OGH 30.04.2002, 1Ob79/02b
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Sebastian S*****, geboren am *****, und des mj. Hannes S*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Dr. Harald R*****, vertreten durch Dr. Matthias Bacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom , GZ 20 R 207/01h-85, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom , GZ 1 P 131/00w-81, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom , 6 Ob 262/01z, § 12a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idF BGBl 1977/646, als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.
Text
Begründung:
Mit Beschluss vom (ON 46) wurde der Vater ab zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 7.500 für seinen Sohn Sebastian und von S 5.500 für seinen Sohn Hannes verpflichtet. In der Folge beantragte er die Herabsetzung dieser Unterhaltsverpflichtung auf S 6.025 bzw S 4.650 monatlich. Die Mutter hingegen begehrte die Erhöhung des vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhalts auf je S 8.325. Der Vater begründete sein Herabsetzungsbegehren im Wesentlichen damit, dass nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom , B 1285/00, zumindest die Hälfte des geschuldeten Unterhalts steuerlich zu berücksichtigen sei, und dies nur durch eine Kürzung der vom Geldunterhaltspflichtigen zu leistenden Unterhaltszahlungen erfolgen könne.
Das Erstgericht erhöhte den vom Vater ab zu leistenden monatlichen Unterhalt auf S 7.900 je Kind und wies das Mehrbegehren der Mutter ab. Unter anderem führte es aus, dass die ordentliche Gerichte an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht gebunden seien und sich die Rechtslage durch das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs nicht geändert habe.
Das Rekursgericht bestätigte diese - nur vom Vater angefochtene - Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Auch das Rekursgericht erachtete sich im Rahmen einer Unterhaltsfestsetzung nicht an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs gebunden, zumal dessen Ansicht dem klaren Gesetzeswortlaut des § 12a FamLAG widerspreche. Die Familienbeihilfe solle nach dem Willen des Gesetzgebers zur Gänze dem Haushalt zukommen, in dem das Kind betreut werde, sie dürfe nicht auf die Unterhaltspflicht des geldunterhaltspflichtigen Elternteils angerechnet werden.
Gegen diesen Beschluss erhob der Vater Revisionsrekurs mit dem Antrag, ihn nur zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 6.275 bzw S 6.450 zu verpflichten. Die Unterhaltspflicht müsse nämlich auf Grund des bereits zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs zum Ausgleich der überhöhten Steuerbelastung des Vaters reduziert werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom , 6 Ob 262/01z, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 B-VG) beantragt, § 12a FamLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben. Diesem Antrag sind weitere Anträge gefolgt, sodass schon derzeit zahlreiche Verfahren beim Verfassungsgerichtshof anhängig sind. Es ist anzunehmen, dass sich die Frage der Verfassungsgemäßheit des § 12a FamLAG noch in vielen Verfahren stellen wird, weil sich die in dieser Bestimmung verfügte Nichtberücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung des Geldunterhalts auswirkt. Nun hat der Verfassungsgerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen gemäß Art 140 Abs 7 zweiter Satz B-VG ausgesprochen, dass eine angefochtene und von ihm aufgehobene Gesetzesbestimmung nicht mehr anzuwenden sei (siehe ua ). Es wäre eine unsachliche Verschiedenbehandlung, würde der Verfassungsgerichtshof im Falle der Aufhebung des § 12a FamLAG nicht aussprechen, dass sich die Anlassfallwirkung auch auf die rechtlich gleich gelagerten, bei den anfechtungsberechtigten Zivilgerichten anhängigen Rechtsmittelverfahren erstrecke. Ist aber von einer solchen Erstreckung der Anlassfallwirkung - die der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , G 7/02-6, sogar ausdrücklich "in Aussicht genommen" hat - auszugehen, dann sind die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell, weil nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs eine Berücksichtigung der Familienbeihilfe im Rahmen der Unterhaltsfestsetzung an § 12a FamLAG scheitern muss (6 Ob 262/01z) und eine Unterhaltsbemessung im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom , B 1285/00, nur nach Aufhebung dieser Norm möglich erscheint.
