OGH vom 01.06.2010, 1Ob87/10s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Karin H*****, vertreten durch Mag. Christoph U. Kuhn, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Zentralverband *****, vertreten durch Dr. Rainer Schischka, Rechtsanwalt in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Ing. Johann H*****, vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abgabe einer Erklärung und Unterlassung (Gesamtstreitwert 5.630,10 EUR), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 38 R 289/08v 13, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 3 C 877/08p 8, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Großvater der Klägerin und Vater des Nebenintervenienten verstarb am . Er war aufgrund eines Vertrags mit dem Beklagten Unterpächter einer Parzelle eines Kleingartenvereins. Mit Schreiben vom teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass ihr Großvater verstorben sei und sie nun den Unterpachtvertrag fortsetzen wolle; sie habe in den letzten fünf Jahren an der Bewirtschaftung des Gartens mitgewirkt. Der Beklagte bestätigte mit Schreiben vom zunächst die Eintrittsberechtigung der Klägerin gemäß § 15 KlGG. Nachdem der Nebenintervenient und eine Tochter des verstorbenen Unterpächters ebenfalls erklärt hatten, sie wollten das Unterpachtverhältnis fortsetzen, teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom mit, er habe sich dafür entschieden, dass der Nebenintervenient als Sohn des Verstorbenen die Unterpachtrechte erhalte.
Die Klägerin begehrte nun, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihren Eintritt in den Unterpachtvertrag binnen 14 Tagen schriftlich anzuerkennen und es zu unterlassen, gegenüber einer anderen Person eine solche Anerkennungserklärung abzugeben. Sie habe als Einzige aller Anspruchsteller den Kleingarten mitbewirtschaftet und gehe daher anderen abstrakt Eintrittsberechtigten vor.
Der Beklagte und der Nebenintervenient wandten dagegen im Wesentlichen ein, nicht die Klägerin, sondern der Nebenintervenient und seine Schwester hätten den Garten mitbewirtschaftet. Jedenfalls gingen Kinder des Unterpächters den Enkeln bei der Eintrittsberechtigung vor.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Gemäß § 15 Abs 1 Satz 1 KlGG werde durch den Tod des Unterpächters der Unterpachtvertrag aufgelöst, es sei denn, dass binnen zwei Monaten der Ehegatte, Verwandte in gerader Linie oder Wahlkinder des Verstorbenen oder eine andere Person, die an der Bewirtschaftung des Kleingartens in den letzten fünf Jahren maßgeblich mitgewirkt habe, schriftlich die Bereitschaft erklärten, den Unterpachtvertrag fortzusetzen. Falls mehrere Personen ihre Bereitschaft zur Fortsetzung des Unterpachtvertrags erklärten und eine Einigung darüber nicht zustande gekommen sei, hätten der Ehegatte und die Kinder des Verstorbenen den Vorzug vor anderen Eintrittsberechtigten; unter diesen gingen diejenigen, die den Kleingarten bewirtschaftet haben, den Übrigen vor. Wesentlich sei die Frage, wie das Wort „Kinder“ in Satz 3 der genannten Bestimmung auszulegen sei. Der Gesetzgeber habe ersichtlich den Begriff „Kinder“ in einem engen Verständnis nämlich als Söhne und Töchter verwenden wollen, hätte er doch sonst einen anderen Ausdruck verwendet, etwa „Deszendenten“, „Kinder sowie Kindeskinder“, allenfalls auch „Verwandte in gerader absteigender Linie“, nachdem Satz 1 von „Verwandten in gerader Linie“ gesprochen werde. Ein weiteres Indiz für diese Interpretation ergebe sich daraus, dass es naheliege, den dem verstorbenen Unterpächter im Regelfall näher stehenden Ehegatten nur mit den Söhnen und Töchtern, aber nicht auch mit Enkelkindern oder gar Urenkelkindern konkurrieren zu lassen. Insgesamt sei es daher durch die Eintrittserklärung des Nebenintervenienten ohne Rücksicht auf die Frage der Bewirtschaftung des Kleingartens zu einem wirksamen Eintritt in den Unterpachtvertrag gekommen, womit eine Eintrittsmöglichkeit der Klägerin ausgeschlossen sei.
