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OGH vom 06.07.2011, 3Ob69/11k

OGH vom 06.07.2011, 3Ob69/11k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1. Adnan M*****, und 2. Sanela M*****, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in Hallein, wider den Verpflichteten Mehmedalija M*****, vertreten durch Mag. Dr. Wolfgang Maurer, Rechtsanwalt in Golling, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 22 R 332/10t-13, womit infolge Rekurses der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Hallein vom , GZ 21 E 4306/09p 4, teilweise bestätigt und aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Vollstreckbarerklärung werden aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung:

Die Betreibenden begehren, das Urteil des Amtsgerichts M***** vom , AZ *****, in Österreich für vollstreckbar zu erklären und ihnen aufgrund dieses Titels die Forderungsexekution nach § 294a EO, sowie die Fahrnisexekution zur Hereinbringung von Unterhaltsrückständen bis einschließlich Februar 2010 und des monatlichen laufenden Unterhalts ab von 150 EUR und 120 EUR sowie der Kosten des Exekutionsantrags zu bewilligen. Dazu legten sie unter anderem eine Kopie einer mit Apostille beglaubigten Ausfertigung des Urteils samt einer Übersetzung in die deutsche Sprache vor. Die Übersetzung ist mit einem in kyrillischer Schrift gestalteten Stempelvermerk ohne Übersetzung versehen. Ihr lässt sich entnehmen, dass das Urteil in Abwesenheit des Verpflichteten (dort Klägers) am verkündet wurde, weiters die Rechtsmittelbelehrung, wonach innerhalb von 30 Tagen ab Zustellung „eine Klage beim Landesgericht B*****“ eingebracht werden könne; es trägt einen mit datierten Vermerk mit dem Wortlaut: „Dieser Beschluss ist rechtskräftig am “ und einen weiteren Vermerk einer Gerichtsdolmetscherin vom zur Bestätigung der Übereinstimmung des Originals mit der Übersetzung. Weiters legten die Betreibenden eine mit Apostille beglaubigte Ausfertigung samt Übersetzung des Vollstreckungsbeschlusses des Amtsgerichts M***** vom , AZ *****, vor, mit dem ihnen die Zwangsvollstreckung aufgrund des genannten Urteils durch das Verbot an den Verpflichteten, über die Hälfte seines in Österreich erzielten Lohns zu verfügen, bewilligt wurde.

Das Erstgericht erklärte das Urteil für vollstreckbar und bewilligte die beantragten Exekutionen.

In seinem Protokollarrekurs machte der Verpflichtete geltend, er habe das Urteil erst im April 2010 erstmals zugestellt erhalten, weshalb es nicht rechtskräftig und vollstreckbar und die entsprechende Bestätigung nicht richtig sein könne. Gegen die Exekutionsbewilligung des Amtsgerichts in M***** habe er Rechtsmittel erhoben, worauf sie das Rechtsmittelgericht aufgehoben habe. Diese Rechtsmittelentscheidung vom legte der Verpflichtete vorerst nur in serbischer Sprache, später jedoch in beglaubigter deutscher Übersetzung vor. Daraus ist zu entnehmen, dass seiner Berufung gegen die Abweisung seines Einspruchs gegen die Exekutionsbewilligung stattgegeben und der Gerichtsakt an das Erstgericht zur Neudurchführung des Verfahrens zurückgestellt wurde.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel des Verpflichteten teilweise Folge und bestätigte die Vollstreckbarerklärung des Titels, während es die Bewilligung der Exekutionen wegen Widersprüchlichkeit zum Zinsenbegehren aufhob und die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwies. Zum bestätigenden Teil der Rekursentscheidung erklärte das Rekursgericht den Revisionsrekurs nachträglich für zulässig, weil zur Frage, ob aufgrund der vom Verpflichteten geltend gemachten Aufhebung des in Bosnien ergangenen Exekutionsbewilligungsbeschlusses die Bestätigung der Rechtskraft des Titels als nicht erbracht anzusehen sei, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung existiere.