Gemäß § 190 Abs 1 ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist, oder welches in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine derartige Unterbrechungsmöglichkeit ist weder bei einem vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahren noch für das Außerstreitverfahren vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist durch analoge Anwendung des § 190 ZPO zu schließen, weil diese Bestimmung die Verhinderung widersprechender Entscheidungen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung bezweckt.
Das Verfahren über den Revisionsrekurs des Vaters ist daher bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Anfechtung des § 12a FamLAG zu unterbrechen. Die Fortsetzung des Verfahrens erfolgt von Amts wegen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Sebastian S*****, geboren am *****, und des mj Hannes S*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des Vaters Dr. Harald R*****, vertreten durch Dr. Matthias Bacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom , GZ 20 R 207/01h-85, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom , GZ 1 P 131/00w-81, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt wie folgt lautet:
"1. Der Vater ist schuldig, zum Unterhalt seiner Kinder in Abänderung der ihm mit Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom , GZ 3 P 1/99d-46, auferlegten Unterhaltsverpflichtung an monatlichen Unterhaltsbeträgen für den mj Sebastian ab und für den mj. Hannes ab je 491,15 EUR (= 6.757,50 S) zu zahlen.
2. Das Begehren der durch ihre Mutter Dr. Andrea S*****, diese vertreten durch Dr. Monika Linder, Rechtsanwältin in Wien, vertretenen Kinder auf Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 605 EUR (= 8.325 S) je Kind ab wird, soweit es über diesen Zuspruch hinausgeht, ebenso abgewiesen wie das über die verfügte Unterhaltsherabsetzung hinausgehende Mehrbegehren des Vaters.
Text
Begründung:
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom wurde der Vater unter anderem verpflichtet, ab für den Unterhalt des mj Sebastian einen Betrag von monatlich S 7.500 und zum Unterhalt des mj Hannes einen solchen von S 5.500 zu zahlen.
Der Vater beantragte die Herabsetzung der von ihm zu erbringenden Unterhaltsleistungen ab auf monatlich S 6.025 (Sebastian) bzw S 4.650 (Hannes). Er begründete diesen Antrag im Wesentlichen damit, dass nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom zumindest die Hälfte des von ihm geschuldeten Unterhalts durch Anrechnung der "Transferleistungen" steuerlich zu berücksichtigen sei.
Die Kinder wendeten ein, die Rechtslage habe sich nicht geändert, und beantragten ihrerseits die Erhöhung der vom Vater zu erbringenden monatlichen Unterhaltszahlungen ab auf S 8.325 je Kind. Der Bedarf des mj Hannes sei gestiegen; das monatliche Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters betrage S 80.000. Der Vater gestand sein von den Kindern behauptetes Nettoeinkommen als richtig zu, verwies jedoch abermals darauf, dass nach dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs die ihm auferlegten Unterhaltsverpflichtungen zu kürzen seien.
Das Erstgericht erhöhte die vom Vater zu erbringenden monatlichen Unterhaltsleistungen für beide Kinder ab auf S 7.900 und wies deren Erhöhungsmehrbegehren sowie das Herabsetzungsbegehren des Vaters ab. Die Kinder befänden sich in alleiniger Pflege und Erziehung der Mutter; der Vater sei für ein weiteres, 1983 geborenes Kind sorgepflichtig. Als praktischer Arzt erziele er ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von zumindest S 80.000. Die "ordentlichen Gerichte" seien an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht gebunden; die maßgebliche Rechtslage habe sich nicht geändert, eine wesentliche Änderung der Verhältnisse sei - außer dass Hannes nunmehr das 6. Lebensjahr bereits vollendet habe - nicht eingetreten. Die Kinder sollten an den guten Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen angemessen teilhaben, eine Überalimentierung sei indes zu vermeiden.
