OGH vom 28.09.2017, 2Ob78/17k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon.-Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj H***** B*****, geboren ***** 2013, *****, vertreten durch die Mutter P***** B*****, diese vertreten durch Donnerbauer & Hübner Rechtsanwälte GmbH in Retz, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom , GZ 20 R 54/17g-14, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hollabrunn vom , GZ 1 Pg 6/17m-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass die aufgrund des Gesetzes abgegebene bedingte Erbantrittserklärung von H***** B***** zum halben Nachlass ihres Großvaters J***** B***** pflegschaftsgerichtlich genehmigt wird.
Text
Begründung:
Der Großvater von H***** B***** (idF: Enkelin) starb am . Gesetzliche Erben sind eine Tochter und die Enkelin als einziges Kind eines vorverstorbenen Sohnes. Die Tochter gab aufgrund eines eigenhändigen Testaments eine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab, die Enkelin aufgrund des Gesetzes eine bedingte Erbantrittserklärung zur Hälfte des Nachlasses. Im Verfahren über das Erbrecht bestritt die Enkelin die Echtheit des Testaments.
Das Erstgericht stellte im Verlassverfahren das Erbrecht der Tochter fest. Es traf dabei folgende Feststellung:
„Nicht festgestellt werden kann, dass das Testament vom vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben wurde. Es ist eher von einem Urheberschaftszusammenhang auszugehen. Es wurden keine Merkmale gefunden, die Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Text des Testaments und die Unterschrift eine Fälschung wären.“
Zur Begründung dieser Feststellung verwies das Erstgericht auf ein Schriftgutachten, wonach „nicht entscheidbar“ sei, ob das Testament vom Erblasser geschrieben und unterschrieben worden sei; insofern liege ein „non liquet“ vor. Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass der gesetzliche Erbe die fehlende Echtheit eines Testaments beweisen müsse. Der Enkelin sei dieser Beweis nicht gelungen.
Über Antrag der Tochter formulierte das Erstgericht den ersten Satz der oben wiedergegebenen Feststellung mit Berichtigungsbeschluss wie folgt um:
„Nicht festgestellt werden kann, dass das Testament vom nicht vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben wurde.“
Zur Begründung führte es aus, dass es in seiner Entscheidung eine Negativfeststellung zur von der Enkelin zu beweisenden Tatsache der mangelnden Echtheit habe treffen wollen. Dies sei durch die Einfügung des Wortes „nicht“ klarzustellen.
Die Enkelin erhob gegen beide Beschlüsse Rekurs jeweils (nur) wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt die Feststellung ihres Erbrechts in Bezug auf die Hälfte des Nachlasses. Die Tochter strebt in ihren Rekursbeantwortungen mit Beweisrüge eine Positivfeststellung zur Echtheit des Testaments an.
Das Rekursgericht trug der Enkelin auf, die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung ihrer Erbantrittserklärung vorzulegen.
