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OGH 22.01.2020, 3Ob7/20f

OGH 22.01.2020, 3Ob7/20f

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Priv.-Doz. Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Mag. Florian Steinwendtner, Rechtsanwalt in Neulengbach, gegen die beklagte Partei Ing. H*****, vertreten durch DDr. Ernst Gramm, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen Unterhalt (Stufenklage), über die „außerordentliche Revision“ der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom , GZ 23 R 94/19z-21, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Berufungsgericht zur Ergänzung seiner Entscheidung durch einen Bewertungsausspruch zurückgestellt.

Text

Begründung:

Mit ihrer Stufenklage begehrt die Klägerin vom Beklagten „Rechnungslegung für den Zeitraum ab bis zur Klagseinbringung“ und die Leistung des sich aus der Rechnungslegung ergebenden Unterhaltsbetrags, wobei die ziffernmäßige Festsetzung des Zahlungsbegehrens der Rechnungslegung vorbehalten blieb. Sie bewertete das Rechnungslegungsbegehren nach § 56 JN mit 750 EUR.

Mit dem angefochtenen Teilurteil gab das Berufungsgericht der Klage in Abänderung des erstinstanzlichen abweisenden Urteils statt, verurteilte den Beklagten zur Rechnungslegung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Ein Bewertungsausspruch unterblieb.

Dagegen erhob der Beklagte eine „außerordentliche“ Revision, die dem Obersten Gerichtshof unmittelbar vorgelegt wurde.

Diese Vorgangsweise widerspricht der Rechtslage.

Rechtliche Beurteilung

Besteht der Entscheidungsgegenstand – wie hier – nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, hat das Berufungsgericht nach § 500 Abs 2 ZPO in seinem Urteil einen Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands zu treffen. Die Entscheidung über das Rechnungslegungsbegehren bedarf auch dann einer Bewertung durch das Berufungsgericht, wenn ein solches Begehren im Rahmen einer Stufenklage erhoben wird (vgl zB 5 Ob 511/92; 2 Ob 60/03t; 7 Ob 48/12b; 1 Ob 47/12m).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Priv.-Doz. Dr. Rassi und Mag. Painsi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Mag. Florian Steinwendtner, Rechtsanwalt in Neulengbach, gegen die beklagte Partei Ing. H*, vertreten durch DDr. Ernst Gramm, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen Unterhalt (Stufenklage), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom , GZ 23 R 94/19z-21, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit ihrer Stufenklage begehrt die Klägerin von ihrem beklagten Ehegatten Rechnungslegung für den Zeitraum ab bis zur Klagseinbringung und die Leistung des sich aus der Rechnungslegung ergebenden Unterhaltsbetrags bei aufrechter Ehe nach § 94 ABGB, wobei die ziffernmäßige Festsetzung des Zahlungsbegehrens der Rechnungslegung vorbehalten blieb.

Mit dem angefochtenen Teilurteil gab das Berufungsgericht der Klage in Abänderung des erstinstanzlichen abweisenden Urteils statt, verurteilte den Beklagten zur Rechnungslegung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Seiner Verpflichtung zur Rechnungslegung tritt der Beklagte in seiner außerordentlichen Revision im Wesentlichen mit den Argumenten entgegen, die Klägerin habe notwendiges Vorbringen zum Rechnungslegungsinteresse nicht erstattet, ihr Unterhaltsanspruch bestehe dem Grunde nach nicht zu Recht und dem Titel fehle eine nähere Bestimmung, über welchen Gegenstand Rechnung zu legen sei. Der Beklagte zeigt damit keine erhebliche Rechtsfrage auf, weshalb das Rechtsmittel als nicht zulässig zurückzuweisen ist. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die Rechtsprechung anerkennt (bei aufrechter Ehe und nach Scheidung, vgl 10 Ob 47/07w) einen Anspruch eines Ehegatten auf Auskunft und Rechnungslegung betreffend die für die Unterhaltsbemessung maßgebenden Umstände. Der Rechnungslegungsanspruch nach Art XLII EGZPO setzt neben dem Nachweis, dass der Klageanspruch auf Unterhalt dem Grunde nach zu Recht besteht, weiters voraus, dass der nach materiellem Recht aufgrund einer Sonderbeziehung Auskunftsberechtigte gegen den Auskunftsverpflichteten ein bestimmtes Klagebegehren auf Leistung nur mit erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung vermieden werden können, zu erheben vermag und dass die Auskunftserteilung dem Verpflichteten zumutbar ist (RIS-Justiz RS0122058).

