschussten Unterhalt bis zur Höhe der gewährten Vorschüsse an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz als Vertreter des Bundes zu zahlen. Sonst geleistete Zahlungen befreien nicht von der Schuld.

Gemäß § 31 Abs 1 UVG hat der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz die Forderung zwangsweise hereinzubringen, soweit der Unterhaltsschuldner keine schuldbefreiende Zahlungen leistet."

Text

Begründung:

Die mj Magdalena H***** befindet sich in Obsorge ihrer Mutter in der Bundesrepublik Deutschland. Beide sind deutsche Staatsbürger. Der außereheliche Vater wohnt und arbeitet in Österreich.

Die Minderjährige beantragte, vertreten durch ihre Mutter, Unterhaltsvorschüsse ab von monatlich EUR 192,--.

Das Erstgericht bewilligte die beantragten Unterhaltsvorschüsse und trug dem Vater auf, alle Unterhaltsbeträge mit schuldbefreiender Wirkung an die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn als besonderen Sachwalter des Kindes zu zahlen. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn wurde ersucht, die bevorschussten Unterhaltsbeträge einzutreiben und, soweit eingebracht, monatlich dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz zu überweisen. Das Erstgericht stützte diese Aufträge bzw das Ersuchen auf die gesetzliche Bestimmung des § 9 Abs 2 UVG, wonach der Jugendwohlfahrtsträger mit Zustellung des Beschlusses, mit dem Vorschüsse gewährt wurden, alleiniger gesetzlicher Vertreter des mj Kindes zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche bestellt werde.

Gegen diesen Beschluss erhoben sowohl der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz - gegen die Vorschussgewährung selbst - als auch die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn - gegen ihre Bestellung zum Vertreter des Kindes gemäß § 9 Abs 2 UVG - Rekurs.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz statt und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn wurde mit ihrem Rechtsmittel auf diese Aufhebungsentscheidung verwiesen.

Das Erstgericht bewilligte nach Durchführung entsprechender Erhebungen neuerlich antragsgemäß die begehrten Unterhaltsvorschüsse (ON 17); dieser Beschluss wurde auch der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn mit Außerstreitformular 180 B zugestellt.

Während die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen als solche unbekämpft blieb, erhob die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn neuerlich Rekurs mit dem Antrag, dass ihre im Beschluss ausgesprochene Bestellung zum alleinigen gesetzlichen Vertreter des Kindes nach § 9 Abs 2 UVG zurückgenommen werde und statt dessen mit dieser Funktion, der damit verbundenen Verpflichtung zur Eintreibung der bevorschussten Unterhaltsbeträge sowie der Einhaltung der Meldepflicht gemäß § 21 UVG der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz betraut werden möge.

Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung und sprach nach Antrag im Sinn des § 14a AußStrG (alt) aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Es erörterte rechtlich, die Bestellung des Jugendwohlfahrtsträgers zum alleinigen gesetzlichen Vertreter des mj Kindes erfolge gemäß § 9 Abs 2 UVG ex lege. Diese Bestellung des Jugendwohlfahrtsträgers zum besonderen Sachwalter hindere die im § 31 Abs 2 UVG vorgesehene Legalzession an den Bund.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob mangels Inlandsbezuges ein österreichischer Jugendwohlfahrtsträger zum Sachwalter eines im Ausland lebenden ausländischen Kindes bestellt werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den dargelegten Gründen zulässig und berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, dass seit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom (C-255/99, Humer, wbl 2002/116) § 2 Abs 1 Satz 1 UVG so zu lesen ist, dass Ansprüche auf Unterhaltsvorschuss mj Kinder haben, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem EWR-Staat haben und entweder EWR-Bürger oder staatenlos sind, wenn der Unterhaltspflichtige in Österreich arbeitstätig oder arbeitsloser Arbeitnehmer ist.

Da nach dem vorliegenden Sachverhalt die mj deutsche Staatsbürgerin ist und der Vater in Österreich arbeitstätig ist, sind die Voraussetzungen zur Gewährung von Unterhaltsvorschüssen grundsätzlich gegeben.

Gemäß § 9 Abs 2 UVG wird der Jugendwohlfahrtsträger mit der wirksamen Zustellung des Bewilligungsbeschlusses an ihn ex lege zum ausschließlichen gesetzlichen Vertreter des Kindes in Unterhaltsvorschussangelegenheiten bestellt, ohne dass es eines gesonderten Bestellungsbeschlusses bedarf (Neumayr in Schwimann ABGB3 § 9 UVG Rz 2). Der Zweck dieser Regelung liegt weniger in einer Wahrung der Interessen des Kindes als in der Eintreibung des Unterhaltes, auf den Vorschüsse gewährt wurden (Neumayr aaO Rz 4). Voraussetzung für die wirksame Bestellung eines österreichischen Jugendwohlfahrtsträgers zum besonderen Sachwalter des Kindes ist aber das Vorliegen eines ausreichenden Inlandsbezuges. Es muss sich also entweder um ein österreichisches Kind handeln oder um ein ausländisches Kind, das in Österreich lebt. Für Kinder nicht österreichischer Staatsbürgerschaft wird nämlich die Vertretung im Wesentlichen durch das Hager Minderjährigenschutzabkommen geregelt; nach dessen Art 3 sind die Sachnormen des Heimatrechtes des Kindes maßgeblich; die Anknüpfung nach dem IPRG wird dadurch verdrängt. In diesem Fall besteht in der Regel keine örtliche Zuständigkeit eines österreichischen Jugendwohlfahrtsträgers (vgl Neumayr aaO Rz 17). Liegt daher ein solcher ausreichender Inlandsbezug nicht vor und kann daher ein inländischer Jugendwohlfahrtsträger nicht wirksam zum besonderen Sachwalter des Kindes bestellt werden, tritt von vorne herein die Legalzession an den Bund gemäß § 30 UVG ein. In diesem Fall ist der Präsident des jeweiligen Oberlandesgerichtes gemäß §§ 31 Abs 1 und 2 und 34 UVG zur Eintreibung zuständig.

Mangels wirksamer Bestellung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn als besonderer Sachwalter der Minderjährigen, war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Entscheidung 1 Ob 57/01s steht dem nicht entgegen, weil dort kein Sachverhalt mit Auslandsbezug zu beurteilen war.