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OGH vom 27.04.1999, 1Ob82/99m

OGH vom 27.04.1999, 1Ob82/99m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Gerhard Kornek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei "W***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Giger, Ruggenthaler & Simon, Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert S 60.000,--) und S 1.200,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 35 R 721/98h-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 4 C 2192/97h-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 4.871,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei und ein weiteres Unternehmen (in der Folge kurz Gesellschaft) haben ihren Sitz an der im Rubrum dieser Entscheidung genannten Anschrift. Die Gesellschaft ist Teilnehmer eines Telefonanschlusses, die klagende Partei hat an diesem Anschluß ein Mitbenützungsrecht. Die Telefonrechnung lautet auf die Firma des Teilnehmers; intern erfolgt eine Abrechnung der Telefongebühren zwischen diesem und der klagenden Partei. Beide Gesellschaften sind im Amtlichen Telefonbuch eingetragen. Es existiert ein Faxanschluß. Der Geschäftsführer der klagenden Partei ist auch Geschäftsführer der Gesellschaft. Den Angestellten beider Unternehmen ist die Anweisung erteilt worden, auf der postalischen Zusendung von Werbematerial zu bestehen und die Faxnummer nicht bekanntzugeben. Diese Anweisung wurde befolgt. Nach 16,30 Uhr wird beim Telefonanschluß die Nachtschaltung eingeschaltet. Nach mehrmaligem Läuten teilt die Stimme des Anrufbeantworters mit, daß die Telefone nicht besetzt seien und daß bei Angabe des Namens und der Telefonnummer zurückgerufen werde oder daß man unter einer bestimmten Anschlußnummer ein Fax übersenden könne.

Die beklagte Partei suchte im August 1997 Inserenten für eine Beilage der von ihr herausgegebenen Zeitschrift. Eine Mitarbeiterin der beklagten Partei kontaktierte deshalb Ende August 1997 mehrfach Mitarbeiter der klagenden Partei und erkundigte sich nach dem für die Schaltung von Inseraten Zuständigen. Ihr wurde der Name des Geschäftsführers der klagenden Partei genannt, der zum Zeitpunkt der Telefonate nicht anwesend war. Als die Mitarbeiterin der beklagten Partei am abermals bei der klagenden Partei anrief, war das Telefon auf Nachtschaltung gestellt. Über den Anrufbeantworter erfuhr die Anruferin die Nummer der Fax-Nebenstelle, worauf sie um 17,09 Uhr ein Telefax an die klagende Partei absandte, das Werbung zum Gegenstand hatte.

Die klagende Partei begehrte, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, ihr über ihren Telefaxanschluß unerwünschte Werbung zu senden und unter dem Telefonanschluß unerwünschte Anrufe zu Werbezwecken zu unternehmen, sowie die Bezahlung von S 1.200 an aufgelaufenen Manipulationskosten. Die beklagte Partei habe der klagenden Partei am unerwünschte Werbung mittels Telefax übersandt und damit unzulässigerweise das Gerät der klagenden Partei blockiert. Einen Verstoß gegen § 1 Abs 1 UWG könne die klagende Partei mangels Mitbewerbereigenschaft nicht geltend machen. Die Vorgangsweise der beklagten Partei verstoße aber auch gegen § 354 ABGB, § 16 Abs 2 FernmeldeG 1993 bzw § 101 Telekommunikationsgesetz (TKG). Der Aufforderung zur Unterfertigung einer entsprechenden Unterlassungserklärung habe die beklagte Partei nicht Folge geleistet. Der begehrte Pauschalbetrag für Manipulationskosten sei ebenfalls nicht bezahlt worden.

Die beklagte Partei wendete ein, daß eine Mitarbeiterin der klagenden Partei ausdrücklich um die Übermittlung eines schriftlichen Anbots zur Schaltung einer Anzeige ersucht habe. Von unerwünschter Werbung mittels Telefax oder unerwünschten Telefonanrufen könne daher nicht die Rede sein. Im übrigen sei die klagende Partei nicht aktiv legitimiert, weil sie nicht Inhaberin des Telefon- bzw Telefaxanschlusses sei, unter welchen sie kontaktiert worden sei; ihr stehe nur ein vom Teilnehmer eingeräumtes Nutzungsrecht zu.

