OGH 18.02.2015, 3Ob7/15y
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.
Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei E*****, vertreten durch Divitschek Sieder Sauer Rechtsanwälte GmbH in Deutschlandsberg, gegen die beklagte und widerklagende Partei G*****, vertreten durch Grasch + Krachler Rechtsanwälte OG in Leibnitz, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 257/14t-33, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Die Beurteilung, welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen und welchen Teil das überwiegende Verschulden trifft, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls, die - abgesehen von Fällen krasser Fehlbeurteilung - regelmäßig nicht als erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0118125; RS0119414 [T1]).
Für die Verschuldensabwägung ist das Gesamtverhalten beider Ehegatten maßgebend (RIS-Justiz RS0057303 [T3]). Dabei müssen die Eheverfehlungen in ihrem Zusammenhang gesehen werden, wobei berücksichtigt werden muss, inwieweit diese einander bedingt haben bzw ursächlich für das Scheitern der Ehe waren (RIS-Justiz RS0057223; ebenso RS0056751).
Bei beiderseitigem Verschulden muss ein sehr erheblicher Unterschied im Grad des Verschuldens gegeben sein, um ein überwiegendes Verschulden eines Teils annehmen zu können (RIS-Justiz RS0057057). Der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten hat also nur dort zu erfolgen, wo der graduelle Unterschied der beidseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt, sodass neben dem eindeutigen Verschulden des einen Teils das Verschulden des anderen Teils fast völlig in den Hintergrund tritt, weil das überwiegende Verschulden grundsätzlich dem Alleinverschulden gleichsteht (RIS-Justiz RS0057821 [T5, T6]).
Es sind daher hinsichtlich des Verschuldensausmaßes nicht subtile Abwägungen vorzunehmen, sondern es soll im Scheidungsurteil nur das erheblich schwerere Verschulden eines Teils zum Ausdruck kommen (RIS-Justiz RS0057325; RS0057858).
Ausgehend von diesen vom Berufungsgericht beachteten Grundsätzen kann die unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls erfolgte Annahme des Berufungsgerichts, dass den Parteien gleichteiliges Verschulden an der Zerrüttung der Ehe anzulasten ist, - entgegen dem Standpunkt des Beklagten - nicht als unvertretbar angesehen werden.
Dass die Klägerin dem Beklagten ihre Überforderung mit ihrer Arbeit in dem von seinem Bruder geführten Reisebüro und die ihr dort regelmäßig unterlaufenen Fehler, die letztlich zu einem enormen finanziellen Schaden führten, ebenso wie ihre körperlichen und psychischen Probleme aufgrund dieser Situation jahrelang verschwiegen hat, anstatt sich ihm zu offenbaren, hat zwar die Vertrauensbasis der Eheleute grundlegend erschüttert. Dabei ist allerdings die psychische Erkrankung der Klägerin zu berücksichtigen, die deren Eheverfehlung in milderem Licht erscheinen lässt (RIS-Justiz
RS0056867).
Dem Revisionswerber ist zuzugestehen, dass er nach den Feststellungen des Erstgerichts Silvester 2012 nicht privat, sondern beruflich mit A***** (und anderen Personen) verbracht hat. Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass er wenige Tage vor Antritt seiner Silvesterreise im Zuge eines Streits mit der Klägerin, die ihm eine ehewidrige Beziehung mit A***** vorwarf, zugestanden hatte, dass er sich mit dieser im Sommer 2012 sehr gut unterhalten habe und auch „allenfalls“ Geschlechtsverkehr ein Thema gewesen sei, sie dann aber aus Rücksichtnahme auf ihre jeweiligen Ehepartner und ihre Kinder doch keine Beziehung eingegangen seien.
