OGH vom 11.05.1994, 7Ob19/94
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gustav S*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Berger ua Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E***** Kreditkarten-GesmbH ***** vertreten durch Dr.Hans Bichler ua Rechtsanwälte in Wien, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei A***** Versicherung, ***** vertreten durch Dr.Theodor Strohal und Dr.Wolfgang Kretschmer, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,000.000,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 167/93-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 17 Cg 12/92-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 22.725,-- (darin S 3.787,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Revisionsbeantwortung der Nebenintervenientin wird zurückgewiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die bei einem Flugzeugabsturz am ums Leben gekommene Lebensgefährtin des Klägers Gerlinde G***** hat im Dezember 1987 mit der beklagten Partei einen Kreditkartenvertrag in Form einer Zusatzkarte zur Hauptkarte des Klägers abgeschlossen. Diesem Vertragsabschluß ging ein Informationsgespräch mit dem Zeugen Johann B***** vor, der wegen der ihm bekannten zahlreichen Reisen des Klägers und seiner Lebensgefährtin zum Abschluß eines Kreditkartenvertrages wegen der damit verbundenen Reiseversicherung geraten hatte. Im übrigen beschränkte sich die Beratung jedoch im wesentlichen auf die Aushändigung der Broschüre laut Beilage 2. Zu einer Erörterung der Versicherungsbedingungen, insbesondere zur Frage, wer im Versicherungsfall des Todes anspruchsberechtigt sei, ist es nicht gekommen. Im übergebenen Prospekt wird die Frage, wer im Versicherungsfall des Todes durch einen Flugunfall Anspruchsberechtigter der Versicherungssumme von S 1 Mill. sei, nicht geregelt, wohl aber findet sich der Hinweis, daß die AUVB 1988 sowie die Zusatzbedingungen für die Kollektiv-(Gruppen-)Unfallversicherung auf fixe Summen 1980 gelten. Ferner findet sich in dem Prospekt der Hinweis, daß der Versicherer die U***** Versicherung sei und daß die versicherten Personen ihre Rechte aus dieser Versicherung gegen den Versicherer ohne Zustimmung der Beklagten selbständig geltend machen können. In dem von der Beklagten mit der Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrag, der allerdings weder dem Kläger noch seiner verstorbenen Lebensgefährtin zur Kenntnis gebracht wurde, wurde am mit Wirkung vom (sohin rückwirkend) in Erweiterung einer früheren Abmachung vereinbart, daß die Auszahlung der Entschädigungsbeträge unmittelbar an den Versicherten oder die gesetzlichen Erben, bzw. (und das war neu) die vom Versicherten ausdrücklich als bezugsberechtigt genannten Personen zu erfolgen hat (Beilage 1). Auch davon wurde der Kläger nicht verständigt.
Das für die Anmeldung von Versicherungsleistungen aus dem Kreditkartenvertrag zuständige Maklerbüro lehnte die Ansprüche des Klägers mit der Begründung ab, daß die Auszahlung der Versicherungssumme nur an die gesetzlichen, nicht aber an die testamentarischen Erben in Frage komme.
Unstrittig ist, daß dem Kläger mit Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom zu 19 A 301/91-15 als testamentarischen Alleinerbe der Gesamtnachlaß nach Gerlinde G***** eingeantwortet worden ist.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Bezahlung von S 1,000.000,--. In der Broschüre, die ihm aus Anlaß des Abschlusses des Kreditkartenvertrages als Information überreicht worden sei, finde sich kein Hinweis, daß nur die gesetzlichen Erben anspruchsberechtigt wären. Die Beklagte habe nicht für den zugesagten uneingeschränkten Versicherungsschutz gesorgt, worauf der Kläger aufgrund der Ankündigung vertraut habe.
Die Beklagte und die auf ihrer Seite beigetretene Nebenintervenientin beantragten die Klagsabweisung und wendeten die mangelnde Passivlegitimation der beklagten Partei ein. Durch den Hinweis, daß die versicherten Personen ihre Rechte aus der Vesicherung gegen den Versicherer selbständig geltend machen können, gehe hervor, daß die Beklagte einen Versicherungsvertrag zugunsten Dritter geschlossen habe und die Ansprüche vom Berechtigten direkt gegen den Versicherer zu richten seien. Im übrigen stelle die dem Kläger und seiner Lebensgefährtin ausgefolgte Broschüre schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild keine umfassende Information dar. Die Nebenintervenientin wendete ein, daß für die Bezugsberechtigung des Klägers eine vor dem Versicherungsfall erfolgte Bekanntgabe der begünstigten Person erforderlich gewesen wäre.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es folgerte rechtlich, daß die Beklagte der Lebensgefährtin des Klägers für den Todesfall einen Versicherungsschutz von S 1,000.000,-- ohne Hinweis darauf, daß der Kreis der Bezugsberechtigten beschränkt sei, versprochen habe. G***** habe daher davon ausgehen dürfen, daß ihr Testamentserbe damit begünstigt sei. Für sie habe keine Veranlassung bestanden, sich weitere Informationen einzuholen. Tatsächlich habe die beklagte Partei nicht den versprochenen Versicherungsschutz verschafft, weil sich der Versicherer weigere, dem Testamentserben die Versicherungssumme zukommen zu lassen.
