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OGH vom 28.03.2007, 7Ob19/07f

OGH vom 28.03.2007, 7Ob19/07f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Heimaufenthaltssache der Bewohnerin Margaretha H*****, geboren am , *****, vertreten durch die Bewohnervertreterin Andrea M*****, VertretungsNetz - Sachwalterschaft, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung, 4600 Wels, Fabrikstraße 12, diese vertreten durch Dr. Friedrich Schwarzinger und Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwälte in Wels, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Bewohnervertreterin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom , GZ 21 R 436/06a-11, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Wels vom , GZ 26 HA 5/06k-4, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss lautet:

1. Die freiheitsbeschränkende Maßnahme des Hinderns am Verlassen des Bettes mittels Seitenteilen wird bis für zulässig erklärt.

2. Es wird festgestellt, dass die freiheitsbeschränkende Maßnahme in der Form von Hindern am Verlassen des Bettes mittels Seitenteilen vom bis unzulässig war.

3. Der Antrag der Bewohnervertreterin, die freiheitsbeschränkende Maßnahme in Form von Hindern am Verlassen des Pflegezimmers wegen verschlossener Tür für unzulässig zu erklären, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Bei der 93-jährigen Bewohnerin liegt seit längerem ein höchst dementiales Zustandsbild vor. Ein Gespräch kann mit ihr nicht geführt werden. Es ist teilweise eine optische Kommunikation möglich. Lediglich ihrem sie fast täglich besuchenden Sohn gegenüber zeigt sie emotionale Zugewandtheit und äußert sich im Wesentlichen mit ja und nein. Sie leidet nicht nur an der fortgeschrittenen Demenz, sondern auch an Osteoporose mit Deckplatteneinbrüchen C 5 und 6 und einer höhergradigen degenerativen Wirbelsäulenverformung. Jeglicher Sturz, insbesondere aus dem Bett, zieht mit sehr großer Wahrscheinlichkeit einen Knochenbruch nach sich.

Die Bewohnerin lebt in einem Pflegezimmer im ersten Stock des Heimes. Sie ist nur mehr im Rollstuhl fortbewegungsfähig. Auch ihre Finger sind nicht mehr funktionsfähig. Es ist nicht bekannt, dass sie in letzter Zeit den Drehknopf der Tür adäquat selbst hätte bedienen können. Es ist nicht anzunehmen, dass sie die Türklinke auf Anhieb selbst betätigen kann. Es ist nicht dokumentiert, dass sie bereits einmal aus dem Bett gefallen wäre. Sie ist nicht in der Lage, vom Pflegebett selbständig aufzustehen. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass sie sich, sei es durch bewusstes oder unbewusstes Rollen, aus dem Bett hinausbewegen bzw herausfallen könnte.

Um zu verhindern, dass die Bewohnerin aus dem Pflegebett herausfällt, wurden Seitenteile mit relativ geringfügiger Höhe angebracht. Einzige Alternative zu einem Pflegebett mit Seitenteilen könnte ein sogenanntes Bodenpflegebett sein, von dem die Bewohnerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes aber ebenfalls nicht selbständig aufstehen könnte. Bei Verwendung eines absenkbaren Bodenpflegebettes ist das Sturzrisiko auch ohne Seitenteile nicht mehr so groß, sodass das Verletzungsrisiko verringert würde. Große Veränderungen, wie dies auch ein Wechsel vom Pflegebett zu einem Bett, mit dem man fast auf dem Boden liegt, ist, wirkt sich auf eine 93-jährige Patientin nicht „unbedingt" positiv aus. Am meldete das Pensionistenheim die Vornahme einer ärztlich angeordneten freiheitsbeschränkenden Maßnahme gemäß § 3 HeimAufG durch Hindern am Verlassen des Bettes mittels Seitenteilen.

