OGH vom 30.11.1994, 3Ob539/94
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am verstorbenen Franz B*****, ***** infolge Revisionsrekurses der Erbin Ingrid S*****,***** ***** vertreten durch Dr.Alois Tauchner, Rechtsanwalt in Ebreichsdorf, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wr.Neustadt als Rekursgerichtes vom , GZ R 557/93-94, womit der Beschluß und die Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Ebreichsdorf vom , GZ A 68/89-67 und 68 (nunmehr 2 A 392/93b-67 und 68 des Bezirksgerichtes Baden), als nichtig aufgehoben und bezüglich des Rekurses der mj.Daniela B***** der Auftrag zur Durchführung eines Verbesserungsverfahrens erteilt wurde, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen, soweit er sich gegen den Auftrag zur Durchführung eines Verbesserungsverfahrens richtet (Punkt 2 des angefochtenen Beschlusses).
Im übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der am verstorbene Erblasser errichtete am schriftlich ein Testament mit folgendem Wortlaut:
"Ich B***** Franz geb ***** vererbe meinen gesamten Besitz mit Inventar meinem Enkelsohn (Sohn von meinem Sohn Franz).
Herr H***** Franz geb ***** darf den Besitz bis zu seiner Pension bewirtschaften und nutzen.
Sollten meine Kinder (Franz, Ingrid, Brigitte) trotz Enterbung gesetzliche Ansprüche haben, so sind diese mittels Bargeld aus der Erbmasse zu tilgen.
Sollte mein Sohn Franz keinen Sohn haben, erbt mein ganz Besitz die anderen Kinder.
Herr H***** Franz darf den Besitz weiter nutzen bis zur Pension."
Nach Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung, der bloß die drei Kinder des Erblassers beigezogen wurden, hat das damals zuständige Bezirksgericht Ebreichsdorf mit Beschluß vom neben weiteren Anordnungen ausgesprochen, daß die Einantwortungsurkunde erlassen werden werde und die Verlassenschaftsabhandlung mit dem Eintritt der Rechtskraft der Einantwortungsurkunde für beendet erklärt wurde. Zugleich wurde die Einantwortungsurkunde ausgefertigt und damit der Nachlaß auf Grund des angeführten Testamentes den drei Kindern des Erblassers je zu einem Drittel eingeantwortet. Auf Grund dieser Einantwortungsurkunde und von Kaufverträgen wurde auf mehreren dem Erblasser zugeschriebenen Liegenschaften das Eigentumsrecht für den Sohn des Erblassers zu zwei Dritteln einverleibt. Die auf Grund der Einantwortungsurkunde noch vorzunehmenden weiteren grundbücherlichen Eintragungen wurden noch nicht angeordnet.
Nach Bewilligung der erwähnten Grundbuchseintragungen stellte der Sohn des Erblassers namens seines noch nicht geborenen Sohnes und seiner am geborenen Tochter den Antrag, für den Sohn einen "Posteritätskurator" zu bestellen und diesem Kurator und seiner Tochter die Einantwortungsurkunde zuzustellen. Er begründete diesen Antrag damit, daß bis zur Geburt seines Sohnes auf Grund des Testamentes ein "ausschließliches" Erbrecht seiner "anderen Kinder" und damit seiner in der Zwischenzeit geborenen Tochter bestehe und daß die Einsetzung seines noch ungeborenen Sohnes als fideikommissarische Substitution zu betrachten sei.
Das Erstgericht, dem infolge Befangenheit der Richter des Bezirksgerichtes Ebreichsdorf die Verlassenschaftssache übertragen worden war, bestellte für den ungeborenen Sohn des Sohnes des Erblassers einen Kurator und verfügte die Zustellung der Einantwortungsurkunde an den Kurator und an die für die Tochter des Sohnes des Erblassers einschreitende Rechtsanwältin. Hierauf erhoben sowohl die Tochter des Sohnes des Erblassers als auch der bestellte Kuratur "gegen die Einantwortungsurkunde" des Bezirksgerichtes Ebreichsdorf vom Rekurs.
Das Rekursgericht hob aus Anlaß des Rekurses des Kurators den Beschluß des Bezirksgerichtes Ebreichsdorf vom und die Einantwortungsurkunde dieses Gerichtes vom gleichen Tag als nichtig auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Bezüglich des Rekurses der Tochter des Sohnes des Erblassers trug es dem Erstgericht die Durchführung eines Verbesserungsverfahrens auf.
Rechtlich war das Rekursgericht der Meinung, daß nach dem Inhalt des vom Erblasser errichteten Testamentes und gemäß dem Hofdekret JGS 1845/888 der noch ungeborene Sohn des Sohnes des Erblassers als fideikommissarischer Substitut berufen sei, weshalb ein für ihn zu bestellender Kurator der Verlassenschaftsabhandlung beizuziehen gewesen wäre. Da dies nicht geschehen sei, seien die Einantwortungsurkunde und der mit ihr eine Einheit bildende Mantelbeschluß als nichtig aufzuheben. Über den Rekurs der Tochter des Sohns des Erblassers könne noch nicht entschieden werden, weil der sie vertretende Vater wegen der bestehenden Interessenskollision zu ihrer Vertretung nicht berechtigt sei. Es müsse daher für sie ein Kollisionskuratur bestellt werden, der zu erklären habe, ob er das Rechtsmittel genehmige.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs, der von einer der beiden Töchter des Erblassers gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhoben wurde, ist teilweise unzulässig und im übrigen nicht berechtigt.
