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OGH vom 23.05.2019, 3Ob72/19p

OGH vom 23.05.2019, 3Ob72/19p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.-Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. M*****, geboren ***** 2011, und 2. F*****, geboren ***** 2012, Mutter B*****, vertreten durch Ochsenhofer & Heindl Rechtsanwälte OG in Oberwart, Vater P*****, vertreten durch Divitschek Sieder Sauer Peter Rechtsanwälte GesbR in Deutschlandsberg, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 1 R 22/19s-168, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen betrauten die Eltern der beiden Buben (im Alter von sieben und acht Jahren) mit der – schon bisher nahezu durchgehend ausgeübten – gemeinsamen Obsorge; die hauptsächliche Betreuung der Kinder erfolgt im Haushalt der Mutter. Außerdem wurde geregelt, wann die Kinder in Zeiten des Schulbesuchs und in den Ferien jeweils beim Vater bzw bei der Mutter betreut werden sollen. Die Anträge des Vaters auf Anordnung des Schulbesuchs der Kinder in einer anderen Volksschule, auf Verhängung einer Beugestrafe und Anordnung von Erziehungshilfe gegen die Mutter wiesen die Vorinstanzen ab.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters wendet sich gegen den Ausspruch über die hauptsächliche Betreuung (auch) des jüngeren Kindes im Haushalt der Mutter, gegen Details der Kontaktrechtsregelung sowie gegen die Abweisung seiner Anträge (betreffend Schulbesuch, Beugestrafe und Erziehungshilfe). Er macht geltend, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen „das Postulat der Erziehungskontinuität“ sowie gegen die Rechtsprechung zum Domizilelternteil und zum Wohlverhaltensgebot nach § 159 ABGB, zeigt damit aber keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Auch im Fall gemeinsamer Obsorge und Betreuung des Kindes zu gleichen Teilen ist gemäß § 180 Abs 2 letzter Satz ABGB die Festlegung des Hauptaufenthalts des Kindes erforderlich, soll jedoch in diesem Fall nur als nomineller Anknüpfungspunkt für andere Rechtsfolgen dienen, deren Grundlage ein bestimmter Aufenthaltsort ist, wie insbesondere für die Bestimmung des Hauptwohnsitzes des Kindes im Sinn des Melderechts oder die Geltendmachung von Familien- und Wohnbeihilfe (RIS-Justiz RS0130981; jüngst 3 Ob 213/18x). Die Frage, welchem Elternteil die hauptsächliche Betreuung zukommen soll, hängt – unabhängig davon, ob es sich um einen bloß nominellen oder einen tatsächlichen hauptsächlichen Betreuungsort (§ 180 Abs 2 letzter Satz ABGB) handelt – von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0130918 [T3]; RS0115719 [T14]). Der Grundsatz der Kontinuität ist hierbei zwar von besonderer Bedeutung, darf aber nicht um seiner selbst Willen aufrechterhalten werden, sondern ist dem Wohl des Kindes unterzuordnen, wenn – wie hier im Hinblick auf geänderte Verhältnisse – eine Neuregelung im Interesse der Kinder geboten ist (vgl RS0047928 [T2 und T 17]). In der Entscheidung 3 Ob 71/17p wurde der jetzt festgestellte Sachverhalt noch nicht beurteilt.

1.2 Die überwiegende Betreuung beider Kinder im Haushalt der Mutter entspricht dem – von beiden Elternteilen nie in Frage gestellten – Grundsatz, dass die jeweiligen Bezugssystemwechsel immer nur für die beiden Geschwister gemeinsam erfolgen sollten (dies auch weiterhin). Fest steht, dass die zuvor sehr häufigen Wechsel zwischen den Eltern wegen der bei den Übergaben in den Vordergrund tretenden Konflikte der Eltern ein Problem für die Kinder darstellten, und dass längere Kontaktblöcke und Übergaben an einem neutralen Ort für das Wohl der Kinder förderlich sind. Die im angefochtenen Beschluss geregelten Bezugssystemwechsel während der Schulzeiten, die eine Übernahme bzw Übergabe der Betreuung vom einen zum anderen Elternteil in der Schule vorsehen, sind – nach den Feststellungen – geeignet, die Belastung der Kinder geringer zu halten. Insgesamt überwiegt zwar (etwas) die Betreuung der Kinder im Haushalt der Mutter; durch die angeordnete Aufteilung (insbesondere durch etwas umfangreichere Ferienzeiten beim Vater) wird jedoch ein annäherndes Gleichgewicht der Betreuungszeiten beider Elternteile erreicht.

Der Revisionsrekurs zeigt nicht auf, weshalb die beanstandete Festlegung (auch) der hauptsächlichen Betreuung des jüngeren Sohnes im Haushalt der Mutter (nahe dem Ort des Schulbesuchs der beiden Buben) dem Kindeswohl widersprechen und der vom Vater angestrebte wöchentliche Wechsel der Betreuung dem Wohl der Kinder doch förderlich sein sollte; vielmehr erschöpfen sich die diesbezüglichen Rechtsmittelausführungen in der Wiederholung der Vorwürfe angeblicher Verhaltensweisen der Mutter bei früheren Übergaben der Kinder im Rahmen des Kontaktrechts; sie betreffen also letztlich nur die – konfliktbelastete – Kommunikationsebene der Eltern. Dass die Elternprobleme aber eine gemeinsame Obsorge in Frage stellen würden, behauptet der Revisionsrekurswerber jedoch selbst nicht.

2.1 Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände das Kontaktrecht eingeräumt werden soll, ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig, weshalb ihr keine Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden kann, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (RS0097114).

2.2 Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen kann hier aber – entgegen der Meinung des Revisionsrekurswerbers – nicht erkannt werden:

Die Vorinstanzen haben die Anordnung der überwiegend vom Vater durchzuführenden Fahrten beim Abholen und beim Hinbringen der Kinder von der bzw zur Schule im Wesentlichen mit der selbständigen und finanziell besser entlohnten Berufstätigkeit des Vaters, also damit begründet, dass (nur) die Mutter der Minderjährigen unselbständig erwerbstätig ist. Der Vater beanstandet, dass er durch die angeordnete Kontaktrechtsregelung „zahlreiche Arbeitstage verliere“. Gleichzeitig strebt er aber selbst ein noch umfangreicheres Kontaktrecht (mit wochenweisem Betreuungswechsel) an. Weshalb ihm dabei mehr Arbeitstage zur Verfügung stehen würden, kann der Vater in seinem Rechtsmittel nicht darlegen. Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG wird auch mit diesen Argumenten nicht aufgezeigt.

3. Die behauptete Aktenwidrigkeit sowie die behaupteten Verfahrensmängel wurden geprüft; sie liegen nicht vor.

4. Der Revisionsrekurs ist somit zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00072.19P.0523.000

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