Die Bewohnerin wird von ihrem Sohn fast täglich zwischen 17.00 Uhr und 20.00 Uhr besucht. Die Bewohnerin hat, wie sich aus der Pflegedokumentation ergibt, ein eher ängstliches Persönlichkeitsbild. Solange sie dies konnte, versperrte sie, vor allem in der Nacht, immer ihre Zimmertür, um andere Patienten auszuschließen. Solange sie dies konnte, trug sie ihrem Sohn auf, nach Beendigung des Besuches ihr Zimmer von außen zu versperren. Diesem Wunsch kam ihr Sohn immer nach. Vor längerer Zeit schon folgte ihm die Heimleitung über sein Ersuchen einen Zimmerschlüssel aus. Auch jetzt noch verschließt er das Zimmer immer, wenn er seinen Besuch am Abend beendet. Während der Nachtzeit wird die Bewohnerin wegen ihres Allgemeinzustandes vom Pflegepersonal im Durchschnitt vier bis sechs mal pro Nacht aufgesucht. Die Zimmertür ist also nur bis zur ersten Nachschau in der Nacht (maximal zwei Stunden) versperrt. Sonst ist die Tür immer offen, das Pflegepersonal verschließt die Tür nicht. Die Verschlussvorrichtung der Zimmertür weist auf der Innenseite einen Drehverschluss auf, mit dem die Tür zugesperrt und geöffnet werden kann. Das Öffnen von innen ist auch möglich, wenn die Türe von außen zugesperrt wurde. Es ist nicht festzustellen, ob die Bewohnerin selbst den Drehknopf der Tür adäquat bedienen kann. Die Bewohnervertreterin beantragt die gerichtliche Überprüfung der freiheitsbeschränkenden Maßnahme des Hinderns am Verlassen des Bettes mittels Seitenteilen und des Hinderns am Verlassen des Pflegezimmers wegen verschlossener Tür. Die Freiheitsbeschränkung durch Hindern am Verlassen des Bettes sei durch den behandelnden Arzt erst nach Intervention der Bewohnervertreterin angeordnet und gemeldet worden. Zumindest im Zeitraum vom bis habe keine ärztliche Anordnung für die Freiheitsbeschränkung durch Seitenteile bestanden, sodass die Maßnahme unzulässig gewesen sei. Darüber hinaus gebe es keinen konkreten Hinweis für eine ernste und erhebliche Selbstgefährdung der Bewohnerin für den Fall, dass keine Seitenteile angebracht würden. Es sei nicht dokumentiert, dass sie bereits einmal aus dem Bett gefallen wäre. Die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen seien unverhältnismäßig und könnten durch gelindere Mittel ersetzt werden. Das Verschließen der Zimmertür sei nicht von einem Arzt angeordnet worden, wobei trotz ausdrücklicher Verfügung der Pflegedienstleiterin am , wonach die Zimmertüren offen zu halten seien, weiterhin bemerkt worden sei, dass die Tür am Abend wieder verschlossen gewesen sei.

Das Erstgericht wies die Anträge ab. Im kurzfristigen Versperren der Tür durch den Sohn der Bewohnerin sei keine freiheitsbeschränkende Maßnahme zu erblicken. Die Bewohnerin habe offensichtlich diese Beruhigungsmaßnahme selbst gewünscht. Sie sei schon seit längerer Zeit nicht mehr in der Lage, selbständig aufzustehen. Ein Bodenpflegebett stelle kein gelinderes Mittel dar.

