OGH vom 18.07.2013, 1Ob83/13g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** AG, *****, vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. R***** E*****, 2. H***** B*****, 3. A***** B*****, 4. Dr. F***** H*****, 5. G***** S 6. E***** M*****, 7. Dr. H***** N*****, 8. G***** P*****, 9. Ing. P***** P*****, 10. Ing. G***** ***** P*****, 11. Ing. H***** ***** P*****, 12. C***** S 13. F***** S 14. Ing. F***** Z*****, alle vertreten durch Neumayer, Walter Haslinger Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, wegen 615.004,71 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 12 R 165/12s 79, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 53 Cg 76/10a 72, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Vorweg ist festzuhalten, dass die außerordentliche Revision in vielen Teilen schwer verständlich ist. Über weite Strecken werden (unzulässigerweise) Beweisergebnisse erörtert und in teilweise unstrukturierter Weise Zitate aus Gerichtsentscheidungen bzw literarischen Beiträgen wiedergegeben, wobei der Text oft übergangslos in Ausführungen der Revisionswerber übergeht. Zu den Revisionsausführungen kann daher nur insoweit Stellung genommen werden, als überhaupt ausreichend klar wird, welche konkreten Rechtsfragen mit welcher Argumentation erörtert werden und inwieweit dem Berufungsgericht eine unrichtige Rechtsanwendung vorgeworfen wird.
Soweit nachvollziehbar, geht es den Revisionswerbern darum, die Auffassung des Berufungsgerichts zu bekämpfen, ihre als Gegenforderungen eingewendeten Schadenersatzansprüche wegen unzureichender bzw unterlassener Risikoaufklärung bestünden nicht zu Recht. Den Revisionsausführungen ist hingegen eine Bekämpfung (auch) des Ausspruchs der Vorinstanzen über das Bestehen der Klageforderung nicht zu entnehmen, sodass auf diese auch nicht einzugehen ist.
2. Unstrittig ist, dass die Beklagten mehreren Gesellschaften der „PFS Gruppe“ umfassende Vollmacht erteilt haben, von der unter anderem Veranlagungen aller Art, insbesondere in Aktien, Investmentfonds und Anleihen ebenso gedeckt waren, wie der Abschluss von Termingeschäften bzw anderen Derivatgeschäften. Eine dieser Gesellschaften verfügte auch über eine Konzession als Wertpapierdienstleister. Weiters steht fest, dass der Mitarbeiter der klagenden Bank jene physischen Personen, die für die Bevollmächtigten der Beklagten auftraten, auf das jeweilige Risiko der jeweils angestrebten Optionsgeschäfte von denen das letzte ein reines Spekulationsgeschäft war, hinwies. Die beiden Verhandlungspartner, denen das Risiko solcher Geschäfte bekannt war, teilten ihm mit, sie hätten mit Optionsgeschäften Erfahrung und schon öfters solche Geschäfte getätigt.
Daran, dass die ausgesprochene Warnung bzw Risikoaufklärung inhaltlich ausreichend war, kann entgegen der Auffassung der Revisionswerber kein vernünftiger Zweifel bestehen, war doch den für die Beklagten handelnden Personen bewusst, dass es sich um ein reines Spekulationsgeschäft handelte, das zu einem hohen Verlust führen kann. Eine ausdrückliche Erklärung, das Risiko, „zu mehr als 80 % den Klagsbetrag zu verlieren“, zu kennen, war nicht erforderlich, um eine weitergehende Aufklärung durch den Bankmitarbeiter entbehrlich zu machen, steht doch fest, dass den Vertretern der Beklagten das Risiko solcher Geschäfte ohnehin bekannt war.
Die Revisionswerber behaupten auch gar nicht, dass sich die für sie handelnden Personen des mit dem angestrebten Geschäft verbundenen Risikos nicht ausreichend bewusst gewesen wären. Damit geht aber auch der Verweis auf die zu 8 Ob 11/11t ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ins Leere, in der ausgesprochen wurde, dass eine Bank als Anlageberaterin den Kunden speziell darüber aufzuklären hat, wenn sie erkennt, dass dieser trotz einer an sich vorhandenen hohen Professionalität im Einzelfall bezüglich eines bestimmten Geschäfts doch einer Fehlvorstellung unterliegt.
Fraglich könnte allein sein, ob sich aus einschlägigen gesetzlichen Vorschriften eine Verpflichtung der Bank ergibt, trotz ausreichender Aufklärung der umfassend bevollmächtigten Vertreter der Kunden auch mit letzteren unmittelbar in Kontakt zu treten und sie detailliert über das Risiko der von ihren Vertretern angestrebten Finanztransaktion aufzuklären.
