OGH 18.04.2013, 5Ob38/13v
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Hurch als Vorsitzende und die Hofrätin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer sowie die Hofrätin Mag. Malesich als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. Ing. Mag. E***** H*****, geboren am *****, 2. F***** H*****, geboren am *****, beide vertreten durch Mag. Reinhard Wittmann, öffentlicher Notar in Wien, wegen Einverleibung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots ob EZ 3038 GB *****, aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom , AZ 13 R 229/12t, mit dem infolge Rekurses der Antragsteller der Beschluss des Bezirksgerichts Neusiedl am See vom , TZ 22934/2012, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Nach § 1 Abs 1 Satz 1 ERV 2006 können alle Eingaben und Beilagen von Eingaben an Gerichte und Staatsanwaltschaften nach Maßgabe der §§ 5, 8a, 9, 10 und 10a ERV 2006 elektronisch eingebracht werden. Gemäß § 5 Abs 1 ERV 2006 müssen elektronisch eingebrachte Eingaben und elektronisch zuzustellende Erledigungen sowie Beilagen der Schnittstellenbeschreibung nach § 5 Abs 2 ERV 2006 entsprechen. Eingaben und Erledigungen können grundsätzlich auch als PDF-Anhang entsprechend der Schnittstellenbeschreibung nach § 5 Abs 2 ERV 2006 übermittelt werden.
1.2. Nach § 5 Abs 2 ERV 2006 hat das Bundesministerium für Justiz eine Beschreibung über die Art der Datenübermittlung, der vollständigen Datenstruktur, der zulässigen Beilagenformate, einschließlich der Regeln über die Feldinhalte und den höchstzulässigen Umfang für alle elektronischen Eingabe- und Erledigungsarten (Schnittstellenbeschreibung) auf der Website „www.edikte.justiz.gv.at“ bekannt zu machen. Darüber hinaus haben die Übermittlungsstellen allfällige Spezifikationen der von ihnen angebotenen Zusatzdienste auf ihrer Website zu veröffentlichen.
1.3. Gemäß § 10 Abs 1 Satz 1 ERV 2006 können auch Eingaben und Beilagen im Grundbuchverfahren elektronisch eingebracht werden.
2. Nach § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 sind Rechtsanwälte und Notare - nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten - zur Teilnahme am Elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26). Für Eingaben eines Rechtsanwalts oder Notars ab dem maßgeblichen Stichtag (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG), die - wie hier der Revisionsrekurs der Antragsteller - auf dem Postweg und nicht im Elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, ist demnach ein Verbesserungsverfahren durchzuführen. Die bisherige Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0124215; RS0124335; RS0124555), die in der nicht auf elektronischem Weg eingebrachten Eingabe keinen die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernden Formmangel erkannte und von einem folgenlosen Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift ausging, kann infolge Änderung der Rechtslage für solche Eingaben seit nicht mehr aufrecht erhalten werden. In gewollter Abkehr von dieser Judikatur müssen die im neu gefassten § 89c Abs 5 GOG idF BGBl I 2012/26 genannten ERV-Teilnehmer/innen in Hinkunft den Elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden (ErläutRV 1676 BlgNR 24. GP 3). Das gesetzwidrige Absehen von der Nutzung des Elektronischen Rechtsverkehrs durch zur Nutzung Verpflichtete soll - als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26) - zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen (JAB 1699 BlgNR 24. GP 1; RIS-Justiz RS0128266).
3. Die Rechtsmittelwerber haben vorliegend den Revisionsrekurs nicht im Elektronischen Rechtsverkehr eingebracht. Dies wäre im Lichte der zuvor beschriebenen Rechtslage nur dann zulässig, wenn dafür die technischen Möglichkeiten fehlten. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden:
3.1. Nach den „Neuerungen im Grundbuch ERV“ (Dateiname: GB_NeuerungenERV.doc Dok-Version: 1.5 vom ; http://www.edikte.justiz.gv.at/edikte/km/kmhlp
05.nsf/all/gbneu!OpenDocument) wurden „aus Gründen der Übersichtlichkeit“ (...) für die GB-Version 1.5 gegenüber der in Produktion befindlichen GB-ERV-Version 2.0v unter 4.1.2 näher aufgelistete Strukturelemente aus den Schemadateien entfernt, darunter auch die (auch bislang nicht freigeschaltet gewesene) „Folgeeingabe/Rekurs, Folgeeingabe/Zurückziehung“. Daraus folgt zunächst, dass im Grundbuchverfahren eine besondere Struktur für die Einbringung eines Rechtsmittels nicht zur Verfügung steht.