Das Rekursgericht bestätigte den angefochtenen Beschluss. Es vertrat die Rechtsansicht, dass das Anbringen von Seitenteilen am Pflegebett zum Verhindern des Herausfallens der Patientin infolge unwillkürlicher Bewegungen keine freiheitsentziehende Maßnahme sei. Was möglicherweise willkürliche Bewegungen betreffe, unterscheide sich die Situation der Bewohnerin nicht von der des infolge einer Operation und der damit verbundenen Anästhesie geistig noch beeinträchtigten Patienten, der zu seinem Schutz „fixiert" werde. Es sei davon auszugehen, dass die Bewohnerin infolge ihres Gesundheitszustandes des Schutzes gegen derartige Bewegungen und den damit verbundenen Konsequenzen bedürfe. Der bewegungsunfähigen Bewohnerin, die aus dem Pflegebett nicht selbständig aufstehen könne, sei eine sinnvolle Ortsveränderung gar nicht möglich, sodass die unkoordinierten Bewegungen lediglich dazu führen könnten, dass sie aus dem Bett fallen und mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund der Osteoporose und der Wirbeldefekte eine gravierende Verletzung erleiden werde. Es liege keine freiheitsbeschränkende Maßnahme im Sinn des § 3 Abs 1 HeimAufG vor. Auch das Zusperren der Tür sei keine freiheitsbeschränkende Maßnahme, weil das Verhalten des Sohnes der Bewohnerin der Einrichtung nicht zugerechnet werden könne. Aus dem Umstand, dass die Zimmertür für die Dauer von höchstens zwei Stunden zugesperrt sei, könne nicht abgeleitet werden, dass die Einrichtung die Maßnahme des Sohnes mitgetragen bzw wesentlich zeitlich verlängert habe.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Voraussetzungen nach § 62 Abs 1 AußStrG nicht vorlägen.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Bewohnervertreterin mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichtes zulässig; er ist auch teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist festzuhalten, dass der Revisionsrekurs hier ein einseitiges Rechtsmittel ist (7 Ob 226/06w, 7 Ob 186/06p; RIS-Justiz RS0121226). Das Recht zur Erstattung einer Rekurs- oder Revisionsrekursbeantwortung steht nur dem Bewohner, seinem Vertreter und seiner Vertrauensperson gegen Rechtsmittel des Leiters der Einrichtung zu.

Stoffsammlungsmängel des Verfahrens erster Instanz, die bereits vom Rekursgericht verneint wurden, können auch nach dem neuen Recht des außerstreitigen Verfahrens nicht neuerlich im Revisionsrekurs mit Erfolg geltend gemacht werden. Die Revisionsrekursgründe sind in § 66 Abs 1 AußStrG taxativ aufgezählt (5 Ob 203/05x; RIS-Justiz RS0050037).

Nach § 3 Abs 1 HeimAufG liegt eine Freiheitsbeschränkung im Sinne dieses Bundesgesetzes vor, wenn eine Ortsveränderung einer betreuten oder gepflegten Person gegen oder ohne ihren Willen mit physischen Mitteln, insbesondere durch mechanische, elektronische oder medikamentöse Maßnahmen, oder durch deren Androhung unterbunden wird.

§ 4 HeimAufG normiert, dass eine Freiheitsbeschränkung nur vorgenommen werden darf, wenn 1. der Bewohner psychisch krank oder geistig behindert ist und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben und die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet, 2. sie zur Abwehr dieser Gefahr unerlässlich und geeignet sowie in ihrer dauernden Intensität im Verhältnis zur Gefahr angemessen ist sowie 3. diese Gefahr nicht durch andere Maßnahmen, insbesondere schonendere Betreuungs- oder Pflegemaßnahmen, abgewendet werden kann.

Nach den ErläutRV (353 BlgNR 22. GP 8 ff) umschreibt § 3 HeimAufG den für die Anwendung des Gesetzes zentralen Begriff der Freiheitsbeschränkung:

„Nicht jede Beschränkung der Bewegungsfreiheit stellt einen Freiheitsentzug im verfassungsrechtlichen Sinn dar. Nur eine qualifizierte Beschränkung, nämlich der 'Entzug' der persönlichen Freiheit, ist vom Schutzbereich des Grundrechts erfasst. Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund regelt das vorliegende Gesetz nur - im verfassungsrechtlichen Verständnis - freiheitsentziehende Maßnahmen. Das Gesetz verwendet trotz der verfassungsrechtlichen Terminologie in § 3 und in den weiteren Bestimmungen den Ausdruck 'Freiheitsbeschränkung'. Damit soll vermieden werden, dass die hier gemeinten Maßnahmen im Rahmen der Pflege oder Betreuung mit 'Freiheitsentziehungen' im strafrechtlichen und strafprozessualen Sinn assoziiert werden. Außerdem entspricht der Begriff 'Freiheitsbeschränkung' besser der Terminologie des UbG, das in seinem § 2 als Unterbringung neben der Anhaltung von Personen in einem geschlossenen Bereich auch sonstige individuelle 'Beschränkungen' der Bewegungsfreiheit versteht. Für die Frage, was unter dem Begriff 'Freiheitsbeschränkung' im Sinn dieses Gesetzes zu verstehen ist, sind daher auch die Judikatur und das Schrifttum zum PersFrG und zum Unterbringungsrecht heranzuziehen (siehe zum Folgenden vor allem Kopetzky in Korinek/Holoubek [Hrsg] Österr. Bundesverfassungsrecht III, Rz 18 bis 46 zu Art 1 PersFrG; Kopetzky, Unterbringungsrecht II, 459 ff).