Die Kinder ließen die Abweisung ihres Erhöhungsmehrbegehrens unangefochten. Der Vater hingegen beantragte die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung dahin, dass die monatlichen Unterhaltsleistungen an Sebastian ab mit S 6.275 und an Hannes ab mit S 6.450 festgelegt werden. Das Rekursgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die (ordentlichen) Gerichte seien an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht gebunden. Dessen Ansicht widerspreche dem klaren Gesetzeswortlaut des § 12a FamLAG. Die Familienbeihilfe gelte nicht als eigenes Einkommen der Kinder und mindere nicht deren Unterhaltsanspruch; sie solle nach dem Willen des Gesetzgebers zur Gänze dem Haushalt zukommen, in dem das Kind betreut wird.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Vaters, der eine Entscheidung im Sinne seines Rekursantrags begehrt, ist teilweise berechtigt.
Bereits im Erkenntnis vom vertrat der Verfassungsgerichtshof die Ansicht, die steuerliche Entlastung der Unterhaltsleistungen an nicht haushaltszugehörige Kinder sei durch Anrechnung eines Teils der Transferleistungen (Unterhaltsabsetzbetrag, Kinderabsetzbetrag, aber auch Familienbeihilfe) auf den Unterhalt verfassungsrechtlich geboten (AZ B 1285/00).
In der Folge stellte der Oberste Gerichtshof an den Verfassungsgerichtshof - aus Anlass anhängiger Revisionsrekurse - neben anderen Gerichten den Antrag, § 12a FamLAG 1967 idF BGBl 1977/646 als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit Erkenntnis vom , AZ G 7/02 ua, hob der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die im § 12a FamLAG enthaltene Wortfolge "und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" als verfassungswidrig auf. Er sprach aus, dass die aufgehobene Wortfolge nicht mehr anzuwenden sei und dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit träten. In Anlehnung an das schon zuvor zitierte Erkenntnis vom führte dieser Gerichtshof aus, nicht nur der Unterhaltsabsetzbetrag und der Kinderabsetzbetrag, sondern auch die Familienbeihilfe müssten der steuerlichen Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils dienen. Da der Gesetzgeber die indirekte steuerliche Entlastung der Geldunterhaltsschuldner spätestens seit dem Budgetbegleitgesetz 1998 BGBl I 1998/79 über "(erhöhte) Transferleistungen" bevorzuge, habe er in Kauf genommen, dass Teile davon in bestimmten Situationen und in unterschiedlicher Höhe nun nicht mehr für die Kinder bestimmt seien, sondern der steuerlichen Entlastung der Unterhaltspflichtigen dienten. Deshalb gehe diese auch nicht "auf Kosten der Kinder", weil die (erhöhten) Transferleistungen angesichts einer solcherart konzipierten steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsmehrbelastungen in diesem Umfang von vornherein nicht für die Kinder "gedacht" seien. Dabei wird allerdings verkannt, dass die an sich durchaus erwünschte steuerliche Entlastung von Geldunterhaltsschuldnern mit höherem Einkommen bei dem vom VfGH angestellten Berechnungsmodell allein deren Kinder zu tragen haben, ist doch danach jener Teil der Transferleistungen, die als solche gerade kein Einkommen der Kinder sind (dieser Teil der Bestimmung wurde vom VfGH gerade nicht aufgehoben!) und ihnen somit auch gar nicht zufließen, aber nichtsdestoweniger den Geldunterhaltsschuldner steuerlich entlasten sollen, vom Geldunterhalt für die Kinder, der nach deren Bedürfnissen, aber auch nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Schuldners zu bemessen ist, abzuziehen. Bezeichnenderweise versteht der VfGH "das Anliegen der antragstellenden Gerichte" auch