OGH vom 18.12.2002, 3Ob7/02d

OGH vom 18.12.2002, 3Ob7/02d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien a) zu AZ 22 Cg 21/01s des Landesgerichts Wr. Neustadt 1.) Ö*****-Aktiengesellschaft, *****, 2.) E***** AG Oberösterreich, ***** und 3.) E***** AG, *****, erst- bis drittklagende Parteien vertreten durch Dr. Maximilian Eiselsberg und andere Rechtsanwälte in Wien, sowie b) zu AZ 23 Cg 40/01t des Landesgerichts Wr. Neustadt der klagenden Partei Mag. Dr. Wilhelm R*****, Unternehmensberater, *****, vertreten durch Dr. Maria Brandstetter, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei E***** AG, *****, vertreten durch Kosch & Partner, Rechtsanwälte in Wr. Neustadt, wegen Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, infolge Revision der erst- und drittklagenden Partei zu AZ 22 Cg 21/01s und der genannten klagenden Partei zu AZ 23 Cg 40/01t gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 151/01i-20, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Teilurteil des Landes- als Handelsgerichts Wr. Neustadt vom , GZ 22 Cg 21/01s-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung wird dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagenden Parteien sind Aktionäre der beklagten Aktiengesellschaft, die mit Veröffentlichung vom für den die 72. ordentliche Hauptversammlung (HV) einberief. Punkt 6 der Tagesordnung sah die Wahl in den Aufsichtsrat vor, nachdem sämtliche Mitglieder des Aufsichtsrats durch Beendigung der Funktionsperioden mit Ende der 72. ordentlichen Hauptversammlung aus dem Aufsichtsrat ausschieden.

Bei dieser Hauptversammlung übte Rechtsanwalt Dr. Maximilian E***** das Stimmrecht für die erst- und drittklagende Partei aus. Die erstklagende Partei hatte 4,927.287 Stück Aktien hinterlegt, die drittklagende Partei 2,220.706 Stück. Bei der Hauptversammlung waren Aktionäre mit 28,484.420 Stück Stammaktien angemeldet und Aktionäre mit 28,440.763 Stück Stammaktien anwesend.

Zum Tagesordnungspunkt 6 "Wahlen in den Aufsichtsrat" schlug der Vertreter des Mehrheitsaktionärs (Bundesland Niederösterreich), der 17,442.000 Stammaktien hinterlegt hatte, 15 Kandidaten zur Wahl in den Aufsichtsrat vor; im Übrigen stellte er den Antrag, für den Fall, dass von einem anderen Aktionär eine gesonderte Abstimmung über jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied beantragt werden sollte, den Beschluss zu fassen, über sämtliche von ihm vorgeschlagenen 15 Aufsichtsratsmitglieder in einem einzigen Abstimmungsvorgang ("en-bloc") abzustimmen.

Dr. E***** erklärte, er habe zu diesem Tagesordnungspunkt zwei Anträge zu stellen. Er beantragte erstens die gesonderte Abstimmung für jedes einzelne vorgeschlagene Mitglied, in alphabetischer Reihenfolge; "er wolle zu diesem Antrag die anwesenden Aktionäre informieren, dass die Möglichkeit bestehen könnte, dass wenn die Aktionäre mit dem Antrag mitgehen, dass hier vorgeschlagene Aufsichtsratskandidaten der Minderheit schon mit einem Drittel gewählt werden könnten. Und um einen solchen Kandidaten zu präsentieren ist mein zweiter Antrag folgender: Ich beantrage, als Mitglied des Aufsichtsrats Herrn Rechtsanwalt Hon. Prof. DDr. Helwig T***** zu wählen". Die Begründung dafür liege darin, dass Aktionäre, die rund mit einem Viertel an der Gesellschaft beteiligt seien, nicht im Aufsichtsrat vertreten seien. Dr. E***** beantragte, über seine beiden Anträge abzustimmen, wobei sein erster Antrag als der engere Antrag zuerst abzustimmen sei. Auf Frage des Vorsitzenden der Hauptversammlung, für welche Stimmkarten er diese Anträge stelle, antwortete Dr. E*****, dass er den Antrag für die Stimmkarten 50, 433 bis 439 gestellt hat "und er bittet den Vorsitzenden zu fragen, ob sich weitere Aktionäre dem Antrag anschließen".

