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OGH vom 18.04.2002, 6Ob61/02t

OGH vom 18.04.2002, 6Ob61/02t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Peter L*****, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. Alex M***** und 2. Freya M*****, vertreten durch Jean Jung, Rechtsanwalt in Antibes, wegen 72.672,83 EUR, über den Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 155/01v-105, mit dem die Berufung der Beklagten gegen das (unechte) Versäumungsurteil des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ 3 Cg 108/96f-82, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Versäumungsurteil gemäß § 399 ZPO vom erkannte das Erstgericht dem Kläger 1,000.000 S an Vertretungskosten für verschiedene anwaltliche Tätigkeiten zu, die der Kläger teils im Auftrag des verstorbenen Vaters des Erstbeklagten und Ehemannes der Zeitbeklagten, teils namens der Beklagten erbracht hatte. In der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten wurde der in Antibes ansässige Rechtsanwalt Jean Jung als ihr Vertreter bezeichnet. Dem Berufungsschriftsatz waren Kopien der Korrespondenz dieses Rechtsanwaltes mit einem österreichischen Rechtsanwalt, aus der sich die Bestellung des Letzteren zum Einvernehmensrechtsanwalt gemäß § 5 EuRAG ergibt, weiters die Kopie über die Namhaftmachung der Margit T***** als inländische Zustellungsbevollmächtigte (§ 6 EuRAG) und Kopien von Vollmachtsurkunden je vom angeschlossen. Nach Vorlage dieser Berufung trug das Berufungsgericht mit Beschluss vom den Beklagten auf, "dem Berufungsgericht binnen drei Wochen 1. durch geeignete Urkunden (im Original oder in beglaubigter Abschrift, allenfalls mit beglaubigter Übersetzung ins Deutsche) a) nachzuweisen, dass ihr Vertreter Jean Jung in einem Vertragsstaat des EWR berechtigt ist, als Rechtsanwalt beruflich tätig zu werden (§ 1 EWR-RAG 1992 samt Anlage); und b) entweder das Gericht, bei dem er nach dem Recht des Herkunftsstaates zugelassen ist, oder die Berufsorganisation, der er angehört, anzugeben (§ 2 EWR-RAG); 2. die Vollmachtsurkunde ihres Vertreters Jean Jung im Original oder in beglaubigter Übersetzung (gemeint offenbar: Abschrift), allenfalls mit beglaubigter Übersetzung ins Deutsche, vorzulegen (§ 30 Abs 1 ZPO)." Dieser Beschluss wurde der Zustellungsbevollmächtigten Margit T***** am zugestellt.

Am wurde in Monte Carlo eine an das Erstgericht adressierte Eingabe der Beklagten zur Post gegeben, der unter anderem beglaubigte Kopien des von der Anwaltskammer in Grasse ausgestellten Personalausweises des Jean Jung und der Vollmachtsurkunden sowie deren Übersetzung ins Deutsche angeschlossen waren. Der Schriftsatz, der vorab am an das Erstgericht gefaxt worden war, langte im Original am beim Erstgericht und am beim Berufungsgericht ein.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten zurück, weil die dreiwöchige "Verbesserungsfrist" nicht eingehalten worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene "außerordentliche Revisionsrekurs" der Beklagten ist als Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässig, weil das Berufungsgericht die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat. Er ist auch berechtigt. Das EWR-RAG, auf das das Berufungsgericht seine mit Beschluss vom erteilten Aufträge gründete, trat zwar am mit dem gleichzeitigen Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich - EuRAG (BGBl I Nr. 27/2000) außer Kraft (Art III leg.cit.). Die hier wesentlichen Bestimmungen des EWR-RAG wurden aber durch das EuRAG übernommen, sodass die Aufträge des Berufungsgerichtes im Grundsätzlichen auch der nunmehr maßgebenden Rechtslage entsprechen.

Das EuRAG regelt nach § 1 u.a. die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs und die Niederlassung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Österreich durch Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten, die berechtigt sind, als Rechtsanwalt beruflich tätig zu sein (europäische Rechtsanwälte).