Im hier zu beurteilenden Pflegschaftsverfahren beantragt die Enkelin diese Genehmigung. Da der Erblasser das Testament weder geschrieben noch unterschrieben habe, könne sie sich als einzige Tochter des vorverstorbenen Sohnes auf ihr gesetzliches Erbrecht stützen. Die Beweislast für die Echtheit treffe die Testamentserbin. Ihre Mutter sichere zu, sie in Bezug auf allfällige Verfahrenskosten schad- und klaglos zu halten.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Bei einem Reinnachlass von 250.000 EUR bis 300.000 EUR sei mit erheblichen Verfahrenskosten zu rechnen. Da das Gericht im Erbrechtsverfahren festgestellt habe, dass keine Anhaltspunkte für eine Fälschung vorlägen, sei nicht mit einem Obsiegen der Enkelin zu rechnen. Ihre Mutter sei aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht in der Lage, allenfalls auflaufende Kosten zu tragen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Die Abgabe der Erbantrittserklärung bedürfe wegen der im Verfahren über das Erbrecht drohenden Kostenbelastung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung. Die Beweislast im Streit über die Gültigkeit eines Testaments treffe denjenigen, der die Testierunfähigkeit oder den „bloßen“ Formmangel behaupte. Aus dem im Verlassverfahren eingeholten Schriftgutachten ergäben sich keine Hinweise auf eine Fälschung. Daher seien die Erfolgsaussichten der Enkelin „überaus bescheiden“, was einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung entgegenstehe. Eine Schad- und Klagloshaltung zur Beseitigung eines zu besorgenden Nachteils reiche nur dann aus, wenn die Erfüllung ausreichend sichergestellt sei. Dies sei bei den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Mutter nicht der Fall.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Enkelin mit dem Antrag, ihre Erbantrittserklärung pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen. Das Rekursgericht nehme unzulässig das Ergebnis der Entscheidung im Erbrechtsstreit vorweg. Es fehle an Rechtsprechung zur Frage der Beweislastverteilung im Erbrechtsstreit. Die Beweislast für die Echtheit des Testaments treffe die Tochter.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Rechtsprechung zur Beweislast für die bestrittene Echtheit eines Testaments uneinheitlich ist. Eine Revisionsrekursbeantwortung war nicht einzuholen, weil im Genehmigungsverfahren nur der Pflegebefohlene Parteistellung hat (RIS-Justiz RS0123647); die Genehmigung eines Antrags oder einer Klage greift nicht in die Rechte des Gegners ein (6 Ob 132/69).
Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
1. Das Rekursgericht hat an sich zutreffend die Erfolgsaussichten im Verfahren über das Erbrecht geprüft.
1.1. Die Abgabe einer Erbantrittserklärung, die im Widerspruch mit einer anderen Erbantrittserklärung steht, bedarf – jedenfalls bei nicht bloß geringfügigen Nachlässen – der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung, weil das Risiko des Unterliegens im Verfahren über das Erbrecht und einer daraus folgenden Kostenersatzpflicht besteht (6 Ob 3/09y = RIS-Justiz RS0125144). Dabei hat sich das Gericht nach allgemeinen Grundsätzen einen Überblick über den für den Rechtsstreit bedeutsamen Sachverhalt zu verschaffen, soweit das mit den Mitteln des Verfahrens außer Streitsachen möglich ist (RIS-Justiz RS0048146). Es hat zwar die Tat- und Rechtsfrage nicht abschließend zu beurteilen (RIS-Justiz RS0048156 [T7]), wohl aber eine grobe Vorprüfung der Erfolgsaussichten vorzunehmen (RIS-Justiz RS0048142).
1.2. Wurde das Verfahren ohne die erforderliche Genehmigung eingeleitet und ist daher – wie hier – nachträglich darüber zu entscheiden, so sind bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten auch die bisherigen Verfahrensergebnisse zu berücksichtigen. Deren Ausblenden wäre nicht damit vereinbar, dass (auch) im Genehmigungsverfahren das Kindeswohl entscheidende Bedeutung hat (RIS-Justiz RS0048142). Dieser Grundsatz erfordert eine Prüfung der Erfolgsaussichten aufgrund der konkreten Lage in jenem Verfahren, dessen Einleitung zu genehmigen ist.
1.3. Bei der Entscheidung ist daher im konkreten Fall auch die (berichtigte) Feststellung des Verlassgerichts zu berücksichtigen, wonach nicht festgestellt werden könne, „dass das Testament vom nicht vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben wurde“, und keine Merkmale gefunden worden seien, „die Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Text des Testaments und die Unterschrift eine Fälschung wären“. Trotz der berichtigten Formulierung des ersten Satzes besteht dabei aufgrund der Beweiswürdigung im ursprünglichen Beschluss kein Zweifel, dass das Erstgericht - ebenso wie der Sachverständige – ein non liquet in Bezug auf die Echtheit des Testaments annahm. Seine „Berichtigung“ der Feststellung ist nur ein Reflex seiner rechtlichen Beurteilung, dass die Beweislast für die mangelnde Echtheit die Enkelin treffe. Für das Genehmigungsverfahren ist daher auf der Tatsachenebene davon auszugehen, dass im Erbrechtsverfahren nicht festgestellt werden konnte, ob das Testament vom Erblasser geschrieben und unterschrieben wurde oder nicht. Da die Enkelin diese Feststellung in ihren Rekursen nicht bekämpft hat, wäre die Genehmigung zu versagen, wenn daraus zwingend ihr Unterliegen abzuleiten wäre. Das wäre der Fall, wenn tatsächlich die Enkelin die fehlende Echtheit des Testaments beweisen müsste.
