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OGH vom 20.06.2017, 2Ob82/17y (2Ob91/17x)

OGH vom 20.06.2017, 2Ob82/17y (2Ob91/17x)

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Mag. A***** E*****, vertreten durch Posch, Schausberger & Lutz Rechtsanwälte GmbH in Wels, gegen 1. den Beklagten und ersten Gegner der gefährdeten Partei DI C***** M*****, vertreten durch Dr. Günter Geusau, Rechtsanwalt in Wels, sowie die weiteren Gegner der gefährdeten Partei 2. DI A***** M*****, 3. L***** M*****, 4. M***** M*****, 5. V***** M*****, 6. B***** M*****, und 7. Gemeinde S*****, vertreten durch den Bürgermeister H***** P*****, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert 31.000 EUR), über I. den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 39/17a-53, womit infolge Rekurses der klagenden und gefährdeten Partei der Beschluss des Landesgerichts Wels vom , GZ 2 Cg 126/15d-49, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, und II. den Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 6 R 51/17p-61, womit infolge Rekurses der klagenden und gefährdeten Partei der Beschluss des Landesgerichts Wels vom , GZ 2 Cg 126/15d-51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte im seit anhängigen Hauptverfahren zuletzt, den Beklagten zu verpflichten, ihr näher bezeichnete Wohn- und Nebenräume samt Keller und Garage sowie einen Garten zum alleinigen Gebrauch zu überlassen, die Räume in gutem Zustand zu erhalten, die Wohnräume mit Heizung und Wasser sowie die Garage mit Wasser zu versorgen, die darauf entfallenden öffentlichen Abgaben und Betriebskosten zu bezahlen sowie in die Verbücherung eines Wohnungsgebrauchsrechts und von Reallasten einzuwilligen.

Mit Antrag vom begehrte die Klägerin zur Sicherung der behaupteten Ansprüche – ohne vorherige Anhörung der Antragsgegner – die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wobei sie diesen Sicherungsantrag nicht nur gegen den Beklagten (als Erstantragsgegner), sondern auch gegen dessen Einzelrechtsnachfolger, die Zweit- bis Siebtantragsgegner, richtete. Sie beantragte, den Antragsgegnern die Veräußerung, Belastung und Verpfändung bestimmter Liegenschaften zu verbieten und die Verbote im Grundbuch anzumerken.

Das Erstgericht wies mit Beschluss vom , ON 49, im einseitigen Verfahren den Sicherungsantrag „ab- und zurück“. Seiner Begründung lässt sich entnehmen, dass sich die Abweisung auf den Beklagten und die Zurückweisung – mangels Zuständigkeit – auf die weiteren sechs Antragsgegner bezog.

Das Rekursgericht verwarf den Rekurs wegen Nichtigkeit und bestätigte mit Beschluss vom , ON 53, die Abweisung des Antrags, soweit er sich gegen den Beklagten richtete und sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Hinsichtlich der weiteren sechs Antragsgegner erklärte es das Erstgericht in einem eigenen Spruchpunkt für unzuständig und gab dem Rekurs der Klägerin dahin Folge, dass es den Sicherungsantrag gemäß § 44 Abs 1 JN an die nach § 387 Abs 2 EO jeweils zuständigen Bezirksgerichte überwies. Dazu sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Gleichzeitig mit ihrem Rekurs gegen den Beschluss ON 49 hatte die Klägerin beim Erstgericht den Antrag gestellt, gemäß (richtig) § 44 Abs 3 JN die zur Sicherung des Zwecks des Provisorialverfahrens notwendigen Verfügungen zu treffen.

Das Erstgericht wies mit Beschluss vom , ON 51, diesen Antrag „ab“. Es begründete dies damit, dass es „eben nicht“ (wie in § 44 Abs 3 JN gefordert) seine „(generelle und formelle) Unzuständigkeit“ ausgesprochen habe.