Eine Freiheitsbeschränkung im Verständnis dieses Gesetzes liegt immer dann vor, wenn es einer Person unmöglich gemacht wird, ihren Aufenthalt nach ihrem freien Willen zu verändern. Dabei ist zunächst die Beschränkung der Bewegungsfreiheit auf einen bestimmten räumlich abgegrenzten Bereich wesentlich. ...

Neben der Allseitigkeit der Beschränkung ist die Unterbindung persönlicher Ortsveränderungen mit physischen Mitteln ein zentrales Kriterium. § 3 Abs 1 definiert daher die Freiheitsbeschränkung als Unterbindung der Ortsveränderung durch den Einsatz oder die Androhung physischer Mittel gegen oder ohne dem Willen des Bewohners. Dabei werden die wichtigsten dieser physischen Mittel, nämlich mechanische, elektronische und medikamentöse Maßnahmen, beispielhaft aufgezählt. Solche physischen Mittel sind etwa unmittelbar körperliche Zugriffe mit dem Ziel, den Bewohner zurückzuhalten. Beispiele hiefür sind etwa die Anbringung eines Steckgitters am Bett, das Vorstellen eines Sessels oder Tisches, die Entfernung einer Gehhilfe, die Verhinderung des Aufstehens aus dem Rollstuhl oder einer anderen Sitzgelegenheit mittels eines Fixiergurtes, einer 'Fixierhose' oder eines Leintuchs oder auch das körperliche Festhalten. ...

Keine Freiheitsbeschränkung liegt dagegen vor, wenn sich die betreute oder gepflegte Person auch ohne die Maßnahmen nicht fortbewegen kann. So ist die Anbringung eines Sitzgurts, die den drohenden Sturz eines gelähmten Menschen aus dem Rollstuhl verhindern soll, nicht als Freiheitsbeschränkung zu qualifizieren, wenn die Anbringung des Gurtes in einer notwendigen Gesamtbetrachtung in Wahrheit seinen Bewegungs- und Handlungsspielraum (zB durch Einnahme der Mahlzeiten im Speisesaal) erhöht. Wenn weiter einem Bewohner - namentlich bei Bewusstlosigkeit - überhaupt die Möglichkeit einer willkürlichen körperlichen Bewegung fehlt, kann ebenfalls nicht von einer Freiheitsbeschränkung gesprochen werden. Schutzgitter, die an einem Bett angebracht werden, um das Herausfallen durch unwillkürliche Bewegungen des Betroffenen (zB spastische Bewegungen oder unwillkürliche Bewegungen im Schlaf) zu verhindern, sind also keine freiheitsentziehenden Maßnahmen. Und schließlich ist auch bei einem in Folge einer Operation und der damit verbundenen Anästhesie geistig noch beeinträchtigten Patienten, der zu seinem Schutz 'fixiert' wird, keine Freiheitsbeschränkung anzunehmen."