3.2. ERV-technisch sind Rechtsmittel im Grundbuchverfahren allerdings keine Folgeanträge (keine Eingabe unter der bisherigen TZ); vielmehr sind Rechtsmittel als „sonstige/sonstige Neueintragung“ (neue TZ) erforderlichenfalls verbunden mit einem in einem GOG-Archiv zu hinterlegenden PDF-Anhang einzubringen.
3.3. Es mag zwar zutreffen, dass der ERV-Grundbuch eine eigene Anwendung bildet und nicht als Bestandteil des ERV-Verfahrensautomation Justiz (VJ) anzusehen ist; im vorliegenden Kontext geht es allerdings ausschließlich um die Einhaltung des § 89c Abs 5 GOG, welche Bestimmung nicht zwischen einzelnen ERV-Anwendungen unterscheidet. Solange daher für ein Rechtsmittel in Grundbuchsachen keine gesonderte Struktur zur Verfügung steht, welche gemäß § 10 Abs 3 ERV 2006 zwingend einzuhalten wäre, wird dem § 89c Abs 5 GOG auch dadurch entsprochen, dass das Rechtsmittel im ERV-Verfahrensautomation Justiz (VJ) als „sonstige Ersteingabe“ mit PDF-Anhang unter Bezugnahme auf die TZ des Erstgerichts eingebracht wird.
4. Demnach sind die Akten dem Erstgericht zurückzustellen, welches die Rechtsmittelwerber gemäß § 75 Abs 2 AußStrG iVm § 10 Abs 4 AußStrG - § 82a GBG gilt nur das verfahrenseinleitende Grundbuchgesuch - unter Setzung einer angemessenen Frist zur Einbringung ihres Revisionsrekurses im Elektronischen Rechtsverkehr (im Sinn des Punktes 3.2. bzw 3.3.) aufzufordern haben wird. Wird die gesetzte Frist eingehalten, so gilt das Anbringen als zum ursprünglichen Zeitpunkt eingebracht (§ 10 Abs 5 Satz 1 AußStrG).
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. Ing. Mag. E***** H*****, geboren am *****, 2. F***** H*****, B.Sc., geboren am *****, beide vertreten durch Mag. Reinhard Wittmann, öffentlicher Notar in Wien, wegen Einverleibung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots ob EZ 3038 GB *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom , AZ 13 R 229/12t, mit dem infolge Rekurses der Antragsteller der Beschluss des Bezirksgerichts Neusiedl am See vom , TZ 22934/2012, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wie folgt zu lauten hat:
„Aufgrund der Vereinbarung (Belastungs- und Veräußerungsverbot) vom und der Geburtsurkunde des Standesamts W*****-H***** vom *****, Nummer der Eintragung *****, werden ob der EZ 3038 GB ***** im C-Blatt die Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbots sowie dessen Ersichtlichmachung im Eigentumsblatt für F***** H*****, geb. *****, bewilligt.
Hievon werden verständigt:
1. Mag. Reinhard Wittmann, GZ 3513/Notar/UF, 1140 Wien, Hütteldorfer Straße 110;
2. Ing. Mag. E***** H*****, geboren am *****;
3. F***** H*****, B.Sc., geboren am *****.“
Vollzug und Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.
Text
Begründung:
Die Antragsteller begehrten mit ihrem verfahrenseinleitenden Grundbuchgesuch (nur) gestützt auf deren Vereinbarung vom die Einverleibung und Ersichtlichmachung des im Spruch wiedergegebenen Belastungs- und Veräußerungsverbots zugunsten des Zweitantragstellers ob der im Eigentum des Erstantragstellers stehenden Liegenschaft EZ 3038 GB *****.
Das Erstgericht wies das Gesuch mit der Begründung ab, dass ein Verwandtschaftsverhältnis der Antragsteller iSd § 364c ABGB nicht durch Standesurkunden nachgewiesen worden sei.