Das Erstgericht gab den Unterlassungsbegehren statt, sprach an Manipulationskosten S 200 zu und wies das Mehrbegehren von S 1.000 ab. Weder § 16 Abs 2 FernmeldeG noch § 101 TKG seien auf den vorliegenden Fall anzuwenden, weil sie sich nur an den Inhaber einer Fernmeldeanlage (Teilnehmer) richteten. Das Begehren der klagenden Partei erweise sich aber aus dem Rechtsgrund des § 354 ABGB als berechtigt. Unerbetene Telefaxwerbung blockiere das Telefaxgerät für andere Sendungen und veranlasse den Empfänger zu weiterem manipulativen Aufwand auf seine Kosten, wodurch ein Teil der mit der Werbemaßnahme zwangsläufig verbundenen Kosten auf den Empfänger überwälzt werde. Unter Anwendung von § 273 ZPO sei für die Sichtung der Telefaxpost und die Geltendmachung der Ansprüche ein Betrag von S 200 angemessen. Die mehrfach ungebetenen Anrufe der beklagten Partei zu Werbezwecken hätten den Telefonanschluß für andere an die klagende Partei gerichtete Telefonate blockiert. Die klagende Partei habe zu den Anrufen bzw zur Absendung des Telefax kein Einverständnis erteilt, die Nennung des Faxanschlusses durch den Anrufbeantworter sei nicht als Zustimmung zur Entgegennahme unerwünschter Faxwerbung zu werten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese nur im klagsstattgebenden Teil angefochtene Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar S 52.000,--, nicht aber S 260.000,-- übersteige und daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die Frage, ob das Mitbenützungsrecht entgeltlich eingeräumt worden sei, sie nicht entscheidungsrelevant; (lediglich) diese Feststellung des Erstgerichts werde nicht übernommen. Auf § 354 ABGB könne die klagende Partei ihr Begehren nicht stützen, weil sie nicht Eigentümerin des Faxgerätes und der zu dessen Verwendung erforderlichen Betriebsmittel sei. Auf § 372 ABGB habe die klagende Partei ihre Ansprüche nicht gestützt. Die Bestimmung des § 16 Abs 2 FernmeldeG stütze dagegen die Klagsstattgebung im Umfang der erstinstanzlichen Entscheidung. Sie richte sich nämlich an den Inhaber der Fernmeldeanlage, von dessen Anlage der belästigende Anruf ausgehe, und nicht an jenen, bei dem der Anruf einlange. Als mißbräuchliche Verwendung der Anlage sei unter anderem jede Nachrichtenübermittlung, die gegen die Gesetze verstoße, anzusehen. Dies entspreche im wesentlichen § 39 Abs 2 Fernsprechordnung, wonach der Fernsprechteilnehmer dafür zu sorgen habe, daß ein Mißbrauch der Teilnehmereinrichtung durch ihn oder andere unterbleibe, wobei als Mißbrauch jede Benützung zu Mitteilungen, die unter anderem gegen die Gesetze verstoßen, zu werten sei. Weder bei Anwendung von § 16 Abs 2 FernmeldeG noch von § 39 Abs 2 Fernsprechordnung sei nach der Rechtsbeziehung des Empfängers der Faxmitteilung zum Faxgerät bzw Faxanschluß zu differenzieren. Auch der berechtigte Benutzer eines solchen Anschlusses, der nicht selbst Teilnehmer sei, habe ein berechtigtes Interesse an der Freihaltung der von ihm benutzten Anlage von jeder Inanspruchnahme, die deren bestimmungsgemäße Funktion, nämlich die Rationalisierung des anfallenden Schriftverkehrs und die schnellere Erreichbarkeit, beeinträchtige. In der bloßen Bekanntgabe der Zuständigkeit einer bestimmten Person zur Entscheidung über die Einschaltung von Werbeinseraten und auch in der Mitteilung der Telefaxnummer mittels Anrufbeantworters könne keine Zustimmung der klagenden Partei zu Werbeanrufen erblickt werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Bestimmungen des Fernmeldegesetzes 1993 sind auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar: Mit trat das TKG (BGBl 1997/100) in Kraft (§ 128 Abs 1 TKG); das Fernmeldegesetz (BGBl 1993/908) trat mit diesem Zeitpunkt außer Kraft (§ 124 TKG). Der relevierte Verstoß fand am , also zu einem Zeitpunkt, in dem schon das TKG in Kraft getreten war, statt. Auf die Ausführungen des Gerichts zweiter Instanz und auch der Revisionswerberin zu den Bestimmungen des Fernmeldegesetzes, insbesondere dessen § 16 Abs 2 und § 43 Abs 1, ist demnach nicht weiter einzugehen.

