OGH vom 15.06.2004, 5Ob307/03p

OGH vom 15.06.2004, 5Ob307/03p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1. Erika S 2. Karl S*****, beide ***** beide vertreten durch Mag. Sascha Nevoral, Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation Wien, Reichsratsstraße 15, 1010 Wien, wider die Antragsgegnerin Ö***** W*****aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Walter Lichal, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 22 Abs 1 Z 6 WGG iVm § 14 WGG, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 38 R 160/03s-12, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Donaustadt vom , GZ 8 Msch 10011/02z-7, abgeändert wurde, nachstehenden

Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der Antragsteller wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Antragsteller sind Mieter der Wohnung top Nr 25 auf Stiege 4 in *****.

Die Antragsgegnerin ist eine gemeinnützige Bauvereinigung im Sinn des § 1 WGG. Auf das Bestandverhältnis sind die Bestimmungen der §§ 13, 14 WGG anzuwenden.

Den Antragstellern wurde das laufende Entgelt gemäß § 14 WGG für das Jahr 2000 von der Antragsgegnerin am bekanntgegeben.

Im Jahr 2000 kam es dreimal zu Zinssatzerhöhungen für das der Antragsgegnerin von der E***** AG gewährten Darlehens und damit zu Erhöhungen der von der Antragsgegnerin zu leistenden Ratenzahlungen.

Im Dezember 2000 wurden den Mietern des Hauses die Grundlagen der Entgeltkalkulation für das Jahr 2001 für die Wohnhausanlage bekanntgegeben (Beilage 9). In diesem Schreiben ist ein Darlehenszinssatz für das Jahr 2000 von 4,875 und für das Jahr 2001 von 6,375 enthalten.

Im Rahmen der Jahresabrechnung für das Jahr 2000 vom wurde den Antragstellern ein Nachforderungsbetrag für die Miete des Jahres 2000 in Höhe von S 4.471,05 bekannt gegeben. Gleichzeitig wurde in einer eigenen Beilage (Beilage 8) die Mietenverrechnung für die Antragsteller vom bis dargestellt.

Der sich für die Antragsteller ergebende Nachforderungsbetrag in Höhe von S 4.471,05 steht der Höhe nach außer Streit.

Es steht nicht fest, dass die Antragsteller diesen Betrag bezahlt hätten.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehren die Antragsteller festzustellen, dass die Vorschreibung der Mietennachverrechnung für das Jahr 2000 in Höhe von S 4.471,05 zu Unrecht erfolgt sei, dass die Antragsgegnerin dadurch das gesetzlich zulässige Zins- bzw Entgeltsausmaß überschritten habe und begehren die Rückzahlung des entsprechenden Betrags.

Die Antragsgegnerin habe gegen die Bestimmung des § 14 Abs 1 WGG idgF verstoßen, weil sie allfällige Entgeltsänderungen bei der nächstfolgenden Entgeltsvorschreibung schriftlich bekanntgeben hätte müssen. Vor allem hätte die Antragsgegnerin die maßgeblichen Grundlagen für die Entgeltserhöhung, nämlich die Höhe des jeweiligen Zinssatzes bei der nächstfolgenden Entgeltsvorschreibung bekanntgeben müssen. Das habe sie unterlassen. Die Vorschrift des § 14 Abs 1 WGG sei zwingend und nicht bloß eine Formvorschrift. Deshalb sei das Begehren der Antragstellerin präkludiert.

Die Antragsgegnerin bestritt dieses Vorbringen und beantragte die Abweisung des Antrags. Bei Berechnung der Mietzinse für das Jahr 2000 im Dezember 1999 seien die Zinserhöhungen, die zu einer Erhöhung des Entgelts im Jahr 2000 geführt hätten, der Antragsgegnerin noch nicht bekannt gewesen. Erst im Lauf des Jahres 2000 sei durch drei Zinserhöhungsbegehren der Darlehensgeberin eine Änderung der Berechnungsgrundlage für das zu verlangende Entgelt bekannt geworden. Es würde für sie einen extremen Aufwand darstellen, auf jede Zinsänderung sofort zu reagieren und während eines laufenden Jahres eine neue Vorschreibung an einzelne Mieter zu richten. Die Antragsgegnerin habe daher die kostenschonende Vorgangsweise gewählt, in der Jahresabrechnung des Jahres 2000 eine detailliert berechnete Nachforderung aufgrund der Zinserhöhungen des Vorjahres bekanntzugeben, was per erfolgt sei. Eine Entgeltvorschreibung finde nur einmal im Jahr, nämlich im Dezember des vorangegangenen Jahres für das nachfolgende Jahr, statt.

