OGH vom 09.09.1987, 3Ob537/87
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helene M***, Sekretärin, 1232 Wien, Anton Baumgartner-Straße 44, vertreten durch Dr. Hellmuth Boller und Dr. Günter Langhammer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Elise F***, Private, 1030 Wien, Landstraßer Gürtel 41/12, vertreten durch Dr. Guido Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 69.875,-- samt Anhang, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 48 R 91/87-16, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 43 C 673/85-11, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.
Die Kosten der Rekursbeantwortung der klagenden Partei sind weitere Prozeßkosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin war Hauptmieterin einer Wohnung im Haus 1050 Wien, Stauraczgasse 14, das durch Einantwortung des Nachlasses nach Wilhelm T*** in das Eigentum der Beklagten überging. In dem zwischen der Klägerin und dem Erblasser am geschlossenen Hauptmietvertrag war vereinbart, daß bauliche Veränderungen nur mit Bewilligung des Vermieters erfolgen dürfen und die in diesem Zusammenhang erfolgten Investitionen, Einbauten und dergleichen sofort unentgeltlich in das Eigentum des Vermieters übergehen. Das gleiche gelte für Gas- und elektrische Leitungen (Vertragspunkt § 5 Z 2).
Mit ihrer am überreichten Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten den Restbetrag von S 69.875,-- als Ersatz für Aufwendungen auf die Wohnung im Sinne des § 10 MRG (Elektroinstallationen, Einbau einer Etagenheizung, Material für Stemm- und Verputzarbeiten, Zwischendecken, Verfliesungen und Türen). Sie habe ihren Anspruch noch vor der einvernehmlichen Auflösung des Mietverhältnisses mit dem dem Vermieter schriftlich unter Angabe der Höhe angezeigt. Die Beklagte habe den Mietgegenstand schon wieder vermietet, aber nur S 5.073,-- für die Aufwendungen an Sanitärinstallationen bezahlt.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, weil die Aufwendungen bis auf die von ihr angemessenen abgegoltenen Kosten der Wassereinleitung und der Einrichtung einer Duschgelegenheit ohne Wissen des Vermieters vorgenommen worden seien. Die Arbeiten rechtfertigten keinen Ersatzanspruch nach § 10 MRG und seien nicht mehr über die Mietdauer hinaus von Nutzen. Die Mieterin habe im Mietvertrag auf den Ersatz von Aufwendungen verzichtet. Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, die Klägerin habe in dem vor Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes geschlossenen Hauptmietvertrag wirksam auf einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für die Wohnung verzichtet. Die Vorschrift des § 10 Abs. 6 MRG, wonach auf den Ersatzanspruch für die im § 10 Abs. 1 MRG umschriebenen Aufwendungen im voraus nicht rechtswirksam verzichtet werden könne, beziehe sich mangels einer die Rückwirkung anordnenden Übergangsregelung nur auf nach dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes () geschlossene Verträge. Der im Altvertrag erklärte Verzicht bleibe, wie dies der Oberste Gerichtshof zu 8 Ob 628/85 am ausgesprochen habe, wirksam. Die Zahlung von S 5.073,-- als Ersatz für Installationsarbeiten bedeute kein Anerkenntnis eines Anspruchs auf Ersatz anderer Aufwendungen.
Das Berufungsgericht hob über Berufung der Klägerin dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens und neue Entscheidung auf, weil dem Mieter, der eine im Sinne des § 3 Z 10 des Stadterneuerungsgesetzes mangelhaft ausgestattete Wohnung gemietet und diese Mangelhaftigkeit im Einvernehmen mit dem Vermieter beseitigt habe, ein Anspruch auf Ersatz, auf den der Mieter im voraus nicht rechtswirksam verzichten konnte, schon nach § 17 Abs. 3 MG zustand und nicht geklärt sei, ob bei Beginn des Mietverhältnisses Wasserentnahmen oder Abort außerhalb der Wohnung lagen. Auch sei der vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung vom , 8 Ob 628/85, vertretenen Rechtsmeinung nicht zu folgen, weil nach der Übergangsregelung des § 43 Abs. 1 MRG das
1. Hauptstück (§§ 1 bis 42 MRG) auch für Mietverträge gelte, die vor dem geschlossen worden sind. Bei Beendigung des Mietverhältnisses nach dem könne der Hauptmieter einer Wohnung Ersatzansprüche nach § 10 MRG auch bei "Altverträgen" geltend machen. Auf diesen erst neu durch Gesetz eingeräumten Anspruch, dessen Inhalt bei Abschluß des Mietvertrages noch gar nicht abzusehen war, habe die Klägerin nicht wirksam verzichtet. Der Verzicht auf Ersatz von Investitionen im Sinne der §§ 1097, 1037 ABGB stehe der Geltendmachung des erst mit geschaffenen Anspruchs nach § 10 MRG nicht entgegen. Das Berufungsgericht setzte seinem Aufhebungsbeschluß den Rechtskraftvorbehalt bei und begründete dies damit, es fehle noch an einer einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Rechtswirksamkeit des Vorausverzichtes auf den Anspruch nach § 10 MRG in vor dem geschlossenen Mietverträge. Der von der Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist aus dem zutreffend bezeichneten Grund, daß die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, zulässig.