3. Eine derartige Aufklärungsverpflichtung ergibt sich weder aus den von den Revisionswerbern angeführten gesetzlichen Bestimmungen noch aus der zitierten Judikatur. Sie wäre auch praktisch kaum handhabbar und würde regelmäßig zu ganz erheblichen zeitlichen Verzögerungen führen, was gerade in diesem Geschäftsbereich häufig auch Vermögensnachteile der Kunden nach sich ziehen könnte (vgl auch 1 Ob 48/12h). Bei einer Mehrzahl von Investoren, die sich an einem gemeinschaftlichen Projekt beteiligen, das notwendigerweise einheitlich abgewickelt werden muss, dient die Bestellung eines gemeinsamen Bevollmächtigten gerade auch dazu, geschäftliche Entscheidungen zu erleichtern und zu beschleunigen. Für verschuldete Fehlentscheidungen des Bevollmächtigten hat regelmäßig dieser selbst gegenüber den Vertretenen einzustehen. Der Geschäftspartner der von einem Bevollmächtigten vertretenen Investoren kann sich regelmäßig damit begnügen, die im Zusammenhang mit dem Geschäftsabschluss erforderlichen Erklärungen und Informationen allein dem Bevollmächtigten gegenüber abzugeben, der selbst darüber zu entscheiden hat, ob er nach der Ausgestaltung des Innenverhältnisses verpflichtet ist, vor einer endgültigen Disposition mit den Vollmachtgebern Rücksprache zu halten bzw deren Entscheidung einzuholen.
4. Die Rechtsauffassung der Revisionswerber, bei Einschaltung eines rechtsgeschäftlichen Vertreters käme es beim Risikoverständnis zwar auf dessen Kenntnisse an, bei der Frage der Risikobereitschaft, des Anlagezwecks und der Vermögensverhältnisse sei jedoch auf den Vertretenen abzustellen, wobei die Vollmacht zur Vornahme der Geschäfte nicht automatisch auch die Vollmacht zur Abgabe dieser Auskünfte umfasse, ist vom Gesetz nicht gedeckt. Zur Vertretungsmacht eines rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten enthält das WAG keine Regelungen, sodass insoweit auf die allgemeinen Bestimmungen des Vollmachtsrechts des ABGB zurückzugreifen ist. Dabei unterliegt es grundsätzlich keinem Zweifel, dass gegenüber dem Vertretenen bestehende Informations und Aufklärungspflichten gegenüber dem Vertreter zu erfüllen sind, ist doch der Vertretene typischerweise am geschäftlichen Kontakt tatsächlich gar nicht beteiligt und bestellt er häufig einen Vertreter gerade zu dem Zweck, sich persönlich nicht engagieren zu müssen. Erklärt nun ein Bevollmächtigter namens der Vertretenen im Zusammenhang mit einem Finanzgeschäft, er könne das für die Vertretenen bestehende Risiko als Fachmann selbst einschätzen und wolle das Geschäft für diese ungeachtet der Risikohinweise des Bankmitarbeiters abschließen, kann der Bank kein Fehlverhalten vorgeworfen werden, wenn sie von weiteren Erklärungen und Nachforschungen bei den Kunden selbst absieht. Das offengelegte Anlageziel ist dann eben im konkreten Fall die Vornahme eines spekulativen Geschäfts, auch wenn dieses dem Kunden nur eine geringe Chance auf einen (erheblichen) Vermögensvorteil bringt, der ein hohes Risiko eines (ebenfalls erheblichen) Verlusts gegenübersteht. Ebenso wie ein Kunde selbst nähere Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen und seinen (sonstigen) Anlagezielen verweigern und ein erkennbar gefährliches Geschäft auf eigenes Risiko abschließen kann, kann dies auch ein dazu bevollmächtigter Vertreter, ohne dass dem Vertragspartner vorgeworfen werden könnte, er habe seine Sorgfalts und Aufklärungspflichten, insbesondere jene nach § 13 WAG 1997, verletzt.
5. Auch wenn man davon ausginge, dass nicht nur die Klägerin, sondern auch die Gesellschaften der „PFS Gruppe“ den Wohlverhaltensregeln der §§ 11 ff WAG 1997 unterlagen, würde dies zu keinem für die Beklagten günstigeren Ergebnis führen, entspricht es doch der herrschenden Rechtsprechung (RIS Justiz RS0128476), dass eine Bank für die mangelhafte Beratung ihrer Kunden durch ein von diesen beigezogenes „kundennäheres“ Wertpapierdienstleistungsunternehmen mangels eigener Beratungspflicht nicht haftet, sofern sie nicht konkrete Anhaltspunkte dafür hat, oder sogar positiv weiß, dass das kundennähere Unternehmen seine Pflichten gegenüber den Kunden nicht ordnungsgemäß erfüllt hat. Wenn das Berufungsgericht keine konkreten Anhaltspunkte der Bank für eine solche Fehlberatung erkennen konnte, kann darin keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung erblickt werden. Dafür, dass die riskanten Investitionsentscheidungen ohne Information der Beklagten oder gar gegen deren Interessen getroffen worden sein könnten, gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Insbesondere stellt die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe davon ausgehen dürfen, dass die konzessionierte Gesellschaft der Gruppe als die „kundennähere“ Finanzdienstleisterin ihre gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt hat, keineswegs eine krasse Fehlbeurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste. Dass diese Gesellschaft in die einzelnen Investitionsentscheidungen eingebunden war, liegt schon deshalb nahe, weil sie nach den Feststellungen der Vorinstanzen die Finanzierung der von der GmbH angebotenen Immobilienprojekte durchführt.
Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).