OGH vom 17.02.2016, 7Ob20/16s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** D*****, vertreten durch Dr. Karl Heinz Plankel und andere Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A***** SE *****, vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 79/15m 11, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 6 C 623/14g 7, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt vom beklagten Rechtsschutzversicherer Deckung für die Erhebung einer Stufenklage gemäß Art XLII ff EGZPO zur Abrechnung der Stornoreserve gegen die Gesellschaft, bei der er als arbeitnehmerähnlicher Handelsvertreter tätig gewesen sei.
Dem Rechtsschutzversicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz Versicherung (ARB 2003) zugrunde. Diese lauten auszugsweise:
„ Gemeinsame Bestimmungen
[...]
Artikel 7
Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?
1. Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen
[...]
1.5. aus Anstellungsverträgen gesetzlicher Vertreter juristischer Personen und aus dem Bereich des Handelsvertreterrechtes;
[...]
Besondere Bestimmungen
[...]
Artikel 23
Rechtsschutz in Arbeits und Dienstrechtssachen
Der Versicherungsschutz erstreckt sich je nach Vereinbarung auf den Berufs und/oder Betriebsbereich.
1. Wer ist in welcher Eigenschaft versichert?
Versicherungsschutz haben
1.1. im Berufsbereich
der Versicherungsnehmer und [...] in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer im Sinne des § 51 ASGG für Versicherungsfälle, die mit der Berufsausübung unmittelbar zusammenhängen oder auf dem direkten Weg von und zur Arbeitsstätte eintreten.
[...]. “
Das Berufungsgericht verneinte die Deckungspflicht. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Anwendung von Art 7.1.5. ARB 2003 auf arbeitnehmerähnliche Handelsvertreter vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine im Zeitpunkt der Entscheidung tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RIS Justiz RS0112921 [T5]). Das ist hier der Fall:
2. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom , 7 Ob 156/15i, zu den auch in der vorliegenden Rechtssache, der ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt, aufgeworfenen Rechtsfragen zusammengefasst wie folgt Stellung genommen:
2.1. Da die personale Risikoumschreibung in Art 23.1.1. ARB 2003 generell „Arbeitnehmer“ im Sinn des § 51 ASGG einschließt, erstreckt sich der Versicherungsschutz nach dieser Bestimmung auch auf arbeitnehmerähnliche Personen im Sinn des § 51 Abs 3 Z 2 ASGG.
2.2. Art 7.1.5. ARB 2003 beschreibt den Risikoausschluss nach seinem klaren Wortlaut nicht unmittelbar personenbezogen nach der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers. Er differenziert insbesondere nicht danach, ob der Versicherungsnehmer als selbständiger oder als arbeitnehmerähnlicher freier Handelsvertreter zu qualifizieren ist, sondern schließt den Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Handelsvertreterrechts aus. Der Risikoausschluss nach Art 7.1.5. ARB 2003 ist daher besonders anhand der faktisch ausgeübten Tätigkeit des Versicherungsnehmers und der Qualität der von ihm verfolgten Ansprüche zu beurteilen.
2.3. Davon ausgehend beurteilte der Oberste Gerichtshof den Fall, dass eine arbeitnehmerähnliche Person im Rahmen eines Strukturvertriebs Kapitalanlagen, Bauspar- und Versicherungsverträge vertreibt, ihre Tätigkeit dabei weitgehend selbst bestimmt und gegen den Unternehmer mit einer Stufenklage die Klärung und Auszahlung von rückverrechneten Leistungsvergütungen anstrebt, mit denen sie wegen stornierter Verträge der ihr zugeordneten Mitarbeiter belastet wurde als dem Risikoausschluss des Art 7.1.5. ARB 2003 zu unterstellende Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Handelsvertreterrechts.
3. Vor diesem Hintergrund hält sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger, der als arbeitnehmerähnliche Person im Rahmen eines Strukturvertriebs Finanzdienstleistungen erbrachte sowie entsprechende Verträge vermittelte, seine Tätigkeit dabei weitgehend selbst bestimmte und gegen den Unternehmer mit einer Stufenklage die Klärung und Auszahlung der Stornoreserve anstrebt, nehme rechtliche Interessen aus dem Bereich des Handelsvertreterrechts wahr, diese Rechtsverfolgung unterliege aber dem Risikoausschluss nach Art 7.1.5. ARB 2003, im Rahmen oberstgerichtlicher Judikatur.
4. Die vom Kläger entsprechend dem Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts aufgeworfenen Fragen sind daher nicht mehr als erheblich einzustufen, weshalb seine Revision zurückzuweisen ist.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Konnte der Revisionsgegner bei Erstattung der Rechtsmittelbeantwortung die Unzulässigkeit der Revision nicht erkennen, weil zu diesem Zeitpunkt jene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs noch nicht ergangen war, welche die auch im Anlassfall entscheidungswesentliche erhebliche Rechtsfrage beantwortet, so stehen ihm in analoger Anwendung des § 50 Abs 2 ZPO die Kosten der Revisionsbeantwortung auch dann zu, wenn er auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hinwies (RIS Justiz RS0123861).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00020.16S.0217.000
Fundstelle(n):
WAAAD-66053