Das Berufungsgericht änderte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil im Sinne einer Klagsabweisung ab. Es erklärte die Revision für unzulässig. Es liege eine Versicherung für fremde Rechnung vor, deren Inhalt unter anderem eine Unfallversicherung mit Kapitalszahlung im Versicherungsfall umfasse, sodaß gemäß § 180 VersVG auch die Bestimmungen der §§ 166 bis 168 VersVG zur Anwendung zu kommen hätten. Seien zwar im ursprünglichen Vertrag zwischen der beklagten Partei als der Versicherungsnehmerin und dem Versicherer als bezugsberechtigte Personen im Sinne des § 166 VersVG nur die "gesetzlichen Erben" vorgesehen gewesen, habe doch auch ohne Verständigung des Versicherten und der bezugsberechtigten Personen durch die Zusatzvereinbarung ./1 rückwirkend zum der Kreis der bezugsberechtigten Personen auch auf andere Personen als nur gesetzliche Erben ausgedehnt werden können. Entspreche auch die Erbseinsetzung allein dem Erfordernis der "Bezeichnung" eines bezugsberechtigten Dritten noch nicht, wäre es aber immerhin möglich gewesen, daß die Erblasserin der Versicherung konkret schon vor dem Versicherungsfall den Kläger als Bezugsberechtigten bekanntgegeben hat. Einer unterlassenen Feststellung in diesem Sinne komme jedoch keine rechtliche Bedeutung zu, weil sich ein Anspruch des Klägers nicht gegen die Beklagte (die Versicherungsnehmerin), sondern nur gegen den von ihr genannten Versicherer, die Nebenintervenientin, zu richten habe. Die beklagte Partei sei daher passiv nicht klagslegitimiert. Das Begehren eines sich nach dem Versicherungsfall ergebenden und sohin nachträglichen Erfüllungsanspruches sei unmöglich. Soweit sich das Klagebegehren auf Schadenersatz (Erfüllungsinteresse) stütze, sei es unschlüssig. Der Kläger habe nicht einmal behauptet, andere Abschlußgelegenheiten gehabt zu haben, die ihm die begehrte Versicherungsleistung geboten hätten. Der Schaden des Versicherten könne daher nur als Vertrauensschaden, nämlich in den frustrierten Aufwendungen, bestanden haben. Dazu habe aber der Kläger als Rechtsnachfolger der Versicherten nicht einmal ein Vorbringen erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Das Revisionsgericht pflichtet den Ausführungen des Berufungsgerichtes darüber bei, daß es sich bei dem zwischen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin abgeschlossenen Versicherungsvertrag um eine Versicherung für fremde Rechnung, und zwar um eine Gruppen-Unfallversicherung - die Versicherung einer Vielzahl von Personen durch einen Versicherungsnehmer in einem Versicherungsvertrag -, iS der §§ 74 ff VersVG handelt. Stehen aber auch die Rechte aus einem derartigen Versicherungsvertrag dem Versicherten zu (§ 75 Abs 1 VersVG), hat doch der Versicherungsnehmer das formelle Verfügungsrecht über die sachlich dem Versicherten zustehende Forderung (§ 76 Abs 1 VersVG); die Gestaltungsrechte liegen beim Versicherungsnehmer; dies ergibt sich aus seiner Stellung als Vertragsgegner des Versicherers (Prölss/Martin, VersVG25 577; Grimm, Allgemeine Unfallversicherung 210). Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten sind im Hinblick auf die Verfügungsmacht des Versicherungsnehmers als eine Art gesetzliches Treuhandverhältnis anzusehen (Prölss/Martin aaO, Grimm aaO 211).
Liegen aber die Gestaltungsrechte beim Versicherungsnehmer, ist es auch seine Sache, mit dem Versicherer zu vereinbaren, wer bezugsberechtigt sein soll, an wen also die Auszahlung der Entschädigungsbeträge erfolgt. Die zwischen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin zunächst getroffene Vereinbarung, daß die Auszahlung der Entschädigungsbeträge "unmittelbar an den Versicherten oder die gesetzlichen Erben" erfolgt (Beilage ./3), ist daher für die Versicherten ebenso rechtswirksam wie deren Abänderung dahin, daß die Auszahlung "unmittelbar an den Versicherten oder die gesetzlichen Erben bzw die vom Versicherten ausdrücklich als bezugsberechtigt genannten Personen" (Beilage ./1) erfolgt. Es wäre Sache des Klägers (und seiner Lebensgefährtin) gewesen, sich über die Bezugsberechtigung - die in dem Prospekt der beklagten Partei Beilage ./2 ("Besser Sie haben einen als Sie brauchen einen - der dreifache E***** Versicherungsschutz") mit keinem Wort erwähnt wird - zu informieren; ein Hinweis auf die unmittelbare Auszahlung aber ist in dem genannten Prospekt vorhanden (Seite 10, "Schadensabwicklung":
"Die versicherten Personen können ihre Rechte aus dieser Versicherung gegen den Versicherer" (also die Nebenintervenientin) "selbständig ohne Zustimmung von E*****" (beklagte Partei) "geltend machen"; die Bestimmungen des § 75 Abs 2 und des § 76 Abs 2 VersVG, die die Geltendmachung der Rechte des Versicherten in anderer Weise regeln, wurden damit in zulässiger Weise (Prölss/Martin aaO 576 und 578) abgeändert; denn es kommt in ihnen die Zustimmung des Versicherungsnehmers dazu zum Ausdruck, daß der Versicherte seine Rechte selbst geltend macht (Prölss/Martin aaO 574, Grimm aaO 210).