Das Erstgericht stellte antragsgemäß fest, dass durch die Vorschreibung einer Mietennachforderung in Höhe von EUR 295,38 (per für Mietzinse des Jahres 2000) das gesetzlich zulässige Entgelt überschritten wurde. Gleichzeitig verpflichtete es die Antragsgegnerin, den Antragstellern den Betrag von EUR 295,38 zuzüglich USt und Zinsen zu bezahlen.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, die Antragsgegnerin habe gegen die Bestimmung des § 14 Abs 1 zweiter Satz WGG verstoßen, wonach bei Änderungen bei der Berechnung des Entgelts dem Mieter die entsprechenden maßgeblichen Grundlagen bei der nächstfolgenden Entgeltsvorschreibung bekanntzugeben seien. Die Antragsgegnerin hätte die Konditionenänderung bei der Fremdmittelfinanzierung den Antragstellern samt dem sich daraus ergebenden Erhöhungsbetrag unmittelbar zum nächstfolgenden Zinstermin bekanntgeben müssen. Eine Geltendmachung der Erhöhungsbeträge erst im Rahmen der Jahresabrechnung im darauffolgenden Jahr sei unzulässig.

Einem dagegen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge. Es wies den verfahrenseinleitenden Antrag ab.

§ 14 Abs 1 Satz 2 WGG regle, dass dann, wenn sich die der Berechnung des Entgelts zugrunde zu legenden Beträge ändern, sich auch das Entgelt entsprechend ändere. § 13 Abs 3 ERVO 1994 konkretisiere, dass das aufgrund dieser Änderung errechnete Entgelt frühestens zum nächsten Zahlungstermin zur Zahlung vorgeschrieben werden dürfe. Daraus ergebe sich zunächst, dass der Anspruch auf Anhebung des Entgelts schon aus der Änderung der Berechnungsgrundlagen folge. Allerdings werde ein entsprechend erhöhtes Entgelt erst durch die Vorschreibung fällig. Da aber die Änderung der Berechnungsgrundlagen, nicht jedoch die Vorschreibung, konstitutiv für die Erhöhung seien, könnte eine Vorschreibung unter Berücksichtigung der normalen Verjährungsfristen auch rückwirkend erfolgen. Daran habe auch die durch die WRN 1999 erfolgte Ergänzung des zweiten Satzes des § 14 Abs 1 WGG nichts geändert. Demnach seien die für die Änderung maßgeblichen Grundlagen bei der "nächstfolgenden Entgeltsvorschreibung" dem Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten schriftlich bekanntzugeben. Zweck dieser Bestimmung sei es gewesen, die Änderungen nicht nur in der Entgeltskalkulation zu berücksichtigen, sondern auch die Wohnungsnutzer ausdrücklich über die Grundlagen dieser Änderung zu informieren (vgl AB zur WRN 1999 2056, BlgNR 20. GP). § 13 Abs 3 ERVO 1994 sehe dazu vor, dass die Bekanntgabe der maßgeblichen Grundlagen für die Änderung des Entgelts spätestens mit Vorschreibung des geänderten Entgelts zur Zahlung zu erfolgen habe.