1.2 Die Klägerin hat sowohl zum Unterhaltsanspruch dem Grunde nach als auch zum Umstand, dass ihr zur Unterhaltsbemessungsgrundlage keine Informationen vorliegen, ein ausreichendes Vorbringen erstattet. Diesem auf Beweisschwierigkeiten gestützten Rechnungslegungsinteresse trat der Beklagte in erster Instanz nicht entgegen, obwohl das Schreiben des Klagevertreters vom vorlag. Das dazu in der Revision entgegen dem Neuerungsverbot erstattete Vorbringen zum Ergebnis der klägerischen Nachforschungen über die Bemessungsgrundlage kann daher die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen.

2.1 Auch das Argument, dass der Beklagte nach den Feststellungen die Klägerin bis Juli 2012 (ohnedies) immer wieder durch regelmäßige Zahlungen freiwillig unterstützt habe, sodass er nicht unterhaltspflichtig sein könne, zeigt schon deshalb keine korrekturbedürftige Entscheidung auf, weil die Klägern Unterhalt erst für den Zeitraum ab Juli 2015 geltend macht.

2.2 Der Beklagte meint, nachdem feststehe, dass die Parteien nach ihrer zweiten Eheschließung im Jahr 2011 nie einen gemeinsamen Haushalt begründeten, seien die Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs 2 EheG von vornherein nicht gegeben. Ob dies zutrifft (vgl 4 Ob 17/12x = RS0127664 [T1]) kann dahinstehen, weil sich das Berufungsgericht nicht auf diese Rechtsgrundlage festlegte. Warum der Klägerin, die nach den Feststellungen aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, einer geregelten Beschäftigung nachzugehen, und deren Behauptung, ohne eigenes Einkommen zu sein, in erster Instanz ohne jede substantiierte Bestreitung durch den Beklagten blieb, nicht nach § 94 Abs 1 ABGB unterhaltsberechtigt sein soll, versucht die Revision aber gar nicht aufzuzeigen.

2.3 Die Beurteilung im Einzelfall, ob eine Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs durch einen Ehegatten grob unbillig erscheint, begründet grundsätzlich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RS0009759 [T13]). Nur besonders krasse Fälle, in welchen die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs wegen des Verhaltens des betreffenden Ehegatten grob unbillig erscheinen würde, rechtfertigen die Annahme eines Rechtsmissbrauchs bzw einer Unterhaltsverwirkung (RS0009759). Die Verwirkung soll nur die Folge eines besonders gravierenden Verhaltens des Unterhaltsberechtigten sein, durch das er sich der Unterstützung des Unterhaltspflichtigen unwürdig gemacht hat. Es ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Umstände zu prüfen, ob die Verfehlung so schwer wiegt, dass dem Verpflichteten die Unterhaltsleistung für alle Zukunft nicht mehr zumutbar ist (3 Ob 162/16a; RS0078153 [T4]). Es sind auch die Begleitumstände und das Verhalten des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen (RS0047080).

2.3.1 Der Beklagte hat in dritter Instanz seinen Einwand, die Streitteile hätten nur eine Scheinehe geschlossen, aufgegeben. Dennoch ist der vorliegende (nach Beweiswiederholung durch das Berufungsgericht festgestellte) Sachverhalt durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass eine eheliche Lebensgemeinschaft von den Streitteilen nach ihrer (zweiten) Eheschließung im Jahr 2011 niemals begründet wurde, es gab danach weder ein gemeinsames Wohnen noch ein gemeinsames Wirtschaften noch ein intimes Verhältnis. Das Verhältnis der Streitteile war vielmehr weiterhin ein rein freundschaftliches. Der Beklagte befindet sich seit 2013 in Lebensgemeinschaft mit einer anderen Frau und auch die Klägerin steht seit einem vor der zweiten Eheschließung liegenden Zeitpunkt in einer Beziehung mit einem anderen Mann, der auch als Trauzeuge des Beklagten bei dieser Eheschließung fungierte.