2. Rechtsprechung und Lehre bieten zu dieser Frage kein einheitliches Bild.
2.1. Das Verfahren über das Erbrecht wird nach den Behauptungs- und Beweislastregeln des Zivilprozesses geführt (3 Ob 174/11a, iFamZ 2012, 106 [Tschugguel]); 3 Ob 164/14k EF-Z 2015, 90 [Tschugguel]). Daher hat grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen rechtserzeugenden Tatsachen zu beweisen (RIS-Justiz RS0037797, RS0106638). Das gilt nach der Rechtsprechung insbesondere für den Beweis der „äußeren Formgültigkeit“ einer letztwilligen Verfügung (2 Ob 86/15h EF-Z 2016, 210 [Tschugguel]; 1 Ob 38/68 SZ 41/23). Liegt eine solche „äußerlich formgültige“ Verfügung vor, so obliegt der Beweis für deren formelle oder materielle Ungültigkeit der Gegenseite (2 Ob 86/15h mwN).
2.2. Die damit in Zusammenhang stehende Frage, wen bei bestrittener Echtheit eines eigenhändigen Testaments die Beweislast trifft, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt.
(a) Zur Erbrechtsklage iSd §§ 125 ff AußStrG 1854 führte der Oberste Gerichtshof zuletzt in 5 Ob 552/86 (SZ 59/175) aus, dass nicht der Testamentserbe die Echtheit, sondern der Gegner die fehlende Echtheit eines handschriftlich verfassten und unterschriebenen Testaments beweisen müsse. Der „Beweis der Verletzung von Formvorschriften“ bei der Errichtung einer schriftlichen letztwilligen Verfügung, die „äußerlich den vorgeschriebenen Formen“ entspreche, obliege dem die Gültigkeit bestreitenden Kläger. Zur Begründung verwies der Oberste Gerichtshof auf ältere Entscheidungen (GlU 793; GlU 1883; SZ 6/278) und
– in nicht ganz klarer Weise – auf Formulierungen in § 126 AußStrG 1854 (?) und § 1487 ABGB (idF vor dem ErbRÄG 2015), die auf das „Umstoßen“ einer letztwilligen Verfügung Bezug nähmen; die Einhaltung der Formerfordernisse begründe im Prozess den Anschein der Echtheit. Eine weitere Begründung für die Beweislast des Gegners enthielt 5 Ob 552/86 ebensowenig wie die darin zitierte Vorjudikatur. Sie setzte sich insbesondere nicht mit (ebenfalls älteren) Entscheidungen auseinander, die zu anderen Ergebnissen gekommen waren. Diese hatten entweder von vornherein eine Beweislast des Testamentserben für die Echtheit der Verfügung angenommen (GlU 3333, 3460) oder diese Beweislast zumindest dann bejaht, wenn der gesetzliche Erbe im Verlassverfahren Gründe für die mangelnde Echtheit genannt hatte (GlU 15222) oder ihm dort der „Beweis der Wahrscheinlichkeit“ der mangelnden Echtheit gelungen war (GlU 3419, ähnlich auch 2 Ob 572/50 SZ 23/285). Die letztgenannten Entscheidungen ergingen zwar zur Zuteilung der Klägerrolle für den Erbrechtsstreit, diese wurde aber damals auch als maßgebend für die Beweislast angesehen (Krainz/Pfaff/Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts II3 [1900] 666 f). Erst später wurde ausgesprochen, dass aus der Verteilung der Parteirollen nicht auf die Beweislastverteilung im Erbrechtsstreit geschlossen werden könne (8 Ob 212/70; RIS-Justiz RS0007997), wobei die diesbezüglichen Entscheidungen aber nicht die hier strittige Frage der Echtheit eines Testaments betrafen.