Die nach § 79 Abs 2 EO verlangte Verbürgung der Gegenseitigkeit sei im vorliegenden Fall durch das Bundesgesetz vom zur Durchführung des Übereinkommens vom über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland, BGBl 1969/317 idF BGBl 1986/377 (New Yorker Unterhaltsabkommen BGBl 1962/310) geschehen. Der Verpflichtete habe vom Titelverfahren gewusst, da sich aus der Ausfertigung des Exekutionstitels ergebe, dass der Verpflichtete in einem Schriftsatz Stellung genommen habe. Das verfahrenseinleitende Schriftstück müsse dem Rekurswerber schon deshalb bekannt gewesen sein, weil er im Titelverfahren (Scheidungs )Kläger gewesen sei. Der Versagungsgrund nach § 80 Z 2 EO liege somit nicht vor. Dem Vorbringen, das Urteil sei erst im April 2010 zugestellt worden, stehe entgegen, dass dem Exekutionsantrag eine mit Rechtskraftbestätigung versehene Ausfertigung des Unterhaltstitels samt Übersetzung angeschlossen gewesen sei. Die vom Verpflichteten geltend gemachte Aufhebung des inzwischen in Bosnien ergangenen Exekutionsbewilligungsbeschlusses sei nur erfolgt, weil die Zustellung des Exekutionstitels nicht im Exekutionsverfahren, sondern im streitigen Verfahren zu überprüfen und mit der Exekutionsbewilligung solange zuzuwarten sei. Den Nachweis, dass die Bestätigung der Rechtskraft zu Unrecht erteilt worden sei, habe der Verpflichtete daher nicht erbracht.

Gegen die Bestätigung der Vollstreckbarerklärung richtet sich der Revisionsrekurs des Verpflichteten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Abweisung des Antrags, hilfsweise Aufhebung. Er argumentiert im Wesentlichen, das Verfahren vor dem Amtsgericht M***** sei noch anhängig, weshalb der Vollstreckungsbeschluss vom noch einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug iSd § 80 Z 3 EO unterliege. Da sich das Exekutionsbegehren der Betreibenden auf den im Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz am bereits annullierten Beschluss stütze, sei die Vollstreckbarkeit ohne zugrunde liegenden rechtskräftigen Titel erteilt worden. Das Rekursgericht hätte auch erkennen müssen, dass mit Zustellung des Urteils per der Nachweis erbracht worden sei, die Bestätigung der Rechtskraft sei zu Unrecht erteilt worden. Durch die Rechtsmittelentscheidung vom , in der es als erwiesen angesehen worden sei, dass ihm das Urteil noch nicht zugestellt worden sei, habe der Verpflichtete auch den Nachweis erbracht, dass es ihm wegen einer Unregelmäßigkeit des Verfahrens nicht möglich gewesen sei, sich an dem vor dem ausländischen Gericht stattfindenden Verfahren zu beteiligen (§ 81 Z 1 EO) und eine Überprüfung des Urteils durch ein Berufungsverfahren zu erreichen.

In ihrer Revisionsrekursbeantwortung machen die Betreibenden sowohl die Unzulässigkeit des Rechtsmittels als auch die mangelnde inhaltliche Berechtigung geltend.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt , weil es der Klarstellung der rechtlichen Grundlagen für die Prüfung des Antrags auf Vollstreckbarbestätigung und der Wahrnehmung von Mängeln der vorgelegten Urkunden bedarf.

1. Das in den §§ 79 ff EO geregelte Verfahren zur Vollstreckbarerklärung und Anerkennung von Akten und Urkunden, die im Ausland errichtet wurden, ist durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, die aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 86 EO Vorrang genießen, überlagert. Maßgebend sind somit die in diesen zwischenstaatlichen Vereinbarungen festgelegten Anerkennungs- und Versagungsgründe (RIS Justiz RS0121017).

Auf den vorliegenden Exekutionstitel aus Bosnien und Herzegowina (das Urteil des Amtsgerichts M***** vom ) findet kraft völkerrechtlichen Kontinuitätsprinzips weiter das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltstiteln (BGBl 1962/310) Anwendung ( Nademleinsky/Neumayr , IFR Rz 10.45 Anm 103 mwN).

