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OGH vom 29.05.2018, 1Ob85/18h

OGH vom 29.05.2018, 1Ob85/18h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. E. Solé, Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. R***** K*****, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, sowie den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Dr. F***** L*****, vertreten durch Dr. Richard Benda und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen 11.920,52 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 145/17h-17, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 22 Cg 54/17s-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 782,70 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Antrag des Nebenintervenienten auf Ersatz der Kosten der Revisionsbeanwortung wird abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Dies ist gemäß § 510 Abs 3 ZPO kurz zu begründen:

1.1. Amtshaftungsansprüche setzen gemäß § 1 Abs 1 AHG ein rechtswidriges und schuldhaftes Organverhalten voraus (1 Ob 47/14i = SZ 2014/44; zur Unterlassung RIS-Justiz RS0081378 [T12]; vgl auch RS0049955 [T15]). Ganz allgemein begründet nur eine unvertretbare Rechtsanwendung Amtshaftungsansprüche (RISJustiz RS0049912; RS0049955; RS0049969; RS0050216). Unvertretbarkeit der Rechtsansicht und damit ein Verschulden des Organs wird in der Regel dann angenommen, wenn die Entscheidung oder Verhaltensweise des Organs von einer klaren Rechtslage oder einer ständigen Rechtsprechung ohne sorgfältige Überlegung der Gründe abweicht (RISJustiz RS0049951 [T4]).

1.2. Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung durch das Erstgericht und begründete seine Entscheidung damit, dass im Vorgehen der Substitutin des Gerichtskommissärs – die dem Verlangen des Klägers, ihm zu einem Zeitpunkt, in dem er noch keine Erbsantrittserklärung abgegeben hatte, eine Amtsbestätigung nach § 172 AußStrG auszustellen, nicht nachgekommen war – weder ein unvertretbares, „geschweige denn ein schuldhaftes Verhalten zu erkennen“ sei; in der Folge, dh nach Abgabe seiner Erbantrittserklärung habe er eine solche nicht mehr verlangt. Nach herrschender Meinung gewähre § 810 ABGB dem erbantrittserklärten Erben ex lege ein subjektives Recht auf Benutzung und Verwaltung der Verlassenschaft, ohne dass es eines konstitutiven Überlassungsakts bzw Beschlusses durch das Gericht bedürfe, während die Amtsbestätigung nach § 172 AußStrG auf das Bestehen oder den Inhalt der Vertretungsbefugnis keine Auswirkungen und lediglich deklarative Bedeutung für die Außenvertretung habe. Seine Rechtsansicht, dass, so wie die Abgabe einer Erbantrittserklärung Voraussetzung für die (materielle) Befugnis zur Benützung, Verwaltung und Vertretung des Nachlasses sei, auch eine Amtsbestätigung nach § 172 AußStrG erst ausgestellt werden könne, wenn der (präsumtive) Erbe die Erbschaft angetreten, also eine Erbantrittserklärung abgegeben habe, stützte das Berufungsgericht nicht nur auf das Argument, dass es dem Zweck des § 810 ABGB zuwiderliefe, potentiellen Erben Vertretungsbefugnisse einzuräumen, solange nicht feststehe, ob sie die Erbschaft überhaupt antreten wollten, sondern es untermauerte sie auch mit der Angabe von Belegstellen der überwiegenden Lehre (vgl eingehend Sailer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 172 Rz 7 und Mondel, Die praktische Handhabung der Benützung, Verwaltung und Vertretung des Nachlasses, NZ 2006/54, 225 [229]; aA ohne Begründung Spruzina in NZ 2010/31, 97 [102] und ihm folgend Feil, AußStrG3, § 172 Rz 1; vgl aber die [spätere] Kommentierung von Spruzina zu § 810 ABGB in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 [Stand , rdb.at] Rz 3 f, wonach das Recht der Benützung, Verwaltung und Vertretung der Verlassenschaft durch die Abgabe der Erbantrittserklärung und die Erbringung des Erbrechtsausweises entstehe und im Fall einer schriftlichen Abhandlungspflege die Amtsbestätigung über das Vorliegen der Voraussetzungen für Benützung, Verwaltung und Vertretung der Verlassenschaft durch den erbantrittserklärten Erben vom Gerichtskommissär und nicht vom Gericht auszustellen sei).

