OGH vom 21.07.2004, 3Ob70/04x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin L'A***** S.A. *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schwank, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin Dr. Christiane Pirker, Rechtsanwältin, Wien 12, Hasenhutgasse 9, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der F***** Handels GmbH, ***** wegen Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs nach § 79 EO (Streitwert 372.231 EUR), infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 47 R 881/03m-12, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom , GZ 18 E 4074/03b-6, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit 2.649,78 EUR (darin 441,63 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Eine österr. Handels GmbH (in der Folge Gemeinschuldnerin) wurde mit rechtskräftigem Schiedsspruch der britischen Liverpool Cotton Association Ltd. vom zur Zahlung von 430.931,35 USD an die Schweizer Antragstellerin verpflichtet. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , AZ 4 S 258/03y, wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin der Konkurs eröffnet und Rechtsanwältin Dr. Christiane Pirker zur Masseverwalterin bestellt.
Die Erstrichterin erklärte den britischen Schiedsspruch in Österreich für vollstreckbar, wobei als "Verpflichteter" (richtig wohl: Antragsgegnerin) die durch die Masseverwalterin vertretene Gemeinschuldnerin angeführt wird.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rsp des Obersten Gerichtshofs zur erheblichen Rechtsfrage fehle, ob und unter welchen Voraussetzungen Vollstreckbarerklärungsanträge gegen die Konkursmasse zulässig seien.
In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, die inländische Konkurseröffnung habe das bereits abgeschlossene (britische) Schiedsverfahren völlig unberührt gelassen. Der Vollstreckbarerklärungsantrag sei zulässig, weil die Antragstellerin damit nur die Gleichstellung mit einem inländischen Exekutionstitel begehre und kein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht erwerbe. Inhaltlich bestünden gegen die Vollstreckbarerklärung keine Bedenken, zumal die Antragstellerin die in Art IV des Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, BGBl 1961/200, geforderten Urkunden vorgelegt habe und Versagungsgründe iSd Art V (Verstoß gegen ordre public) dieses Übereinkommens im Rekurs nicht einmal andeutungsweise aufgezeigt würden.
Der Revisionsrekurs der Masseverwalterin ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Im Revisionsrekurs wird allein die Frage releviert, ob die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Exekutionstitels (§§ 79 ff EO) auch dann (noch) zulässig ist, wenn über das Vermögen des laut diesem Exekutionstitel zu einer Leistung (in casu: Zahlung) Verpflichteten seit der Schaffung dieses Exekutionstitels der Konkurs eröffnet wurde.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, steht im vorliegenden Fall einer Vollstreckbarerklärung des britischen Titels kein Hindernis entgegen. Die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Exekutionstitels, die eine im Inland und nach inländischem Recht geführte, allerdings ein selbständiges Verfahren sui generis bildende Ergänzung zum ausländischen Erkenntnisverfahren bildet (Jakusch in Angst, EO, § 79 Rz 2, § 83 Rz 1), ist insofern mit der Erteilung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit eines inländischen Exekutionstitels (§ 54 Abs 2 EO; vgl. dazu Jakusch aaO § 7 Rz 98 ff) vergleichbar. Die Konkurseröffnung über das Vermögen des Antragsgegners stellt in einem solchen Fall kein Hindernis dar, die bereits vor Konkurseröffnung eingetretene Vollstreckbarkeit des inländischen Exekutionstitels zu bestätigen, ist doch über die Vollstreckbarerklärung ausländischer Exekutionstitel im Inland in einem von der Exekutionsbewilligung losgelösten Verfahren zu entscheiden (Jakusch aaO § 79 Rz 1). Die Prozesssperre gemäß § 6 Abs 1 KO gilt für dieses selbständige Verfahren nicht, weil das Titelverfahren ja bereits beendet ist. Da es sich beim Verfahren nach § 79 ff EO nicht um ein Exekutionsverfahren handelt, steht dem Antrag auch nicht die Exekutionssperre des § 10 Abs 1 KO entgegen.
Die Wirkung der Vollstreckbarerklärung besteht gemäß § 84b EO darin, dass der ausländische Exekutionstitel nach Eintritt der Rechtskraft der Vollstreckbarerklärung wie ein inländischer zu behandeln ist, wobei ihm nie mehr Wirkung als im Ursprungsstaat zukommt. Gerade der von der Revisionsrekurswerberin betonte Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger im Konkurs erfordert es, dass ein ausländischer Exekutionstitel auch nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Schuldners für vollstreckbar erklärt wird, womit er als titulierte Forderung unter § 110 Abs 2 KO fällt (vgl. Konecny in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze, § 110 KO Rz 20 unter Hinweis auf Petschek/Reimer/Schiemer, Das österr. Insolvenzrecht 578). Dies ist insbesondere für die Parteirollenverteilung bei Bestreitung der Forderung von Bedeutung. Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des aufgrund eines ausländischen Titels (in casu: britischer Schiedsspruch) zu einer Leistung Verpflichteten steht der Vollstreckbarerklärung des ausländischen Titels nach § 79 EO nicht entgegen.
Gegen die inhaltliche Richtigkeit der Vollstreckbarerklärung werden auch im Revisionsrekurs keine konkreten Bedenken erhoben. Inwieweit die Vollstreckbarerklärung in einem solchen Fall der öffentlichen Ordnung widersprechen sollte, ist nicht näher begründet. Dem Revisionsrekurs der Masseverwalterin ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 78, 83 Abs 2 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.