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OGH vom 27.02.2012, 7Ob20/12k

OGH vom 27.02.2012, 7Ob20/12k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Dr. Gitschthaler und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Heimaufenthaltssache des L***** S*****, geboren am *****, vertreten 1. durch die Sachwalterin Gertrude B*****, und 2. durch den Verein gemäß § 8 Abs 2 HeimAufG, VertretungsNetz Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung (Bewohnervertreterin Mag. Manuela O*****), dieser vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Bewohnervertreters gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 4 R 203/11m 19, mit dem der Rekurs der Bewohnervertreterin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 3 HA 3/11v 11, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Nach Durchführung einer Anhörung wies das Erstgericht mit Beschluss vom die Anträge des Bewohnervertreters

a) festzustellen, dass es sich bei der „gesetzten Maßnahme“ (Türtaster) um eine freiheitsbeschränkende Maßnahme im Sinn des HeimAufG handle,

b) die „gesetzte Maßnahme“ (Türtaster) für unzulässig zu erklären und

c) festzustellen, welche gelinderen Pflege und Betreuungsmaßnahmen zur Anwendung zu kommen haben, ab und beraumte die mündliche Verhandlung gemäß § 14 HeimAufG an. Rechtlich führte es aus, „vorerst“ werde der Standpunkt vertreten, dass das Anbringen eines Türtasters an der Eingangstür keine freiheitsbeschränkende Maßnahme sei.

Mit dem nach Abhaltung der mündlichen Verhandlung ausgefertigten Beschluss vom wies das Erstgericht die Anträge des Bewohnervertreters „endgültig“ ab. Das Anbringen eines Türtasters an der Eingangstür eines Pflegeheims sei keine freiheitsbeschränkende Maßnahme.

Gegen den (ersten) Beschluss vom erhob der Bewohnervertreter am Rekurs. Das Rekursgericht gab mit Beschluss vom „dem Rekurs Folge“, änderte jedoch den (zweiten) Beschluss vom dahin ab, dass es die Freiheitsbeschränkung des Heimbewohners durch Hindern am Verlassen des Heims mittels Türtasters für unzulässig erklärte. Den dagegen am eingebrachten außerordentlichen Revisionsrekurs des Leiters der Einrichtung gab der Oberste Gerichtshof mit Entscheidung vom , 7 Ob 173/11h, Folge, hob den Beschluss vom auf und trug dem Rekursgericht die Entscheidung über den gegen den erstinstanzlichen Beschluss vom gerichteten Rekurs auf.

Nach Fassung des Beschlusses des Rekursgerichts vom erhob der Bewohnervertreter auch Rekurs gegen den (zweiten) erstgerichtlichen Beschluss vom . Diesen Rekurs wies das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom zurück, weil dem Bewohnervertreter durch die „bereits erfolgte“ Entscheidung des Rekursgerichts vom die Beschwer fehle.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs im Hinblick auf die klare Rechtslage zur Beschwer nicht zulässig sei.

Mit Beschluss vom wies das Rekursgericht den Rekurs des Bewohnervertreters gegen den (ersten) erstgerichtlichen Beschluss vom zurück. Eine inhaltliche Entscheidung über die (vorläufige) Entscheidung des Erstgerichts vom würde in die Rechtskraft der [erstgerichtlichen] (End )Entscheidung vom eingreifen. Jede insbesondere gegenteilige inhaltliche weitere Entscheidung müsse „an den Grundsätzen der §§ 43 AußStrG, 411 ZPO [iVm § 35 AußStrG] scheitern“.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts vom richtet sich der nach Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsrekursfrist - rechtzeitige außerordentliche Revisionsrekurs des Bewohnervertreters mit einem Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist infolge ungerechtfertigter Verneinung der Beschwer durch das Rekursgericht zulässig und berechtigt.

Auch im Außerstreitverfahren sind Rechtsmittel mangels eines Rechtsschutzinteresses (einer Beschwer), das im Zeitpunkt der Entscheidung über den Rekurs noch fortbestehen muss, unzulässig. Die Entscheidung bloß theoretisch abstrakter Rechtsfragen, die somit nicht (mehr) präjudiziell sind, ist nämlich nicht Aufgabe der Rechtsprechung (7 Ob 277/07x mwN).

Das Rekursgericht vertrat zu Unrecht die Auffassung, dass dem Rekurs des Bewohnervertreters durch die „bereits erfolgte“ zweitinstanzliche Entscheidung die Beschwer fehle. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn der Beschluss des Rekursgerichts vom im Entscheidungszeitpunkt bereits rechtskräftig gewesen wäre, was aber nicht der Fall war. Zwar hatte das Rekursgericht in diesem Beschluss, der inhaltlich dem Rekursbegehren des Bewohnervertreters entspricht, die Freiheitsbeschränkung des Heimbewohners durch Hindern am Verlassen des Heims mittels Türtasters für unzulässig erklärt, jedoch erhob der Leiter der Einrichtung dagegen bereits am - vor der Erlassung des angefochtenen Beschlusses - einen rechtzeitigen außerordentlichen Revisionsrekurs, der zur Aufhebung des Beschlusses vom durch die Entscheidung 7 Ob 173/11h führte. Das Rechtsschutzinteresse des Bewohnervertreters an der Klärung der (Un )Zulässigkeit der (behaupteten) Freiheitsbeschränkung war und ist nach wie vor aufrecht.

Dem Revisionsrekurs ist daher wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung Folge zu geben und der Beschluss des Rekursgerichts über die Zurückweisung des Rekurses der Bewohnervertreterin mangels Beschwer aufzuheben. Das Rekursgericht wird im weiteren Verfahren neuerlich über diesen Rekurs gegen den erstinstanzlichen Beschluss vom unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden haben.