Suchen Hilfe
OGH 18.06.2015, 1Ob83/15k

OGH 18.06.2015, 1Ob83/15k

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr.

 Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj J***** S*****, geboren am *****, aus Anlass des Revisionsrekurses der Minderjährigen, vertreten durch die Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 35/15p-95, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 6 Pu 126/11d-84, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Gegenstand des Verfahrens ist ein Unterhaltsherabsetzungsantrag der Mutter, den sie damit begründete, dass am ihr Sohn Nikolaus geboren sei, weswegen sie seit nur noch ein Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von 436 EUR monatlich beziehe.

Mit seinem im dritten Rechtsgang gefassten Beschluss verpflichtete das Erstgericht die Mutter in Minderung ihrer Unterhaltsleistung zur Zahlung eines Betrags von 85 EUR ab bis und eines Betrags von 330 EUR monatlich ab . In rechtlicher Hinsicht ging es zusammengefasst davon aus, dass der minderjährige Nikolaus bis von niemandem anderen betreut werden habe können als von seiner Mutter. Hingegen sei seit dem eine Fremdbetreuung soweit möglich, dass der unterhaltspflichtigen Mutter eine Teilzeitbeschäftigung zumutbar sei. Für die Zeit bis sei daher das Kinderbetreuungsgeld als Unterhaltsbemessungsgrundlage heranzuziehen. Ab hätte die Mutter zumutbar ein Einkommen von durchschnittlich 1.611,50 EUR monatlich erzielen können, das unter Anwendung des Anspannungsgrundsatzes der Unterhaltsbemessung zugrundezulegen sei.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil - soweit für das Rekursgericht überblickbar - keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des nach Anspannungsgrundsätzen zurechenbaren Erwerbseinkommens eines geldunterhaltspflichtigen Elternteils aus einem mit dem Lebensgefährten als Arbeitgeber bestehenden Beschäftigungsverhältnis unter dem Aspekt des Kündigungs- und Entlassungsschutzes nach dem MSchG vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen, über den der Oberste Gerichtshof nach der Aktenlage derzeit noch nicht entscheiden kann.

Hat eine Partei in einem Verfahren außer Streitsachen eine Verfahrensvollmacht erteilt, sind bis zu deren Kündigung oder Widerruf (vgl § 6 Abs 4 AußStrG iVm § 36 ZPO) alle dieses Verfahren betreffenden Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten vorzunehmen (§ 24 Abs 1 AußStrG iVm § 93 Abs 1 ZPO). Eine an die Partei dessen ungeachtet selbst erfolgte Zustellung entfaltet hingegen keine Rechtswirkung (RIS-Justiz RS0036252; vgl RS0006023; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, Außerstreitgesetz § 24 Rz 14; derselbe in Rechberger, ZPO4 § 93 ZPO Rz 6, je mwN).

Die Mutter hatte gegen die in diesem Verfahren ergangene Entscheidung des Rekursgerichts vom , GZ 43 R 281/13m-50, Revisionsrekurs erhoben. In diesem Schriftsatz hatte sich der in ihrer Vertretung einschreitende Rechtsanwalt auf die ihm zur Vertretung erteilte Vollmacht berufen. Eine Kündigung oder ein Widerruf der Vollmacht ist nach der Aktenlage nicht erfolgt. Dessen ungeachtet erfolgten seit April 2014 alle Zustellungen nur an die Mutter. Folglich wurde die nunmehr angefochtene Entscheidung des Rekursgerichts ebenso wie der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Minderjährigen der Mutter persönlich zugestellt. Diese Zustellungen entfalteten - wie dargelegt - keine Rechtswirkungen, weswegen nach der Aktenlage gegenüber der Mutter weder die Revisionsrekursfrist noch die Frist zur Revisionsrekursbeantwortung in Gang gesetzt wurde. Die Aktenvorlage erfolgte daher verfrüht, sodass der Akt dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückzustellen ist, die Rekursentscheidung vom und den Revisionsrekurs der Minderjährigen dem ausgewiesenen Vertreter der Mutter zuzustellen und den Akt nach Einlangen allfälliger Schriftsätze der Mutter oder nach dem Ablauf der hiefür vorgesehenen Frist dem Obersten Gerichtshof erneut vorzulegen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr.

 Sailer als Vorsitzenden und die Hofräte Univ-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj J***** S*****, geboren am , über den Revisionsrekurs der Minderjährigen, vertreten durch Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 35/15p-95, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 6 Pu 126/11d-84, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Mutter beantragte, ihre monatliche Unterhaltsverpflichtung beginnend mit herabzusetzen, weil am ihr Sohn N***** geboren worden sei und sie seit nur noch Kinderbetreuungsgeld beziehe.

