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OGH vom 30.06.2010, 7Ob18/10p

OGH vom 30.06.2010, 7Ob18/10p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Karl Heinz K*****, Rechtsanwalt in Villach, als Masseverwalter im Konkurs der G***** G*****, 41 S ***** des Landesgerichts Klagenfurt, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Alexandra Slama, Rechtsanwältin in Klagenfurt, wegen 45.357,34 EUR, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 154/09w 83, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 29 Cg 30/07s 77, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten der Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Rechtsmittelwerber macht nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, weshalb der Rekurs trotz Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen ist (RIS-Justiz RS0102059):

Die Geltendmachung zumindest einer erheblichen Rechtsfrage ist nämlich auch dann entscheidend, wenn die zweite Instanz die Revision, den Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss oder den Revisionsrekurs an sich zutreffend zuließ, der Rechtsmittelwerber dann jedoch nur Gründe geltend macht, deren Erledigung keine erheblichen Rechtsfragen aufwirft; solche Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof sind also nur dann zulässig, wenn darin Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung konkret releviert werden (stRsp; jüngst: 7 Ob 236/09w mwN; RIS-Justiz RS0048272; RS0102059; Zechner in Fasching/Konecny² § 502 ZPO Rz 11 mwN).

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung für zulässig erklärt, dass zur Wiederherstellungsklausel in der Neuwertversicherung in Bezug auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Versicherungsnehmer, der die Liegenschaft ohne Wiederherstellung des versicherten Gebäudes veräußert habe, die Differenz zwischen Neuwert und Zeitwert erlangen könne, neuere gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „zu fehlen scheint“; diese Frage sei nämlich nur in der Entscheidung 1 Ob 118/28 = SZ 10/31 (auf welche sich etwa Grubmann [VersVG 6 (2007), § 97 E 8] beziehe) ausdrücklich behandelt, zu 7 Ob 67/06p hingegen „nicht näher erörtert und vertieft“ worden.

Der Rekurs des Klägers zieht jedoch die Grundsätze dieser Rechtsprechung gar nicht in Zweifel. Das Rechtsmittel führt lediglich aus, die Beklagte habe die Wiederherstellung dadurch unmöglich gemacht, dass sie nicht bereit gewesen sei, ihrer Verpflichtung, dem Versicherungsnehmer gemäß § 1 Abs 1 VersVG den durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachten Vermögensschaden nach Maßgabe des Versicherungsvertrags zu ersetzen, nachzukommen. Die vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen im Zusammenhang mit unterbliebener Wiedererrichtung bzw Veräußerung versicherter Liegenschaften könnten nur dann „angewendet werden“, wenn vom Versicherer alles getan worden sei, um den Wiederaufbau zu ermöglichen und dieser letztlich am Verhalten des Versicherungsnehmers bzw am Verhalten Dritter, nicht aber an jenem der Versicherungsgesellschaft scheitere.

Dem ist Folgendes zu erwidern:

Gegenstand des Rekursverfahrens bildet der aus der Gebäudeversicherung bei der Beklagten geforderte Betrag von (weiteren) 45.357,34 EUR sA, der als Neuwertspanne (= als Differenz zwischen Zeitwert und Wiederherstellungswert) begehrt wird.

Nach Art 6 der anzuwendenden „Klipp Klar Bedingungen für die Einbruchsdiebstahl-, Feuer-, Leitungswasser- und Sturmschadenversicherung (BEFLS)“ erwirbt der Versicherungsnehmer „ den Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung übersteigenden Teils der Entschädigung nur insoweit, als deren Verwendung zur Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung versicherter Sachen innerhalb dreier Jahre nach dem Schadenfall sichergestellt ist “.

Dabei handelt es sich um eine (strenge) Wiederherstellungsklausel, die nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0081840; vgl auch RS0081460) weder eine Wiederherstellungspflicht noch eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers begründet, sondern im Sinn einer Risikoabgrenzung oder Risikobegrenzung an das Vorliegen eines objektiven Tatbestandsmerkmals insofern Rechtsfolgen knüpft, als die Leistung einer den Zeitwert übersteigenden Entschädigung davon abhängig gemacht wird, dass gesichert ist, dass die Entschädigung zur Wiederbeschaffung der zerstörten oder gestohlenen Gegenstände verwendet wird ( Kollhosser in Prölss/Martin VVG 27 Rz 1a).

Die Fälligkeit dieser Differenz ist also bis zur Sicherung der Wiederherstellung aufgeschoben (RIS-Justiz RS0111471; RS0120710; 7 Ob 153/06k mwN). Die „strenge“ Wiederherstellungsklausel lässt den Anspruch durch den Versicherungsfall zunächst nur in Höhe des Zeitwerts entstehen; der Restanspruch auf die „Neuwertspanne“ entsteht erst dadurch, dass die Wiederherstellung durchgeführt oder (fristgerecht) gesichert ist (RIS-Justiz RS0120710).