Nach Wortmeldungen zweier Aktionäre betonte der Vorsitzende, dass Dr. T***** voriges Jahr in der HV die erstklagende Partei vertreten habe, und erklärte, dass demnach zwei Anträge vorliegen, nämlich einerseits auf "en bloc" Abstimmung für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder, andererseits für die Einzelabstimmung über jedes vorgeschlagene Aufsichtsratsmitglied. Der Vorsitzende brachte zuerst den Antrag auf "en bloc" Abstimmung für die vorgeschlagenen Aufsichtsratsmitglieder zur Abstimmung und ersuchte um Stimmabgabe. Für diesen Antrag wurden bei 1.463 Stimmenthaltungen 18,555.460 Stimmen, dagegen 9,880.264 Stimmen abgegeben. Der Vorsitzende erklärte hierauf, dass dieser Antrag mit Mehrheit angenommen sei. Der Kläger im verbundenen Akt AZ 23 Cg 40/01t des Erstgerichts (im Folgenden kurz Viertkläger), der eine Stammaktie angemeldet hatte, erklärte, einzelne Teilnehmer hätten den Saal verlassen, der Abstimmungsvorgang wäre ungültig. Der Vorsitzende kündigte an, er werde jetzt auch diese "en bloc" Abstimmung über den Wahlvorschlag durchführen. Zur gegenteiligen Stellungnahme Dris. E***** erklärte der Vorsitzende, dass sein Antrag durch das vorherige Abstimmungsergebnis automatisch abgelehnt sei.

Dr. E***** erklärte Widerspruch zu Protokoll und ersuchte "feststellen zu dürfen, dass sein Antrag gelautet hat, auf Feststellung, ob ein Drittel für die Einzelabstimmung ist". Nach der Feststellung des Vorsitzenden sei ein Drittel der anwesenden Aktionäre für die Einzelabstimmung; daher sei zwingend nach dem Gesetz die Einzelabstimmung durchzuführen; Dr. E***** ersuchte, die Bestimmung des § 87 AktG einzuhalten.

Der Vorsitzende brachte den Antrag des Mehrheitsaktionärs, "en bloc" die 15 vorgeschlagenen Aufsichtsratsmitglieder in den Aufsichtsrat zu wählen, zur Abstimmung. Für diesen Antrag stimmten bei 66.671 Stimmenthaltungen 18,487.782 Stimmen dagegen 9,882.734 Stimmen. Der Vorsitzende verkündete die Annahme dieses Beschlussantrags mit 65,1 % der Stimmen, womit die 15 genannten Aufsichtsratsmitglieder gewählt seien.

Dr. E***** erklärte, dass mehr als 34 % für Einzelabstimmung gewesen seien und somit die Abstimmung nicht gültig sei. Er erklärte Widerspruch zu Protokoll und erklärte weiters, sein Antrag sei eigentlich angenommen. Auch der Viertkläger erklärte Widerspruch zu Protokoll und erklärte, der erste Beschluss sei ungültig, weil sich während der Abstimmung das Quorum geändert habe; beim zweiten Beschluss schließe er sich dem Widerspruch zu Protokoll an. Der Vorsitzende erwiderte, dass die Erfassung draußen vorgenommen worden sei und das alte Quorum weiterhin gelte.

§ 15 der Satzung der beklagten Aktiengesellschaft lautet:

"1. Der Vorsitzende der Hauptversammlung kann eine von der Ankündigung in der Tagesordnung abweichende Reihenfolge der Verhandlungsgegenstände bestimmen. Er bestimmt ferner die Art und Form der Abstimmung. Liegen zu einem Punkt der Tagesordnung mehrere Anträge vor, bestimmt der Vorsitzende auch die Reihenfolge der Abstimmung über diese Anträge.