(b) Hingegen hat der Oberste Gerichtshof in einem Erbschaftsprozess (§ 823 ABGB) entschieden, dass der (dort klagende) Testamentserbe die Echtheit des Testaments beweisen müsse (2 Ob 549/95 NZ 1996, 300). Zur Begründung verwies er auf § 312 Abs 2 ZPO, wonach derjenige die bestrittene Echtheit einer Privaturkunde oder einer auf derselben befindlichen Namensunterschrift zu beweisen habe, der die Urkunde als Beweismittel gebrauchen wolle. Zwar seien im konkreten Fall die äußeren Formerfordernisse eines eigenhändigen Testaments eingehalten, doch sage das nichts darüber aus, ob die Urkunde tatsächlich vom Erblasser stamme. Aus dem Umstand, dass eine Urkunde vorliege, deren äußere Form einem Testament entspreche, könne nicht der Schluss gezogen werden, die Urkunde stamme tatsächlich von dem, dessen Namen sie als Unterschrift aufweise. Es gebe keinen typischen Erfahrungszusammenhang, wonach eine Privaturkunde, die eine bestimmte Namensunterschrift aufweise, tatsächlich von dieser Person errichtet und unterfertigt worden sei.
(c) Zum Verfahren über das Erbrecht iSd §§ 161 ff AußStrG war die hier strittige Frage noch nicht zu entscheiden. In 2 Ob 86/15h wurde zwar ausgeführt, dass bei einer äußerlich der vorgeschriebenen Form entsprechenden schriftlichen letztwilligen Erklärung der Gegner den Beweis der Ungültigkeit führen müsse; zur Frage der bestrittenen Echtheit nahm diese Entscheidung jedoch nicht Stellung. Gleiches gilt für 6 Ob 3/09y.
2.3. Auch das Schrifttum bietet kein einheitliches Bild.
(a) In der älteren Lehre überwog die Auffassung, dass nach allgemeinen Grundsätzen der Testamentserbe die Echtheit des Testaments beweisen müsse (Anders, Grundriss des Erbrechts [1910] 92; Stubenrauch, Kommentar zum ABGB8 [1902] 1010 f; Krasnopolski/Kafka, Österreichisches Erbrecht [1914] 278 f; zuletzt etwa Ferrari-Hofmann-Wellenhof, Die Erbschaftsklage [1991] 146); nach Kralik (Erbrecht [1983] 130) gilt das allerdings nur dann, wenn aufgrund substantiierten Vorbringens begründete Zweifel am Vorliegen eines echten Testaments bestehen. Eccher (in Schwimann/Kodek4 § 601 Rz 6), Welser (in Rummel/Lukas4§ 601 Rz 4) und Knechtel (in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03§ 601 Rz 6) verweisen auf die Beweislast des Testamentserben für die „Formgültigkeit“ bzw „Formrichtigkeit“ des Testaments, ohne zu erörtern, ob sie darunter auch die Echtheit subsumieren. Nach Weiß (in Klang2 III [1952] 352) soll bei einer „äußerlich“ formgültigen Verfügung die Beweislast für eine Verletzung von „Formvorschriften“ beim Gegner liegen, wobei aber auch bei diesem Autor offen bleibt, ob er die fehlende Echtheit als solche Verletzung qualifiziert. Lediglich Neumayr (in KBB5§ 578 Rz 4) führt unter Hinweis auf 5 Ob 552/86 ausdrücklich aus, dass im Erbrechtsstreit die mangelnde Echtheit bewiesen werden müsse; auf die gegenteilige Entscheidung zur Erbschaftsklage (2 Ob 549/95) geht er allerdings nicht ein.
(b) Ein ganz anderes Bild ergibt sich aus den Materialien zu § 161 AußStrG (EB zur RV 224 BlgNR 22. GP 105): Dort heißt es zunächst, dass im Verfahren über das Erbrecht derjenige unterliegen müsse, der „die Tatsachen, aus denen er seine Ansprüche ableitet, nicht beweisen“ könne. Daraus wird dann ohne weitere Begründung abgeleitet, dass die Beweislast im Streit um die Echtheit des Testaments denjenigen treffe, „der die Echtheit bestreitet“. Diese Formulierung wird in Kommentierungen zu § 161 AußStrG übernommen, ohne dass eine Auseinandersetzung mit der oben dargestellten Judikatur und Lehre erfolgte (Maurer/Schrott/Schütz, AußStrG [2006] § 161 Rz 1; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG [2013] § 161 Rz 26; Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 161 Rz 2; Mayr/Fucik, Verfahren außer Streitsachen [2013] Rz 668).