Gemäß § 2 EuRAG dürfen europäische Rechtsanwälte in Österreich vorübergehend rechsanwaltliche Tätigkeiten wie ein in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragener Rechtsanwalt erbringen, wobei sie jedoch den sich aus den folgenden Bestimmungen ergebenden Beschränkungen unterliegen (dienstleistende europäische Rechtsanwälte). Gemäß § 3 EuRAG haben sie bei Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs die Berufsbezeichnung, die sie im Staat ihrer Niederlassung (Herkunftsstaat) nach dem dort geltenden Recht zu führen berechtigt sind, zu verwenden und die Berufsorganisation, der sie im Herkunftsstaat angehören, anzugeben (Abs 1). Wollen sie in Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs Dienstleistungen vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde in Österreich erbringen, so haben sie auf Verlangen des Gerichtes oder der Verwaltungsbehörde ihre Berechtigung nach § 1 nachzuweisen. Wird dieses Verlangen gestellt, so dürfen sie die Tätigkeit erst ausüben, wenn der Nachweis erbracht ist (Abs 2).

Wird ein Verlangen im Sinn des § 3 Abs 2 EuRAG gestellt, so ist daher der ausländische Anwalt bis zum Erbringen des Nachweises seiner Berechtigung von den Gerichten und Behörden nicht als Rechtsanwalt einzustufen. Die damit verbundenen Folgen ergeben sich aus den jeweiligen Verfahrensgesetzen (777 BlgNR 18.GP 7 zu § 2 Abs 2 EWR-RAG).

Am , das war der Tag vor Schluss der Verhandlung erster Instanz (), langte zwar ein Fax beim Erstgericht ein, in dem auf die Vollmachtserteilung der Beklagten an den ausländischen Anwalt hingewiesen wurde. Der betreffende Schriftsatz samt den Unterlagen über die Bestellung des Einvernehmensrechtsanwaltes, die Bekanntgabe der Zustellungsbevollmächtigten nach § 6 EuRAG und den Vollmachtsurkunden wurde aber erst am zur Post gegeben und langte beim Erstgericht erst am , somit nach Schluss der Verhandlung ein, sodass das Erstgericht keine Gelegenheit hatte, den Nachweis der Berechtigung des ausländischen Rechtsanwaltes im Sinn des § 3 Abs 2 EuRAG zu verlangen. Abgesehen davon hätte für das Erstgericht auch kein Anlass für eine derartige Vorgangsweise bestanden, weil zur Verhandlung am auf Seiten der Beklagten niemand erschienen war und daher antragsgemäß ein Versäumungsurteil nach § 399 ZPO erlassen wurde. Somit konnten die Beklagten nicht davon ausgehen, dass seitens des Gerichtes von der Erbringung eines Nachweises nach § 3 Abs 2 EuRAG Abstand genommen werde. Sie galten daher gemäß § 3 Abs 2 EuRAG letzter Satz im Zeitpunkt der Einbringung ihrer Berufung bis zur Vorlage des vom Berufungsgericht abverlangten Nachweises der Berechtigung des von ihnen bevollmächtigten ausländischen Rechtsanwaltes als unvertreten. Dennoch erfolgte die Zurückweisung ihrer bereits davor eingebrachten, von Jean Jung gefertigten Berufung zu Unrecht.

Aus § 3 EuRAG ergibt sich, dass der Berechtigungsnachweis vom dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt selbst und nicht von der von ihm vertretenen Partei zu erbringen ist. Das diesbezügliche Verlangen des Gerichtes (§ 3 Abs 2 EuRAG) ist daher an den Rechtsanwalt selbst zu richten. Im vorliegenden Fall hat aber das Berufungsgericht die entsprechenden Aufträge nicht an Jean Jung, sondern an die Beklagten adressiert und außer dem Kläger lediglich der Zustellungsbevollmächtigten, nicht aber dem Rechtsanwalt zugestellt. Die zur Vorlage des Nachweises der Berechtigung des Jean Jung zur Ausübung des Rechtsanwaltberufes gesetzte Frist von drei Wochen begann daher mit der Zustellung an Margit T***** nicht zu laufen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist deshalb der in Entsprechung des Auftrages nachgereichte Nachweis der Berechtigung des Jean Jung nicht verfristet. Da inzwischen allen im Beschluss des Berufungsgerichtes am erteilten Aufträgen entsprochen wurde, erübrigt sich eine neuerliche Auftragserteilung unter neuerlicher Fristsetzung. An der Berechtigung des Jean Jung, namens der Beklagten im Berufungsverfahren als Rechtsanwalt einzuschreiten, kann nun kein Zweifel mehr bestehen.

Der Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichtes ist daher aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung aufzutragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.