OGH vom 16.06.1982, 3Ob538/82
Norm
Kopf
SZ 55/90
Spruch
Die Zivilteilung mehrerer Liegenschaften, die eine wirtschaftliche Einheit bilden, ist ausgeschlossen, wenn die Realteilung dieser Einheit möglich ist
(OLG Wien 13 R 196/81; LGZ Wien 39 b Cg 366/80)
Text
Die Liegenschaften EZ 45 und 47 KG L standen im Zeitpunkt der Klagseinbringung im Miteigentum, und zwar zu 3/8 der klagenden Partei, zu 2/8 der Erstbeklagten und zu 3/8 der Zweitbeklagten. Während des Rechtsstreites erwarb die Zweitbeklagte die 2/8 Anteile der Erstbeklagten und ist seither zu 5/8 Miteigentümerin.
Die klagende Partei begehrte die Aufteilung der Gemeinschaft an beiden Liegenschaften durch Zivilteilung mit der Begründung, eine Naturalteilung sei wegen Verbauung der Grundstücke nicht möglich.
Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage und wendeten ein, die Zivilteilung sei unzulässig, da eine Naturalteilung möglich sei, wobei sie sich auf einen konkreten Teilungsvorschlag des Sachverständigen bezogen und einer Teilung in diesem Sinne ausdrücklich zustimmten. Die zur Teilung erforderlichen baulichen Maßnahmen würden die Beklagten auf ihre Kosten übernehmen. Eine Zivilteilung sei aber auch deshalb nicht zulässig, weil dadurch die Existenz der Zweitbeklagten, die auf den beiden Liegenschaften eine Fabrik betreibe, vernichtet würde, weil wegen der derzeitigen Inflation und der Stagnation auf dem Realitätensektor Unzeit vorliege und weil Unzeit auch wegen einer derzeit verfügten Bausperre gegeben sei.
Das Erstgericht hatte die Klage im ersten Rechtsgang abgewiesen, weil es von der Möglichkeit einer Naturalteilung ausging. Dieses Urteil wurde vom Berufungsgericht mit Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, ergänzende Feststellungen über die technische und rechtliche Möglichkeit einer Naturalteilung zu treffen. Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes wurde vom , bestätigt.
Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht die Klage neuerlich ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 60 000 S übersteige.
Beide Vorinstanzen gingen im zweiten Rechtsgang im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:
Die Liegenschaft EZ 45 besteht aus dem Grundstück 1905, die Liegenschaft EZ 47 aus dem Grundstück 1904. Beide Grundstücke liegen im gemischten Baugebiet, Bauklasse 4, geschlossen. Das Grundstück 1905 hat eine Fläche von 1302 m2, das Grundstück 1904 eine solche von 228 m2. Die nördliche Hälfte des Grundstückes 1905 ragt im Osten in die A-Gasse, die südliche Hälfte des Grundstückes 1905 grenzt im Osten an das Grundstück 1904, das seinerseits im Osten an die A-Gasse grenzt bzw. zum Großteil sogar in diese hineinragt. Im nordöstlichen Bereich des Grundstückes 1905 steht das 1861 errichtete Wohnhaus A-Gasse 26 der übrige Teil des Grundstückes 1905 ist zum größten Teil mit einem Fabriksgebäude verbaut. Diese Fabrik wird von der Zweitbeklagten betrieben. Die Räumlichkeiten im Parterre und 1. Stock des Wohnhauses sind an die Zweitbeklagte vermietet und dienen teils als Wohnung, teils für Betriebszwecke. Im
2. und 3. Stock des Wohnhauses befinden sich nur Substandardwohnungen, welche an verschiedene Mieter vermietet sind. Das Grundstück 1904 ist unverbaut.
Eine Realteilung wäre technisch in der Weise möglich, daß der klagenden Partei der nördlichste Teil des Grundstückes 1905 zugewiesen wird, nämlich jener Teil, auf dem das Wohnhaus steht, und der westlich des Wohnhauses befindliche Teil des Grundstücks, der übrige Teil des Grundstücks 1905 sowie das ganze Grundstück 1904 der Zweitbeklagten zugeteilt wird. Um eine Trennung der beiden so entstehenden Liegenschaftsteile zu erreichen, müßten die an die klagende Partei fallenden Teile der Fabriksbaulichkeiten vor allem durch eine Feuermauer von den an die Zweitbeklagte fallenden Teilen der Liegenschaft abgetrennt werden, und es müßten getrennte Ver- und Entsorgungsleitungen angelegt werden, was technisch ohne weiteres erfolgen kann. Nach der Durchführung der erforderlichen Arbeiten wäre jeder Liegenschaftsteil selbständig und ohne Fortsetzung irgendeiner Gemeinschaft benützbar. Die Kosten der Errichtung der Feuermauer und der rein baulichen Trennung (also ohne die Trennung der Ver- und Entsorgungsleitungen) belaufen sich auf 324 101 S. Der Gesamtwert der beiden Liegenschaften beträgt 3 801 700 S. Bei einer Teilung in der beschriebenen Weise müßte die klagende Partei an die zweitbeklagte Partei eine Ausgleichszahlung von 150 000 S leisten, damit das Wertverhältnis von 3 : 5 gewahrt bleibt. Eine Teilung der beiden Liegenschaften in diesem Sinne ist unter Beobachtung der Bestimmungen der Bauordnung für Wien möglich.