Unabhängig davon, ob man unter der "nächstfolgenden Entgeltsvorschreibung" diejenige verstehe, in der sich die Änderung des Entgelts erstmalig auswirke, somit die erste auf die Änderung folgende (vgl Rosifka in WoBl 1999, 325) oder diejenige, mit der die Änderung des Entgelts erstmals vorgeschrieben werde, habe das Gesetz keine Sanktionen an eine Verletzung dieser Informationspflicht geknüpft (vgl Rosifka, aaO). Eine Präklusion des erhöhten Entgelts sei nicht vorgesehen. Die Annahme einer derart weitreichenden Folge ohne ausdrückliche Regelung sei auch aufgrund des dem WGG zugrunde liegenden Kostendeckungsprinzips abzulehnen.

Unbestritten sei, dass die erhöhte Vorschreibung den tatsächlichen Änderungen der Entgeltsgrundlagen entspreche.

Im Ergebnis habe dies zur Abweisung des Antrags zu führen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand nicht EUR 10.000 übersteige, der Revisionsrekurs jedoch zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob eine rückwirkende Vorschreibung von Erhöhungsbeträgen nach § 14 Abs 1 WGG zulässig sei bzw wie sich eine Verletzung der Informationspflicht nach § 14 Abs 1 Satz 2 WGG auf die Zulässigkeit einer Erhöhung auswirke, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

In ihrem Revisionsrekurs halten die Rechtsmittelwerber daran fest, dass die Antragsgegnerin die Bestimmung des § 14 Abs 1 zweiter Satz WGG über die sie treffende Informationspflicht verletzt habe. Es stehe nicht in ihrem Belieben, Änderungen mit einem Verzug von 12 oder 18 Monaten wirksam werden zu lassen. Abgesehen davon habe die Antragsgegnerin niemals, auch nicht bei Nachverrechnung des erhöhten Entgelts für 2000 im Rahmen der Jahresabrechnung 2000 im Juni 2001 ihren gesetzlichen Informationspflichten im Sinn der Bestimmung des § 14 Abs 1 WGG entsprochen.

Die Antragsgegnerin hält dem entgegen, dass das Gesetz keine Bekanntgabe der Änderungen zum nächstfolgenden Zinstermin verlange, dass sie ihrer Informationspflicht bereits aus Anlass der Entgeltvorschreibung für das Jahr 2001 entsprochen habe und es sich überdies bei der Informationspflicht des § 14 Abs 1 WGG um eine reine Ordnungsvorschrift handle. Eine Sanktionierung einer allfälligen Unterlassung der Bekanntgabe der geänderten Entgeltsvorschreibung finde sich im Gesetz nicht. Wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt habe, dürfe eine Nachverrechnung innerhalb der Verjährungszeit vorgenommen werden. Für die Antragsteller sei auch mit einer späteren Nachforderung keinerlei Nachteil verbunden, sondern eher ein Vorteil der Zinsersparnis.

Dazu hat der erkennende Senat erwogen:

§ 14 Abs 1 zweiter Satz WGG in der hier anzuwendenden Fassung der WRN 1999 lautet: Ändern sich die der Berechnung des Entgelts zugrunde zu legenden Beträge, so ändert sich das Entgelt entsprechend; die dafür maßgeblichen Grundlagen - insbesondere die Höhe des jeweiligen Zinssatzes - sind bei der nächstfolgenden Entgeltsvorschreibung dem Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten schriftlich bekanntzugeben.

Nach § 13 Abs 3 ERVO 1994 darf eine Neufestsetzung des Entgelts, die sich aus einer Änderung der Berechnungsgrundlagen ergibt (Zinssatzänderungen, Tilgung von Finanzierungsmitteln, Wegfall von Zuschüssen) - unter den Voraussetzungen des § 14 Abs 1 zweiter Satz WGG - frühestens erstmals zum nächsten auf die Änderung folgenden Zahlungstermin, in der Regel der Monatserste, zu einer Zahlungsvorschreibung führen. Auch Entgeltsenkungen sind unverzüglich - zum nächsten Zinszahlungstermin - vorzunehmen (vgl Schuster in Schwimann2 Rz 48 zu §§ 13, 14 WGG).