Dieses sieht die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen über Unterhaltsansprüche in Geld aufgrund familienrechtlicher Beziehungen vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (Art 1 Abs 2): a) die Entscheidung muss von einem gemäß Art 2 zuständigen Gericht stammen (was hier keinen Streitpunkt darstellt); b) die Entscheidung muss nach dem Recht des Staats, in dem sie gefällt wurde, rechtskräftig und vollstreckbar sein; c) im Falle einer Versäumnisentscheidung muss die Ladung oder Verfügung, durch die das Verfahren eingeleitet wurde, der unterlegenen Partei ordnungsgemäß und rechtzeitig zugestellt worden sein.

Nach Art 3 ist die Anerkennung oder Vollstreckung jedoch zu versagen, a) wenn die Entscheidung, ihre Anerkennung oder ihre Vollstreckung gegen die öffentliche Ordnung des Staats verstößt, in dem die Anerkennung oder Vollstreckung begehrt wird, oder b) wenn die Entscheidung in einem Verfahren ergangen ist, in dem der Beklagte oder Antragsgegner ausschließlich durch einen Abwesenheitskurator vertreten war, oder c) wenn der Entscheidung in dem Vertragschließenden Staat, in dem sie anerkannt oder vollstreckt werden soll, eine in derselben Sache gefällte rechtskräftige und vollstreckbare Entscheidung entgegensteht.

Schließlich verlangt Art 6, dass der Antragsteller ua vorzulegen hat: eine mit der amtlichen Unterschrift und dem Amtssiegel versehene Ausfertigung der Entscheidung mit einer Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit der Entscheidung (Z 1), bei Versäumnisentscheidungen eine Bestätigung des Gerichts über den Zeitpunkt und die Art der Zustellung der Ladung (Z 3) und Übersetzungen sämtlicher Geschäftsstücke in eine der Amtssprachen des Vertragschließenden Staats, bei dessen Gericht der Antrag eingebracht wird; die Richtigkeit der Übersetzungen muss von einem Dolmetsch, der in einem der beiden Vertragschließenden Staaten amtlich bestellt ist, bestätigt sein; eine Beglaubigung der Unterschrift des Dolmetschers ist nicht erforderlich (Z 4).

2. Das vom Rekursgericht angewendete Auslandsunterhaltsgesetz (Bundesgesetz vom , BGBl 1969/317 zur Durchführung des Übereinkommens idF BGBl 1986/377) soll die Durchsetzung von Unterhaltstiteln im Verhältnis zu den Staaten erleichtern, die weder das UN Übereinkommen vom über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland BGBl 1969/316 noch das Haager Übereinkommen vom über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern BGBl 1961/294 ratifiziert haben und zu denen anders als vorliegend auch kein bilateraler Unterhaltsvollstreckungsvertrag in Geltung steht ( Jakusch/Schütz in Angst ² § 80 Rz 3). Es hat daher für den hier zu beurteilenden Antrag auf Vollstreckbarerklärung in Verbindung mit dem Antrag auf Exekutionsbewilligung außer Betracht zu bleiben.

3. Die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung sind von Amts wegen zu prüfen (RIS Justiz RS0114024 [T3]).

Die Betreibenden haben als Exekutionstitel nicht das Original einer Ausfertigung des Urteils des Amtsgerichts M***** vom vorgelegt, sondern nur eine auch die Apostille und einen in kyrillischer Schrift gehaltenen Stempelaufdruck umfassende Kopie davon. Das Ausreichen einer bloßen Kopie des Exekutionstitels ist aber im Unterhaltsvollstreckungsvertrag nicht vorgesehen, weshalb von der Notwendigkeit der Vorlage einer Originalausfertigung und vom Fehlen des erforderlichen ordnungsgemäßen urkundlichen Nachweises des für vollstreckbar zu erklärenden Titels auszugehen ist. Daran vermag auch die vorgelegte Übersetzung des Exekutionstitels nichts zu ändern, die zwar eine Bestätigung enthält, dass die Übersetzung mit „dem Original“ übereinstimmt; da eine (wenn auch nicht geforderte) Verbindung von Übersetzung und „Original“ unterblieben ist, lag dem Erstgericht dennoch nur eine unbeglaubigte Kopie des Exekutionstitels vor.