Das Berufungsgericht hob die erstgerichtliche Entscheidung über Berufung der Klägerin auf und trug diesem eine neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Dass der Gesetzgeber unter dem Begriff „Kinder“ nicht alle Verwandten in absteigender Linie iSd § 42 ABGB verstehen habe wollen, sei weder dem Text des KlGG noch den Gesetzesmaterialien zum Stammgesetz oder den nachfolgenden Novellen zu entnehmen. Vielmehr enthalte der Bericht des Bautenausschusses über die Wohnrechtsnovelle 1999 zumindest insofern Ausführungen zur Bedeutung der Bindung des Eintrittsberechtigten an das Bestandobjekt, als im Zusammenhang mit der Verbesserung der Rechtsstellung des Lebensgefährten dargelegt werde, dass nicht sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs 3 MRG erfüllt sein müssten, da der dort geforderte Zusammenhang zwischen dem „Sitz“ der Lebensgemeinschaft und dem Bestandgegenstand nicht gegeben sein müsse, dem Konnex zum Kleingarten aber dennoch eine zentrale Bedeutung zukomme, weil es auf die Bewirtschaftung ankomme. § 15 Abs 1 KlGG enthalte als zentralen Anknüpfungspunkt für die Nachfolge in die Unterpachtrechte die (Mit )Bewirtschaftung der Kleingartenparzelle. Als Zweck der genannten Bestimmung erscheine dabei neben der Respektierung des Willens des verstorbenen Unterpächters und des geringstmöglichen Eingriffs in die bestehende Gemeinschaftsordnung auch die Gewährleistung einer kontinuierlichen Weiterbewirtschaftung der Kleingartenparzelle erkennbar. Diese sollte durch anspruchsberechtigte Personen iSd § 3 Abs 1 KlGG erfolgen, die idealerweise auch schon vor dem Tod des bisherigen Unterpächters „Bestandteil“ der Kleingartengemeinschaft gewesen seien. Unter diesem Gesichtspunkt erscheine es unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 15 Abs 1 KlGG unter dem Begriff „Kinder“ nur die Kinder ersten Grades iSd § 732 ABGB habe verstehen wollen. Anders als beim Parentelsystem des Erbrechts komme es bei der Fortsetzung der Unterpachtrechte an einer Kleingartenparzelle nicht primär auf die Regelung der Zuordnung der Rechte und Verbindlichkeiten eines Erblassers nach den Grundsätzen des Erbrechts an. Ein Wille des Gesetzgebers, innerhalb des Kreises der „Kinder“ iSd § 42 ABGB dem Kriterium des Verwandtschaftsgrads gegenüber der Bewirtschaftung den Vorzug zu geben, könne nicht erkannt werden, zumal der Vermögenswert einer auf der Kleingartenparzelle allenfalls als Superädifikat errichteten Baulichkeit unabhängig von der Weiterführung des Unterpachtvertrags ohnehin im Verlassenschaftsverfahren gesondert zu berücksichtigen sein werde und dem jeweiligen Erben zugutekomme. Die Rechtsmeinung des Erstgerichts, dass sich der Sprachgebrauch seit Inkrafttreten des ABGB so geändert habe, dass jedenfalls nach dem heute üblichen Wortsinn unter „Kindern“ nur mehr Söhne und Töchter zu verstehen seien, könne in dieser allgemeinen Form auch angesichts der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht aufrecht erhalten werden. Der Berufungssenat sei vielmehr der Ansicht, dass auch der § 15 Abs 1 KlGG beim Begriff „Kinder“ keine Einschränkung nur auf die Söhne und Töchter enthalte, sondern es bei der Beurteilung des Eintrittsrechts der Nachkommen in gerader Linie auf das Kriterium der (Mit )Bewirtschaftung des Kleingartens ankomme. Das Gericht werde im fortgesetzten Verfahren darüber Beweis aufzunehmen haben. Der Rekurs sei mangels Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffs „Kinder“ in § 15 Abs 1 KlGG zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Rekurs des Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Vorauszuschicken ist, dass die Frage nach dem Inhalt des in § 15 Abs 1 Satz 4 KlGG verwendeten Begriffs „Kinder“ allein aus dem Wortlaut und der Systematik der zu untersuchenden Norm nicht eindeutig beantwortet werden kann. Unter Berücksichtigung der Gesetzesgeschichte tritt der erkennende Senat vor allem aus teleologischen Gründen im Ergebnis der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bei, nach der die Klägerin als Enkelin des verstorbenen Unterpächters dem Nebenintervenienten als dessen Sohn in der Frage der Eintrittsberechtigung grundsätzlich gleichberechtigt gegenübersteht.
