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OGH vom 18.09.1991, 3Ob526/91

OGH vom 18.09.1991, 3Ob526/91

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Klinger, Dr.Egermann und Dr.Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard H*****, vertreten durch Dr.Karl J.Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Mag.Angelika Jutta B*****, und 2) Ulrike L*****, beide vertreten durch Dr.Hans Litschauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 176.770 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 41 R 455/90-65, womit infolge Berufung der klagenden und der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom , GZ 4 C 14/87m-57, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Am schloß die Gesamtrechtsvorgängerin der beklagten Parteien, vertreten durch einen mit uneingeschränkter Verwaltervollmacht ausgestatteten Gebäudeverwalter, mit der klagenden Partei einen Mietvertrag über zwei Objekte ihres Hauses ab, wobei der Mietgegenstand als Wohnung bezeichnet war.

Der Vormieter hatte die beiden früher nur als Magazine genehmigten Objekte zusammengelegt und zu einer Wohnung umgestaltet, wofür aber keine Benützungsbewilligung vorlag.

In Ausübung des vereinbarten Weitergaberechtes hatte der Vormieter den Kläger als neuen Mieter namhaft gemacht. Der Kläger bezahlte ihm für die geleisteten Investitionen und vom Vormieter eingebrachte Einbaumöbel 185.000 S. Für den vom Vormieter betrauten Vermittler bezahlte der Kläger eine Vermittlungsgebühr von 11.446 S, weiters für die Vergebührung des Mietvertrages 702 S.

Nach dem Abschluß des Mietvertrages erfuhr der Kläger, daß es für die Wohnung keine Benützungsbewilligung gebe und die Behörde die Wiederherstellung des früheren Zustandes verlange. Mit Schreiben vom erklärte der Kläger unter Setzung einer Nachfrist bis zum zur Behebung dieses Mangels die Auflösung des Mietvertrages. Mangels jeglicher Reaktion des Vermieters übergab der Kläger die Schlüssel zum Bestandobjekt am an den Gebäudeverwalter.

Auf Grund dieses Sachverhaltes begehrte der Kläger ursprünglich den Ersatz des Ablösebetrages von 185.000 S, zuzüglich der mit 13.192 S bezifferten Vermittlungsgebühr und der Vergebührungskosten von 702 S, zusammen 198.894 S, schränkte dann aber auf 176.770 S samt Anhang ein, ohne daß nachvollziehbar wäre, wie die klagende Partei zu diesem Betrag kommt.

Der Kläger macht geltend, daß ihm der Vertreter des Vermieters verschwiegen habe, daß keine Benützungsbewilligung für eine Wohnung vorliege. Er habe den Mietvertrag nur unter der Voraussetzung abgeschlossen, daß es sich um eine Wohnung mit Benützungsbewilligung handle. Alle Aufwendungen habe der Kläger nur im Vertrauen auf diesen Umstand getätigt. Die Einbaumöbel seien nach dem Ausbau und Abtransport wertlos. Anläßlich der Räumung der Wohnung habe sich der Kläger seines Eigentums an diesen Einbaumöbeln begeben. Im übrigen erklärte die klagende Partei, ihren Anspruch auf alle denkbaren Rechtsgründe zu stützen.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendeten ein, daß der Vermieter von der Ablöse nichts erhalten habe, sodaß die beklagten Parteien nicht passiv legitimiert seien. Noch vor Zahlung der Ablöse sei die klagende Partei über den Irrtum aufgeklärt worden, daß keine Benützungsbewilligung vorhanden sei. Der Kläger hätte daher sofort vom Mietvertrag zurücktreten können und hätte damit auch seiner Vereinbarung mit dem Vormieter die Geschäftsgrundlage entzogen. Die klagende Partei habe alle Schritte des Vermieters zur nachträglichen Erlangung einer Benützungsbewilligung abgelehnt, obwohl eine solche Sanierung des Mangels immer möglich gewesen wäre und mittlerweile auch tatsächlich erfolgt sei. Der nicht in den §§ 9 und 10 MRG gedeckte Teil der Zahlungen des Klägers stelle eine unzulässige Ablöse dar, für die die beklagten Parteien nicht hafteten. Die Einbaumöbel könnten vom Kläger jederzeit ohne Wertverlust entfernt werden. Schließlich setzten die beklagten Parteien der Klagsforderung ihren Anspruch auf Zahlung eines Benützungsentgeltes seit Dezember 1985 aufrechnungsweise in der Höhe von 71.297,74 S entgegen. Das Verlassen der Wohnung und die Übergabe der Schlüssel habe noch nicht zur Beendigung des Benützungsverhältnisses geführt, weil immer noch die Einbaumöbel des Klägers in den Räumen seien.