Ein Exekutionsantrag ist, wenn ihm das gesetzlich vorgeschriebene Vorbringen fehlt oder ihm nicht alle erforderlichen Urkunden angeschlossen sind, gemäß § 54 Abs 3 EO zur Verbesserung zurückzustellen. Das gilt gemäß § 83 Abs 2 EO auch für das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung. Die unterbliebene Vorlage des Originals einer Ausfertigung des Exekutionstitels stellt ein verbesserbares Formgebrechen dar, das einer meritorischen Erörterung und Erledigung der Anträge der betreibenden Partei entgegensteht (3 Ob 76/98t; 3 Ob 347/99x; vgl 3 Ob 75/01b; vgl RIS Justiz RS0117942; vgl RIS Justiz RS0000184).

Das Erstgericht wird daher die Betreibenden im fortgesetzten Verfahren zur Verbesserung dieses Formgebrechens aufzufordern haben.

4. Für das fortgesetzte Verfahren sei auch noch auf Folgendes hingewiesen:

4.1. Das den Exekutionstitel bildende Urteil wurde nach seinem Inhalt am in Abwesenheit des Verpflichteten verkündet und enthält die sinngemäße Rechtsmittelbelehrung, dass es innerhalb von 30 Tagen ab Zustellung bekämpft werden kann. Die Rechtskraftbestätigung vom weist den Eintritt der Rechtskraft am nach, also am 30. Tag nach Verkündung.

Eine Zustellung des Urteils an den Verpflichteten noch am erscheint wenig wahrscheinlich, kann aber ungeachtet dessen gegenteiliger Behauptungen auch nicht ausgeschlossen werden. Die Rechtskraft des Urteils könnte am dennoch nur dann eingetreten sein, wenn der Tag der Zustellung (anders als dies in § 125 ZPO vorgesehen ist) nach den Prozessgesetzen in Bosnien und Herzegowina bei der Fristberechnung einzurechnen sein sollte. Das würde ebenso gelten, wenn eine Verkündung des Urteils trotz Abwesenheit des Verpflichteten eine Zustellung ersetzen sollte. Andernfalls, also wenn der erste Tag der 30 tägigen Frist auf den fallen sollte, könnte die Rechtskraft erst mit Ablauf des eingetreten sein.

Der Richtigkeit der Rechtskraftbestätigung vom begegnen daher nach dem Inhalt des Exekutionstitels Bedenken, die die Betreibenden im Rahmen der Vorlage des Originals der Ausfertigung des Exekutionstitels mit einer Rechtskraft und Vollstreckbarkeitsbestätigung samt Übersetzung im Sinn von Art 6 Z 1 und 4 des Unterhaltsvollstreckungsvertrags auszuräumen haben werden. Andernfalls (vgl RIS Justiz RS0000184 [T1]) fehlt es auch an der ebenso erforderlichen Bestätigung der Vollstreckbarkeit.

4.2. Der Vollstreckungsbeschluss des Amtsgerichts M***** vom stellt entgegen der Ansicht der Betreibenden nach den Bestimmungen des Unterhaltsvollstreckungsvertrags weder eine Grundlage für die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung noch über den Exekutionsbewilligungsantrag dar. In Übereinstimmung mit der Aktenlage weist er auch gar keine Rechtskraftbestätigung auf, da eine neuerliche Entscheidung über den Einspruch des Verpflichteten nicht aktenkundig ist.

Der in diesem Zusammenhang ergangenen Rechtsmittelentscheidung des Kreisgerichts in B***** vom , die nur die Entscheidung vom über den Einspruch des Verpflichteten gegen den Vollstreckungsbeschluss behob, nicht jedoch den Vollstreckungsbeschluss vom , lässt sich im Widerspruch zur Ansicht des Verpflichteten nicht entnehmen, dass sie eine unterbliebene Zustellung des Exekutionstitels an den Verpflichteten als erwiesen ansieht. Dem Erstgericht wurde zwar die Zustellung ua des Exekutionstitels an den Verpflichteten aufgetragen, im Übrigen aber nur die einzuhaltende Vorgangsweise dargestellt, ohne zur Frage der vom Verpflichteten bestrittenen Zustellung inhaltlich Stellung zu nehmen.

5. Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 78 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.