Dem Willen des Gesetzgebers entsprechend kann eine Freiheitsbeschränkung im Sinn des HeimAufG also nur an jemanden vorgenommen werden, der grundsätzlich (noch) über die Möglichkeit zur willkürlichen körperlichen (Fort-)Bewegung (mit Ortsveränderung) verfügt (7 Ob 226/06w, 7 Ob 144/06m; Barth/Engel, Heimrecht, § 3 HeimAufG, Anm 12; Laimer/Russegger/Thiele, HVerG und HeimAufG, 20; Zierl, Heimrecht, 110). Auf die Bildung eines (vernünftigen) Fortbewegungswillens und darauf, ob sich der betroffene Bewohner der Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit bewusst ist, kommt es dagegen nicht an (7 Ob 144/06m, 7 Ob 226/06w; Barth/Engel aaO, dieselben, Das HeimAufG: Die neuen gesetzlichen Regeln über freiheitsbeschränkende Maßnahmen in Heimen oder ähnlichen Einrichtungen, ÖJZ 2005/23, 401 ff [405] FN 40; Klaushofer, HeimAufG: Ein erster Überblick, ZfV 2004/1229, FN 61). Außerdem kann die Bewegungsfreiheit nicht nur selbständig, sondern auch mit fremder Hilfe (zB durch Schieben eines Rollstuhls) in Anspruch genommen werden. Die Freiheitsentziehung kann daher gegenüber jedermann erfolgen, der - sei es durch die Hilfe Dritter - die Möglichkeit körperlicher Bewegung und Ortsveränderung hat (7 Ob 144/06m, 7 Ob 226/06w mwN).

Da die Seitenteile des Pflegebettes nicht nur die unwillkürlichen Bewegungen im Schlaf, sondern auch die willkürlichen Bewegungen einschränken, wozu die Bewohnerin nach den Feststellungen in der Lage ist, sind sie als freiheitsbeschränkende Maßnahmen im Sinn des § 3 Abs 1 HeimAufG zu qualifizieren. Der Schutz des HeimAufG entfällt nämlich nicht schon deshalb, weil ein Bewohner seine Bewegungsfreiheit aufgrund seines schlechten gesundheitlichen Zustandes nicht in Anspruch nehmen kann oder aufgrund seiner psychischen Situation nicht bewusst erlebt (siehe die ErläutRV oben; 7 Ob 144/06m mwN, 7 Ob 226/06w).

Die Beschränkung muss zur Erreichung des angestrebten Zieles unerlässlich sein und zu ihrem Zweck nicht außer Verhältnis stehen. Es gilt also der Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffes, wobei die Zulässigkeit einer bewegungseinschränkenden Maßnahme immer im Einzelfall zu beurteilen ist (7 Ob 144/06m, 7 Ob 226/06w mwN). Es ist also zu prüfen, ob die Bewohnerin des Schutzes durch die Seitenteile vor selbstgefährdenden Stürzen aus dem Bett bedarf. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die 93-jährige Patientin nicht in der Lage ist, selbständig aus dem Bett aufzustehen, dass sie unter Osteoporose leidet und bereits Deckplatteneinbrüche bei 2 Wirbeln erlitten hat. Es liegt eine höhergradige degenerative Wirbelsäulenverformung vor. Jeglicher Sturz, insbesondere aus dem Bett, führt mit sehr großer Wahrscheinlichkeit einen Knochenbruch nach sich. Unter diesen Umständen ist die Gesundheit der Patientin so gefährdet, dass die Vorsichtsmaßnahmen notwendig sind, um sie vor gravierenden, letztlich für sie auch potenziell lebensbedrohenden Stürzen aus dem Bett zu bewahren. Die Gefahr der gravierenden Verletzung ist schon aus der allgemeinen Lebenserfahrung evident. Zum Schutz der Bewohnerin ist die Maßnahme sofort zu ergreifen und nicht erst dann, wenn sie bereits einmal aus dem Bett gefallen ist und möglicherweise irreparable Schäden erlitten hat.

Für die Beschränkung der Bewegungsfreiheit gelten die Prinzipien der Unerlässlichkeit und Verhältnismäßigkeit (7 Ob 226/06w; RIS-Justiz RS0105729). Im vorliegenden Einzelfall ergibt sich aus den Feststellungen, dass der 93-jährigen Bewohnerin die Umstellung auf ein Bodenbett sehr schwer fallen würde und dass sie sich von beiden Betten nicht selbständig erheben kann. Es ist in diesem Einzelfall nicht erkennbar, dass das Bodenbett einen geringeren Eingriff in die Freiheitssphäre der Bewohnerin bringen könnte als das Pflegebett mit Seitenteilen.

Die freiheitsbeschränkende Maßnahme ist daher grundsätzlich zulässig. Diese ist im Sinn des § 15 Abs 2 HeimAufG auf 6 Monate beschränkt auszusprechen.