Im zweiten Rechtsgang - ein im ersten Rechtsgang gefälltes Zwischenurteil des Erstgerichtes über die Klagsforderung wurde vom Berufungsgericht aufgehoben - erkannte das Erstgericht zu Recht, daß die Klagsforderung mit 94.446 S zu Recht bestehe, die Gegenforderung aber nicht, und verurteilte die beklagten Parteien zur Zahlung von 94.446 S samt Anhang, während das Mehrbegehren von 82.324 S samt Anhang abgewiesen wurde.

Das Erstgericht traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus folgende Tatsachenfeststellungen:

Der Kläger ging auf Grund der Bezeichnung des Mietgegenstandes im Mietvertrag davon aus, daß er Wohnräume gemietet habe. Dies war für ihn die Voraussetzung für das Zustandekommen des Mietvertrages und für die Zahlung der Ablösesumme an den Vormieter.

Erst nach Abschluß des Mietvertrages, nachdem die Ablöse schon bezahlt war, wurde im Büro des Gebäudeverwalters der Irrtum über die für eine Wohnung nicht vorhandene Benützungsbewilligung entdeckt und der Kläger ersucht, den Mietvertrag dahin zu ändern, daß ein Zimmer als Büro bezeichnet werde. Es ist nicht erwiesen, daß der Gebäudeverwalter auf die für beide Objekte fehlende Benützungsbewilligung hinwies. Der Kläger erfuhr dies erst bei der Bauverhandlung im Mai 1984. Die Baubehörde ordnete mit Bescheid vom an, daß die widmungswidrige Benützung zu beenden sei. Es ist nicht erwiesen, daß der Kläger die Vornahme von Arbeiten, die zur Erlangung der Benützungsbewilligung geführt hätten, verhindert hätte. Mit Bescheid vom wurde jedoch die Benützungsbewilligung unter bestimmten Auflagen erteilt.

Der Wert der Investitionen steht mit 83.000 S fest.

Zur Behauptung, daß die Einbaumöbel beim Ausbau jeglichen Wert verlieren würden, habe der Kläger keine Beweismittel angeboten.

In rechtlicher Hinsicht nahm das Erstgericht an, daß die beklagten Parteien für die fehlende Aufklärung über die Beschaffenheit des Mietgegenstandes einzustehen hätten. Der Schaden der klagenden Partei liege abgesehen von der Vermittlungsgebühr und den Vergebührungskosten in der bezahlten Investitionsablöse. Für die Möbel gebühre nichts, weil sie der Kläger mit sich nehmen könne. Durch einen Rechenfehler wurden nur der Ablöseanteil von 83.000 S und die Provisionszahlung von

11.446 S, nicht aber die Gebühr von 702 S, zusammengerechnet, sodaß sich nur der Betrag von 94.446 S ergab. Die Gegenforderung sei nicht berechtigt, weil den beklagten Parteien für das konsenslose Bestandobjekt nach der Untersagung der Benützung kein Entgelt gebühre.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß das Klagebegehren wegen gänzlichen Nichtbestehens der Klagsforderung abgewiesen wurde.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsansicht, daß der Kläger nur einen Nichterfüllungsschaden geltend mache, da ja der Mietvertrag tatsächlich zustandegekommen sei. Die Bezugnahme auf einen Vertrauensschaden könne daher nicht erfolgversprechend sein. Die Leistungen an den Vormieter könnten aber in diesem Zusammenhang nicht als frustrierte Aufwendungen aufgefaßt werden, die durch die Nichterfüllung des Vermieters verursacht wurden. Die Aufwendungen wären vielmehr auch ohne das schuldhafte Verhalten des Vermieters getätigt worden, und der Kläger habe für die von ihm an den Vormieter getätigten Zahlungen die vereinbarte Gegenleistung, nämlich das Mietrecht, erhalten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist berechtigt.

