OGH 28.05.2019, 2Ob79/19k
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Dr. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** 2007 verstorbenen F***** W*****, im Verfahren über das Rechtsmittel des Antragstellers F***** W*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 1 R 168/18b-143, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom , GZ 4 A 82/07f-136, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht mit folgenden Aufträgen zurückgestellt:
1. Jene Anwältin, die ihren Stempel und ihre Unterschrift auf der Eingabe des Antragstellers angebracht hat, ist unter Fristsetzung aufzufordern,
a) bekanntzugeben, ob sie den Antragsteller unter Berufung auf § 30 Abs 2 ZPO iVm § 6 Abs 4 AußStrG vertritt,
b) in diesem Fall das Rechtsmittel durch Darstellung einer Rechtsfrage iSv § 62 Abs 1 AußStrG und Ausführung des Revisionsrekurses zu verbessern.
2. Sollte die Anwältin innerhalb der ihr gesetzten Frist unter Berufung auf die erteilte Vollmacht ein verbessertes Rechtsmittel vorlegen, sind die Akten neuerlich zur Entscheidung vorzulegen. Sonst sind die angefochtene Entscheidung sowie das Rechtsmittel – dieses ebenfalls zur Verbesserung binnen 14 Tagen – dem für den Antragsteller bestellten Verfahrenshelfer zuzustellen.
Text
Begründung:
Dem Antragsteller wurde mit Beschluss vom , ON 69, die Verfahrenshilfe (unter anderem) durch Beigabe eines Rechtsanwalts „für die Verlassenschaftssache nach F***** W***** […] und das weitere Verfahren“ bewilligt. Die zuständige Rechtsanwaltskammer benannte einen Verfahrenshelfer, der zunächst für den Antragsteller einschritt. Dass die Verfahrenshilfe für erloschen erklärt oder entzogen worden wäre, ist nicht aktenkundig.
Ungeachtet dessen stellte der Antragsteller zwei weitere Verfahrenshilfeanträge auf Beigabe eines Rechtsanwalts (ON 109, ON 127), die das Erstgericht jeweils wegen Aussichtslosigkeit „zurückwies“ (ON 111; ON 136). Das Rekursgericht bestätigte die Zurückweisung des ersten Antrags mit der Begründung, dass für den Antragsteller ohnehin ein Verfahrenshelfer bestellt sei (ON 121); der zweite Beschluss blieb, soweit er die Zurückweisung des Verfahrenshilfeantrags betraf, unbekämpft. Alle Entscheidungen wurden nur dem Antragsteller, nicht dem für ihn bestellten Verfahrenshelfer zugestellt.
Mit dem im Revisionsrekursverfahren angefochtenen Beschluss vom , ON 143, bestätigte das Rekursgericht eine die Fortsetzung des Verlassverfahrens ablehnende Entscheidung des Erstgerichts. Dieser Beschluss wurde wiederum nur dem Antragsteller zugestellt. Dieser erhob „innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Anfechtung“ gegen diesen Beschluss und beantragte „zur detaillierten Formulierung“ neuerlich die Verfahrenshilfe, erkennbar durch Beigabe eines Rechtsanwalts (ON 146). Das Erstgericht wies sowohl die „Anfechtung“ als auch – wiederum wegen „Aussichtslosigkeit“ – den Verfahrenshilfeantrag zurück (ON 147). Auch dieser Beschluss wurde nur dem Antragsteller zugestellt. Aufgrund dessen Rekurses bestätigte das Rekursgericht mit Beschluss ON 154 die „Zurückweisung“ des Verfahrenshilfeantrags mit der Maßgabe, dass der Antrag wegen Aussichtslosigkeit „abgewiesen“ werde. Zur noch immer aufrecht bewilligten Verfahrenshilfe nahm die Entscheidung nicht Stellung. Die Zurückweisung der „Anfechtung“ hob das Rekursgericht auf.Es trug dem Erstgericht auf, nach nun „rechtskräftiger Versagung der Bewilligung der Verfahrenshilfe“ in Bezug auf diesen als außerordentlichen Revisionsrekurs zu verstehenden Schriftsatz ein Verbesserungsverfahren („Unterfertigung“ durch einen qualifizierten Vertreter) durchzuführen.
Das Erstgericht erteilte einen entsprechenden Verbesserungsauftrag. Der Antragsteller legte daraufhin die „Anfechtung“ ohne inhaltliche Ergänzung neuerlich vor (ON 157). Auf der von ihm verfassten Eingabe befindet sich nun der Stempel und offenkundig die Unterschrift einer Rechtsanwältin. Eine Erklärung, dass die Rechtsanwältin den Antragsteller vertrete, fehlt.
Die vom Erstgericht zur Entscheidung vorgelegten Akten sind zur Durchführung eines Verbesserungsverfahrens zurückzustellen.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Verfahrenshilfe (ua) durch Beigabe eines Rechtsanwalts wurde für das (gesamte) weitere Verfahren bewilligt. Da sie weder für erloschen erklärt noch entzogen wurde, ist sie noch immer aufrecht. Dies wurde vom Rekursgericht im Beschluss ON 121 noch richtig gesehen. Zwar wies dasselbe Gericht einen weiteren Verfahrenshilfeantrag mit Beschluss ON 154 aus inhaltlichen Gründen ab. Diese Abweisung kann aber nichts daran ändern, dass die bereits bewilligte Verfahrenshilfe und damit auch die Bestellung des Verfahrenshelfers aufrecht ist.