Für die rechtmäßige Vornahme einer Freiheitsbeschränkung ist es aber notwendig, dass sie von einer in § 5 HeimAufG genannten Person angeordnet wird, dass der Grund, die Art, der Beginn und die Dauer der Freiheitsbeschränkung nach § 6 HeimAufG schriftlich dokumentiert und die Bewohnervertreterin vom Ergreifen der Maßnahme nach § 7 HeimAufG verständigt wird. Eine freiheitsbeschränkende Maßnahme ist solange unzulässig, bis die Bewohnervertreterin tatsächlich von der angeordneten Maßnahme Kenntnis erlangt (7 Ob 226/06w, 7 Ob 186/06p; RIS-Justiz RS0121228). Ab Kenntnis der Bewohnervertreterin von der Freiheitsbeschränkung ist die (bisherige) Unterlassung der Verständigung gemäß § 7 Abs 2 HeimAufG saniert, sodass die vorangegangene Unzulässigkeit der Freiheitsbeschränkung einer (allfälligen) Zulässigkeit hinsichtlich nachfolgender Zeiträume nicht entgegensteht. Dass eine freiheitsbeschränkende Maßnahme nach Kenntnis durch die Bewohnervertreterin zulässig wird, ändert allerdings nichts an der Verpflichtung der Gerichte, freiheitsbeschränkende Maßnahmen auch noch nachträglich zu prüfen, weil die Einschränkung der persönlichen Freiheit einen Eingriff in ein Grundrecht darstellt (7 Ob 226/06w; RIS-Justiz RS0121228). Da die hier zu beurteilende Maßnahme der Anbringung von Seitenteilen vor Verständigung der Bewohnervertreterin ergriffen wurde, war für diesen Zeitraum deren Unzulässigkeit auszusprechen.

Dem Revisionsrekurs ist zuzustimmen, dass das Heim grundsätzlich die Handlungen des Sohnes der Bewohnerin für sich gelten lassen muss, weil dieser die Tür des Zimmers der Bewohnerin nur deshalb versperren kann, weil ihm von der Heimleitung ein Schlüssel ausgefolgt und belassen wurde. Damit wird das Vorgehen des Sohnes von der Heimleitung erst ermöglicht und auch geduldet. Grundsätzlich ist - wie oben dargelegt - auch das kurzfristige Versperren einer Zimmertür eine freiheitsbeschränkende Maßnahme, auch wenn die Bewohnerin ihr Zimmer nicht mehr selbständig verlassen kann oder auch gar nicht den Willen hat, es zu tun, hat sie doch die Möglichkeit zur körperlichen Fortbewegung im Rollstuhl mit Hilfe Dritter. Im kurzfristigen Versperren der Zimmertür durch den Sohn der Bewohnerin liegt aber aus einem anderen Grund keine freiheitsbeschränkende Maßnahme:

Es steht nämlich fest, dass die von außen zugesperrte Tür von innen durch Drehen des Drehverschlusses geöffnet werden kann. Benötigt aber die Bewohnerin ohnehin die Hilfe Dritter, um überhaupt ihr Zimmer verlassen zu können, so ist bei der Beurteilung einer Maßnahme zu berücksichtigen, dass dieser Dritte von innen auch die von außen versperrte Türe ohne Weiteres durch Drehen des Verschlusses öffnen kann. Die Bewohnerin ist jedenfalls nicht „eingesperrt". Die jederzeit von innen zu öffnende Tür stellt für sie, selbst wenn die Tür versperrt ist, kein (zusätzliches) Hindernis dar. Das Versperren der Tür von außen ist daher in diesem Einzelfall keine freiheitsbeschränkende Maßnahme, ist die Bewohnerin doch am Verlassen ihres Zimmers - im dargestellten Sinn - nicht gehindert. Die Frage, ob der zu einem früheren Zeitpunkt geäußerte Wunsch der Bewohnerin an ihren Sohn, ihre Zimmertür am Abend zu versperren, als unbegrenzte Einwilligung in die Freiheitsbeschränkung für die Zukunft zu beurteilen ist, kann daher dahingestellt bleiben.