3. Auf dieser Grundlage ist eine neuerliche Prüfung der Beweislastfrage erforderlich. Sie führt zum Ergebnis, dass die bestrittene Echtheit eines eigenhändigen Testaments im Verfahren über das Erbrecht vom Testamentserben zu beweisen ist.
3.1. Es ist unstrittig, dass im Verfahren über das Erbrecht die allgemeinen Regeln zur Behauptungs- und Beweislast anzuwenden sind (EB zur RV des AußStrG, 224 BlgNR 22. GP 105; 3 Ob 174/11aiFamZ 2012, 106 [Tschugguel]); 3 Ob 164/14k, EF-Z 2015, 90 [Tschugguel]; Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG [2013] § 161 Rz 26; Grün in Rechberger, AußStrG2§ 161 Rz 7). Daher hat grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen rechtserzeugenden Tatsachen zu beweisen (RIS-Justiz RS0037797, RS0106638). Abweichungen von diesem Grundsatz bedürfen einer besonderen Begründung, die sich etwa aus der besonderen Beweisnähe einer Partei (Beweisnotstand: RIS-Justiz RS0040182, RS0013491 [T1]) oder aus dem Vorliegen eines typischen Geschehensverlaufs (Anscheinsbeweis: RIS-Justiz RS0040266) ergeben kann. Weiters ist denkbar, dass eine bestimmte Tatsache schon nach materiellem Recht nicht anspruchsbegründend, sondern nur ihr Fehlen anspruchsvernichtend ist, was bei richtigem Verständnis der allgemeinen Beweislastregeln von vornherein zur Beweislast des Gegners führt.
3.2. Grundlage für das Erbrecht eines Testamentserben ist eine formgültige letztwillige Verfügung des Erblassers. Nach den allgemeinen Beweislastregeln muss der Testamentserbe daher beim eigenhändigen Testament nicht nur die Existenz einer Urkunde beweisen, die mit der Hand geschrieben und unterschrieben wurde (Formgültigkeit), sondern darüber hinaus auch, dass diese Urkunde tatsächlich vom Erblasser stammt. Steht das nicht fest, so fehlt jede inhaltliche Rechtfertigung, dennoch aufgrund dieser Urkunde das Erbrecht der darin genannten Person festzustellen. Die gegenteilige Auffassung der Materialien zum AußStrG (224 BlgNR 22. GP 105) ist nicht nachvollziehbar begründet. Es ist in sich widersprüchlich, wenn zuerst (richtig) die Beweislast des jeweiligen Erbansprechers für die sein Erbrecht begründenden Tatsachen betont wird, dann aber in der zentralen Frage, ob ein zu seinen Gunsten errichtetes Testament tatsächlich vom Erblasser stammt, etwas anderes gelten soll.
3.3. Eine andere Beurteilung wäre allenfalls dann denkbar, wenn es einen typischen Geschehensablauf gäbe, wonach eine mit einem bestimmten Namen unterfertigte und in einem Verfahren vorgelegte Urkunde tatsächlich von jener Person verfasst und unterschrieben wurde, die diesen Namen trägt. Dann müsste der Gegner – nur, aber immerhin – Tatsachen beweisen, die mit gleicher Wahrscheinlichkeit (RIS-Justiz RS0086043) für die konkrete Möglichkeit fehlender Echtheit sprechen, und so den Anscheinsbeweis entkräften (RIS-Justiz RS0040272). Die Existenz eines solchen Erfahrungssatzes hat aber der auch hier erkennende Senat in 2 Ob 549/95 für den Fall der Erbschaftsklage ausdrücklich verneint (ebenso G. Kodek in Fasching/Konecny2§ 312 ZPO Rz 6). Daran ist festzuhalten, wobei ein tragfähiger Unterschied zwischen der Erbschaftsklage und dem Verfahren über das Erbrecht nicht zu erkennen ist. Ein solcher Erfahrungssatz wäre nicht mit der ausdrücklichen Regelung in § 312 Abs 2 ZPO vereinbar, wonach die Echtheit einer in einem Verfahren vorgelegten Privaturkunde bei Bestreitung von demjenigen zu beweisen ist, der sich darauf stützt. Wäre typischerweise ohnehin Echtheit anzunehmen, hätte der Gesetzgeber eine andere Regelung getroffen.