Das Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung mit Beschluss vom , ON 61, und zwar mit der Maßgabe, dass der Antrag der Klägerin zurückgewiesen werde. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei. Das Erstgericht habe nach seinem hinreichend deutlich erkennbaren Entscheidungswillen den Sicherungsantrag der Klägerin nicht meritorisch erledigt, sondern die formellen Voraussetzungen des § 44 Abs 3 JN für eine solche Entscheidung verneint.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts ON 53 richtet sich der „außerordentliche Revisionsrekurs, gegen den Beschluss ON 61 der Revisionsrekurs der Klägerin.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rechtsmittel sind unzulässig.

I. Zum „außerordentlichen“ Revisionsrekurs gegen den Beschluss ON 53:

1. Beklagter (= Erstantragsgegner):

1.1 Gemäß § 402 Abs 1 EO ist der Revisionsrekurs unter anderem dann, wenn das Verfahren einen Beschluss über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zum Gegenstand hat, nicht deshalb unzulässig, weil das Gericht zweiter Instanz die angefochtene Entscheidung zur Gänze bestätigte. Das gilt jedoch nach § 402 Abs 2 EO nicht für einen Rekurs der gefährdeten Partei gegen die Abweisung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wenn der Antragsgegner zu dem Antrag nicht einvernommen wurde.

1.2 Nach ständiger Rechtsprechung ist daher der Revisionsrekurs gegen eine Entscheidung, mit der die Abweisung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ohne Einvernahme des Gegners der gefährdeten Partei bestätigt wurde, gemäß §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig. In diesem Fall kann auch kein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben werden (RIS-Justiz RS0012260 [T3]).

1.3 Diese Voraussetzungen treffen zu, soweit die zweitinstanzliche Entscheidung den Beklagten betrifft. Insoweit ist der „außerordentliche“ Revisionsrekurs daher aus dem genannten Grund als unzulässig zurückzuweisen.

2. Zweit- bis Siebtantragsgegner:

2.1 Wie soeben erörtert, ordnet § 402 Abs 1 EO zwar an, dass Revisionsrekurse gegen einen Beschluss über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nicht (allein) deshalb unzulässig sind, weil das Gericht zweiter Instanz den angefochtenen Beschluss zur Gänze bestätigt hat. Diese Bestimmung erfasst jedoch nach ständiger Rechtsprechung nur Sachentscheidungen, nicht aber formelle Entscheidungen, wie etwa über Prozesshindernisse (7 Ob 106/16p mwN; RIS-Justiz RS0097225). Bestätigende Entscheidungen über die Zuständigkeit des mit dem Sicherungsantrag angerufenen Gerichts sind daher gemäß §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unanfechtbar (vgl 5 Ob 2008/96x; RIS-Justiz RS0097225 [T3]).

2.2 Im vorliegenden Fall haben beide Vorinstanzen nach inhaltlicher Prüfung die Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts für die Erledigung des Sicherungsantrags hinsichtlich der Zweit- bis Siebtantragsgegner verneint, weil sie die Attraktionszuständigkeit des § 387 Abs 1 EO für die Einzelrechtsnachfolger des Beklagten nicht für gegeben erachteten. Damit liegen übereinstimmende Entscheidungen der Vorinstanzen über die Zuständigkeitsfrage vor, die deshalb in dritter Instanz nicht mehr aufgerollt werden kann.

2.3 Daran ändert der Umstand nichts, dass das Erstgericht über seine Unzuständigkeit nur implizit in der Begründung seines Zurückweisungsbeschlusses entschied, während das Rekursgericht (im Sinne einer „Maßgabebestätigung“) die Unzuständigkeit in einem eigenen Spruchpunkt ausdrücklich aussprach. Denn eine Bestätigung der Entscheidung des Erstgerichts durch das Rekursgericht liegt bereits dann vor, wenn die beiden Instanzen nach meritorischer Prüfung zum selben Ergebnis gelangten; auf die Verwendung einer verfehlten Entscheidungsform (hier durch das Erstgericht) kommt es nicht an (RIS-Justiz RS0044215 [T4]).