Darüber hinaus ist dem Beklagten entgegen seiner Ansicht nicht bloß anzulasten, dass er seine berufsbedingten längeren Abwesenheiten (Busfahrten) im Hinblick auf die schwierige finanzielle Situation aufgrund der beruflichen Fehlleistungen der Klägerin nicht unverzüglich reduzierte und vor seiner Abreise Ende Dezember 2012 auf Frage der Klägerin erklärte, dass er sich derzeit nicht entscheiden könne, wie sich sein Leben letztlich weiterentwickeln werde, nämlich mit oder ohne Familie. Vielmehr hat das Berufungsgericht zu Recht auch berücksichtigt, dass er im November 2012, rund zwei Monate, nachdem die Klägerin aus dem Krankenhaus entlassen wurde, wo sie vom 20. August bis zum wegen Panikattacken und einer rezidivierenden depressiven Störung stationär behandelt worden war, für etwa eine Woche in ein Thermenhotel fuhr, wo er für sie dann nicht einmal telefonisch erreichbar war, und dass er ihren schlechten psychischen Zustand nicht ausreichend berücksichtigte, als er an dem Tag, an dem er sie ins Krankenhaus brachte, zuvor mit ihr zu seinem Bruder fuhr, wo sie eine ihr vorgelegte Erklärung zu unterfertigen hatte, in der sie eine Schadensverursachung in nicht bekannter Höhe, voraussichtlich aber zumindest 200.000 EUR zugestand und sich - unter Beitritt des Beklagten als Bürge und Zahler - zur Schadensgutmachung und zur Leistung einer Akontozahlung von 100.000 EUR innerhalb von einer Woche verpflichtete, und in weiterer Folge noch während ihres stationären Krankenhausaufenthalts, mit ihr zur Bank fuhr, wo sie, um die zugesagte Akontozahlung leisten zu können, einen Kreditvertrag und eine Pfandbestellungsurkunde zu unterfertigen hatte.
Der „Hinauswurf“ des Beklagten aus der Ehewohnung, in dem er eine weitere massive Eheverfehlung der Klägerin erblickt, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass er, als die Klägerin ihn nach seiner Rückkehr von der Silvesterreise am aufforderte, dazu Stellung zu nehmen, wie es mit der Ehe weitergehen solle, erklärte, dass er das derzeit nicht könne, weil er gerade erst angekommen sei.
Die Revision war daher mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.
Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei E*****, vertreten durch Divitschek Sieder Sauer Rechtsanwälte GmbH in Deutschlandsberg, gegen die beklagte und widerklagende Partei G*****, vertreten durch Grasch + Krachler Rechtsanwälte OG in Leibnitz, wegen Ehescheidung, im Verfahren über die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 257/14t-33, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Schriftsatz der beklagten und widerklagenden Partei vom wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom über die außerordentliche Revision des Beklagten entschieden; am selben Tag wurde der Akt der Geschäftsabteilung zur Ausfertigung übergeben. Der bereits am Vortag im Elektronischen Rechtsverkehr beim Erstgericht eingebrachte Schriftsatz des Beklagten, mit dem dieser erklärte, sein Rechtsmittel infolge einer außergerichtlichen Einigung zurückzuziehen, ist erst am beim Obersten Gerichtshof eingelangt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 484 iVm § 513 ZPO ist die Zurückziehung der Revision (nur) bis zur Entscheidung über diese zulässig (RIS-Justiz RS0110466 [T9]; RS0042041 [T3]). Findet keine mündliche Verhandlung statt, muss die Zurücknahme des Rechtsmittels beim funktionell zuständigen Rechtsmittelgericht noch vor dem Zeitpunkt eintreffen, in dem der Rechtsmittelsenat seine Entscheidung über das Rechtsmittel der Geschäftsstelle zur Ausfertigung übergeben hat. Der erst nach diesem Zeitpunkt eingelangte Schriftsatz des Beklagten kann auf das Verfahren keinen Einfluss mehr haben und ist daher zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0104364 [T2, T4]).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00007.15Y.0218.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAD-65465