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OGH vom 18.05.2016, 3Ob72/16h

OGH vom 18.05.2016, 3Ob72/16h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Rohracher Winkler Rechtsanwälte GesbR in Kitzbühel, gegen die beklagten Parteien 1. B*****, 2. A*****, beide vertreten durch Dr. Karl Ludwig Vavrovsky, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung und Einverleibung einer Grunddienstbarkeit sowie Unterlassung, über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 53 R 305/15g 36, womit das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom , GZ 17 C 448/14i 32, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist seit 1984 Eigentümer einer Liegenschaft im Land Salzburg, auf der sich ein von ihm und zuvor (seit dem Jahr 1953) von seinen Eltern betriebenes Berghotel mit Gasthof und ein bereits von den Rechtsvorgängern der Eltern des Klägers betriebener kurzer Skilift befindet. Etwa ab dem Jahr 1955 befuhren regelmäßig Skifahrer die an die Liegenschaft des Klägers angrenzenden, nunmehr den Beklagten gehörenden Grundstücke 1167/1 und 1166/2 über von den Eltern des Klägers präparierte, auf beiden Seiten der Bergstation des Skilifts herabführende Pisten und fuhren auch von dort über die östliche Grundstücksgrenze der Grundstücke 1167/1 und 1166/2 zum Gasthof zu, um dort einzukehren.

Bereits damals existierte an der Ostgrenze der Grundstücke 1167/1 und 1166/2 ein Weidezaun, der im Winter zunächst von den Eltern des Klägers und ab dem Jahr 1984 von diesem abgelegt wurde. Der Kläger fragte die damaligen Eigentümer dieser Grundstücke nicht um Erlaubnis, weil er der Meinung war und ist, dass dies schon immer so gehandhabt worden sei und sein Vater mit den Nachbarn eine entsprechende Vereinbarung getroffen habe. Es konnte weder festgestellt werden, ob der Vater des Klägers mit den Eigentümern dieser Grundstücke tatsächlich eine solche Vereinbarung über die Benutzung für den Skibetrieb und hinsichtlich des Ablegens der Weidezäune getroffen hatte, noch welchen Inhalt eine allfällige Vereinbarung hatte.

Der Kläger betrieb spätestens ab dem Jahr 1995 den von seinem Vater im Jahr 1967 errichteten neuen Skilift nicht mehr. Dennoch wurden und werden die Grundstücke der Beklagten weiterhin von Skifahrern und „Skischulen“ (gemeint: Skilehrern mit ihren Schülern) auch zum Zufahren zum Gasthof des Klägers befahren. Im Jahr 2005 wurde eine etwa 150 m südwestlich des Berghotels des Klägers gelegene Mittelstation einer neuen Bergbahn in Betrieb genommen. Die neue Skipiste führt seither nur noch über die westlichen Teile der Grundstücke der Beklagten.

Die Beklagten erwarben das Hälfteeigentum an den genannten Grundstücken sukzessive (mit insgesamt drei Kaufverträgen) im August 1996 und im Februar 2000. Sie wurden anlässlich des Abschlusses der Kaufverträge nicht über allfällige außerbücherliche Lasten aufgeklärt. Dem Erstbeklagten war damals bewusst, dass im Winter Skifahrer über diese Grundstücke fahren und dabei auch über die östliche Grundstücksgrenze zum Gasthof des Klägers zufahren.

Der Kläger begehrt die Feststellung des Bestehens der nach seinem Standpunkt von ihm bzw seinen Rechtsvorgängern ersessenen Dienstbarkeit der Skiabfahrt zugunsten seiner Liegenschaft in durch schraffierte Flächen in einem Lageplan näher bezeichnetem Ausmaß, die Zustimmung der Beklagten zur Einverleibung dieser Dienstbarkeit und die Unterlassung jeder Störung dieser Servitut.

