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OGH vom 24.05.2011, 1Ob84/11a

OGH vom 24.05.2011, 1Ob84/11a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Klemens Dallinger, Rechtsanwalt, Wien 1, Schulerstraße 18, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des DI Walter L*****, vertreten durch Mag. Dr. Till Hausmann, Rechtsanwalt in Wien, sowie der Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei 1. I*****gesmbH, *****, und 2. Ö*****AG, *****, beide vertreten durch Arnold Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Waltraud L*****, vertreten durch Prof. Dr. Fritz Wennig, Rechtsanwalt in Wien, wegen 467.858,37 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 460.430,21 EUR sA) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 38 R 30/11k 59, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom , GZ 5 C 1287/07g 52, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Mit der Eröffnung des Konkurses am verlor der Gemeinschuldner (zunächst) sein Verfügungs- und Gebrauchsrecht an der in die Konkursmasse fallenden Liegenschaft (Einfamilienhaus mit Garten). Da der familienrechtliche Anspruch nach § 97 ABGB von der Berechtigung des Verpflichteten abhängt und nur in Ausnahmefällen (insbesondere bei Kollusion) Dritten gegenüber durchsetzbar ist, kann ihn die Beklagte als damalige Ehefrau des Gemeinschuldners, die im Haus bis Anfang Juni 2008 wohnte, nicht gesondert dem Masseverwalter (nunmehr: Insolvenzverwalter) entgegensetzen. Das der Beklagten, die vom Gemeinschuldner im Frühjahr 2008 geschieden wurde, als Ehefrau allenfalls zustehende Weiterbenützungsrecht nach § 97 ABGB kann nach der Konkurseröffnung daher erst dann wieder aufleben, wenn das Konkursgericht dem Gemeinschuldner die Benützung der Wohnräume im Sinn des § 5 Abs 3 KO aF eingeräumt hat, was hier - unstrittig - nicht der Fall war. Solange eine solche Zuweisung durch das Konkursgericht im Sinn des § 5 Abs 3 KO aF iVm § 105 EO nicht erfolgt ist, steht der Ehefrau des Gemeinschuldners kein Benützungsanspruch nach § 97 ABGB zu, welcher der Räumungsklage des Masseverwalters wegen titelloser Benützung wirksam entgegengehalten werden könnte (9 Ob 148/03k = SZ 2004/85; Beck in Gitschthaler/Höllwerth , EuPR [2011] § 97 ABGB Rz 59).

Zur Räumung des Hauses ist die frühere Ehefrau des Gemeinschuldners in diesem Fall nur auf Verlangen des Masseverwalters verpflichtet; ein Benützungsentgelt hat sie somit dann zu zahlen, wenn sie das eheliche Haus auch nach dem Widerruf weiter benützt (vgl 4 Ob 523/87 = SZ 60/246 = JBl 1988, 237; 1 Ob 570/95 = SZ 68/157).

Dieser ist hier erfolgt. Eine Mitarbeiterin des Klägers forderte die Beklagte am zur Räumung der zur Masse gehörenden Liegenschaft auf, was die Beklagte zunächst zusagte. Sie ersuchte dann um Verlängerung der Frist zur Übergabe, die ihr vom Kläger zugesagt wurde. Erstmals im November 2007 - nach vorangegangener Besprechung mit ihrem Anwalt - berief sie sich auf ein „Wohnrecht“. Mit Schreiben vom konkretisierte der Beklagtenvertreter dem Kläger gegenüber erstmals die Bestandrechte, die die Beklagte an der Liegenschaft habe. Die Übergabe der Liegenschaft durch die Beklagte erfolgte erst nach deren Zwangsversteigerung.

2. Familienrechtliche Wohnverhältnisse sind durch das Fehlen einer vertraglichen Bindung gekennzeichnet, wodurch sie sich vom Bestandvertrag unterscheiden; sie haben ihren Grund in familienrechtlichen Ansprüchen (Unterhalt, Anspruch des Ehegatten nach § 97 ABGB; vgl 8 Ob 55/97i; Würth in Rummel 3 § 1090 Rz 7). Das familienrechtliche Wohnverhältnis entsteht nicht aus rechtsgeschäftlichen Erklärungen, die auf die Begründung eines Bestandverhältnisses gerichtet sind. Nach allgemeinen Grundsätzen obliegt der sich auf ein Mietverhältnis berufenden Beklagten die Behauptungs und Beweislast, dass einem bestimmten Verhalten im Sinn des § 863 Abs 1 ABGB eindeutig und unzweifelhaft ein in Richtung der Begründung eines Bestandverhältnisses mit entsprechender vertraglicher Bindung gerichteter rechtsgeschäftlicher Erklärungswert beizumessen ist (10 Ob 64/05t mwN; vgl Würth aaO).