3.4. Ein relevanter Beweisnotstand, der zu einer Umkehr der Beweislast führen könnte, liegt ebenfalls nicht vor. Er wäre nur anzunehmen, wenn eine Beweisführung von der an sich dazu verpflichteten Partei billigerweise nicht erwartet werden könnte, weil es sich um Umstände handelte, die allein in der Sphäre der Gegenseite lägen und daher nur ihr bekannt und damit auch nur durch sie beweisbar wären (RIS-Justiz RS0040182). Das trifft bei der Frage nach der Echtheit des Testaments offenkundig nicht zu. Der Testamentserbe hat zudem ohnehin nur die hohe Wahrscheinlichkeit der Echtheit zu beweisen (RIS-Justiz RS0110701; zur Anwendung dieses Beweismaßes auch im Außerstreitverfahren Spitzer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG Vor §§ 81–85 Rz 3; 1 Ob 165/11p). Dafür ist ein insofern eindeutiges Schriftgutachten nicht zwingend erforderlich. Auch wenn dieses (wie hier im Verlassverfahren) ein non liquet ergeben sollte, könnte aus Zeugenaussagen oder aus anderen Urkunden, die auf die letztwillige Verfügung oder den Willen des Erblassers Bezug nehmen, auf die Echtheit geschlossen werden.
3.5. Der (zuletzt) gegenteiligen Rechtsprechung zur Erbrechtsklage (oben 2.2.a.) fehlt nach Ansicht des Senats eine tragfähige Begründung. Die in 5 Ob 552/86 genannte Formulierung des Gesetzes, eine letztwillige Verfügung sei „umzustoßen“ (§ 1487 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015; § 1487a ABGB idgF), kann zwar dahin gedeutet werden, dass in bestimmten Fällen die Ungültigkeit einer Verfügung nur aufgrund eines Einwands wahrgenommen werden kann. So wird der Gegner bei Vorliegen einer formgültigen Verfügung idR die Testierunfähigkeit zu beweisen haben (RIS-Justiz RS0012415; zum Gegenbeweis vgl RS0012403). In Bezug auf die Echtheit einer letztwilligen Verfügung liegt aber ein Zirkelschluss vor: Ob ein letzter Wille des Erblassers vorliegt, der „umgestoßen“ werden könnte, ist in diesem Fall ja gerade strittig.
4. Die Auffassung der Vorinstanzen, die Negativfeststellung zur Echtheit des Testaments falle der Enkelin zur Last, trifft daher nicht zu. Vielmehr wäre auf dieser Tatsachengrundlage deren Erbrecht zur Hälfte des Nachlasses festzustellen. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass die Beweisrüge in der Rekursbeantwortung der Testamentserbin zu einer Positivfeststellung der Echtheit und damit zu einem anderen Ergebnis führt. Wahrscheinlich ist ein solcher Verfahrensausgang aber aufgrund des insofern eindeutigen Gutachtens (non liquet) nicht. Angesichts des durchaus möglichen Erfolgs der Minderjährigen und ihres im Vergleich dazu geringen Kostenrisikos steht diese mögliche Entwicklung einer Genehmigung nicht entgegen. Die angefochtene Entscheidung ist daher dahin abzuändern, dass die bedingte Erbantrittserklärung der Minderjährigen zum halben Nachlass des Erblassers pflegschaftsgerichtlich genehmigt wird.
5. Die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:
Die bestrittene Echtheit eines eigenhändigen Testaments ist im Verfahren über das Erbrecht vom Testamentserben zu beweisen.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0020OB00078.17K.0928.000 |
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