2.3.2 Der Beklagte unterstellt dem Berufungsgericht, es sei von einer schon vor der Eheschließung bestehenden Lebensgemeinschaft der Klägerin ausgegangen. Er übergeht damit aber, dass es – anders als beim Beklagten – nur eine „Beziehung“ feststellte, die über ein rein freundschaftliches Verhältnis hinausgehe, deren konkrete Art aber nicht geklärt sei. Dem dafür behauptungs- und beweispflichtigen (RS0009772; RS0009705) Beklagten ist damit aber der Nachweis einer Lebensgemeinschaft, für deren Vorliegen das Zusammenspiel der Elemente Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft eine Rolle spielt (RS0047000), schon mangels konkretisierender Tatsachenbehauptungen nicht gelungen. So macht er zB gar nicht geltend, dass die Klägerin Unterhalt fordere, obwohl ihr Unterhaltsbedarf durch Zuwendungen des anderen Mannes ohnehin gedeckt werde (vgl 1 Ob 56/14p; 6 Ob 13/19h). Angesichts der von beiden Ehegatten nie aufgenommenen ehelichen Gemeinschaft und des Umstands, dass sich der Beklagte schon lange einer anderen Frau zugewendet hat, also sich selbst über alle Bindungen aus der geschlossenen Ehe hinwegsetzt, kann auch keine Rede davon sein, dass ihm Unterhaltsleistungen für alle Zukunft nicht mehr zumutbar seien. Der Hinweis, dass die Klägerin eine Lebensgemeinschaft mit einem Dritten eingegangen sei, kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels somit nicht begründen.

2.3.3 Gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte könne sich auf diese Beziehung der Klägerin schon deshalb nicht als Verwirkungstatbestand berufen, weil sich an dieser seit der Eheschließung nichts geändert habe, wendet die Revision nur ein, dass damit der Tatbestand des Ruhens eines allfälligen Unterhaltsanspruchs gegeben sei. Dazu genügt der Verweis auf die Rechtsprechung, wonach sich der der neueren Judikatur zum Ruhen des Unterhaltsanspruchs während einer Lebensgemeinschaft zugrundeliegende Gedanke, ein in Lebensgemeinschaft lebender Geschiedener dürfe nicht besser gestellt sein als ein wiederverheirateter, dessen Unterhaltsanspruch nach § 75 EheG – ohne weitere sonstige Voraussetzungen – erlösche auf die Aufnahme einer Lebensgemeinschaft während (formell) aufrechter Ehe schon deshalb nicht übertragen lässt, weil in diesem Fall dem Unterhaltsberechtigten gar nicht die Möglichkeit einer (von § 75 EheG erfassten) Wiederverheiratung offensteht (1 Ob 56/14p: 6 Ob 13/19h; RS0129443).

3. Der auf Art XLII EGZPO gestützte Auskunftsanspruch des Ehegatten zielt auf die Offenlegung der Unterhaltsbemessungsgrundlage als Basis für die Berechnung des Unterhaltsanspruchs ab (RS0019529 [T14]). Die Unterhaltsbemessungsgrundlage wird durch das Einkommen des unterhaltspflichtigen Ehepartners gebildet (RS0013386 [T1]). Darunter fallen alle Einkünfte aus Erwerbstätigkeit und Erträgnisse aus Vermögen (RS0013386 [T4]).

Auch die Klägerin zielt mit ihrem Auskunftsbegehren unmissverständlich auf die Bekanntgabe der „Einkommenssituation“ des Beklagten zwecks Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage ab. Es besteht auch kein Zweifel, dass der Beklagte nach der Begründung der bekämpften Entscheidung (vgl RS0000300) über sein Einkommen rechnungslegungspflichtig ist, auch wenn dies im Spruch so nicht zum Ausdruck kommt. Die Argumentation des Rechtsmittelwerbers, wonach das Begehren unschlüssig und die angefochtene Entscheidung unbestimmt sei, zeigt daher im konkreten Einzelfall keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00007.20F.0122.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAD-65498