OGH vom 16.04.2014, 6Ob66/14w

OGH vom 16.04.2014, 6Ob66/14w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Schramm, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Lovrek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers N***** A*****, Australien, vertreten durch PHH Prochaska Havranek Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin T***** K*****, vertreten durch Mag. Britta Schönhart, Rechtsanwältin in Wien, wegen Rückführung der Minderjährigen Samira A*****, geboren am , über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 42 R 68/14g 34, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Mit ihrem (neuerlichen) Vorbringen, der Antragsteller habe der Verbringung der damals neun Monate alten Samira von Australien nach Österreich durch die Antragsgegnerin zugestimmt, weicht die Antragsgegnerin von den Feststellungen der Vorinstanzen ab. Das Rückführungshindernis des Art 13 Abs 1 lit a des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, BGBl 512/1980, (HKÜ) liegt nicht vor.

2. Die Antragsgegnerin zieht im Revisionsrekursverfahren zwar nicht in Zweifel, dass sowohl zum Zeitpunkt der Verbringung Samiras nach Österreich als auch zum jetzigen Zeitpunkt beide Elternteile obsorgeberechtigt waren beziehungsweise sind. Sie meint jedoch, sie habe sich auch in Australien fast zur Gänze allein um Samira gekümmert, diese gepflegt und erzogen. Sollte die Mutter damit darauf anspielen, dass Voraussetzung einer Anwendung des HKÜ eine Verletzung eines tatsächlich ausgeübten Mitobsorgerechts ist (vgl dazu Gitschthaler in Schwimann/Kodek , ABGB 4 Bd Ia [2013] § 162 Rz 15), so wäre ihr entgegen zu halten, dass beide Eltern in Australien von einer kurzfristigen Trennung abgesehen im gemeinsamen Haushalt mit dem Kind lebten. Damit wäre aber jene Rechtsprechung, wonach eine Kontaktausübung zwischen dem im Ursprungsstaat verbliebenen Elternteil und dem Kind lediglich in einem Ausmaß, welches ein „klassisches Wochenend- beziehungsweise Ferienbesuchsrecht bei Weitem“ unterschritt, keine ausreichende tatsächliche Ausübung des Mitobsorgerechts bedeutet (vgl etwa 1 Ob 163/09s; 6 Ob 230/12k; vgl aber 6 Ob 36/13g), nicht einschlägig; diese setzt nämlich eine Trennung der Eltern bereits im Ursprungsstaat voraus.

3. Der Überlegung der Antragsgegnerin, bei einer Rückführung Samiras nach Australien käme es zu einer Gefährdung deren Wohles, ist mit dem Hinweis auf die jüngere Rechtsprechung zu begegnen: Demnach ist Art 13 Abs 1 lit b HKÜ eng auszulegen und auf wirklich schwere Gefahren zu beschränken (RIS Justiz RS0074568 [T8, T 12]); dass es wie die Antragsgegnerin meint bei einer Rückkehr Samiras nach Australien gemeinsam mit der Antragsgegnerin aufgrund möglicher wirtschaftlicher Probleme zu einer psychischen Belastung der beiden kommen könnte, erfüllt die Qualifikation dieser Rechtsprechung nicht.

Die Antragsgegnerin mag zwar die Hauptbezugsperson für Samira bereits in Australien gewesen sein und ist es wohl aufgrund der Entführung Samiras nach Österreich nunmehr besonders; dem von der Antragsgegnerin daraus gezogenen Schluss, die Entfremdung des Kindes vom Antragsteller würde bei einer (unbegleiteten) Rückführung Samiras Wohl gefährden, steht allerdings entgegen, dass im Sinn der ständigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0119950 [T4]) eine Rückführung nicht zum Antragsteller, sondern nach Australien angeordnet wurde. Damit wird es aber an der Antragsgegnerin liegen, die von ihr befürchteten Nachteile für Samira aufgrund deren allfälliger Trennung von der Mutter dadurch hintanzuhalten, dass sie mit Samira zurückkehrt. Entgegen dem von ihr im außerordentlichen Revisionsrekurs vertretenen Standpunkt ist es der Antragsgegnerin dabei durchaus zumutbar, eigene Nachteile einer solchen Rückkehr in Kauf zu nehmen, hat sie ja durch ihre eigenmächtige Entführung des Kindes nach Österreich die nunmehrige Situation erst geschaffen (6 Ob 171/13kiFamZ 2013/245 [ Fucik ]; Gitschthaler aaO Rz 18).

4. Schließlich ist auch die Argumentation der Antragsgegnerin unter Hinweis auf die Entscheidung 6 Ob 180/13h (EF-Z 2014/30 [ Gitschthaler ]), Samira sei bereits längere Zeit in Österreich, sie sei sozial integriert, verfehlt. Die Besonderheit lag bei dieser Entscheidung nämlich darin, dass der Vater dort einer zeitlich befristeten Verbringung des Kindes nach Österreich zugestimmt hatte; dadurch hatte sich der Aufenthalt in Österreich verlängert, ohne dass dies der Mutter vorwerfbar gewesen wäre (vgl Gitschthaler , EF-Z 2014, 43 [Entscheidungsanmerkung]). Hier hat der Antragsteller aber der Verbringung Samiras nach Österreich nicht zugestimmt, sondern sofort wenn auch zunächst außergerichtlich versucht, die Antragsgegnerin zur Rückkehr zu bewegen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00066.14W.0416.000