Zur Frage, ob eine Bezugsberechtigung auch durch letztwillige Verfügung begründet, widerrufen oder abgeändert werden kann, hat das Revisionsgericht bisher erst einmal, in der Entscheidung SZ 57/73, und zwar in zustimmender Weise Stellung genommen. Der jener Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich allerdings insoweit von dem hier vorliegenden, als die dortige Klägerin testamentarisch nicht nur zur Alleinerbin eingesetzt worden war, sondern das Testament auch die Wendung enthielt "auch der Versicherung X". Auch im gegenständlichen Verfahren ist der Kläger Alleinerbe, ein ausdrücklicher Hinweis auf die Versicherung fehlt aber. Es wurde allerdings auch schon betont, daß die Versicherungssumme dann Bestandteil des Nachlasses sei, wenn schlechterdings kein Begünstigter vorhanden sei; habe dagegen der Versicherungsnehmer/Versicherte irgendwie über seine Ansprüche verfügt, sei die Versicherungssumme aus dem Nachlaß auszuscheiden (SZ 13/53; vgl. auch Eccher, Antizipierte Erbfolge, 134 f, Gschnitzer-Faistenberger, Österreichisches Erbrecht2 10, und Zankl, Lebensversicherung und Nachlaß, NZ 1985, 83). Im vorliegenden Fall fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß die Verunglückte über die Bezugsberechtigung hinsichtlich der Versicherungssumme anders als testamentarisch verfügt hätte. Die beklagte Partei hat deshalb auch schon in der Tagsatzung vom den Standpunkt vertreten, daß auch der testamentarische Erbe als Bezugsberechtigter iS der Vereinbarung Beilage ./1 aufzufassen sei (AS 73).
Abschließend braucht zu diesem Themenkreis jedoch nicht Stellung genommen zu werden; denn der Kläger macht - wie er in seiner Revision neuerlich hervorhebt - ausdrücklich keine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zwischen der beklagten Partei und dem Versicherer geltend, sondern behauptet Schadenersatzansprüche auf Grund der zwischen ihm und der Verunglückten einerseits und der beklagten Partei andererseits im Rahmen des Kreditkartenvertrages vereinbarten Verschaffung von Versicherungsschutz. Weshalb aber der Versicherte auf einen uneingeschränkten Versicherungsschutz habe vertrauen dürfen (also darauf, daß dem Kläger für den Fall des Todes der Gerlinde G***** als Fluggast jedenfalls die Versicherungssumme von S 1 Million auszuzahlen sei), und zwar ohne jegliche Bedachtnahme auf die zwischen der beklagten Patei und der Nebenintervenientin getroffenen Vereinbarungen und also ohne jeden Bedacht auf den Versicherungsvertrag und den diesem zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen, ist nicht zu erkennen. Es ist daher auch nicht zu erkennen, inwiefern die beklagte Partei einen derartigen Versicherungsschutz rechtswidrig und schuldhaft vereitelt hätte. Sache des Klägers wäre es gewesen, sich iS des bereits aus dem Prospekt Beilage ./2 ersichtlichen Hinweises unmittelbar (und ohne Zustimmung der beklagten Partei) an die in jenem Prospekt genannte Versicherungsgesellschaft (bzw. die dort genannte Regulierungsstelle) zu wenden und gegen diese seine Ansprüche nicht nur geltend zu machen (wie es nach dem im Ergebnis unzutreffenden Ablehnungsschreiben dieser Regulierungsstelle vom , Beilage ./D, offensichtlich tatsächlich geschehen ist), sondern auch weiterhin zu verfolgen. Die beklagte Partei aber hat nach dem Inhalt des Prospektes Beilage ./2 keinerlei Garantie für die Auszahlung allfälliger Versicherungsleistungen übernommen. Ein Schadenersatzanspruch des Klägers gegen die beklagte Partei ist daher nicht gegeben.
Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Die Nebenintervenientin hat die ihr freigestellte Beantwortung der Revision zwar am letzten Tag der ihr hiefür zur Verfügung stehenden Frist () zur Post gegeben, sie jedoch entgegen § 508a Abs 2 ZPO nicht beim Revisionsgericht eingebracht, sondern an das Erstgericht gerichtet, sodaß sie - nach Weiterleitung - erst am und damit verspätet beim Revisionsgericht einlangte. Sie war aus diesem Grund zurückzuweisen.