2. Soferne das Gesetz nicht zwingend eine andere Mehrheit vorschreibt, beschließt die Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen und in Fällen, in denen eine Kapitalmehrheit erforderlich ist, mit einfacher Mehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals."

Die erst- und drittklagenden Parteien begehrten zuletzt das Urteil, der in der 72. ordentlichen Hauptversammlung vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu Tagesordnungspunkt 6 verkündete Beschluss, dem zufolge alle vom Hauptaktionär zur Wahl vorgeschlagenen Aufsichtsratsmitglieder "en bloc" gewählt werden mögen, sei nichtig; in eventu: werde für nichtig erklärt;

der in der 72. ordentlichen Hauptversammlung der Aktionäre der beklagten Partei vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu Tagesordnungspunkt 6 verkündete Beschluss, wonach alle vom Hauptaktionär vorgeschlagenen Mitglieder des Aufsichtsrats "en bloc" gewählt seien, sei nichtig; in eventu: werde für nichtig erklärt;

die Eintragung der fünf namentlich genannten anlässlich der 72. ordentlichen Hauptversammlung der beklagten Partei zu Tagesordnungspunkt 6 neu in den Aufsichtsrat gewählten Mitglieder in das Firmenbuch sei unzulässig;

die beklagte Partei sei schuldig, die Eintragung weiterer zehn namentlich genannter Mitglieder des Aufsichtsrats im Firmenbuch mit vereinfachter Anmeldung (§ 11 FBG) löschen zu lassen.

Zur Begründung brachten die erst- und drittklagende Parteien vor, gemäß § 87 Abs 1 AktG habe die Wahl für jedes zu bestellende Mitglied des Aufsichtsrats abgesondert zu erfolgen, wenn ein Drittel des in der HV vertretenen Grundkapitals dies verlange. Der Antrag, der Vorsitzende möge feststellen, ob ein Drittel des in der HV vertretenen Grundkapitals eine abgesonderte Wahl verlange, könne von jedem stimmberechtigten Aktionär gestellt werden. Die Nichtbeachtung des Antrags auf gesonderte Abstimmung und der Bitte auf Feststellung der Unterstützung durch ein Drittel begründe einen Verfahrensfehler. Dieser sei für das Zustandekommen der Beschlüsse auf Abstimmung "en bloc" und des Beschlusses auf Wahl der 15 von der Mehrheitsaktionärin vorgeschlagenen Aufsichtsratsmitglieder "potentiell kausal" gewesen. Jedenfalls seien die gegen den Antrag auf Abstimmung "en bloc" abgegebenen Stimmen zugleich als Geltendmachung des Minderheitenverlangens zu werten.

Der Viertkläger beantragte das Urteil, der von der beklagten Partei in der 72. Hauptversammlung am zu Tagesordnungspunkt 6 "Wahlen in den Aufsichtsrat; Satzungsänderung im § 8 Abs 1 der Satzung, mit der die Höchstzahl auf 20 angehoben wird", gefasste Beschluss werde für nichtig erklärt. Der Viertkläger brachte dazu vor, in der HV sei nur über den Antrag auf "en bloc" Wahl abgestimmt worden. Mehr als ein Drittel der Aktionäre hätten gegen diesen Antrag gestimmt, woraus sich ergebe, dass die erforderliche Mehrheit von einem Drittel für die Durchsetzung einer gesonderten Abstimmung gegeben gewesen wäre.