2. Nach § 24 Abs 1 AußStrG iVm § 93 ZPO haben gerichtliche Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten zu geschehen; eine daneben auch an die Partei selbst erfolgte Zustellung ist unwirksam (RS0006023). Das gilt auch dann, wenn einer Partei ein Verfahrenshelfer bestellt wurde (RS0036271 [T1]; 6 Ob 125/15y). Entgegen dieser Rechtslage wurde der nun angefochtene Beschluss ON 143 nur dem Antragsteller, nicht auch dem Verfahrenshelfer zugestellt. Diese Zustellung war unwirksam.
3. Allerdings kann ein Rechtsmittel auch vor (wirksamer) Zustellung der angefochtenen Entscheidung erhoben werden (RS0041748). Dies konnte hier zutreffen: Aufgrund des Verbesserungsauftrags des Erstgerichts legte der Antragsteller sein Rechtsmittel mit Stempel und (offenkundiger) Unterschrift einer Rechtsanwältin neuerlich vor. Allerdings erklärte die Anwältin nicht, den Antragsteller zu vertreten. Um angesichts des verworrenen Verfahrens jeden Zweifel auszuschließen, ist die Rechtsanwältin unter Fristsetzung aufzufordern, ihr Einschreiten als Vertreterin des Antragstellers klarzustellen. In diesem Fall hätte sie das Rechtsmittel auch inhaltlich zu verbessern (Darstellung einer Rechtsfrage iSv § 62 Abs 1 AußStrG und Ausführung des Revisionsrekurses). Beides hätte nach § 89c Abs 5 Z 1 GOG im elektronischen Rechtsverkehr zu erfolgen. Beruft sie sich nach § 6 Abs 4 AußStrG iVm § 30 Abs 2 ZPO auf die ihr erteilte Vollmacht, läge ein von einer frei gewählten Vertreterin erhobener Revisionsrekurs vor, der dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen wäre. Die bewilligte Verfahrenshilfe stünde dem nicht entgegen (RS0041603).
4. Gibt die Anwältin innerhalb der ihr zu setzenden Frist keine solche Erklärung ab, wäre der angefochtene Beschluss dem Verfahrenshelfer zuzustellen. Zugleich wäre ihm das Rechtsmittel des Antragstellers zur allfälligen Verbesserung binnen 14 Tagen zuzustellen. Der Verbesserungsauftrag hätte sich sowohl auf das Einbringen durch den Verfahrenshelfer im ERV als auch auf die inhaltliche Verbesserung (Darstellung einer Rechtsfrage iSv § 62 Abs 1 AußStrG und Ausführung des Revisionsrekurses) zu beziehen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2007 verstorbenen F* W*, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des F* W*, vertreten durch Dr. Philipp Leitner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 1 R 168/18b-143, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der Antragsteller beantragt erkennbar die Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens nach § 183 Abs 3 AußStrG. Dafür muss er bisher nicht berücksichtigtes Nachlassvermögen bescheinigen (RS0008416). Stützt er sich – wie hier – darauf, dass ein Bauwerk als Superädifikat in den Nachlass falle, muss er daher (jedenfalls) ein schlüssiges Vorbringen zur Sonderrechtsfähigkeit dieses Bauwerks erstatten.
Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Antragsteller kein schlüssiges Vorbringen erstattet habe, ist nicht zu beanstanden: Die Sonderrechtsfähigkeit eines Bauwerks hängt nach ständiger Rechtsprechung vom Fehlen der Absicht ab, es beständig auf fremdem Grund zu belassen. Dies muss objektiv in Erscheinung treten, und zwar entweder durch die Bauweise oder durch ein von vornherein zeitlich begrenztes Grundbenutzungsrecht (3 Ob 585/84; RS0009865 [T3]; zuletzt etwa 5 Ob 190/14y). Ersteres trifft hier aufgrund der festen Bauweise nicht zu, zu einem zeitlich beschränkten Grundbenutzungsrecht hat der Antragsteller in erster Instanz nichts vorgebracht.
Zur Klarstellung ist festzuhalten, dass sich auch aus den Ausführungen des Revisionsrekurses keine Sonderrechtsfähigkeit ergibt: Der Antragsteller behauptet eine konkludente Befristung des Grundbenutzungsverhältnisses, die sich aus dem Willen der seinerzeit Beteiligten ergebe, ein sonderrechtsfähiges Bauwerk zu schaffen. Damit verwechselt er Ursache und Wirkung: Die Sonderrechtsfähigkeit ist nach der zitierten Rechtsprechung Folge der Befristung, nicht die Befristung Folge der (gewollten) Sonderrechtsfähigkeit. Teilte man die Auffassung des Antragstellers, so könnte die Sonderrechtsfähigkeit im Ergebnis durch bloße Vereinbarung begründet werden. Gerade das ist aber nicht möglich (2 Ob 242/05k). Gleiches gilt für das Argument, jedes Dauerrechtsverhältnis könne aus wichtigem Grund gelöst werden. Auch das liefe letztlich darauf hinaus, dass die Sonderrechtsfähigkeit eines Bauwerks durch bloße Vereinbarung begründet werden könnte.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00079.19K.0528.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAD-65756