Zu einer Änderung (Erhöhung) des Entgelts kann es ohne zumindest gleichzeitige Erfüllung der Informationspflicht nicht kommen. Daraus wiederum folgt, dass sich zwar durch eine Änderung der Berechnungsgrundlage "das Entgelt entsprechend ändert", die Fälligkeit jedoch von einer Erfüllung der Informationspflicht und Vorschreibung abhängt . Insofern ist der Ansicht der Antragsgegnerin entgegenzutreten, dass es sich bei der Informationsvorschrift des § 14 Abs 1 zweiter Satz WGG bloß um eine Ordnungsvorschrift handle, deren Nichteinhaltung keinerlei Konsequenzen hätte. Andererseits enthält, worauf die Antragsgegnerin und das Rekursgericht zutreffend hinwiesen, § 14 Abs 1 zweiter Satz WGG keine weitergehende Sanktion einer eventuellen Verletzung der Informationspflicht bei Änderungen des Entgelts (vgl W. Rosifka, Der wohnungsgemeinnützigkeitsrechtliche Teil der Wohnrechtsnovelle 1999, WoBl 1999, 321 f). Vor allem findet sich in dieser Bestimmung keine Präklusionsregelung (vgl zum anders gelagerten Fall des § 16 Abs 9 zweiter Satz MRG, wonach der Hauptmieter den Wertsicherungsbetrag (nur) dann zu entrichten hat, wenn der Vermieter ihm rechtzeitig sein Erhöhungsbegehren bekanntgibt).

Damit ist also eine - die Einhaltung der Informationspflicht vorausgesetzt - rückwirkende Einforderung von Erhöhungsbeträgen nach § 14 Abs 1 zweiter Satz WGG innerhalb der Verjährungsfrist zulässig. Dass eine Nichteinhaltung dieser Bestimmung uU zu aufsichtsbehördlichen Maßnahmen berechtigt, weil damit zu Lasten der gemeinnützigen Bauvereinigung vom Kostendeckungsprinzip des § 13 WGG abgewichen würde, ist hier nicht zu untersuchen.

Infolge der jährlichen Pauschalvorschreibung wäre also die Antragsgegnerin gehalten gewesen, zum Ende des Jahres 2000, also bei der nächstfolgenden Entgeltsvorschreibung, den Antragstellern die für die Erhöhung maßgeblichen Grundlagen, also die Änderung des Zinssatzes, bekanntzugeben. Das ist, wie die Antragstellerin zutreffend ausführt, mit Beilage 9 nicht geschehen (in diesem Schreiben wird nämlich bloß ein Zinssatz des Jahres 2000 einem des Jahres 2001 gegenübergestellt; hier geht es aber um eine Erhöhung des Zinssatzes während des Jahres 2000). Auch - und darin ist den Antragstellern wiederum Recht zu geben - enthält weder die Jahresabrechnung 2000 (Beilage 7) noch die "Mietenverrechnung" (Beilage 8) die vom Gesetz geforderte Information, nämlich die Änderung der Höhe des Zinssatzes. Aus dem Begriff "Zusch. Erste Bank ..." lässt sich nicht die Änderung eines Zinssatzes, vor allem aber nicht die Höhe des jeweiligen Zinssatzes, erkennen.

Damit ist den Antragstellern Recht zu geben, dass die Vorschreibung des erhöhten Entgelts, wie sie mit Schreiben vom (Beilage 7 und 8) vorgenommen wurde, noch nicht zu einer Zahlungspflicht führte.

Im Ergebnis führt dies dennoch nicht zu einer Stattgebung des Antrags, weil die Antragsgegnerin - wenn auch erst im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens durch Vorlage der Urkunden Beilage 2 bis 6 (über die tatsächlich stattgefundenen Zinssatzerhöhungen) - ihrer Informationspflicht gegenüber den Antragstellern in ausreichendem Maß nachgekommen ist. Damit wurde - wenn auch nachträglich - die mangelnde Fälligkeit der in Frage stehenden Vorschreibung von EUR 295,38 saniert , sodass es nicht mehr zu einem Ausspruch über die Feststellung der Unzulässigkeit des vorgeschriebenen Entgelts kommen kann.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.