Nach den Feststellungen wohnte die Beklagte zunächst getrennt vom Gemeinschuldner in ihrer Eigentumswohnung in der F*****Straße. Während ihrer schweren Erkrankung kam es wieder zu einer Annäherung der Ehegatten. Sie kamen in der Folge überein, dass die Beklagte in das eheliche Haus zurückkehrt, wobei diese - neben dem gemeinsamen Haushalt - einen ihr allein vorbehaltenen Bereich, die Dachgeschoßräumlichkeiten, wollte. Im Jahr 2006 verließ der Gemeinschuldner das Haus und bezog eine Wohnung. Die finanzielle Situation des Gemeinschuldners, der die Beklagte zuvor großzügig finanziell unterstützt hatte, begann sich aufgrund unglücklich verlaufender riskanter Spekulationsgeschäfte massiv zu verschlechtern, sodass er immer weniger in der Lage war, die laufenden Kosten für die Liegenschaft zu tragen. Die Beklagte begann, mit ihren Ersparnissen seit 2003 bis 2008 zunehmend Zahlungsverpflichtungen ihres Ehemannes für die Liegenschaft zu bedienen. Darin enthalten waren auch Löhne für die vom Gemeinschuldner beschäftigten Hausangestellten. Eine Vereinbarung zwischen dem Gemeinschuldner und der Beklagten, dass diese die finanziellen Leistungen als Abgeltung für die Nutzung der Dachgeschoßräumlichkeiten und die Mitnutzung der Küche und einiger Souterrainräumlichkeiten zahlen sollte, konnte nicht festgestellt werden. Eine schriftliche Vereinbarung gab es nicht und in der Buchhaltung des Gemeinschuldners fanden sich keine Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Die Beklagte wusste, dass kein Bestandrecht zwischen ihrem Ehemann und ihr begründet worden war.

Vor diesem Hintergrund ist die im Übrigen einzelfallbezogene Beurteilung durch die Vorinstanzen, dass im konkreten Fall auch das Bestehen eines konkludenten Mietvertrags nicht angenommen werden könne, jedenfalls zutreffend. Vor allem hat die Rechtsprechung bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Vornahme von Investitionen (die Beklagte spricht von „Erhaltungskosten“ und meint damit die vom Erstgericht festgestellten Zahlungen) bei einem familienrechtlichen Wohnverhältnis noch keinen Schluss auf das Zustandekommen eines Mietverhältnisses zulässt (RIS Justiz RS0020511; vgl Würth aaO).

3. Zum Benützungsentgelt:

Eine Vereinbarung über die „unentgeltliche Überlassung“ der Wohnung hat die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet; dieses Revisionsvorbringen widerspricht ihrem Prozessstandpunkt (Bestehen eines Mietvertrags).

Zur Rückstellung eines unbeweglichen Bestandobjekts gehört in der Regel die Übergabe der Schlüssel und die Entfernung der Fahrnisse (RIS Justiz RS0020765, vgl auch RS0020818). Gleiches gilt sinngemäß für andere Ansprüche auf Rückstellung von Räumlichkeiten. Die Verpflichtung zur Bezahlung eines Benützungsentgelts in der Höhe des bisherigen oder eines sonst angemessenen Bestandzinses für die Zeit der vertragswidrigen Weiterbenützung ergibt sich aus § 1041 ABGB (RIS Justiz RS0019883, vgl auch RS0019909). Diese Grundsätze sind grundsätzlich nicht auf Bestandverhältnisse beschränkt (6 Ob 83/10i).

Die Behauptung der Beklagten, sie habe mit Ausnahme der Dachwohnung und dem Zugang zu dieser auf „ihre Benützungsrechte“ verzichtet, lässt sich weder mit den getroffenen Feststellungen zur tatsächlichen Nutzung der Liegenschaft noch mit der Aktenlage in Einklang bringen. Die Verpflichtung zur Zahlung eines Benützungsentgelts setzt - entgegen der Meinung der Beklagten - weder ihr Verschulden noch einen Schaden des Eigentümers voraus (vgl RIS Justiz RS0019883 [T8]). Zum Zeitraum und zur Höhe des dem Kläger zugesprochenen Benützungsentgelts enthält die Revision keine (näheren) Darlegungen.

4. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen sagte die Beklagte der Mitarbeiterin des Klägers zunächst die Räumung der Liegenschaft bis zu und ersuchte dann um Verlängerung der Frist zur Übergabe bis , da es ihr nicht möglich sei, die Wohnung zeitgerecht zu verlassen, was ihr zugesagt wurde. Zwischenzeitig bekundete die Beklagte gegenüber dem Kläger ihr „dringendes Interesse“ am Ankauf der Liegenschaft. Bei den zahlreichen Besichtigungen der Liegenschaft durch Kaufinteressenten, an denen auch die Beklagte teilnahm, wies sie nie darauf hin, dass sie die Dachgeschossräumlichkeiten weiterhin benützen wolle. Schließlich erstattete am ein Interessent ein schriftliches Kaufanbot über 2 Mio EUR (für die Liegenschaft). Erstmals im November 2007 behauptete die Beklagte gegenüber dem Kläger ein Bestandrecht an der Liegenschaft, obwohl sie wusste, dass ein solches zwischen ihr und ihrem Ehemann (Gemeinschuldner) nicht begründet worden war. Der Kaufinteressent war daraufhin nicht mehr bereit, die Liegenschaft zu den von ihm angebotenen Konditionen zu kaufen. Im Zwangsversteigerungsverfahren wurde schließlich nur ein Meistbot von 1.610.000 EUR erzielt.

Die Vorinstanzen erkannten dem Kläger Schadenersatz in der Höhe von 390.000 EUR sA zu, weil die Behauptung des Bestandrechts durch die Beklagte erfolgt sei, um das Zwangsversteigerungs und Verwertungsverfahren zu verzögern und zu behindern. Die Verwertung des Objekts sei dadurch nur zu einem geringeren Betrag möglich gewesen. Die Beklagte habe nach den Feststellungen gewusst, dass kein Bestandrecht bestand. Aus dem Kaufanbot des Interessenten über 2 Mio EUR sei keine bloße Absichtserklärung, sondern eine gesicherte Rechtsposition abzuleiten. Der eingetretene Schaden liege in der Differenz zwischen dem erzielten Versteigerungserlös und dem Angebot des Kaufinteressenten, das dieser ohne Berücksichtigung des von der Beklagten behaupteten Bestandrechts getätigt habe.

Dieser Rechtsansicht hält die Beklagte nur entgegen, beim Angebot des Interessenten über 2 Mio EUR handle es sich um kein „rechtlich relevantes Offert“. Dieses enthalte keinen Nachweis über die „Finanzierung der gebotenen hohen Summe“, nenne „keine Zahlungsfrist“ und „postuliere“ auch „keine Mängelfreiheit des Kaufobjekts“. Überdies bestehe ihre Schadenersatzpflicht infolge vertretbarer Rechtsansicht nicht. Auch diese Argumente zeigen keine erheblichen Rechtsfragen auf.

Gemäß § 1305 ABGB hat derjenige, der von seinem Recht innerhalb der rechtlichen Schranken nach § 1295 Abs 2 ABGB Gebrauch macht, den daraus für einen anderen entspringenden Nachteil nicht zu verantworten. § 1295 Abs 2 ABGB normiert eine Haftpflicht für missbräuchliche Rechtsausübung, die nach der neueren Rechtsprechung nicht nur bei ausschließlichem Schädigungszweck (Schikane im engeren Sinn), sondern schon dann vorliegt, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung die lauteren Motive eindeutig überwiegt ( Karner in KBB³ § 1295 Rz 22 mwN). Die Beklagte behauptete nicht nur gegenüber dem Kläger ein nicht existierendes Bestandrecht, sondern sie wusste auch, dass ein solches zwischen dem Gemeinschuldner (ihrem damaligen Ehemann) und ihr nicht bestand. Damit liegt aber in der Behauptung des Bestehens eines Bestandrechts ein bewusster Rechtsmissbrauch, der die Beklagte gegenüber dem Kläger schadenersatzpflichtig macht. Eine vertretbare Rechtsansicht der Beklagten ist nicht argumentierbar. Infolge ihrer tatsachenwidrigen Behauptung eines Bestandrechts war der Kaufinteressent nicht mehr bereit, die Liegenschaft anzukaufen; andere Gründe, die Liegenschaft nicht zu kaufen, bestanden nicht. Entgegen der Ansicht der Beklagten lag ein verbindliches Kaufanbot des Interessenten vor, das den Kaufpreis (2 Mio EUR) und den Kaufgegenstand (Liegenschaft) enthielt. Eine weitere Präzisierung war nicht erforderlich, genügt doch zum Zustandekommen eines Kaufvertrags grundsätzlich die Einigung über Kaufpreis und Kaufgegenstand (RIS Justiz RS0013973).

5. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision somit nicht zulässig und zurückzuweisen.