1.3. Eine klare Gesetzeslage, die die von ihm geforderte Ausstellung der Amtsbestätigung nach § 172 AußStrG auch ohne Abgabe einer Erbantrittserklärung anordnet, kann der Kläger nicht für sich nicht ins Treffen führen. Insoweit er selbst einräumt, es bestünden divergierende Lehrmeinungen, der Oberste Gerichtshof habe sich mit dieser Frage noch nicht beschäftigt, aber auch keine ständige Rechtsprechung, ja nicht eine einzige Entscheidung erst- oder zweitinstanzlicher Gerichte angeben kann, die für den Gerichtskommissär hätte Vorgabe sein können oder die der Ansicht des Berufungsgerichts widerspräche, gelingt es ihm nicht, eine unvertretbare Fehlbeurteilung der Vorinstanzen über die Vertretbarkeit des Handelns des Gerichtskommissärs (bzw dessen Substitutin) aufzuzeigen.

1.4. Die Beantwortung der vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Frage, ob die Ausstellung einer Amtsbestätigung nach § 172 AußStrG die Abgabe einer Erbantrittserklärung voraussetzt, zielt auf die Beurteilung der Richtigkeit der Vorgangsweise des Gerichtskommissärs ab. Ihr kommt aber im Amtshaftungsprozess keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, wenn das Handeln des Organs – wie dies im vorliegenden Fall ohne aufzugreifende Fehlbeurteilung geschehen ist – als jedenfalls vertretbar eingestuft wurde (vgl RIS-Justiz RS0049951 [T4]; RS0049955; RS0050216 [T7]; zuletzt 1 Ob 236/17p).

2.1. Auch sonst wirft der Kläger in seiner Revision keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf:

2.2. Der Geschädigte muss im Amtshaftungsprozess die Rechtsverletzung durch das Organ und deren Kausalität für den eingetretenen Schaden behaupten und beweisen (vgl RISJustiz RS0022469). Da der Kläger den Vorwurf, er sei pflichtwidrig nicht dazu angeleitet worden, eine Erbantrittserklärung (früher) abzugeben, erstmals im Berufungsverfahren erhoben hat, Feststellungen dazu (schon mangels Vorbringens im Verfahren erster Instanz) nicht getroffen wurden und sich damit entgegen seinen Behauptungen aus dem festgestellten Sachverhalt ein solcher Umstand weder zweifelsfrei ergibt, noch „zu diesen Aspekten“ Feststellungen und eine Erörterung fehlen, liegt in dem von ihm vermissten Eingehen des Berufungsgerichts darauf wegen des Neuerungsverbots (vgl 1 Ob 167/13k; 1 Ob 123/15t = SZ 2015/85) ebenso wenig keine erhebliche Rechtsfrage.

2.3. Schon das Erstgericht hatte erläutert, dass nach der Anordnung in § 178 Abs 3 AußStrG (in der auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwendenden Fassung BGBl I 2003/111) ein Einantwortungsbeschluss die Bestimmung der Gebühren des Gerichtskommissärs enthalten solle. Mit der bloßen Behauptung, das Berufungsgericht habe zur Frage einer „Ausstellung des Einantwortungsbeschlusses unter Vorbehalt der Kostenentscheidung“ die ständige Rechtsprechung verkannt, ohne auch nur eine einzige Entscheidung für seinen Standpunkt zitieren zu können, kann der Revisionswerber ein Abweichen von ständiger (höchstgerichtlicher) Rechtsprechung die ein Eingreifen des Obersten Gerichtshofs erforderte, nicht darlegen.

3. Die Kostenersatzpflicht des Klägers gegenüber der beklagten Partei gründet auf § 41 Abs 1 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO. Diese hat in ihrer Revisionsbeantwortung unter Berufung auf die Unzulässigkeit der Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, weil nicht die Richtigkeit, sondern die Vertretbarkeit des Organverhaltens zu beurteilen sei, die Zurückweisung der Revision beantragt. Ihr Schriftsatz ist daher als zweckmäßige Rechtsverteidigungsmaßnahme anzusehen (vgl RIS-Justiz RS0035979 [T16]).

Der Nebenintervenient hat dagegen gemäß § 40 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, hat er doch auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision nicht hingewiesen und auch nur beantragt, ihr keine Folge zu geben (vgl RISJustiz RS0035962 [besonders T 20]; RS0035979 [besonders T 2, T 25]; 1 Ob 128/16d ua).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00085.18H.0529.000

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