so, dass diese keineswegs die "Kürzung des Unterhaltsanspruchs" gleich um die volle Familienbeihilfe, sondern lediglich die verfassungsrechtlich gebotene Anrechnung der Transferleistungen auf den Unterhalt, der ihrer Auffassung nach der Wortlaut des § 12a FamLAG entgegenstehe, anstrebten. Die deshalb aufzuhebende Wortfolge im § 12a FamLAG verhindere, "dass die Familienbeihilfe auch insoweit, als sie zur Abgeltung steuerlicher Mehrbelastungen von Unterhaltspflichtigen bestimmt" sei, "demjenigen zugute" komme, "der diese Unterhaltsbelastung tatsächlich" trage, "obwohl die Berücksichtigung auch bei ihm verfassungsrechtlich geboten" sei. Das erfordere insoweit die "Anrechnung auf die Geldunterhaltsverpflichtung des nicht haushaltszugehörigen Elternteils", im Ergebnis also allein zu Lasten des Geldunterhalts der Kinder, weil die Familienbeihilfe eben nicht den Kindern, sondern dem betreuenden Elternteil zufließt. Die gebotene steuerliche Entlastung verkürzt somit den nach der Leistungsfähigkeit der Unterhaltsschuldner und dem Bedarf der Kinder bemessenen Geldunterhalt, sodass diese Entlastung die Kinder tragen müssen, es sei denn, die betreuenden Elternteile wenden ihnen aus der Familienbeihilfe jenen Anteil zu, um den deren Geldunterhalt gekürzt wird.
Trotz dieser Erwägungen muss der - wie bisher - nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten zu bemessende Geldunterhalt nach Aufhebung der erwähnten Wortfolge in § 12a FamLAG zur verfassungsrechtlich gebotenen steuerlichen Entlastung von Unterhaltsschuldnern bei getrennter Haushaltsführung in verfassungskonformer Auslegung des § 140 ABGB - namentlich dessen Abs 2 zweiter Satz zweiter Fall - um jenen Teil des Kinderabsetzbetrages oder um diesen und jenen Teil der Familienbeihilfe, der zur steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen bestimmt ist, gekürzt werden (so im Ergebnis schon 4 Ob 46/02x; 4 Ob 52/02d).
Im Sinne dieses verfassungskonformen Verständnisses ist die Hälfte des vom Geldunterhaltspflichtigen bezahlten Unterhalts steuerlich zu entlasten. Der jeweils maßgebliche Grenzsteuersatz (50 %, 41 % bzw 31 %) ist pauschal abzusenken, weil ein Geldunterhaltspflichtiger typischerweise auch steuerlich begünstigte oder steuerfreie Einkünfte bezieht und auch diese begünstigten Einkünfte für die Unterhaltszahlungen verwenden kann. Auf die individuellen Verhältnisse muss nicht eingegangen werden. Da mit der Weiterverrechnung eines Teils der Transferleistungen eine steuerliche Entlastung verbunden ist, erhöht sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners und damit auch dessen Unterhaltspflicht (Zorn, Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, in SWK 2001, S. 799 [803 f]). Deshalb erscheint es sachgerecht, den Grenzsteuersatz von 50 auf 40 %, jenen von 41 auf 33 % und schließlich den Grenzsteuersatz von 31 auf 25 % abzusenken (so Gitschthaler, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kindesunterhaltsansprüche, in JBl 2003 [in Druck]). Für die lineare Fortschreibung der vom VfGH für den Grenzsteuersatz von 50 % vorgezeichneten Absenkung spricht die damit nachvollziehbare Berechnung, aber auch, dass für die Anwendung anderer Sätze überzeugende Argumente fehlen. So kann Zorn (aaO 803 f) seinen Vorschlag, die jeweiligen Grenzsteuersätze auf 40 %, 34 bzw 28 % abzusenken, nur (unzureichend) damit begründen, dass ihm die zur Absenkung führenden Erwägungen (niedrigerer Steuersatz für bestimmte Einkunftsarten und Steigerung der Leistungsfähigkeit durch die steuerliche Entlastung) durch die von ihm vorgeschlagenen Prozentsätze hinreichend berücksichtigt erschienen. Die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Entlastung des Unterhaltsschuldners ist demnach nach folgendem Schema zu ermitteln:
Zuerst ist der dem Unterhaltsberechtigten gebührende Unterhalt - wie bisher - nach rein unterhaltsrechtlichen Kriterien zu ermitteln. Danach bedarf es der Feststellung des Brutto-Jahreseinkommens des Geldunterhaltspflichtigen - ohne Einbeziehung allfälliger Sonderzahlungen (Urlaubs- und/oder Weihnachtsgeld) zur Ermittlung des anzuwendenden Grenzsteuersatzes. Liegt das Bruttojahreseinkommen über
50.870 EUR (oder 700.000 S), so ist der auf 40 % abgesenkte Grenzsteuersatz von 50 % anzuwenden; liegt das Einkommen im Bereich zwischen 21.800 EUR (oder 300.000 S) und 50.870 EUR, so ist der auf 33 % abgesenkte Grenzsteuersatz von 41 % maßgeblich; schließlich ist der auf 25 % abgesenkte Grenzsteuersatz von 31 % zu berücksichtigen, wenn das Bruttojahreseinkommen des Unterhaltspflichtigen zwischen
7.270 EUR (oder 100.000 S) und 21.800 EUR liegt. Es ist also der halbe Unterhalt - je nach Einkommenshöhe - mit 40, 33 oder 25 % bzw der gesamte Unterhalt mit 20, 16,5 oder 12,5 % steuerlich zu entlasten. Diese Entlastung erfolgt zum Teil durch Anrechung des dem geldunterhaltspflichtigen Elternteil ohnehin selbst zukommenden Unterhaltsabsetzbetrags gemäß § 33 Abs 4 Z 3 lit b EStG und - sofern dieser Unterhaltsabsetzbetrag dazu nicht ausreicht - durch die Einbeziehung der Transferleistungen, die dem das Kind betreuenden Elternteil zukommen, also des Kinderabsetzbetrags gemäß § 33 Abs 4 Z 3 lit a bzw c EStG und der Familienbeihilfe in die Entlastungsrechnung, sodass der vom Unterhaltspflichtigen geschuldete Unterhaltsbetrag entsprechend zu kürzen ist.
Während der Unterhaltsabsetzbetrag und der Kinderabsetzbetrag unbestrittenermaßen in die steuerliche Entlastung des Unterhaltsschuldners einbezogen werden sollen, wurde das für die Familienbeihilfe erst durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom klargestellt. Bei verfassungskonformer Auslegung der hiefür maßgeblichen Rechtslage ist der der Einbeziehung der Familienbeihilfe in die erörterte Entlastungsrechnung entsprechende Teil des Unterhaltsbetrags in dem Ausmaß zur steuerlichen Entlastung des Geldunterhaltspflichtigen heranzuziehen, als dies zur Abgeltung dessen steuerlicher Mehrbelastung notwendig ist.
Die Familienbeihilfe ist nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung ihrem Wesen nach als Betreuungshilfe, die die Pflege und Erziehung des Kindes erleichtern und die mit der Betreuung verbundenen Mehrbelastungen zumindest zum Teil ausgleichen soll, gedacht. Soweit der Gesetzgeber die steuerliche Mehrbelastung eines Unterhaltspflichtigen durch (erhöhte) Transferleistungen kompensierte, nahm er damit in Kauf, dass diese Transferleistungen in bestimmten Situationen und in unterschiedlicher Höhe nicht (nur) für die Abgeltung der Betreuungsleistungen bestimmt, sondern zum Teil auch Messgrößen für die steuerliche Entlastung des Unterhaltspflichtigen sind: Der Auffassung des VfGH (im Erkenntnis vom ), der Gesetzgeber habe sich somit dafür entschieden, dass die Familienbeihilfe sowohl zur Familienförderung wie auch als Instrument steuerlicher Entlastung einzusetzen sei, kann nur mit dieser Maßgabe beigepflichtet werden. Bei fortschreitendem Alter der Kinder kommt es angesichts der deshalb höheren oder gar hohen Unterhaltsbeträge zu einer weitgehenden, derzeit aber jedenfalls nicht gänzlichen Anrechnung der Familienbeihilfe zwecks steuerlicher Entlastung auf den Unterhalt durch dessen dieser Anrechnung entsprechenden Kürzung.