Gemäß § 1096 Abs 1 ABGB ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den bedungenen Gebrauch zu verschaffen und zu erhalten. Dazu gehört auch die Erlangung der zum bedungenen Gebrauch erforderlichen behördlichen Bewilligungen (MietSlg 31.180). Diese Verpflichtung wurde vom Vermieter im vorliegenden Fall verletzt; denn unabhängig vom tatsächlichen Zustand des strittigen Bestandgegenstandes war die Benützung der gemieteten Räume zu Wohnzwecken schon wegen des bestehenden Rechtsmangels der fehlenden Benützungsbewilligung der Baubehörde unstatthaft und damit nicht mehr gewährleistet (ImmZ 1978, 170).

Dem Kläger stand daher ua gemäß § 1117 ABGB das Recht zu, vom Vertrag abzustehen. Von diesem Recht hat er mit seinem Schreiben vom für den Fall der Nichtbehebung des Mangels bis zum Gebrauch gemacht. Der gegebene Rechtsmangel wurde nicht behoben. Daß die gesetzte Nachfrist zu kurz bemessen worden sei, wurde nicht geltend gemacht. Der Mietvertrag wurde damit zum rechtswirksam aufgelöst.

Bei dem nach den getroffenen Feststellungen hier gegebenen Verschulden des Vermieters kann der Mieter im Falle der vorzeitigen Vertragsauflösung auch Schadenersatz verlangen (Würth in Rummel, ABGB2, Rz 2 zu § 1096; vgl auch § 932 S 2 ABGB und hiezu die E des verstärkten Senates EvBl 1990/129). Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, daß es sich dabei um den Ersatz des Schadens aus der nicht gehörigen Erfüllung des wirksam geschlossenen Vertrages und nicht um den Ersatz eines Vertrauensschadens handelt (Würth aaO; vgl Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 20 zu § 932 und wieder EvBl 1990/129).

Auch eine Beurteilung der Streitsache nach Irrtumsrecht bringt keine für den Kläger günstigere Position, weil wegen der besonderen Natur von Dauerschuldverhältnissen eine Aufhebung des Vertrages ex tunc nicht ohne Vertragsanpassung in Betracht kommt (MietSlg 34.131).

Auch im Rahmen des Nichterfüllungsschadens kann der Ersatz eines Betrages gebühren, der den sog. frustrierten Aufwendungen entspricht (JBl 1981, 537 mit Besprechung von Koziol; ders., Haftpflichrecht2 I 35; SZ 59/8; JBl 1990, 585). Der Kläger konnte sich den vorgesehenen langfristigen Gebrauch des Mietgegenstandes nur gegen die regelmäßige Zahlung des laufenden Mietzinses und zusätzlich durch die Leistung der Ablöse an den Vormieter, die Zahlung der Vermittlungsgebühr und der Vergebührungskosten verschaffen. Wegen der vom Vermieter verschuldeten Beendigung des Vertragsverhältnisses nach relativ kurzer Zeit entgeht daher dem Kläger für die weiter vorgesehenen Jahre dieser Gebrauch, und er würde sich ohne Ersatz der frustrierten Aufwendungen lediglich die laufende Mietzinszahlung ersparen, wäre also nach der beim Nichterfüllungsschaden anzustellenden Differenzrechnung noch benachteiligt. Einen Einwand, daß der Kläger bei Beschaffung eines Ersatzobjektes keinen gleichartigen Aufwand erbringen müßte (sodaß der angefochtene Vertrag ein sog. Verlustgeschäft gewesen wäre), haben die Beklagten nicht erhoben. Die "frustrierten Aufwendungen" können daher hier entgegen der Beurteilung durch das Berufungsgericht als Berechnungsgrundlage für den Nichterfüllungsschaden herangezogen werden (Koziol aaO).