Die beklagte Partei wendete ein, das Minderheitsrecht gemäß § 87 Abs 1 AktG müsse von zumindest einem Drittel des vertretenen Grundkapitals unterstützt werden. Dies sei in der HV nicht erzielt worden. Überdies habe der Antrag der erst- und drittklagenden Parteien gesetzwidrig eine gesonderte Abstimmung in alphabetischer Reihenfolge enthalten. Die gesetzwidrige Antragstellung habe zu Folge, dass eine getrennte Abstimmung nicht erforderlich gewesen sei. Aus dem Abstimmungsergebnis über den Antrag auf "en bloc" Abstimmung könne nicht der Schluss gezogen werden, dass sich mehr als ein Drittel des in der HV vertretenen Grundkapitals dem Antrag der erst- und drittklagenden Partei angeschlossen hätten. Der Viertkläger habe zur Wahl in den Aufsichtsrat kein ordnungsgemäßes Urteilsbegehren gestellt, weshalb seine Klage schon deshalb abzuweisen sei.

Das Erstgericht wies mit Teilurteil das Klagebegehren ab, wobei im Spruch die von den erst- und drittklagenden Parteien gestellte Begehren wörtlich wiedergegeben sind.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, der Vertreter der erst- und drittklagenden Partei habe nur rund 25,1 % des in der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals repräsentiert, weshalb er zur Stellung des Antrags iSd § 87 Abs 1 AktG nicht berechtigt gewesen sei, zumal sich seinem Antrag keine anderen Aktionäre angeschlossen hätten. Nach Annahme des Antrags auf "en bloc" Abstimmung mit der dem § 15 Abs 2 der Satzung entsprechenden Mehrheit habe sich eine Abstimmung über den Antrag der erst- und drittklagenden Parteien erübrigt.

Das Berufungsgericht verwarf die von den erst-, dritt- und viertklagenden Parteien aus dem Grund der Nichtigkeit eingebrachte Berufung. Die Gesellschaft werde im Anfechtungsverfahren gemäß § 197 Abs 2 AktG durch den Vorstand und den Aufsichtsrat vertreten. Ein vorerst bestehender Vertretungsmangel sei nachträglich saniert worden, weil dem Beklagtenvertreter Vollmacht sowohl vom Vorstand als auch vom Aufsichtsrat erteilt worden sei. Schon aus diesem Grund sei der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 5 ZPO nicht verwirklicht, weshalb nicht darauf eingegangen werden müssen, ob der Nichtigkeitsgrund nicht ohnedies nur von jener Partei geltend gemacht werden könne, deren gesetzlicher Schutz beeinträchtigt worden sie, nicht aber von ihrem Prozessgegner.

Im Übrigen gab das Berufungsgericht der Berufung nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Auslegung des Minderheitenrechts nach § 87 Abs 1 AktG keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege. Das gelte auch für die Frage, ob und unter welchen Umständen der Vorsitzende der HV über nicht von der erforderlichen Minderheit unterstützte Anträge bzw. über nicht gesetzeskonform gestellte Anträge abstimmen lassen müsse.

Die zweite Instanz ging davon aus, dass das Erstgericht mit dem angefochtenen Teilurteil kein Begehren der zweitklagenden Partei abgewiesen habe, weil diese ein solches Begehren in Ansehung des Tagesordnungspunkts 6 nicht gestellt habe. Die mit Teilurteil vorgenommene Abweisung des Klagebegehrens sei daher erkennbar nur gegenüber den erst- und drittklagenden Parteien sowie dem Viertkläger erfolgt. Dass der Erstrichter auch über das den Tagesordnungspunkt 6 betreffende Begehren des Viertklägers entscheiden wollte, ergebe sich aus den Entscheidungsgründen. Dass das Erstgericht inhaltlich nicht über das vom Viertkläger in diesem Zusammenhang gestellte Begehren entschieden habe, sondern über das vom Viertkläger inhaltlich so nicht gestellte Begehren der erst- und drittklagenden Parteien, sei im Berufungsverfahren ungerügt geblieben. Der darin begründete Verstoß gegen § 405 ZPO sei aber nur dann als wesentlicher Verfahrensmangel wahrzunehmen, wenn eine ausdrückliche Rüge erfolge.