§ 354 ABGB scheidet - wie schon das Gericht zweiter Instanz zutreffend darlegte - als Anspruchsgrundlage deshalb aus, weil sich die klagende Partei auf das Eigentum am Faxgerät und an den zu dessen Betrieb erforderlichen Betriebsmitteln gar nicht berufen hat.

Demnach gilt es zu prüfen, ob die Bestimmung des § 101 TKG die Klagebegehren rechtfertigt:

Zweck des TKG ist es gemäß dessen § 1 Abs 1, durch Förderung des Wettbewerbs im Bereich der Telekommunikation die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit zuverlässigen, preiswerten, hochwertigen und innovativen Telekommunikationsdienstleistungen zu gewährleisten. Nach § 1 Abs 2 Z 5 TKG soll durch Maßnahmen der Regulierung unter anderem die Sicherstellung einer effizienten und störungsfreien Nutzung von Frequenzen erreicht werden. Gemäß § 62 TKG ist jedermann berechtigt, öffentliche Telekommunikationsdienste unter bestimmten Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Diesem Ziel widmet sich auch der mit "unerbetene Anrufe" überschriebene § 101 TKG. Danach sind Anrufe - einschließlich des Sendens von Fernkopien - zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers unzulässig. Der Einwilligung des Teilnehmers steht die Einwilligung einer Person, die vom Teilnehmer zur Benützung seines Anschlusses ermächtigt wurde, gleich. § 101 TKG ist demnach eine Schutzbestimmung zugunsten des Teilnehmers bzw des zur Benützung dessen Anschlusses Ermächtigten, um unerbetene Anrufe hintanzuhalten. Durch § 101 TKG wird ein subjektives Recht des Teilnehmers bzw des von ihm zur Benützung des Anschlusses Ermächtigten begründet, unzulässige Anrufe bzw unzulässige Telefaxe zu Werbezwecken zu untersagen. Daß ein unerbetener Anruf im Sinne des § 101 TKG gemäß § 104 Abs 3 Z 22 dieses Gesetzes als Verwaltungsübertretung mit einer (Geld-)Strafe bedroht ist, kann nichts daran ändern, daß der in seinen Rechten verletzte Fernsprechteilnehmer bzw der zur Benützung des Anschlusses Ermächtigte von seinem Recht Gebrauch machen kann, die Unterlassung des widerrechtlichen Eingriffs und gegebenenfalls Schadenersatz zu begehren. Diese Ansprüche sind völlig unabhängig davon, welcher Bundesminister mit der Vollziehung des TKG betraut wurde.

Daß ein Einverständnis der klagenden Partei mit der von der beklagten Partei entfalteten Werbung vorgelegen sei, wird in der Revision gar nicht mehr behauptet. Es kann daher diesbezüglich auf die Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden (S 14 f des Urteiles der zweiten Instanz), die mit der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs (JBl 1998, 324 mit zustimmender Besprechung Pfersmanns; WBl 1995, 81 = 4 Ob 107/94; EvBl 1984/14) in Einklang stehen.

Der Revision der beklagten Partei ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.