2.4 Divergierende Entscheidungen liegen zwar insoweit vor, als das Erstgericht den Sicherungsantrag infolge seiner angenommenen Unzuständigkeit zurückwies, das Rekursgericht jedoch einen Überweisungsbeschluss nach § 44 Abs 1 JN fasste. Damit entschied das Rekursgericht allerdings nicht – wie die Klägerin in ihrem Revisionsrekurs behauptet – über deren „vorsichtshalber“ auch an das Erstgericht gestellten Überweisungsantrag. Es entsprach vielmehr dem zweiten Eventualantrag im Rekurs der Klägerin, den diese alternativ („oder“) zu einem weiteren Antrag (den sie in ihrem Revisionsrekurs nicht aufrecht hält) erkennbar für den Fall gestellt hatte, dass ihren Abänderungs- und hilfsweisen Aufhebungsanträgen nicht Folge gegeben wird (Bd I AS 287). Da das Rekursgericht über diese vorrangigen Anträge durch den die Unzuständigkeit des Erstgerichts bestätigenden Ausspruch bereits eine unanfechtbare Entscheidung getroffen hat (siehe oben), ist die Klägerin durch die auf ihren Antrag erfolgte Überweisung (statt der vom Erstgericht ausgesprochenen Zurückweisung) des Sicherungsantrags allein weder materiell noch formell beschwert. Diesbezüglich fehlt es ihr daher am Rechtsschutzbedürfnis als Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels (RIS-Justiz RS0043815).

2.5 Aus den genannten Gründen ist der „außerordentliche“ Revisionsrekurs auch hinsichtlich der Zweit- bis Siebtbeklagten als unzulässig zurückzuweisen.

II. Zum Revisionsrekurs gegen den Beschluss ON 61:

1. Ein bestätigender Beschluss liegt vor, wenn in beiden Instanzen entweder meritorisch oder formal gleichlautend entschieden wurde. Es kommt auf den übereinstimmenden Entscheidungswillen, nicht aber auf die Begründung an (8 Ob 35/15b; RIS-Justiz RS0044456 [T12]). Auch eine bloße Maßgabebestätigung in Form der Zurückweisung eines in erster Instanz abgewiesenen Antrags ist dann grundsätzlich eine Bestätigung iSd § 528 Abs 2 Z 2 ZPO, wenn die Rechtsfolge beider Varianten unterschiedslos ist, wenn also etwa beide Vorinstanzen inhaltlich eine Formalentscheidung getroffen haben (vgl 3 Ob 254/16y; RIS-Justiz RS0044215 [T13], RS0074300).

2. Das Erstgericht hat eine meritorische Behandlung des auf die Erlassung einer provisorischen Sicherungsmaßnahme nach § 44 Abs 3 JN gerichteten Antrags abgelehnt, weil es der Auffassung war, seine Unzuständigkeit nicht im Sinne dieser Vorschrift ausgesprochen zu haben. Das Rekursgericht hat darin ungeachtet dessen, dass das Erstgericht den Antrag „abwies“, zutreffend eine formale Entscheidung gesehen und auf den entsprechenden Entscheidungswillen des Erstrichters verwiesen. Da es den erstinstanzlichen Beschluss mit dem Hinweis auf seine Rekursentscheidung ON 53 und der Maßgabe, dass der Antrag der Klägerin zurückgewiesen werde, bestätigte, liegen – wenn auch unterschiedlich begründete – übereinstimmende Formalentscheidungen der Vorinstanzen vor.

3. Auch dieser Revisionsrekurs der Klägerin ist gemäß §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO gemäß dem Ausspruch des Rekursgerichts jedenfalls unzulässig und daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00082.17Y.0620.000
Schlagworte:
Zivilverfahrensrecht

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