In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, unter welchen Voraussetzungen Beschlüsse der HV nichtig seien, sei im Gesetz erschöpfend aufgezählt. Hier liege keiner dieser Fälle des § 199 Abs 1 AktG vor, weshalb überhaupt nur eine Anfechtbarkeit iSd innerhalb der Präklusivfrist des § 197 Abs 2 AktG gestellten Eventualbegehren in Betracht käme.

Grundvoraussetzung für die Ausübung des Minderheitsrechts nach § 87 Abs 1 AktG sei zunächst, dass ein Drittel des in der HV vertretenen Grundkapitals eine gesonderte Wahl für jedes zu bestellende Aufsichtsratsmitglied beantrage. Die erst- und drittklagenden Parteien hätten bei Stellung dieses Antrags in der HV nur rund 25,1 % des vertretenen Grundkapitals repräsentiert. Ob der Leiter der HV verpflichtet sei, jenen Aktionären, die sich um die Stellung eines Minderheitsverlangens bemühten, behilflich zu sein, dass sie die nötige Unterstützung durch andere Aktionäre erhalten, müsse hier nicht beantwortet werden. Das Minderheitenrecht nach § 87 Abs 1 AktG umfasse nämlich sowohl nach dem eindeutigen Wortlaut als auch nach dem Zweck dieser Bestimmung nur die Möglichkeit, die Entsendung eines bestimmten Minderheitsvertreters im Aufsichtsrat durchzusetzen, nicht aber, durch Festlegung einer von der Minderheit bestimmten Reihenfolge bei Vornahme der gesonderten Abstimmung Einfluss darauf nehmen zu können, welcher der von der Mehrheit nominierten Kandidaten wegen des Minderheitenvertreters nicht in den Aufsichtsrat zu entsenden sei. Genau zu dieser Konsequenz käme es aber, ließe man entsprechend dem vom Vertreter der erst- und drittklagenden Parteien in der HV gestellten Antrag zu, dass die gesonderte Abstimmung in der von der Minderheit gewünschten Reihenfolge (hier alphabetisch) stattzufinden habe. Der im Alphabet letzte der von der Mehrheit vorgeschlagenen Aufsichtsratskandidaten würde nämlich in diesem Fall automatisch durch den Minderheitenvertreter, der in den vorangegangenen Wahlgängen jeweils ein Drittel des in der HV vertretenen Grundkapitals für sich gewinnen konnte, verdrängt.

Der Vorsitzende der HV müsse aber keinen Antrag zur Abstimmung stellen, wenn die Beschlussfassung iSd gestellten Antrags nichtig oder anfechtbar wäre. Er müsse zwar dafür sorgen, dass jeder Tagesordnungspunkt geordnet und ausreichend erörtert werde, dass insbesondere die Minderheit genügend zu Wort komme und das sachdienliche Anträge gestellt werden. Die Umdeutung eines gesetzwidrigen - und überdies nicht einmal von der erforderlichen Minderheit getragenen - Antrags in einen gesetzeskonformen, dem § 87 Abs 1 AktG entsprechenden Antrag übersteige diese Verhandlungsleitungspflicht des Vorsitzenden, noch dazu gegenüber anwaltlich vertretenen Aktionären, denen nicht unterstellt werden könne, bloß irrtümlich bzw. unbeabsichtigt die gesonderte Wahl "in alphabetischer Reihenfolge" beantragt zu haben. Berücksichtige man die dargelegten weitreichenden Unterschiede zwischen abgesonderten Wahlgängen in der Reihenfolge der vom Mehrheitsaktionär aufgestellten Liste und einer abgesonderten Wahl der vom Mehrheitsaktionär nominierten Kandidaten in alphabetischer Reihenfolge, könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Umformulierung des Antrags der Erst- und drittklagenden Parteien, also die Weglassung der gewünschten alphabetischen Reihenfolge, ein bloßes Minus gegenüber dem gestellten Antrag bedeute.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der erst-, dritt- und viertklagenden Parteien ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Die gemäß § 87 Abs 1 AktG vorgesehene Wahl der Aufsichtsratsmitglieder durch die Hauptversammlung hat, wie sich indirekt aus § 113 Abs 2 AktG ergibt, nach Beschlussregeln vor sich zu gehen. Danach ist für die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder die (einfache) Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. Die Satzung kann gemäß § 113 AktG sowohl größere Mehrheiten als auch andere Erfordernisse, aber auch überhaupt andere Bestimmungen treffen (Strasser in Jabornegg/Strasser4 §§ 87 ff AktG Rz 7).