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Das Erstgericht hat das Bestehen des geltend gemachten Anspruches der Hauptmieterin auf Ersatz von Aufwendungen für die Wohnung nach § 10 MRG in Anlehnung an die von beiden Vorinstanzen erwähnten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 8 Ob 628/85, JBl. 1986, 390 = RdW 1986, 175 schon deshalb verneint, weil der vor Inkrafttreten des MRG rechtswirksam erklärte Vorausverzicht nach dem Inkrafttreten des MRG auch für die im § 10 MRG umschriebenen Aufwendungen wirksam bleibe. Ob und inwieweit der Klägerin die als Vorbild für die Einführung des allgemeinen Anspruches auf Ersatz von Aufwendungen auf eine Wohnung im § 10 des am in Kraft getretenen Mietrechtsgesetzes anzusehenden Bestimmung des § 17 Abs. 3 MG idF der MGNov BGBl 1974/409 zugute kommt, bedarf ebensowenig der Erörterung wie die von der Beklagten im Rekurs aufgeworfenen Frage, ob ein in diesem Bereich den Aufhebungsbeschluß rechtfertigender Sachverhalt vorgetragen oder hervorgekommen ist, ob also in dem eingeklagten Betrag (auch) Kosten für die Einleitung des Wassers in die Wohnung (Mietvertrag § 11) und damit Aufwendungen zur Beseitigung der Mangelhaftigkeit der Wohnung im Sinne des § 3 Z 10 des Stadterneuerungsgesetzes enthalten sind.
Die vom Erstgericht angenommene Wirksamkeit des Vorausverzichtes auf Ersatzansprüche nach § 10 MRG ist nämlich zu verweisen. Die Bestimmung des § 10 Abs. 6 MRG, wonach der Vorausverzicht des Hauptmieters auf den Ersatzanspruch nach § 10 Abs. 1 MRG rechtsunwirksam ist, gilt nach der Übergangsregelung des § 43 Abs. 1 MRG auch für Mietverträge, die vor dem Inkrafttreten des MRG geschlossen worden sind, weil dazu im folgenden nichts anderes bestimmt ist. Wohl konnte der Hauptmieter auf Ansprüche nach den §§ 1097 und 1037 ABGB wirksam verzichten, soweit es sich nicht um von § 17 Abs. 3 MG erfaßte Ersatzansprüche handelte; doch bedeutet die am getroffene Vereinbarung, daß von der Hauptmieterin vorgenommene bauliche Veränderungen unentgeltlich in das Eigentum des Vermieters übergehen, keinen Verzicht auf den erst Jahre später durch den Gesetzgeber neu geschaffenen Ersatzanspruch nach § 10 MRG, der erst mit der Beendigung des Mietverhältnisses in einem nach dem liegenden Zeitpunkt entstehen konnte und dessen Ausgestaltung im Jahre 1978 nicht vorhersehbar war. Die Regierungsvorlage zum MRG (425 BlgNr 15.GP - ) sah noch im § 7 über den Ersatz von Aufwendungen eine Erweiterung der geltenden Regelung der §§ 1097, 1036, 1037 ABGB, die in materieller Hinsicht beibehalten werden sollte, vor, doch erhielt die Regelung über den Ersatz von Aufwendungen auf eine Wohnung im Zuge der parlamentarischen Beratung im Verhältnis zur Regierungsvorlage eine inhaltliche Ausgestaltung (AB 880 BlgNr 15.GP - ) sah noch im § 7 über den Ersatz von Aufwendungen eine Erweiterung der geltenden Regelung der §§ 1097, 1036, 1037 ABGB, die in materieller Hinsicht beibehalten werden sollte, vor, doch erhielt die Regelung über den Ersatz von Aufwendungen auf eine Wohnung im Zuge der parlamentarischen Beratung im Verhältnis zur Regierungsvorlage eine inhaltliche Ausgestaltung (AB 880 BlgNr 15.GP zu § 10). Zwischen den schon bei Abschluß des Mietvertrages geltenden