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OGH vom 27.06.1984, 3Ob547/84

OGH vom 27.06.1984, 3Ob547/84

Norm

ABGB § 1300;

Kopf

SZ 57/122

Spruch

Die Bank haftet aus einer unrichtigen Auskunft über die Kreditwürdigkeit dem Dritten nicht, wenn dieser weder behauptet, daß die Bank mit der Benützung der Auskunft durch ihn rechnen mußte, noch vorbringt, daß ein doloses Zusammenspiel mit dem Auftraggeber vorliegt

(OLG Wien 4 R 250/83; HG Wien 32 Cg 254/82)

Text

Der Kläger begehrt von der beklagten Bank die Zahlung von 146 039.16 S sA und bringt vor, er sei mit der Österreichischen K-GesmbH (in der Folge ÖKG) in Geschäftsverbindung gestanden und habe dieser über deren Bestellung in der Zeit vom bis elektrotechnische Artikel zum Gesamtpreis von 146 039.16 S geliefert. Diese Forderung sei im Konkurs der ÖKG nicht einbringlich. Die Beklagte sei die Hausbank der ÖKG gewesen und habe dieser Kredite in der Höhe von Hunderten Millionen Schilling gewährt. Sie habe dabei gegen die in § 15 Abs. 1 KWG normierten Grundsätze verstoßen, weil sie aus ihren eigenen Kreditprüfungen nicht die entsprechenden Schlußfolgerungen gezogen habe. Der Beklagten sei nämlich spätestens seit Herbst 1979 bekannt gewesen, daß die ÖKG wegen Überschuldung konkursreif war. Dennoch habe sie - auch in der Gewißheit, daß diese Überschuldung nicht behoben werden könne - durch eine mit der Sorgfalt eines ordentlichen Bankgeschäftsbetriebes unvereinbare Kreditgewährung und -ausweitung die Zahlungsunfähigkeit der ÖKG verursacht und verschuldet. Sie habe weiters - wofür angesichts der umfangreichen und ungesicherten Kreditgewährung offensichtlich das eigene wirtschaftliche Interesse der Beklagten maßgebend gewesen sein müsse - am eine wissentlich unwahre positive Auskunft über die ÖKG erteilt, diese noch Ende November 1980 für zu Recht bestehend erklärt und dabei ein Wechselobligo von 5 000 000 S als "im Rahmen des Geschäftsbetriebes liegend" bezeichnet. Sogar am habe die Beklagte noch erklärt, daß Verbindlichkeiten von 200 000 S im Rahmen des Geschäftsumfanges der ÖKG lägen. Dabei habe der Beklagten aber bekannt und bewußt sein müssen, daß diese Auskünfte von ihr zum Zwecke des Abschlusses von Rechtsgeschäften mit der ÖKG unter Gewährung von Lieferantenkrediten begehrt worden seien. Der Kläger hat hiezu dargestellt, daß er sich damit nur ganz allgemein auf die Erteilung von unrichtigen Bankauskünften durch die Beklagte stütze. Ihm selbst seien von der Beklagten keine Bankauskünfte erteilt worden; er sei zu ihr in keinerlei Vertragsverhältnis gestanden.Die Beklagte beantragt Abweisung des Klagebegehrens und wendet insbesondere ein, sie sei zum Kläger in keinerlei Beziehungen gestanden und habe deshalb ihm gegenüber auch keine Aufklärungspflichten gehabt. Sämtliche von ihr erteilten Bankauskünfte hätten dem jeweiligen Wissensstand der Beklagten entsprochen. Von der schlechten wirtschaftlichen Lage der ÖKG habe die Beklagte erst im Feber 1981 Kenntnis erhalten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren bereits auf Grund des Klagevorbringens ohne Beweisaufnahme ab, weil es die Rechtsauffassung vertrat, das Begehren des Klägers könne aus seinem Sachvorbringen rechtlich nicht schlüssig abgeleitet werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge; es sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Da nach den Klagebehauptungen nicht davon ausgegangen werden könne, daß die Beklagte als Kreditgeberin eine Geschäftsaufsicht über die ÖKG geführt habe, käme ihre Haftung gegenüber dem Kläger nur in Betracht, wenn sie den Kredit mit dem Ziel aufrechterhalten und ausgeweitet hätte, dadurch andere über die Kreditwürdigkeit der ÖKG zu täuschen und zur Kreditierung zu bewegen, oder wenn darin im Einzelfall eine sittenwidrige Schädigung nach § 1295 Abs. 2 ABGB erblickt werden könnte. Behauptungen in dieser Richtung habe der Kläger nicht aufgestellt. Durch die bloße Aufrechterhaltung der Kreditgewährung, möge diese auch in Kenntnis der Konkursreife der ÖKG erfolgt sein, habe die Beklagte dem Kläger als Drittem weder einen Ratschlag noch eine Auskunft iS des § 1300 ABGB erteilt; sie habe damit vielmehr ein Verhalten gesetzt, das objektiv gesehen gar nicht die Bedeutung einer Wissenserklärung gegenüber Dritten haben könne. Daß die Beklagte in diesem Zusammenhang etwa arglistig vorgegangen wäre, indem sie den Kredit gerade mit dem Ziel aufrechterhalten hätte, eine Irreführung Dritter zu bewirken, sei vom Kläger nicht behauptet worden. Ebensowenig reiche die vom Kläger behauptete objektiv verfehlte Kreditbelassung der Beklagten trotz Kenntnis der Konkursreife der ÖKG für die Annahme einer sittenwidrigen Schädigung nach § 1295 Abs. 2 ABGB aus. Grundsätzlich sei nämlich niemand verpflichtet, aktiv tätig zu werden, um Schäden von anderen abzuwenden. Ein Kreditgeber müsse daher auch nicht den Kredit kundigen, um eine für die Mitgläubiger günstigere sofortige Konkurseröffnung herbeizuführen. Der unter dem Aspekt der Kredittäuschung bzw. Konkursverschleppung geltend gemachte Schadenersatzanspruch sei daher keinesfalls gerechtfertigt. Aus wissentlich unrichtigen positiven Bankauskünften über die ÖKG hafte die Beklagte nur dem Anfrager, keineswegs aber jedermann. Anders wäre es nur, wenn ein doloses Zusammenspiel zum Zwecke der Schädigung Dritter durch eine wissentlich falsche Auskunft vorliege; dies werde jedoch durch den Kläger nicht behauptet. Aus dem Umstand, daß etwa die von der Beklagten einem Dritten erteilte Auskunft wissentlich falsch gewesen sei, sei daher für den Kläger nichts zu gewinnen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Kläger stützt seinen Anspruch auf folgendes Vorbringen:

"Angesichts der umfangreichen und auch unbesicherten Kreditgewährung der beklagten Partei an die ÖKG muß offensichtlich das eigene wirtschaftliche Interesse der beklagten Partei für diese wissentlich unwahre Auskunftserteilung (§§ 1300, 875, 874 ABGB) maßgeblich gewesen sein. Der beklagten Partei mußte zudem bekannt und bewußt sein, daß diese Auskunftverlangen zum Abschluß von Rechtsgeschäften mit der ÖKG unter Gewährung von Lieferantenkrediten begehrt worden sind." Hiezu hat der Kläger in der Folge klargestellt, er stütze sein Begehren ganz allgemein auf unrichtige Bankauskünfte; im speziellen Fall sei ihm keine Bankauskunft erteilt worden. Es bestehe zur Beklagten kein Vertragsverhältnis. "Der beklagten Partei war seit Herbst 1979 bekannt, daß die ÖKG wegen Überschuldung konkursreif war. Die beklagte Partei hat dennoch - auch in der Gewißheit, daß diese Überschuldung nicht behoben werden kann - durch eine mit der Sorgfalt eines ordentlichen Bankgeschäftsbetriebes unvereinbare Kreditgewährung und -ausweitung die Zahlungsunfähigkeit des überschuldeten Unternehmens ÖKG verursacht und damit verschuldet."

Nach § 1300 ABGB ist ein Sachverständiger auch dann verantwortlich, wenn er gegen Belohnung in Angelegenheiten seiner Kunst oder Wissenschaft aus Versehen einen nachteiligen Rat erteilt. Außer diesem Fall haftet ein Ratgeber nur für Schaden, welchen er wissentlich durch Erteilung des Rates dem anderen verursacht hat.

Nach herrschender Auffassung ist der in § 1300 ABGB ausdrücklich erwähnten Erteilung eines Rates die Erteilung einer Auskunft gleichzuhalten (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht[2] II 185 mwN, Welser, Zur Haftung der Banken für Bonitätsauskünfte, BankArch. 1982, 119 mwN). Die Auskunft wird als zum Geschäftsbetrieb der Banken - die sie kraft ihrer Stellung als Sachverständige erteilen - gehörig angesehen (Welser aaO 118; Welser, Die Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten 60; vgl. auch Koziol aaO 188 und BankArch. 1962, 400).