§ 87 Abs 1 zweiter bis vierter Satz AktG sieht für den Fall, dass von der selben HV mindestens drei Aufsichtsratsmitglieder zu wählen sind, ein Minderheitenrecht vor. In einem solchen Fall kann von einem Drittel des in der HV vertretenen Grundkapitals verlangt werden, dass die Wahl für jedes zu bestellende Mitglied abgesondert erfolgt. Ergibt sich vor der Wahl des letzten zu bestellenden Mitglieds, dass bei allen vorangegangenen Wahlen mindestens ein Drittel der abgegebenen Stimmen ohne Erfolg zu Gunsten ein und derselben Person abgegeben worden ist, so muss diese Person ohne weitere Abstimmung als für diesen letzten noch zu vergebenden Sitz gewählt erklärt werden, d.h. diese Person gilt dann als gewählt (Strasser aaO Rz 13; Berger/Eckert, Der Minderheitsvertreter im Aufsichtsrat nach österreichischem Recht in GesRZ 2001, 175 [176 f]).

Unstrittig ist, dass im vorliegenden Fall ein Aktionärsvertreter einen Antrag auf Einzelabstimmung bei der Aufsichtsratswahl gestellt hat, ohne dabei die nach § 87 AktG geforderte qualifizierte Minderheit zu vertreten. Dieser Vertreter einer nicht nach § 87 AktG qualifizierten Aktionärsminderheit hat darüber hinaus ausdrücklich beantragt, über die vom Mehrheitsaktionär für den Aufsichtsrat namentlich vorgeschlagenen 15 Personen gesondert, für jedes vorgeschlagene einzelne Mitglied, in alphabetischer Reihenfolge abzustimmen.

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, ist daher vorerst zu prüfen, ob in einem solchen Fall ein nach § 87 AktG zulässiger Antrag vorliegt; nur wenn dies bejaht werden kann, stellt sich weiters die Frage, ob der Vorsitzende der HV zur ebenfalls beantragten Erkundungsabstimmung verpflichtet ist, ob sich weitere Aktionäre diesem Antrag anschließen, sodass das erforderliche Drittel des vertretenen Kapitals erreicht wird.

Auf die Frage, ob inhaltlich ein nach § 87 AktG zulässiger Antrag vorliegt, geht Krejci (Zum Minderheitsrecht nach § 87 AktG auf Einzelabstimmung bei der Aufsichtsratswahl in GesRZ 2001, 58) aus Anlass eines - offenbar im vorliegenden Fall erstatteten - Gutachtens nicht ein; er erwähnt nur einleitend, dass der Vertreter einer Aktionärsminderheit "einerseits" den Antrag auf Einzelabstimmung in alphabetischer Reihenfolge und "andererseits" unter Hinweis auf das Minderheitsrechts eines Drittels der Aktionäre nach § 87 AktG den Antrag gestellt habe, einen bestimmten, auf der Liste des Mehrheitsaktionärs nicht aufscheinenden Kandidaten zu wählen, von dem er annimmt, dass er bei allen Einzelabstimmungen das nach § 87 Abs 1 AktG erforderliche Drittel des vertretenen Kapitals erreichen wird.