Es muß allerdings berücksichtigt werden, daß der Kläger trotz Fehlens einer Benützungsbewilligung durch einen längeren Zeitraum den vereinbarten Gebrauch tatsächlich ausgeübt hat. Daher wäre der Zuspruch des gesamten Ablösebetrages nicht gerechtfertigt. Die bisher getroffenen Feststellungen reichen aber nicht aus, die Höhe des Nichterfüllungsschadens auszumitteln:

Beim Ablösebetrag ist festzustellen, welche Gegenleistungen, berechnet nach dem Wert im Zeitpunkt der Ablösevereinbarung, der vom Kläger an den Vormieter geleisteten Ablöse gegenüberstanden. Soweit eine nach § 27 MRG unzulässige Ablöse vorgelegen haben sollte, stünde ein Ersatz nicht zu, weil in diesem Umfang kein Nichterfüllungsschaden gegeben wäre und der Kläger nur auf seinen Rückforderungsanspruch gegenüber dem Vormieter zu verweisen wäre. Beim übrigen Teil ist eine Verhältnisrechnung anzustellen. Es ist zu ermitteln, für voraussichtlich wieviele Jahre dem Kläger bei Vorliegen der Benützungsbewilligung der Vorteil der Benützung des Bestandgegenstandes einschließlich der abgelösten Investitionen bei objektiver Betrachtung (übliche "Amortisation") zugutegekommen wäre. Daraus ergäbe sich dann der etwa zugrundezulegende jährliche Anteil, den der Kläger für die Zeit selbst tragen muß, in der er in der gemieteten Wohnung gewohnt hat. Auch der für Einbaumöbel geleistete Teil der Ablöse wäre in einem ebenso zu errechnenden, die hier wohl kürzere Lebensdauer von Einbaumöbeln berücksichtigenden Verhältnis ersatzfähig, wenn iS der Behauptungen des Klägers feststünde, daß eine Wegnahme wirtschaftlich sinnlos war, weil die gebrauchten Möbel nur mehr in der strittigen Wohnung einen gewissen Restwert hatten. Wenn allerdings die Einbaumöbel im Zeitpunkt der vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses schon so abgenützt gewesen sein sollten, daß sie auch bei Fortsetzung des Mietverhältnisses durch neue Möbel ersetzt werden hätten müssen, wäre der Kläger hinsichtlich des Möbel-Anteiles der Ablöse nicht mehr geschädigt worden. Eine ähnliche Verhältnisrechnung ist auch für die Vermittlungsprovision und die Vergebührungskosten anzustellen.

Auch die Gegenforderung kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Unrichtig ist der Standpunkt des Erstgerichtes, für eine den behördlichen Vorschriften widersprechende Benützung stehe überhaupt kein Entgelt zu; es kommt nur auf den tatsächlich erzielten Vorteil an (Koziol-Welser, Grundriß8 I 390). Daher ist festzustellen, ob und wie lange der Kläger die Wohnung über den (bis dahin wurde noch der Mietzins bezahlt) hinaus benützt hat. Für die Folgezeit muß der Kläger kein Engelt für die Benützung als Wohnung bezahlen (sondern höchstens ein minderes Entgelt für die Belassung wegzuschaffender - s.o. - Möbel), weil die Nichtfortsetzung einer verbotenen Benützung nicht rechtswidrig war und die Beklagten nicht einmal behauptet haben, daß der Kläger die Herausgabe der Schlüssel verweigert habe.

Anhaltspunkte dafür, daß zwischen den Vertragsparteien nach dem Auflösungszeitpunkt konkludent ein neuer Mietvertrag abgeschlossen worden sei, sind nicht gegeben. Der Umstand, daß der Kläger die Schlüssel mangels einer Reaktion des Vermieters auf das Schreiben vom nicht sofort nach dem , sondern erst etwa vier Monate später am übergeben hat, wobei die näheren Umstände noch nicht geklärt sind, ist in keinem Fall ein Indiz für eine Rücknahme der Auflösungserklärung oder einen rechtsgeschäftlichen Willen, ein neues Bestandverhältnis zu begründen.

Die Urteile der Vorinstanzen waren daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.