Mit Beschluß des Gemeinderates vom wurde im Zuge der Planungsarbeiten für eine U-Bahntrasse eine Bausperre über die beiden Liegenschaften verhängt. Diese mit ablaufende Bausperre könnte zweimal für jeweils ein Jahr verlängert werden. Für die Bewilligung der erforderlichen Umbauten ist daher derzeit eine Ausnahmegenehmigung erforderlich, die aber laut Auskunft des zuständigen Sachbearbeiters erteilt werden könnte, weil die Planungsarbeiten für die Trassenanlegung abgeschlossen seien und die beiden Liegenschaften von der geplanten Trasse nicht berührt würden.
Das Erstgericht war in rechtlicher Hinsicht der Auffassung, daß bei dieser Sachlage eine Naturalteilung möglich sei und daher die Zivilteilung nicht begehrt werden könne. Da wegen der bestehenden Bausperre der derzeitige Verkehrswert der beiden Liegenschaften bedeutend geringer sei, liege aber auch unabhängig von der Möglichkeit einer Naturalteilung Unzeit für eine Zivilteilung vor.
Das Berufungsgericht billigte die Auffassung des Erstgerichtes über die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit einer Naturalteilung. Daß durch die Naturalteilung eine rechtliche Einheit zerstört werde, treffe nicht zu, weil die Bestandrechte der Zweitbeklagten durch eine solche Naturalteilung nicht aufgehoben würden. Die Bausperre stehe der Naturalteilung nicht im Wege, da mit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gerechnet werden müsse. Ob die Ansicht des Erstgerichtes zutreffe, daß derzeit auch Unzeit hinsichtlich einer Zivilteilung gegeben wäre, weil der Verkehrswert der beiden Liegenschaften jetzt gesunken sei, müsse daher nicht geprüft werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Daß im vorliegenden Fall, weil die zu teilenden Grundstücke mehr oder weniger zur Gänze verbaut sind, zunächst davon auszugehen ist, daß eine Realteilung nicht möglich ist und die klagende Partei damit zunächst den ihr obliegenden Beweis der Untunlichkeit einer Naturalteilung erbracht hat, hat der OGH schon in seinem Beschluß vom , 3 Ob 536/80 (teilweise veröffentlicht in MietSlg. 32 057), dargelegt. Die Beweislast, daß die Naturalteilung ausnahmsweise doch möglich ist, liegt daher, wie die Revision zutreffend ausführt, bei den beklagten Parteien.
Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist aber dieser Beweis jetzt im zweiten Rechtsgang erbracht. Den in der Revision dazu vorgebrachten Gegenargumenten ist im einzelnen folgendes entgegenzuhalten:
Hinsichtlich der wegen der derzeitigen Bausperre erforderlichen Ausnahmegenehmigung haben die Vorinstanzen auf Grund einer Auskunft des zuständigen Magistratsbeamten festgestellt, daß diese voraussichtlich erteilt werde, weil die Planung des U-Bahn-Baues beendet sei und die streitgegenständlichen Grundstücke von der vorgesehenen U-Bahn-Trasse nicht berührt würden. Ausgehend von dieser Feststellung steht es also als wahrscheinlich fest, daß die derzeitige Bausperre der Naturalteilung nicht entgegenstehen wird. Eine volle Sicherheit ist hier nie möglich. Sollte sich im Zuge der Durchführung der Naturalteilung ergeben, daß wider jetzige Voraussicht die Ausnahmegenehmigung nicht erteilt wird, wäre eine neue Sachlage gegeben, die dann die einzelnen Miteigentümer berechtigen würde, auf Zivilteilung zu dringen. Jetzt ist aber in diesem Punkt davon auszugehen, daß die Naturalteilung möglich ist.
Dies gilt auch für die für eine Teilung erforderlichen Genehmigungen nach § 13 Abs. 2 lit. a und b BauO für Wien und die für die Errichtung der Feuermauer nach §§ 60 ff. BauO für Wien nötigen Genehmigungen. Daß hier rechtliche Probleme bestehen könnten, wird in der Revision nicht mehr geltend gemacht, so daß auch hier auf die Feststellungen der Vorinstanzen zu verweisen ist, daß mit der Erteilung dieser Genehmigungen wahrscheinlich zu rechnen ist.