Bestimmungen der §§ 1097, 1036, 1037 ABGB und der erst mit erfolgten Neuordnung durch § 10 MRG bestehen so wesentliche Unterschiede, daß der Ansicht der Beklagten, es handle sich bloß um eine Verdeutlichung schon bestandener Vorschriften, nicht gefolgt werden kann. Nicht nur, daß für die Höhe des Anspruchs nach § 10 MRG der objektive Nutzen, nach § 1037 ABGB hingegen der vom Mieter zu beweisende klare überwiegende Vorteil für den Vermieter maßgebend ist (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 1037; Würth in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 10 MRG; MietSlg. 37.269/48), bestehen auch bei der Beschränkung auf die im § 10 Abs. 3 MG aufgezählten Aufwendungen, dem Anspruchsverlust und der Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung eigenständige neue Ausformungen des Ersatzanspruches, sodaß unberührt bleibende weitergehende Ansprüche nach den §§ 1097, 1036, 1037 ABGB (§ 10 Abs. 6 MRG) davon zu unterscheiden sind. Daraus folgt aber, daß mit dem dem Hauptmieter einer Wohnung, der bestimmte Aufwendungen innerhalb des Zeitraumes der letzten zwanzig Kalenderjahre vor der Beendigung des Mietverhältnisses in der gemieteten Wohnung zur wesentlichen Verbesserung tätigte, die über seine Mietdauer hinaus wirksam und von Nutzen sind, ein neuer Anspruch entstand. Auf ihn konnte vor dem im voraus nicht wirksam verzichtet werden.
Der in der Entscheidung JBl. 1986, 390 (= RdW 1986, 175) der ein "Altmietvertrag" über Geschäftsräumlichkeiten und eine Wohnung zugrunde lag, ohne daß das Überwiegen der Wohnzwecke erkennbar war, - so daß § 10 MRG gar nicht unmittelbar anzuwenden war (Meinhart, ImmZ. 1986, 198 Anm. 2), - aufgestellte Rechtssatz, die Vorschrift des § 10 Abs. 6 MRG könne sich nur auf nach dem Inkrafttreten des MRG geschlossene Verträge beziehen, kann sich der erkennende Senat nicht anschließen. Es ist vielmehr der gegenteiligen Rechtsansicht zu folgen, daß § 10 MRG auch für Mietverhältnisse gilt, die vor dem geschlossen und zu diesem Zeitpunkt des Inkrafttretens des MRG noch nicht beendet waren, und daß die in einem solchen Mietvertrag getroffene Abrede, daß alle künftigen Investitionen unentgeltlich in das Eigentum des Vermieters übergehen sollen, als Vorausverzicht auf den Ersatzanspruch nach § 10 MRG nicht rechtswirksam ist (EvBl. 1985/34 = JBl 1985, 236 = MietSlg. 36.264/27). Zutreffend verweist Iro in seiner Anmerkung zu RdW 1986, 175, darauf, es gehe nicht an, einzelne Tatbestandsmerkmale nach der neuen, andere aber nach der alten Rechtslage zu beurteilen, und daß es sich um einen Dauersachverhalt, nämlich das Fortwirken des früheren Verzichts für die Zeit nach dem Inkrafttreten des MRG handelt. Die Frage der Rückwirkung des Gesetzes im Sinne des § 5 ABGB stellt sich dabei gar nicht.
Die dem Aufhebungsbeschluß zugrunde gelegte rechtliche Beurteilung trifft daher zu, und es bedarf der weiteren Prüfung des Ersatzanspruches nach den Voraussetzungen des § 10 MRG. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO, weil für den erfolglosen Rekurs der Beklagten ein Kostenersatzanspruch nicht zusteht, und auf § 52 Abs. 1 Satz 2 ZPO, weil die Ersatzpflicht der Beklagten für die Kosten der Rekursbeantwortung vom Ausgang der Hauptsache abhängig ist.