Mit seinem im dritten Rechtsgang gefassten Beschluss verpflichtete das Erstgericht die Mutter in Minderung ihrer Unterhaltsleistung zur Zahlung eines Betrags von 85 EUR für die Zeit vom bis und eines Betrags von 330 EUR monatlich ab . Es ging zusammengefasst davon aus, dass der minderjährige N***** bis von niemandem anderen betreut werden habe können als von seiner Mutter. Hingegen sei seit dem eine Fremdbetreuung so weit möglich, dass der unterhaltspflichtigen Mutter eine Teilzeitbeschäftigung zumutbar sei. Für die Zeit bis sei daher das Kinderbetreuungsgeld als Unterhaltsbemessungsgrundlage heranzuziehen. Ab hätte die Mutter zumutbar ein Einkommen von durchschnittlich 1.611,50 EUR monatlich erzielen können, das unter Anwendung des Anspannungsgrundsatzes der Unterhaltsbemessung zugrunde zu legen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil - soweit für das Rekursgericht überblickbar - „keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des nach Anspannungsgrundsätzen zurechenbaren Erwerbseinkommens eines geldunterhalts-pflichtigen Elternteils aus einem mit dem Lebensgefährten als Arbeitgeber bestehenden Beschäftigungsverhältnis unter dem Aspekt des Kündigungs- und Entlassungsschutzes nach dem MSchG vorliegt“.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Minderjährigen erhobene Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

1. Nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes ist der Dienstgeber verpflichtet, die Dienstnehmerin nach Ablauf des Karenzurlaubs in der gleichen Verwendung weiter zu beschäftigen, zu der sie seinerzeit vertraglich aufgenommen und auch tatsächlich eingesetzt worden war (RIS-Justiz RS0070881).

2. Die Minderjährige beruft sich auf diese Verpflichtung des Dienstgebers und zielt damit im Ergebnis auf eine Anspannung ihrer Mutter entsprechend einem Einkommen bei einer Vollzeitbeschäftigung ab. Es widerspreche - so die Revisionsrekurswerberin - der allgemeinen Lebenserfahrung, dass es der Mutter nicht möglich sein solle, mit ihrem Dienstgeber, der auch ihr Lebensgefährte und Vater des minderjährigen N***** sei, eine derartige Zeiteinteilung zu treffen, die ihr eine Vollzeitbeschäftigung ermögliche. Damit lässt sie aber nicht nur die tatsächlichen Umstände außer Acht, an die der Oberste Gerichtshof auch im Verfahren außer Streitsachen gebunden ist (RIS-Justiz RS0007236), sondern übersieht zudem, dass ihre Überlegungen von vornherein nicht auf den gesamten von der Unterhaltsherabsetzung betroffenen Zeitraum herangezogen werden könnten, weil diese Verpflichtung des Dienstgebers erst nach Ablauf des Karenzurlaubs zum Tragen kommt.

3.1 Eine Anspannung auf tatsächlich nicht erzieltes Einkommen darf nur erfolgen, wenn den Unterhaltsschuldner (§ 231 ABGB) ein Verschulden daran trifft, dass er kein Erwerbseinkommen hat (vgl RIS-Justiz RS0106973), oder ihm die Erzielung eines höheren als des tatsächlichen Einkommens zugemutet werden kann (vgl RIS-Justiz RS0047337 [T1]). In diesem Verfahren hat der Oberste Gerichtshof über Revisionsrekurs der Mutter in seinem Aufhebungsbeschluss vom , 1 Ob 159/13h, bereits ausgesprochen, dass eine Anspannung der Mutter auf das Einkommen aus einer (Teilzeit-)Berufstätigkeit nur dann zulässig ist, wenn die Versorgung des zuletzt geborenen Kindes sichergestellt ist (vgl auch 10 Ob 40/09v; 1 Ob 43/00f).

3.2 Steht daher fest, dass bis das nachgeborene Kind von keiner anderen Person betreut werden konnte als der Mutter, scheidet eine Anspannung auf ein Erwerbseinkommen aus, weil die Versorgung des zuletzt geborenen Kindes nicht sichergestellt war. Auch für die Zeit ab Jänner 2014 steht fest, dass der Mutter aufgrund der Betreuungssituation eine Vollzeitbeschäftigung nicht möglich ist, sodass auch hier eine Anspannung auf das Einkommen aus einer Vollzeitbeschäftigung in den Feststellungen keine Deckung findet.

3.3 Kommt eine Anspannung auf das Erwerbseinkommen aus einer Vollbeschäftigung schon nach den Umständen des Einzelfalls (dazu RIS-Justiz RS0113751; RS0007096) nicht in Betracht, sind die sich für den Dienstgeber nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes ergebenden Pflichten nicht mehr von Belang. Damit stellt sich auch die vom Rekursgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage nicht.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00083.15K.0618.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAD-65860