Die Beklagten bestritten eine Ersitzung der Servitut und wenden außerdem (ua) ein, sie hätten die Grundstücke gutgläubig lastenfrei erworben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ein Rechtserwerb des Klägers durch (uneigentliche) Ersitzung scheitere bereits an dessen fehlender Redlichkeit.

Das Berufungsgericht hob über Berufung des Klägers das Urteil des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Nach den Feststellungen bestehe kein Anlass, an der Redlichkeit des Klägers und seiner Rechtsvorgänger zu zweifeln, zumal ungeklärt geblieben sei, ob nicht tatsächlich eine Vereinbarung über die Benutzung der Grundstücke für den Skibetrieb getroffen worden sei. Die Beklagten hätten die Grundstücke auch nicht gemäß § 1500 ABGB lastenfrei erworben. Die weiters behauptete Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB müsse schon daran scheitern, dass die Beklagten kein Hindernis errichtet hätten, das der Ausübung der Servitut der Skiabfahrt entgegen gestanden wäre. Es könne auch keine Rede davon sein, dass die Servitut infolge Einstellung des Skiliftbetriebs gänzlich zwecklos geworden wäre. Im Gegenteil hätten jetzt sogar mehr Skifahrer die Möglichkeit, von der neuen Skipiste auch zur Liegenschaft des Klägers zu gelangen. Indem der Kläger unmittelbar vor Schluss der Verhandlung erster Instanz sein Begehren dahin eingeschränkt habe, dass hinsichtlich des bergwärts gelegenen Grundstücks 1167/1 räumlich nur jene Bereiche betroffen seien, die „aus topografischen bzw praktischen Gründen“ mit Skiern oder ähnlichen Wintersportgeräten befahren werden könnten, sodass Baumgruppen ausgenommen seien, habe er seinem Feststellungsbegehren hinsichtlich dieses Grundstücks die erforderliche Bestimmtheit genommen. Dies wäre mit dem Kläger zu erörtern gewesen. Außerdem seien die erstinstanzlichen Feststellungen für eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht ausreichend, weil unklar sei, in welchen Bereichen die beiden Grundstücke der Beklagten tatsächlich durch Skifahrer befahren worden seien. Wenngleich dabei nicht engherzig vorzugehen sei, dürfe doch nicht übersehen werden, dass es angesichts der Größe der beiden Grundstücke und der vom Kläger im Lageplan schraffiert dargestellten Flächen durchaus möglich sei, dass diese nur teilweise von zum Berghotel des Klägers zufahrenden Skifahrern regelmäßig befahren worden seien.

Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss für zulässig, weil bisher keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einer regulären Grunddienstbarkeit der Skiabfahrt vorliege und den behandelten Rechtsfragen durchaus Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukomme.

Der Rekurs der Beklagten, mit dem sie primär die Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts anstreben, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig .

Rechtliche Beurteilung

Der Umstand, dass zu einer konkreten Fallgestaltung keine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht, begründet unter anderem dann keine erhebliche Rechtsfrage, wenn die relevanten rechtlichen Grundsätze in der Rechtsprechung des Höchstgerichts geklärt sind (RIS Justiz

RS0102181). Das ist hier der Fall:

1. Ein Rechtsbesitzer ist redlich, wenn er glauben kann, dass ihm die Ausübung des Rechts zusteht. Der gute Glaube und damit die Redlichkeit des Besitzers fehlt zwar, wenn dieser auch nur Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Besitzes hegen musste (RIS Justiz RS0010137 [T1]). Da die Redlichkeit des Besitzers allerdings gemäß § 328 ABGB im Zweifel vermutet wird, trifft die Beweislast für die Unredlichkeit die beklagten Ersitzungsgegner (RIS-Justiz RS0034237 [T5];

1 Ob 181/14w). Die Negativfeststellung zum Abschluss einer Vereinbarung über die Benützung der Grundstücke der Beklagten geht deshalb, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, zu Lasten der Beklagten, weil die Unredlichkeit des Klägers gerade nicht feststeht.

