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OGH 25.06.2014, 2Ob78/14f

OGH 25.06.2014, 2Ob78/14f

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der Kläger 1. Ing. W***** P*****, und 2. J***** P*****, vertreten durch die Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, und der auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenientin B*****Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagte M*****Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch die Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Vertragsaufhebung und (eingeschränkt) 165.820,64 EUR sA, über die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 24/14h-44, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Die Revisionswerberin macht geltend, das Berufungsgericht habe der Feststellung, wonach die Kläger angegeben haben, das Kaufauftragsformular über die erworbenen M*****-Zertifikate nicht gänzlich durchgelesen zu haben, keine Bedeutung zugemessen. Außerdem liege insofern eine krasse Fehlbeurteilung vor, als es das Berufungsgericht als unerheblich erachtet habe, dass den Klägern bewusst gewesen sei, in eine Einzelaktie zu investieren, bei der es zu täglichen Kursänderungen bzw Kursschwankungen kommen könne und ein Totalverlustrisiko bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

1.1. In der Entscheidung 4 Ob 65/10b wurde zusammengefasst ausgesprochen: Ob dem Irrenden sein Irrtum selbst hätte auffallen müssen, ist für die Irrtumsanfechtung zwar grundsätzlich belanglos, allerdings können ganz offensichtlich unrichtige Angaben eines Vertragspartners, deren Überprüfung dem anderen Teil offenstand und leicht möglich war, nicht als zur Täuschung geeignete Irreführungshandlungen angesehen werden. Weder die allgemein bekannte Tatsache, dass Aktien risikobehaftete Wertpapiere sind, noch der Verweis auf den Kapitalmarktprospekt und die allgemein gehaltenen Hinweise auf das (Total-)Verlustrisiko ändern etwas daran, dass die von der Beklagten aufgelegte und vom Kläger zur Grundlage seiner Kaufentscheidung gemachte Verkaufsbroschüre das mit den angepriesenen Wertpapieren verbundene Risiko - im Gegensatz zu sonstigen Aktien - als im Hinblick auf die Investition in Immobilien und deren langfristige lukrative Verwertung als deutlich geringer hinstellt. Dem gegenüber treten allgemein gehaltene Risikohinweise völlig in den Hintergrund und veranlassten den Kläger daher, der plausibel aufbereiteten Werbebotschaft zu vertrauen, wonach die hier beworbene Anlage grundlegend sicherer wäre als eine Veranlagung in sonstigen Einzelaktien.

1.2. Wird der Irrtum des Klägers durch den Verkaufsprospekt der Beklagten hervorgerufen, kommt es auf die Aufgaben und Pflichten des von ihr zwischengeschalteten Wertpapierdienstleistungsunternehmens nicht an (vgl 5 Ob 222/10y).

1.3. Nur wenn dem Kläger Anhaltspunkte für mangelnde Kenntnis der Beklagten über die Produkteigenschaften oder gar für unredliches Verhalten vorgelegen wären, wäre die Beischaffung weiterer Informationen (etwa des Kapitalmarktprospekts) angebracht gewesen. Selbst wenn man einem Anleger das Vertrauen allein auf den Verkaufsprospekt dennoch als Sorglosigkeit anlasten wollte, träte diese Sorglosigkeit gegenüber der primär ursächlichen Fehldarstellung im Verkaufsprospekt weit zurück (vgl 10 Ob 10/11k; 5 Ob 18/11z).

1.4. Die Risikogeneigtheit einer Anlageform ist als wesentliche Produkteigenschaft anzusehen und die Fehlvorstellung darüber begründet einen beachtlichen Geschäftsirrtum (3 Ob 65/13z).

2. Wenn beim vorliegenden Sachverhalt - der mit jenen, welche den zitierten Judikaten zugrundegelegen sind, vergleichbar ist - das Berufungsgericht von einem durch die Werbeunterlagen der Beklagten veranlassten Irrtum der Kläger ausging, ohne darauf abzustellen, ob die Kläger das Kaufauftragsformular gänzlich durchgelesen haben oder nicht (wobei keineswegs feststeht, dass ihnen dadurch die Überprüfung der [unrichtigen] Prospektangaben der Beklagten leicht möglich gewesen wäre), bzw es für unbeachtlich hielt, dass den Klägern die allgemeinen Risiken von Aktien grundsätzlich bewusst gewesen sein mögen, hält sich dies im Rahmen der Rechtsprechung zur Irrtumsanfechtung von Wertpapiergeschäften und stellt jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (grobe) Fehlbeurteilung dar.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2014:0020OB00078.14F.0625.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAD-65520