Das Kriterium der Mitbewirtschaftung war im ursprünglichen Gesetzesentwurf in Gestalt einer Regierungsvorlage (vgl 472 BlgNR 8. GP 1 ff) noch nicht enthalten. Danach sollte dem Generalpächter die freie Wahl zustehen, welcher von mehreren, die Bereitschaft zur Vertragsfortsetzung erklärenden Eintrittsberechtigten Ehegatte, Verwandte in gerader Linie oder Wahlkinder den Unterpachtvertrag fortsetzen solle. Dieser Vorschlag wurde im weiteren Gesetzgebungsverfahren als unbefriedigend angesehen. Im Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung (592 BlgNR 8. GP 2) wird ausgeführt, dass der Kreis der Eintrittsberechtigten um jene Personen erweitert werden solle, die in den letzten fünf Jahren an der Bewirtschaftung des Kleingartens maßgeblich mitgewirkt haben: „Bei einer Mehrheit von eintrittsberechtigten Personen haben der Ehegatte und die Kinder des Verstorbenen vor allen übrigen Eintrittsberechtigten den Vorrang; unter den anderen Eintrittsberechtigten haben diejenigen den Vorrang, die den Kleingarten mitbewirtschaftet haben. Bei mehreren gleich Eintrittsberechtigten entscheidet der Generalpächter nach seiner Wahl.“
Konsequenz der Bedachtnahme auf die Mitbewirtschaftung durch andere Personen in einem bestimmten Zeitraum ist nun zweifellos, dass etwa die in § 15 Abs 1 Satz 1 KlGG als „Verwandte in gerader Linie“ abstrakt eintrittsberechtigten Eltern des verstorbenen Unterpächters, die sich auf die vom Gesetz geforderte Mitbewirtschaftung nicht berufen können, in einen Unterpachtvertrag nicht eintreten können, wenn ein beliebiger Dritter, der eine solche Mitbewirtschaftung nachweisen kann, den Unterpachtvertrag fortsetzen will. Schon daraus ergibt sich, dass auch eine nahe Verwandtschaft zum verstorbenen Unterpächter nicht das entscheidende Kriterium für den Vertragseintritt sei, sondern dem Gedanken der Kontinuität der Bewirtschaftung der Kleingartenparzelle besondere Bedeutung zukommen soll.
Da der Begriff „Kinder“ nun wie die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben in verschiedener Weise ausgelegt werden kann, entspricht wohl eine Interpretation des Gesetzes, die es ermöglicht, einem mitbewirtschaftenden Enkelkind den Vorzug gegenüber einem nicht mitbewirtschaftenden Kind (Sohn oder Tochter) zu geben, dem Ziel des Gesetzes besser. Wenn also § 15 Abs 1 Satz 4 KlGG davon spricht, dass der Ehegatte und die „Kinder“ des Verstorbenen den Vorzug vor anderen Eintrittsberechtigten haben, ist dies nach Auffassung des erkennenden Senats so zu verstehen, dass davon auch Enkelkinder umfasst sind.
Haben nun mehrere in diese Personengruppe fallende Angehörige die Bereitschaft zum Vertragseintritt erklärt, steht dem Generalpächter wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat jedenfalls dann kein freies Wahlrecht zu, wenn nur einer der Anwärter den Kleingarten in ausreichender Weise mitbewirtschaftet hat. Entgegen der Auffassung des Rekurswerbers besteht kein Anlass, dieses Kriterium nur dann heranzuziehen, wenn es um die „anderen Eintrittsberechtigten“ (also nicht um den Ehegatten und die Kinder des Verstorbenen) geht. Auch wenn die Formulierung des Gesetzes insoweit nicht die erwünschte Eindeutigkeit aufweist und bei grammatikalischer Interpretation auch die Auffassung vertreten werden könnte, mit den Worten „unter diesen“ seien nur die „anderen Eintrittsberechtigten“ gemeint (idS offenbar auch SAB, 592 BlgNR 8. GP 2), müsste in diesem Fall eine planwidrige Gesetzeslücke angenommen werden. Es wäre sachlich nicht nachvollziehbar, warum das Kriterium der Bewirtschaftung zwar etwa für die Rangfolge zwischen beliebigen Dritten und den (an sich ebenfalls eintrittsberechtigten) Eltern des verstorbenen Unterpächters von Bedeutung sein sollte, dem Generalpächter und Unterverpächter hingegen das freie Wahlrecht zukommen sollte, wenn sich unter den privilegierten Eintrittsberechtigten (Ehegatte und Kinder) solche befinden, die die Parzelle mitbewirtschaftet haben, und andere, auf die dies nicht zutrifft. Gibt der Gesetzgeber insgesamt zu erkennen, dass die bisherige Mitbewirtschaftung durch eine vom Unterpächter verschiedene Person für die Frage des Eintrittsrechts nicht unbeachtet bleiben soll, erscheint es nur konsequent, dieses Kriterium auch dann heranzuziehen, wenn es um die Konkurrenz zwischen „bevorzugten“ Eintrittsberechtigten (Ehegatte, Kinder, Enkelkinder ...) geht.
Da somit der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu folgen ist, erweist sich der Rekurs als unberechtigt.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.