Die Klausel entspricht der Bestimmung des § 97 VersVG, die eine Auslegungsregel für (Gebäude betreffende) Wiederherstellungsklauseln darstellt ( Kollhosser aaO Rz 1). Nicht erforderlich ist, dass eine Wiederbeschaffung der betreffenden Gegenstände tatsächlich erfolgt. Vielmehr tritt die Fälligkeit der über den Zeitwert hinausgehenden Entschädigung bereits mit der Sicherstellung der Wiederbeschaffung der Gegenstände ein. Schon dadurch wird nämlich eine Bereicherung des Versicherungsnehmers in Form von Bargeld (weitgehend) verhindert und so der Zweck erreicht, das durch die Neuwertversicherung erhöhte subjektive Risiko zu vermindern ( Martin , Sachversicherungsrecht³ R IV 8).

Wann die Verwendung der Entschädigungszahlung zur Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung „gesichert“ ist, entscheidet nach herrschender Meinung Treu und Glauben ( Kollhosser aaO Rz 14 mwN); es hängt diese Frage von den Umständen des Einzelfalls ab. Grundsätzlich kann lediglich gesagt werden, dass eine hundertprozentige Sicherheit nicht verlangt werden kann, sondern es ausreichen muss, wenn angesichts der getroffenen Vorkehrungen keine vernünftigen Zweifel an der Wiederbeschaffung bestehen (RIS-Justiz RS0112327).

All dies entspricht - wie bereits ausgeführt - ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage auf (7 Ob 111/09p; 7 Ob 35/09m).

Entgegen der dargelegten Rechtsprechung macht der Kläger im vorliegenden Fall aber gar nicht geltend, dass die Wiederherstellung fristgemäß erfolgt oder gesichert gewesen sei. Schon mangels eines fälligen Anspruchs auf Neuwertspanne fehlt den Ausführungen (das „herbeigeführte Unmöglichwerden der Wiedererrichtung“ sei ausschließlich der Beklagten anzulasten; diese sei nämlich nicht bereit gewesen, eine Wiederaufbauentschädigung anzubieten) daher die Grundlage; angesichts des unstrittigen Unterbleibens der Wiederherstellung innerhalb der Dreijahresfrist kommt es für das Entstehen des Anspruchs auf Neuwertspanne nämlich auf die rechtzeitige Sicherstellung der Wiederherstellung an. Dazu fehlt aber jedes Vorbringen des Klägers (vgl 7 Ob 111/09p mwN), der insoweit selbst in seinem Rekurs nur ganz allgemein vorträgt, er hätte angeblich „alles unternommen“, um den Wiederaufbau durchzuführen.

Der Kläger geht vielmehr selbst davon aus, die Wiederherstellungspflichten wären bei der Veräußerung der Liegenschaft auf den Käufer zu überbinden gewesen und zielt weiterhin auf die auch vom Berufungsgericht ausdrücklich bejahte Möglichkeit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegenüber der Beklagten ab. Deren weitere Prüfung wurde im Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts aber ohnehin bereits angeordnet, sodass insoweit ebenfalls keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht; in sinngemäßer Anwendung des § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO, der kraft Größenschlusses auch für die Zurückweisung eines von der zweiten Instanz wegen einer erheblichen Rechtsfrage zugelassenen Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss im Berufungsverfahren nach § 519 Abs 2 ZPO gilt, kann sich der Oberste Gerichtshof nämlich ebenfalls auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a ZPO; Kodek in Rechberger ³ § 528a ZPO Rz 1; RIS-Justiz RS0043691; RS0048272; 7 Ob 184/09y; 7 Ob 236/09w; 6 Ob 222/09d).

Auf die Argumente der Rekursbeantwortung gegen die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegenüber der Beklagten ist hingegen - mangels Erhebung eines eigenen Rekurses seitens der Beklagten - nicht einzugehen, weil die umfassende Prüfung die Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage durch den Rekurswerber voraussetzt (7 Ob 236/09w mwN; RIS-Justiz RS0048272).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Wird ein nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erhobener Rekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen, sind die Kosten nicht nach § 52 ZPO vorzubehalten; es findet vielmehr ein Kostenersatz statt, wenn der Rechtsmittelgegner auf diese Unzulässigkeit hinweist (stRsp; RIS-Justiz RS0123222; RS0035976 [T2]; jüngst: 7 Ob 236/09w und 6 Ob 222/09d mwN). Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses des Klägers jedoch nicht hingewiesen (8 ObA 42/09y).