Der hier zu beurteilende Sachverhalt stellt sich jedoch so dar, dass zwei von einem Rechtsanwalt vertretenen Minderheitsaktionäre ausdrücklich den Antrag auf Einzelabstimmung über die vom Mehrheitsaktionär auf einer Liste nominierten Personen in alphabetischer Reihenfolge stellten. Ein derartiges Recht steht jedoch der qualifizierten Aktionärsminderheit von einem Drittel des bei der HV vertretenen Grundkapitals nicht zu. Sie hätte es nämlich sonst in der Hand, durch ein derartiges Verlangen festzulegen, dass ein bestimmter vom Mehrheitsaktionär nominierter Kandidat für den Aufsichtsrat als nicht gewählt gilt. Weninger (Minderheitenvertreter im Aufsichtsrat in GesRZ 1988, 101 [102]) führt in diesem Zusammenhang zutreffend aus, dass nur die jeweils letztgereihte Person von einem Minderheitenvertreter ausgebootet werden könne. Wenn stimmberechtigte Aktionärsminderheiten über 34 % der Anteile vorhanden seien, empfehle sich nicht mehr die alphabetische Reihenfolge der Wahlkandidaten, sondern allenfalls eine Reihung nach "Wichtigkeit, Notwendigkeit oder Einfluss" nach der persönlichen Wertung des Mehrheitsaktionärs. Gerade diese Möglichkeit der Reihung, der unter diesem Gesichtspunkt entscheidende Bedeutung zukommt, würde durch den vorliegenden Antrag von der Minderheit in gesetzwidriger Weise in Anspruch genommen.

Soweit die Revisionswerber in der Revision diesen entscheidenden Umstand, dass von einer Minderheit eine alphabetische Abstimmung beantragt wurde, außer Acht lassen, ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Für eine Umdeutung des Antrags der anwaltlich vertretenen Minderheitsaktionäre dahin, dass eine Einzelabstimmung (auch) in einer anderen als in alphabetischer Reihenfolge vorzunehmen sei, besteht keine Veranlassung; auch eine Erörterung der rechtlichen Problematik durch den Vorsitzenden der HV war nicht vorzunehmen, weil es im österreichischen Aktienrecht keine Manuduktionspflicht des Leiters einer HV gibt (zu den Aufgaben des Vorsitzenden der HV siehe Strasser aaO § 108 AktG Rz 14 f).

Der gesetzwidrige Antrag der Aktionärsminderheit war vom Leiter der HV vielmehr richtig nicht zu behandeln.

Die Kläger vertreten weiter die Ansicht, der Umstand, dass eine qualifizierte Minderheit von mehr als einem Drittel des in der HV vertretenen Grundkapitals gegen die vom Mehrheitsaktionär beantragte "en bloc" Abstimmung gestimmt habe, sei einem Verlangen iSd § 87 Abs 1 AktG gleichzuhalten.

Auch diese Rechtsmeinung der Revisionswerber ist nicht zu billigen. Das Erreichen eines bestimmten Quorums bei einer Abstimmung ist nicht einem "Verlangen", wie es § 87 Abs 1 AktG ausdrücklich vorsieht, gleichzuhalten. Das Verlangen muss vielmehr außerhalb des Abstimmungsvorgangs in der HV erklärt werden (vgl in diesem Sinn die hM in Deutschland zur Frage des Verlangens der Einzelentlastung: Eckardt in Geßler/Hefermehl§ 120 AktG Rz 26; Hüffler, AktG5 § 120 Rz 9; ggt Mülbert in Komm4 § 120 AktG Rz 105).

Das Verhalten bei einer Abstimmung über einen Antrag auf "en bloc" Abstimmung kann mit dem Geltendmachen eines Minderheitsrechts auf Einzelabstimmung mit dem Zweck, einen Minderheitsvertreter im Aufsichtsrat zu nominieren, nicht gleichgesetzt werden, weil darin nicht eine Aktivität mit dem Ziel, eine bestimmte Person als Minderheitenvertreter in den Aufsichtsrat zu wählen, erblickt werden kann.

Der Revision gegen die zutreffend begründete Entscheidung des Berufungsgericht ist daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.