Nach den Erwägungen im verfassungsgerichtlichen Erkenntnis AZ B 1285/00 ist der gesamte Unterhaltsbetrag höchstens mit 20 % steuerlich zu entlasten. Der Unterhaltsanspruch von Kindern wird nach der Rechtsprechung bei überdurchschnittlichem Einkommen des Unterhaltspflichtigen mit dem Zwei- bis Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs begrenzt (Schwimann in Schwimann, ABGB² § 140 Rz 26 mwN).
Selbst dann, wenn die Unterhaltsleistung nach unterhaltsrechtlichen Kriterien mit dem Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs eines über 19 Jahre alten Unterhaltsberechtigten bemessen wird, erreicht die zur steuerlichen Entlastung des Unterhaltsverpflichteten erforderliche Kürzung des Unterhaltsbetrags die Familienbeihilfe nicht zur Gänze:
Der Regelbedarf in dieser Altersgruppe (für den Zeitraum vom bis ) wird mit 426 EUR angenommen (ÖA 2001, 279); das Zweieinhalbfache dieses Regelbedarfs ergibt 1.065 EUR, woraus sich eine notwendige steuerliche Entlastung von 213 EUR (= 20 % des gesamten Unterhaltsbetrags) errechnen lässt. Für diese stehen der Unterhaltsabsetzbetrag von zumindest 25,50 (§ 33 Abs 4 Z 3 lit b EStG), der Kinderabsetzbetrag von 50,90 EUR (§ 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG) und die Familienbeihilfe von derzeit 145,40 EUR (§ 8 Abs 2 FamLAG), insgesamt somit ein Betrag von 221,80 EUR als Bemessungsgrößen für die erforderliche Unterhaltskürzung zur Verfügung, sodass selbst in diesem Grenzfall dem betreuenden Elternteil, sofern er die ihm ungekürzt zufließende Familienbeihilfe im Ausmaß der Unterhaltskürzung dem Kind zukommen lässt, noch ein - wenngleich sehr geringer - Betrag (8,80 EUR) aus der Familienbeihilfe übrig bliebe. Bei Kindern geringeren Alters und damit auch mit geringerem Regelbedarf bliebe in solchen Fällen dem betreuenden Elternteil ein wesentlich größerer Anteil an der Familienbeihilfe und in vielen Fällen auch zumindest ein Teil des Kinderabsetzbetrags. Ob in Fällen besonders massiver Unterhaltskürzung ein "Entlastungsstopp" - also eine Höchstgrenze für die Entlastung - einzuziehen ist, muss im vorliegenden Fall, der einen solchen Grenzfall nicht zum Gegenstand hat, nicht näher geprüft werden.