In ihrem Rekurs machten die Antragsteller geltend, dass die Vorlage einer entsprechenden Standesurkunde irrtümlich unterblieben sei (nicht angeklicktes „Häkchen“ im ERV-Antrag), das Erstgericht aber ein Verbesserungsverfahren hätte einleiten müssen. Die Antragsteller reichten die im Spruch bezeichnete Geburtsurkunde iSd § 82a Abs 5 GBG in Form der Vorlage der Freigabebestätigung für das Urkundenarchiv des österreichischen Notariats „cyberDOC07“ nach. Dieser Freigabebestätigung war (zusätzlich) ein mit einem (blauen) Stempelaufdruck „KOPIE Mag. Reinhard Wittmann Öffentlicher Notar“ versehener Ausdruck der Geburtsurkunde angeheftet.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge. Es bejahte zwar die Möglichkeit des Vorliegens eines verbesserbaren Formgebrechens iSd § 82a Abs 2 GBG, hielt den Antragstellern allerdings entgegen, dass das Formgebrechen gemäß § 82a Abs 5 GBG durch die Vorlage einer tauglichen Urkunde mit dem Rekurs zu verbessern gewesen wäre. Da die Antragsteller aber nur die Kopie der Geburtsurkunde vorgelegt hätten, müsse der Rekurs erfolglos bleiben, ohne dass abschließend geprüft werden müsse, ob das Erstgericht den Antragstellern tatsächlich einen Verbesserungsauftrag hätte erteilen müssen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil die Bedeutung der vorliegenden Entscheidung nicht über den Einzelfall hinausgehe.
Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der - nach Verbesserungsauftrag im Elektronischen Rechtsverkehr eingebrachte - außerordentliche Revisions-rekurs der Antragsteller wegen Aktenwidrigkeit mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Bewilligung der Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbots. Die Antragsteller machen im Wesentlichen geltend, sie hätten das Formgebrechen gemäß § 82a Abs 5 GBG durch die Freigabebestätigung für das Urkundenarchiv beinhaltend die Bekanntgabe des Zugriffscodes beseitigt. Die Annahme des Rekursgerichts, sie hätten lediglich eine unbeglaubigte Kopie der Geburtsurkunde vorgelegt, sei aktenwidrig.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
1. Weist ein Antrag ein Formgebrechen auf, das die ordnungsgemäße Behandlung zu hindern geeignet ist, so ist dem Antragsteller gemäß § 82a Abs 1 GBG der Auftrag zu erteilen, das Formgebrechen längstens binnen einer Woche zu beseitigen.
2.1. Als ein verbesserbares Formgebrechen ist es nach § 82a Abs 2 GBG insbesondere anzusehen, wenn dem Antrag eine für die Erledigung erforderliche Urkunde nicht oder, falls dies vorgeschrieben ist, nicht in Urschrift angeschlossen ist. Urkunden können nur nachgereicht werden, wenn sie bereits im Zeitpunkt des ersten Einlangens des Antrags in der Form errichtet waren, die für die begehrte Eintragung erforderlich ist.
2.2. Ein solches verbesserbares Formgebrechen iSd § 82a Abs 2 GBG lag hier nach der Aktenlage vor. Die Notwendigkeit der Bereitstellung einer Standesurkunde im Wege des Elektronischen Rechtsverkehrs zum Nachweis des Verwandtschaftsverhältnis der Antragsteller iSd § 364c ABGB war im vorliegenden Kontext evident, ist nach den unbedenklichen Angaben im Rekurs nur irrtümlich unterblieben und die Standesurkunde existierte selbstverständlich auch schon lange vor dem Einlangen des Grundbuchgesuchs in der erforderlichen Form.
3. Wird - wie hier geschehen - im Rekurs gegen die Abweisung eines Antrags geltend gemacht, dass dem Antragsteller ein Verbesserungsauftrag zu erteilen gewesen wäre, so ist nach § 82a Abs 5 GBG mit dem Rekurs auch das Formgebrechen zu beseitigen. Dieser Anforderung haben die Antragsteller durch die Freigabebestätigung beinhaltend die Bekanntgabe des Zugriffscodes zum im Urkundenarchiv gespeicherten Original der Geburtsurkunde entsprochen. Dieser Vorgang ersetzt die Vorlage des Originals (vgl § 10 Abs 2 ERV; Potyka in Kodek, Grundbuchsrecht 1.01 § 10 ERV Rz 3; Bayer, Grundbuch NEU2, 110). Die der Freigabebestätigung zusätzlich angeschlossene Kopie der Geburtsurkunde war überflüssig, aber auch unschädlich.
4. In Stattgebung des Revisionsrekurses waren nach erfolgter Beseitigung des vorgelegenen verbesserbaren Formgebrechens die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn der Bewilligung des Grundbuchgesuchs abzuändern und insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Grundbuchsrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2013:0050OB00038.13V.0418.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAD-65122