Der Umstand, daß eine Haftung nach § 1300 Satz 1 ABGB ein Schuldverhältnis zwischen dem Auskunftgeber und dem um Auskunft Ersuchenden voraussetzt (Welser, BankArch. 1982, 121; Koziol aaO 186; Ehrenzweig[2] II/1, 666; JBl. 1981, 319 ua.), ist vorliegend ohne Belang, weil der Kläger selbst einräumt, daß ein derartiges Vertragsverhältnis nicht bestehe, aber andererseits behauptet, die Beklagte habe eine bewußt falsche Auskunft erteilt. Von wesentlicher Bedeutung dagegen ist es, daß nicht ein Schaden geltend gemacht wird, der "dem anderen" (§ 1300 Satz 2 ABGB), also dem um Auskunft Ersuchenden, zugefügt worden sei, sondern ein dem Kläger als Drittem - da ihm unbestritten keine Bankauskunft erteilt worden ist - entstandener Schaden.

Wolff (in Klang[2] VI 49 und 52) und Scheucher (ÖJZ 1961, 228 ff.) vertreten die Meinung, daß nicht nur der Besteller des Gutachtens vom Sachverständigen Schadenersatz begehren könne, sondern - auf deliktischer Haftungsgrundlage - jede beliebige Person, die durch das falsche Gutachten zu Schaden gekommen sei. Die herrschende Lehre und Rechtsprechung ist jedoch grundsätzlich gegenteiliger Ansicht; eine Haftung des Sachverständigen gegenüber Dritten komme nur ausnahmsweise in Betracht (Koziol aaO 189 f.; Welser, Die Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten, 84 ff., 98; Bydlinski JBl. 1965, 320 f.; JBl. 1965, 319; SZ 9/76; SZ 16/143; SZ 43/236; JBl. 1981, 319; 1 Ob 98/64).

Eine solche Ausnahme wird bei deliktischer Verantwortlichkeit - die kein besonderes Vertragsverhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem voraussetzt, sondern gegenüber jeder beliebigen Person eintreten kann - dann zu machen sein, wenn eine absichtliche, sittenwidrige Schadenszufügung erfolgt (Welser, BankArch. 120; Bydlinski aaO 321), wenn der Sachverständige in doloser Weise und im Einverständnis mit dem Auftraggeber ein falsches Gutachten abgibt oder sonst ein sittenwidriges Zusammenspiel vorliegt (JBl. 1965, 319; 1 Ob 98/64 ua.). In dieser Richtung liegen Behauptungen - worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat - nicht vor.

Eine Haftung für die Auskunftserteilung gegenüber Dritten ist allerdings dann anzunehmen, wenn der Besteller des Gutachtens (der um Auskunft Ersuchende), für den Sachverständigen erkennbar, gerade (auch) die Interessen eines - oder mehrerer bestimmter - Dritten(r) bei der Bestellung des Gutachtens mitverfolgt (Bydlinski aaO 321;

Welser, Die Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten, 85; SZ 34/39;

JBl. 1981, 319); in diesem Fall liegt ein Vertrag zugunsten Dritter oder mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vor (Welser, Haftung 84 f.). Die Haftung gegenüber Dritten wird von der Lehre auch auf objektiv-rechtliche Schutzwirkungen gestützt, der Dritte von Gesetzes wegen in den Schutzbereich des Verpflichtungsverhältnisses einbezogen (Welser, Haftung. 86 ff., insbesondere auch FN 35). Welche diese bestimmten dritten Personen sind, für die die Auskunft eine geeignete Vertrauensgrundlage darstellen, ihnen als Richtschnur dienen soll, richtet sich nach der Verkehrsübung, wobei darauf zu achten ist, für welche Zwecke das Gutachten erstattet wurde (Welser, Haftung 88; SZ 16/143; 6 Ob 475/60). Nicht in Frage kommt somit eine Verantwortlichkeit gegenüber beliebigen Personen im Zweifel auch dann nicht, wenn der Gutachter weiß, daß seine Stellungnahme verbreitet werden soll (Welser, Haftung 88; im gleichen Sinn Bydlinski aaO 321; Canaris, Bankvertragsrecht[2] 53 f.). Daß der Auskunftgeber in abstracto damit rechnen muß, die Information werde irgendwie - auch durch Weitergabe durch den Besteller - an Außenstehende gelangen, reicht zu einer Haftung gegenüber dem Dritten nicht aus (Welser, Haftung 85). Daß für die Beklagte erkennbar war, daß gerade (auch) die Interessen des Klägers bei Einholung der Bonitätsauskunft mitverfolgt wurden, oder daß die Beklagte konkret damit rechnen mußte, die von ihr anderen Personen erteilten Bonitätsauskünfte würden dem Kläger zu Kenntnis gelangen oder gar an ihn weitergeleitet (vgl. Welser, Haftung 89 und 95), wird vom Kläger nicht behauptet. Seine Ausführungen können auch bei weitherziger Auslegung nicht dahin verstanden werden, daß der Beklagten bewußt sein mußte, es würden sich alle Lieferanten der ÖKG nur auf Grund der bestimmten anderen erteilten Auskünfte bereit finden, mit der ÖKG unter Gewährung von Lieferantenkrediten Rechtsgeschäfte abzuschließen, und daß dies der Verkehrsübung entspreche. Darauf, daß der Beklagten bewußt sein mußte, ihre Auskunft könnte die Entschlüsse irgendeines Dritten beeinflussen (wie in der Klage geltend gemacht wird), kommt es, wie dargelegt, nicht an (vgl. Bydlinski aaO.).