2. Eine nicht verbücherte Dienstbarkeit, die nicht offenkundig ist, erlischt durch den gutgläubigen Erwerb des belasteten Grundstücks (RIS-Justiz RS0012151). Um den Liegenschaftserwerber des Schutzes des § 1500 ABGB teilhaftig werden zu lassen, ist es erforderlich, dass diesem sowohl im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs als auch in jenem der Antragstellung auf Einverleibung seines Eigentumsrechts eine allenfalls vom Grundbuchstand abweichende wahre Sachlage unbekannt war (RIS Justiz RS0034776 [T1]). Der redliche Erwerber wird jedoch nicht geschützt, wenn seine irrige Vorstellung über den Umfang eines fremden Rechts auf auch nur leichter Fahrlässigkeit beruht (RIS Justiz RS0034776 [T4, T 6, T 11, T 23]). Die Sorgfaltsanforderungen an den Erwerber dürfen zwar nicht überspannt werden, weil sonst das Grundbuch entwertet würde (RIS Justiz RS0034776 [T3]), er muss allerdings Nachforschungen anstellen, wenn der indizierte Verdacht besteht, dass die tatsächlichen Besitzverhältnisse nicht dem Grundbuchstand entsprechen, wenn sich also nach den Umständen des Einzelfalls konkrete Bedenken ergeben (RIS Justiz RS0034776 [T13, T 22]).

Da dem Erstbeklagten nach den Feststellungen bewusst war, dass im Winter Skifahrer über die von den Beklagten erworbenen Grundstücke zum Gasthof des Klägers zufuhren, und den Beklagten nur in einem der insgesamt drei Kaufverträge über Anteile an den beiden Grundstücken ausdrücklich Freiheit (auch) von Dienstbarkeiten zugesichert wurde, ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach die Beklagten Zweifel an der Lastenfreiheit der Grundstücke haben mussten und deshalb gehalten gewesen wären, beim Kläger nachzufragen, nicht zu beanstanden.

3.

Richtig ist, dass das Erlöschen einer Servitut wegen Zwecklosigkeit das Recht ex lege beendet (RIS Justiz

RS0011582 [T9];

RS0011589 [T7]; zuletzt 1 Ob 210/15m).

Völlig zwecklos ist eine Dienstbarkeit jedoch nur dann, wenn sie ihren Sinn ganz verloren hat und ihre Ausübung nicht nur vorübergehend, sondern dauernd unmöglich geworden ist. Jeder auch nur einigermaßen ins Gewicht fallende Vorteil genügt für die Aufrechterhaltung des erworbenen Rechts (RIS Justiz

RS0116757; zuletzt 1 Ob 210/15m mwN).

Von einer völligen Zwecklosigkeit kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil die Grundstücke der Beklagten auch nach Einstellung des Skiliftbetriebs des Klägers weiterhin von Skifahrern befahren werden.

4. Dass derzeit (noch) keine Beweisergebnisse vorliegen, die die vom Berufungsgericht als fehlend erkannten Feststellungen zum räumlichen Ausmaß der Servitut tragen können, führt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zur Verneinung dieses rechtlichen Feststellungsmangels. Die vom Berufungsgericht aufgezeigte Ergänzungsbedürftigkeit des Verfahrens wird vielmehr vom Erstgericht mit dem Kläger zu erörtern sein, der zu diesem Thema ergänzende Beweisanträge stellen kann.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit des Rechtsmittels gegen einen Aufhebungsbeschluss iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO des Berufungsgerichts findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS Justiz RS0123222 [T4, T 5]). Mangels begründeter Ausführungen zur Unzulässigkeit des Rekurses ist die Rekursbeantwortung des Klägers nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geeignet und deshalb nicht zu honorieren (7 Ob 34/15y; RIS Justiz RS0123222 [T11]); der bloße (hier nur hilfsweise gestellte) Antrag auf Zurückweisung des Rekurses reicht nicht aus (6 Ob 12/15f).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00072.16H.0518.000