Durch den Auftrag zur Durchführung eines Verbesserungsverfahrens ist die Revisionsrekurswerberin nicht beschwert, weil damit in ihre Rechte nicht eingegriffen wird. Dies kann erst der Fall sein, wenn über den zu verbessernden Rekurs in der Sache entschieden wird. Hier ist dies noch nicht geschehen und es steht überdies noch nicht fest, ob es zu einer Entscheidung in der Sache kommen wird. Der Revisionsrekurswerberin fehlt daher in diesem Punkt mangels Beschwer das Rechtsschutzinteresse. Da ein Rechtsschutzinteresse Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist (ÖBl 1992, 267; SZ 61/6; EvBl 1984/84 uva), ist der Revisionsrekurs unzulässig, soweit er sich gegen den Auftrag zur Durchführung des Verbesserungsverfahrens richtet (vgl auch § 85 Abs 3 ZPO, wonach gegen einen Verbesserungsauftrag ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig ist).
Bei der Auslegung des Testamentes des Erblassers ist das Rekursgericht zutreffend davon ausgegangen, daß die Einsetzung des noch nicht existenten Sohnes des Sohnes des Erblassers eine fideikommissarische Substitution bedeutet. Die Ansicht der Revisionsrekurswerberin, das Testament sei in diesem Punkt so zu verstehen, daß sie und ihre Schwester unbeschränkt als Erbinnen eingesetzt worden seien, wenn ihr Bruder keinen Sohn habe, kann nicht gefolgt werden. Aus dem Umstand, daß das Testament auch für diesen Fall eine Regelung enthält, läßt sich diese Auslegung entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerberin nicht ableiten. Die Revisionsrekurswerberin räumt selbst ein, daß der Erblasser bei Errichtung des Testamentes, das er nur wenige Tage vor seinem Tod niederschrieb, davon ausging, sein Sohn habe keine Nachkommen. Würde man der Auslegung der Revisionsrekurswerberin folgen, so wäre es unerklärlich, warum er dennoch den Sohn seines Sohnes als Erbe eingesetzt und gesondert des Falls gedacht hat, daß sein Sohn keinen Sohn haben sollte. Nach der Auslegung der Revisionsrekurswerberin hätte die Einsetzung des Sohnes des Sohnes des Erblassers von vornherein keinerlei Bedeutung gehabt, weshalb diese Auslegung dem Willen des Erblassers ganz offensichtlich nicht entspricht. Der Umstand, daß der Erblasser in Kenntnis, daß sein Sohn keinen Sohn hat, diesen einerseits als Erben einsetzte und andererseits auch des Falles gedachte, daß sein Sohn keinen Sohn haben wird, läßt sich hingegen zwanglos dahin verstehen, daß die zweite Anordnung nach dem Willen des Erblassers dann zum Tragen kommen soll, daß sein Sohn keinen Sohn haben werde, also vor allem nach dessen Tod.
Schon das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, daß die Einsetzung von Personen als Erben, die beim Tod des Erblassers noch nicht geboren sind, im Hofdekret JGS 1845/888 (abgedruckt in der MGA ABGB33 in § 538) geregelt ist. Daraus ergibt sich einerseits, daß die Einsetzung solcher Personen nach Maßgabe des § 612 ABGB gültig ist und daß im Falle einer solchen Einsetzung im Sinn des im Hofdekret zitierten § 707 ABGB wie bei einer fideikommissarischen Substitution vorzugehen ist.
Daß hier die Voraussetzungen des § 612 ABGB erfüllt sind, wird im Revisionsrekurs nicht bezweifelt und ist auch nicht zweifelhaft. Ebenso zutreffend und im Revisionsrekurs auch gar nicht bekämpft ist die Ansicht des Rekursgerichtes, daß der dann gemäß § 77 Z 3 AußStrG zu bestellende Kurator der Verlassenschaftsabhandlung beizuziehen gewesen wäre. Da dies nicht geschah, hat das Rekursgericht in Übereinstimmung mit der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl JBl 1985, 98 mwN) den die Beendigung der Verlassenschaftsabhandlung aussprechenden Beschluß und die Einantwortungsurkunde als nichtig aufgehoben. Daß mit den Rekursen nur die Einantwortungsurkunde angefochten wurden, schadet nicht, weil sie mit dem Endbeschluß eine Einheit bildet, weshalb gegebenenfalls beide Verfügungen aufzuheben sind, wenngleich nur eine angefochten wurde (EFSlg 61.389; NZ 1978, 174; SZ 47/12 ua; 6 Ob 750/79 für den hier vorliegenden Fall, daß nur die Einantwortungsurkunde angefochten wurde). Wie in dem fortzusetzenden Verfahren in der Sache zu entscheiden sein wird, ist hier nicht zu erörtern.