Auch der Vorwurf des Klägers, die Beklagte habe der ÖKG - obwohl ihr bekannt gewesen sei, daß diese wegen Überschuldung konkursreif sei, und in der Gewißheit, daß diese Überschuldung nicht behoben werden könne - weiterhin Kredit gewährt, sie habe dadurch die Zahlungsunfähigkeit der ÖKG verursacht und damit verschuldet, vermag den Klagsanspruch, wie vom Berufungsgericht zutreffend dargelegt wurde, nicht zu begrunden. Der Kläger kommt in seiner Revision auf diesen Anspruchsgrund nicht mehr zurück. Auch der OGH sieht die das gegenständliche Vorbringen betreffenden Ausführungen von Koziol, Die Haftung wegen Konkursverzögerung durch Kreditgewährung, RdW 1983, 34 ff. und 66 ff., auf die sich das Berufungsgericht im wesentlichen stützt, als überzeugend an. Eine Kreditgewährung - wird mit ihr kein anderer Zweck verfolgt als die Kredithingabe gegen Entgelt - ist ein Geschäft, das typischerweise nicht gefährlich ist, vielfach sich sogar ausgesprochen positiv auswirkt. Ein Kreditgeber braucht sich auch grundsätzlich nicht darum zu kümmern, ob das Kreditgeschäft für seinen Partner vorteilhaft ist oder nicht und wofür dieser den Kredit verwenden will, aber genausowenig darum, ob es für dessen Gläubiger zum Nutzen oder Nachteil ausschlägt (Koziol aaO 67). Daher ist auch eine Kreditgewährung trotz Konkursreife an sich noch nicht rechtswidrig (Koziol aaO), sondern nur unter zusätzlichen Voraussetzungen wie etwa der bewußten Verleitung zur Konkursverschleppung oder der Scheinsanierung (vgl. Koziol aaO 68), doch derlei wurde nicht behauptet.

Bemerkt sei, daß das Vorbringen des Klägers, die Kreditgewährung und -ausweitung der Beklagten habe die Zahlungsunfähigkeit der ÖKG verursacht, unverständlich, weil völlig unlogisch ist. Durch eine Kreditgewährung kann es dem Schuldner ermöglicht werden, die notwendigen Zahlungen zu leisten und die Konkurseröffnung hinauszuzögern (Koziol aaO 34). Wieso im vorliegenden Fall hiedurch eine Zahlungsunfähigkeit bewirkt worden sein sollte, unterläßt der Kläger auszuführen. Es fehlt dementsprechend an der Behauptung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen der Kreditgewährung und dem Unterbleiben der Bezahlung der Schuld (daß nämlich die Bezahlung der Schuld nur durch die Kreditgewährung verhindert worden sei). Behauptungen in der Richtung, daß die Beklagte den Kredit aufrechterhalten und ausgeweitet habe, um dadurch andere über die Kreditwürdigkeit der ÖKG zu täuschen und zur Kreditierung zu bewegen, hat der Kläger, worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat, nicht aufgestellt (vgl. Koziol aaO 69). Gewiß wird durch die Kreditgewährung häufig nach außenhin der Anschein der Kreditwürdigkeit des Schuldners hervorgerufen; es kann aber sicherlich nicht gesagt werden, daß in einer derartigen Kreditgewährung stets ein Ratschlag oder eine Auskunft iS des § 1300 ABGB zu sehen ist (Koziol aaO); der Kläger hat dies auch gar nicht geltend gemacht.