Darauf, daß die Durchführung der Naturalteilung gewisse nicht unerhebliche Kosten verursachen wird, ist nicht Bedacht zu nehmen, weil die beklagten Parteien die volle Tragung dieser Kosten übernommen haben. Die klagende Partei hat entgegen der von ihr in der Revision vertretenen Auffassung keinen "unabdingbaren" Anspruch auf Zivilteilung, sondern den beklagten Parteien steht vielmehr grundsätzlich das primäre Recht auf Naturalteilung zu, wann immer diese möglich und tunlich ist (§ 843 ABGB). Die klagende Partei kann sich daher nicht mit dem Argument, die Naturalteilung sei wegen der die beklagten Parteien treffenden Belastungen untunlich, gegen die Naturalteilung aussprechen. Einer ausdrücklichen Annahme der Verpflichtungserklärung der beklagten Parteien durch die Klägerin bedurfte es in diesem Zusammenhang nicht.
Daß es bei einer Naturalteilung immer der Zustimmung aller Teilhaber bedürfe, ist in dieser Form nicht richtig. Wenn verschiedentlich ausgesprochen wurde, daß die Naturalteilung zur "Zufriedenheit" aller ausfallen müsse, dann ist damit gemeint, daß jeder Teilhaber Anspruch auf objektiv gleichmäßige Behandlung hat. Im Fall der von der Revision zitierten Entscheidung JBl. 1966, 87 ging es darum, daß die vorgesehene Teilungslinie mitten durch ein auf dem zu teilenden Grundstück stehendes Sommerhäuschen gezogen werden sollte. Der Fall ist daher mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, weil hier ein relativ großes Betriebsgebäude durch eine Feuermauer in zwei dadurch selbständig werdende kleinere Betriebsgebäude zerlegt werden soll. Und im Fall der von der Revision weiters angeführten Entscheidung SZ 32/112 stand für eine Teilung nur ein einziges, nicht sinnvoll teilbares Wohnhaus zur Verfügung, was sich gleichfalls von der Sachlage in diesem Rechtsstreit unterscheidet.
Anhaltspunkte dafür, daß durch die "Zerstückelung" der Liegenschaft ein entscheidender Wertverlust eintreten werde, sind nicht gegeben. Die Vorinstanzen gingen in Anlehnung an das Gutachten des Sachverständigen vielmehr davon aus, daß durch die Naturalteilung eine solche spürbare Wertverminderung nicht eintreten werde. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, daß im fraglichen Gebiet die geschlossene Bauweise vorgeschrieben ist, so daß auch verhältnismäßig kleinere Bauflächen voll ausgenützt werden können, zumal das der klagenden Partei insgesamt zukommende Teilstück immer noch groß genug für eine selbständige Verbauung ist. Ergänzende Feststellungen sind daher in diesem Zusammenhang nicht notwendig.
Daß der späteren Durchführung der Naturalteilung im Grundbuche rechtliche Schwierigkeiten entgegenstehen, kann von der klagenden Partei nicht konkret aufgezeigt werden. Zwar werden für die Teilung des Grundstückes 1905 gewisse Genehmigungen einzuholen sein, insbesondere wird auch die Erstellung eines Teilungsplanes nötig sein. Bei Beachtung der entsprechenden grundbuchsrechtlichen Vorschriften kann aber hier kein Hindernis für die Durchführung der Naturalteilung entstehen.
Warum dann, wenn zwei in der Natur aneinander angrenzende Grundstücke, die denselben Miteigentümern gehören, eine wirtschaftliche Einheit bilden und nur zufällig nicht in einer Einlagezahl, sondern in zwei Einlagezahlen verbüchert sind, also rein grundbuchsrechtlich sicher zwei Liegenschaften darstellen, nur eine Realteilung jedes einzelnen Grundstückes für sich allein möglich sein müsse, damit die Zivilteilung abgelehnt werden könne, ist nicht ersichtlich.
Wenn der klagenden Partei auch zuzugestehen ist, daß die im vorliegenden Fall ins Auge gefaßte Naturalteilung in einer eher "unüblichen" Weise geschieht, so kann unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieses Falles (großflächige Verbauung einer Liegenschaft, Möglichkeit der vertikalen Trennung durch Errichtung einer Trennmauer und selbständiger Versorgungsleitungen) alles in allem in der Beurteilung der Rechtssache durch die Vorinstanzen doch kein Rechtsirrtum erblickt werden.