Soweit im Schrifttum die Forderung erhoben wird, der den Naturalunterhalt reichende Elternteil sei steuerlich gleichfalls zu entlasten (Holzner, Familienbeihilfe und Unterhalt, in ÖJZ 2002, 444 [450]), ist dem entgegenzuhalten, dass der vom betreuenden Elternteil gereichte Naturalunterhalt - in der Regel - aus dem vom Geldunterhaltspflichtigen geleisteten Geldunterhalt finanziert wird. Auf den vorliegenden Fall bezogen ist daher folgende Berechnung anzustellen:
Der Vater bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von 5.813,83 EUR (= 80.000 S). Damit übersteigt sein Jahresbruttoeinkommen den Betrag von
50.870 EUR (oder 700.000 S) jedenfalls in einem Ausmaß, dass die hier zu bemessenden Unterhaltsleistungen zur Gänze in dem den Betrag von
50.870 EUR übersteigenden Einkommen Deckung finden, sodass ausschließlich der Grenzsteuersatz von 50 % (§ 33 Abs 1 EStG) anzuwenden und dieser - im Sinne der vorstehenden Ausführungen - für Zwecke der steuerlichen Entlastung auf 40 % abzusenken ist. Bei der Bemessung des Unterhalts für die beiden Kinder mit je 7.900 S (= 574,12 EUR) monatlich ab haben sich die Vorinstanzen am Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs orientiert, den sich rechnerisch ergebenden Betrag aber aus pädagogischen Gründen und zur Verhinderung einer Überalimentierung sogar unterschritten. Die - nach unterhaltsrechtlichen Kriterien beurteilte - Leistungsfähigkeit des Vaters (12.000 S oder 872,07 EUR monatlich je Kind) wurde somit nicht ausgeschöpft. Wenngleich der Vater deshalb einen geringeren Unterhalt leisten müsste, als er bei dessen Bemessung allein nach der "Prozentwertmethode" zu bestreiten hätte, sind dennoch die Transferleistungen für die Entlastungsrechnung heranzuziehen:
Maßgeblich ist dafür allein der gegenüber dem Unterhaltspflichtigen bestehende Anspruch des Kindes. Dieser wurde von den Vorinstanzen mit 574,12 EUR monatlich je Kind ermittelt, sodass angesichts dieser Bemessung ein darüber hinausgehender Anspruch der Kinder zu verneinen ist; die vom Vater zu erbringende Unterhaltsleistung ist aber steuerlich auch dann zu entlasten, wenn seine allein nach unterhaltsrechtlichen Kriterien zu ermittelnde Leistungsfähigkeit nicht zur Gänze ausgeschöpft wurde.
Im vorliegenden Fall sind 20 % des vom Vater jedem seiner beiden
Kinder zu leistenden Gesamtunterhalts von 7.900 S (= 574,12 EUR)
steuerlich zu entlasten, sodass ein Anteil von 1.580 S (= 114,82 EUR)
einer solchen Entlastung zugeführt werden muss. Darauf sind vorweg die dem Vater zugekommenen Unterhaltsabsetzbeträge von 25,50 EUR (oder 350 S) und 38,20 EUR (oder 525 S) - insgesamt daher 63,70 EUR (oder 875 S) und damit je Kind 31,85 EUR (oder 437,50 S) - anzurechnen, was einen restlichen Betrag von 1.142,50 S (oder 82,97 EUR) ergibt, der zur steuerlichen Entlastung von dem nach rein unterhaltsrechtlichen Kriterien ermittelten Kindesunterhalt abzuziehen ist. Diese Beträge sind durch die nach wie vor zur Gänze der Mutter zufließenden Transferleistungen, und zwar den Kinderabsetzbetrag von 475 S (= 34,52 EUR) für das Jahr 1999 und von
700 S (= 50,90 EUR) ab bzw die Familienbeihilfe von
zumindest 103,56 EUR (= 1.425 S) je Kind gedeckt.
Die steuerliche Entlastung des Vaters durch Kürzung des Unterhaltsbetrags wegen der Auszahlung der Familienbeihilfe an die Mutter ist zufolge Art 140 Abs 7 B-VG nicht erst durch die (teilweise) Aufhebung des § 12a FamLAG durch den VfGH möglich geworden, sprach der Gerichtshof doch in diesem Erkenntnis vom aus, die "Zivilgerichte" seien schon nach seinem Erkenntnis vom (B 1285/00) berechtigt gewesen, die Familienbeihilfe bei der Kürzung der Unterhaltsverpflichtung des Geldunterhaltspflichtigen im verfassungsrechtlich gebotenen Ausmaß zu berücksichtigen. Deshalb habe er davon abgesehen, eine Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Wortfolge zu bestimmen, sodass diese nicht mehr anzuwenden sei.
Damit sind die ab bzw ab zu zahlenden Unterhaltsbeträge um den gesamten Entlastungsbetrag von 82,97 EUR, demnach von 574,12 EUR auf 491,15 EUR zu kürzen.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2002:0010OB00079.02B.0430.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAD-65171