OGH 20.05.2020, 6Ob69/20w
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Stephan Riel als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der P* GmbH, *, gegen die beklagten Parteien 1. P*, 2. G* D*, 3. W*, alle vertreten durch Dr. Bernd Brunner, Rechtsanwalt in Tulln, wegen 579.066,72 EUR, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 65/19d-42, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Eine Bindung des Zivilrichters an ein rechtskräftiges freisprechendes Strafurteil besteht nicht (RS0106015). Darüber hinaus wurden der Zweit- und der Drittbeklagte nach den Feststellungen (nur) vom Vorwurf des Betrugs und der Untreue freigesprochen. Dabei handelt es sich um Vorsatzdelikte (§§ 146, 153 iVm 7 Abs 1 StGB). Die Geschäftsführerhaftung nach § 25 GmbHG besteht aber auch bei fahrlässigem Fehlverhalten (vgl RS0116174; RS0059723; RS0049459). Die Freisprüche stehen daher der von den Vorinstanzen bejahten zivilrechtlichen Haftung des Zweit- und des Drittbeklagten nicht entgegen.
2. Dass eine „Treuepflichtenverletzung“ des Zweit- und des Drittbeklagten gegenüber der Schuldnerin (deren Insolvenzverwalter der Kläger ist) nicht festgestellt wurde, ist irrelevant, weil es sich bei diesem Begriff um die rechtliche Beurteilung eines tatsächlichen Verhaltens handelt. Die Ausführung des Erstgerichts, es habe keinen Grund für die von der Schuldnerin an die Erstbeklagte ausgestellte Gutschrift gegeben, ist durchaus als Tatsachenfeststellung zu werten (vgl RS0043464). Diese Feststellung wurde überdies dadurch ergänzt, der Gutschrift sei keine Leistung zugrunde gelegen und es habe auch keinen anderen Rechtsgrund dafür gegeben.
3. Die Bejahung der Geschäftsführerhaftung von Zweit- und Drittbeklagtem nach § 25 Abs 2 GmbHG durch die Vorinstanzen ist im vorliegenden Einzelfall im Ergebnis nicht korrekturbedürftig: Pflichtgemäß handelnde Geschäftsführer der nunmehrigen Schuldnerin hätten keine rechtsgrundlose Gutschrift zu deren Lasten veranlasst, die dazu führte, dass die Schuldnerin (nach außen wegen Aufrechnung) keine Forderung gegenüber der Erstbeklagten geltend machen konnte. Sie hätten vielmehr namens der Schuldnerin Zahlung der offenen Forderung von der Erstbeklagten verlangt. Dass diese bei Einforderung nicht bezahlt hätte, haben die Beklagten nicht behauptet. Insofern haben auch Zweit- und Drittbeklagter den Schaden der Schuldnerin verursacht, der in Nichtzahlung der Schuld der Erstbeklagten gegenüber der Schuldnerin besteht.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Stephan Riel als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der P***** GmbH, *****, gegen die beklagten Parteien 1. P*****, 2. G***** D*****, 3. W***** T*****, alle vertreten durch Dr. Bernd Brunner, Rechtsanwalt in Tulln, wegen 579.066,72 EUR, über den Antrag des Einschreiters Mag. H***** W*****, als Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen der zweitbeklagten Partei, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag des Einschreiters, das infolge der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen der zweitbeklagten Partei unterbrochene Verfahren aufzunehmen, wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom die außerordentliche Revision ua der zweitbeklagten Partei zurückgewiesen.
Mit Schriftsatz vom gab der Einschreiter bekannt, dass über das Vermögen des Zweitbeklagten mit Beschluss vom das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und er zum Masseverwalter bestellt worden sei, und stellte den Antrag, das unterbrochene Verfahren fortzusetzen.
Rechtliche Beurteilung
Die Tatsache, dass das anhängig gewesene Revisionsverfahren durch die Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Zweitbeklagten unterbrochen worden ist, ändert nichts daran, dass der in Unkenntnis der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens gefasste Beschluss des Obersten Gerichtshofs formell in Rechtskraft erwachsen ist. Trotz eingetretener Unterbrechungswirkung unzulässigerweise ergangene Entscheidungen sind nicht wirkungslos, sondern lediglich in die nächste Instanz anfechtbar oder mit aus Anlass eines Rechtsmittels wahrzunehmender Nichtigkeit behaftet. Nach Eintritt der Rechtskraft der Sachentscheidung kann das Fehlen von Prozessvoraussetzungen grundsätzlich nicht mehr von Amts wegen und auf Antrag nur in bestimmten – hier nicht gegebenen (vgl Fasching, Zivilprozessrecht2 Rz 734) – Einzelfällen wahrgenommen werden. Ebensowenig wie der Oberste Gerichtshof die Nichtigkeit seiner Entscheidung aussprechen kann (4 Ob 103/89), besteht eine Entscheidungskompetenz zu dem vom Antragsteller begehrten Vorgehen (8 Ob 305/97d = ZIK 1998, 197; 9 ObA 246/00t; RS0064051).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00096.20S.1125.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
GAAAD-66456