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OGH vom 30.06.1993, 3Ob524/93

OGH vom 30.06.1993, 3Ob524/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Dr.Stanislav G*****, vertreten durch Dr.Otto Pichler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und widerklagenden Partei David G*****, vertreten durch Dr.Günther Dallinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalts, infolge außerordentlicher Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 47 R 2091/92-28, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom , GZ 8 C 14/91x-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der am geborene Beklagte ist der eheliche Sohn des Klägers, mit dem er nicht im gemeinsamen Haushalt lebt. Der Kläger ist aufgrund eines Beschlusses vom schuldig, ihm einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.000 DM zu bezahlen.

Der Kläger begehrte mit seiner am eingebrachten Klage die Feststellung, daß seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Beklagten erloschen sei. Nach der Matura im Jahre 1987, die der Beklagte nach Mißerfolgen im öffentlichen Gymnasium an einer Privatlehranstalt nachgeholt habe, habe er im Herbst 1987 an der Technischen Universität Wien mit dem Studium der Technischen Chemie begonnen, ohne es jedoch ernsthaft zu betreiben. Er sei nicht in der Lage, die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen nachzuweisen.

Der Beklagte wendete ein, daß er seit dem Wintersemester 1990 auch Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien studiere und somit ein Doppelstudium betreibe. Er habe auch nach dem noch Prüfungen an der Technischen Universität Wien abgelegt, allerdings im wesentlichen mit negativem Erfolg, weshalb er sich im Wintersemester 1990 entschlossen habe, auch das Studium der Betriebswirtschaftslehre zu inskribieren. Hierauf wolle er sich konzentrieren. Sein beabsichtigtes Berufsziel liege am wirtschaftlichen Sektor.

Der Beklagte begehrte ferner in einer am zu Protokoll gegebenen Widerklage unter Berücksichtigung einer Änderung des Klagebegehrens, den Kläger schuldig zu erkennen, ihm ab unter Einschluß des bereits rechtskräftig zuerkannten monatlichen Unterhaltsbetrages von 1.000 DM einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.500 DM zu bezahlen. Der Kläger habe seinen jährlichen "Ertrag" um etwa 40.000 DM gesteigert und verdiene nach einem Gutachten vom monatlich 8.747 DM netto.

Nachdem das Erstgericht die beiden Rechtsstreite zur gemeinsamen Verhandlung verbunden hatte, brachte der Kläger noch vor, daß der Beklagte das im Jahre 1987 begonnene Studium nur zwei Semester und auch diese nur unzulänglich betrieben habe. Seit dem Sommersemester 1988 sei er seinem Studium nicht mehr nachgekommen. Die Aufnahme eines anderen Studiums im Herbst 1990 lasse seinen Unterhaltsanspruch nicht mehr aufleben, zumal er auch in diesem Studium nur unzulängliche Ergebnisse nachgewiesen habe.

Der Beklagte brachte noch vor, daß er sich infolge stockender Unterhaltszahlungen des Klägers schon im Jahre 1986 Geld ausborgen habe müssen. In der Folge habe er zwar wieder monatliche Unterhaltsbeträge erhalten, die Zahlungen hätten jedoch nicht ausgereicht, um die ausgeborgten Beträge zurückzuzahlen. Im Sommer 1987 habe er neuerlich einen Kredit aufnehmen müssen. Mit dem durch Gelegenheitsarbeiten verdienten Geld habe er die Schulden nicht bezahlen können. Der Kläger habe auch Gerichtsverfahren gegen ihn angestrengt. Wegen dieser Verhältnisse habe er seit 1987 unter starken Depressionen gelitten, was sich auch auf den Studienerfolg ausgewirkt habe. Sein Zustand habe sich erst 1990 gebessert. Seit dieser Zeit könne er das an der Wirtschaftsuniversität Wien begonnene Studium erfolgreich und ordnungsgemäß betreiben und werde den ersten Studienabschnitt in der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestzeit abschließen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren des Klägers statt und wies das Widerklagebegehren des Beklagten ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte verließ im Jahr 1986 wegen des bevorstehenden negativen Erfolges die 7.Klasse der Mittelschule und absolvierte nach Absprache mit dem Kläger im Juni 1987 die Reifeprüfung an einer privaten Maturaschule. Im Wintersemester 1987 begann er mit dem Studium der Technischen Chemie an der Technischen Universität Wien und legte seither sechs Prüfungen des ersten Studiumabschnittes mit positivem Erfolg ab. Am trat er zum letzen Mal zu einer Prüfung an, die er jedoch mit negativem Erfolg abschloß.

Im Wintersemester 1990 begann der Beklagte das Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien. Er besuchte bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung insgesamt sechzehn Proseminare dieses Studienzweiges, davon jedoch nur acht mit positivem Erfolg. Zusätzlich wurden drei Lehrveranstaltungen von anderen Studienrichtungen angerechnet. Eine Teilprüfung der ersten Diplomprüfung hat er bisher nicht mit Erfolg abgelegt. Im Sommersemester 1991 inskribierte er außerdem Lehrveranstaltungen der Studienrichtung Volkswirtschaft an der Universität Wien, von denen er an zwei Übungen mit positiver Beurteilung teilnahm. Diese Lehrveranstaltungen sind in den dem Beklagten an der Wirtschaftsuniversität Wien angerechneten Lehrveranstaltungen enthalten.

Der Kläger bezahlte in der Zeit zwischen dem Ausscheiden des Beklagten aus der Mittelschule und dem Beginn der Maturaschule, also von Mai bis einschließlich September 1986, und in der Zeit zwischen der Ablegung der Reifeprüfung bis zum Beginn des Hochschulstudiums, also von Juli bis einschließlich September 1987, keinen Unterhalt an den Beklagten. Es war zwischen den Parteien vereinbart, daß der Beklagte in den Sommermonaten durch eine Ferienbeschäftigung Geld verdienen sollte. Im Sommer 1986 arbeitete er sporadisch und nur tageweise. Im Sommer 1987 wollte der Kläger dem Beklagten eine Arbeit bei einem befreundeten Arzt vermitteln; der Beklagte schlug sie jedoch aus. Er überzog in den angeführten Zeiträumen sein Konto und nahm Kredite auf, die er in der Folge nicht zurückzahlte.

Der Kläger verdient als Facharzt für Gynäkologie 8.744 DM im Monat. Er hat außer für den Beklagten für einen zwölfjährigen Sohn und seine geschiedene Ehefrau zu sorgen.

Nicht als erwiesen nahm das Erstgericht an, daß der Beklagte wegen schleppender Unterhaltszahlungen des Klägers unter Depressionen litt, die den Studienfortgang hemmten.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß der Unterhaltsanspruch des Beklagten gegen den Kläger erloschen sei. Er habe das Studium an der Technischen Universität nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben, weil er seit fünf Semestern keine einzige Prüfung abgelegt habe. Der Wechsel zum Zweitstudium an der Wirtschaftsuniversität Wien, das der Beklagte nunmehr als Hauptstudium betreibe, sei weder subjektiv noch objektiv begründet gewesen. Eine subjektive Begründung liege in einem entschuldbaren Irrtum über die persönlichen Voraussetzungen des Studierenden. Ein solcher Irrtum sei weder behauptet worden noch hätten sich irgendwelche Anhaltspunkte dafür ergeben. Die bloße Überlegung, das Berufsziel nunmehr im wirtschaftlichen Sektor ansiedeln zu wollen, stelle keine ausreichende subjektive Begründung dar. Abgesehen davon, daß der Wechsel des Studiums nicht berechtigt gewesen sei, weise der Beklagte auch im Zweitstudium keinen günstigen Erfolg auf.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung des Beklagten dieses Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. An sich sei zwar ein einmaliger Wechsel im Ausbildungsgang vertretbar. Entscheidend hiefür sei aber vor allem der Studienerfolg im zweiten Studium. Wenn auch das Zweitstudium nur schleppend und mit objektiv betrachtet unterdurchschnittlichem Erfolg vorangehe, werde nach angemessener Zeit angenommen werden müssen, daß die Selbsterhaltungsfähigkeit gegeben sei. Der Beklagte betreibe aber auch das Zweitstudium nicht mit zumindest durchschnittlichem Erfolg. Er habe den Großteil der Prüfungen zumindest zweimal ablegen müssen und sei überwiegend nur mit der Note "Genügend" beurteilt worden. Dazu komme noch, daß er keine einzige der sechs für die erste Diplomprüfung erforderlichen Teilprüfungen abgelegt habe, obwohl formal die Voraussetzungen für die Ablegung der Prüfungen bereits gegeben gewesen seien. Diese Teilprüfungen hätten "bekanntermaßen" einen Lern- und Zeitaufwand erfordert, der zumindest ebenso hoch einzustufen sei, wie jener zur Erreichung der Prosemimar- und Übungszeugnisse. Da der Beklagte noch keine Teilprüfung der ersten Diplomprüfung abgelegt habe, müsse der Studienerfolg als unterdurchschnittlich bezeichnet werden. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Beklagte, wie er behauptet habe, noch das eine oder das andere Proseminar- oder Übungszeugnis mehr oder weniger erlangt habe.

Die vom Beklagten gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene außerordentliche Revision ist zulässig. Das Vorliegen der Voraussetzungen hiefür ist ausschließlich nach § 502 Abs 1 ZPO zu beurteilen, weil keine bloße Frage der Unterhaltsbemessung vorliegt, wenn die Selbsterhaltungsfähigkeit mit der Berufsausbildung in untrennbarem Zusammenhang steht (EFSlg 44.741, 42.327 uva), und daher die Ausnahme nach Art XLI Z 9 WGN 1989 nicht anzuwenden ist.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist auch berechtigt.

Bei der Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit ist zunächst davon auszugehen, daß die Zeit bis zur Ablegung der Reifeprüfung außer Betracht bleiben muß, weil der Kläger dieser Ausbildung zugestimmt hat.

Ein Studium schiebt den Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit hinaus, wenn es einerseits den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen entspricht (EvBl 1992/73 mwN) und andererseits das Kind die hiefür erforderlichen Fähigkeiten besitzt und das Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt (EFSlg Bd 21/2, 20/2 je mwN). Da das Vorliegen der ersten Voraussetzung hier nicht strittig ist, muß hierauf nicht weiter eingegangen werden.

Entscheidend ist daher in erster Linie, inwieweit der Beklagte die von ihm inskribierten Studien ernsthaft und zielstrebig betrieben hat. Zu der in der Revision in diesem Zusammenhang als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bezeichneten Rechtsfrage, ob hiefür die Kriterien, die im Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 BGBl 376 durch die Novelle BGBl 1992/311 bei Absolvierung eines Studiums für den Anspruch auf Familienbeihilfe als maßgebend erklärt wurden, auch für den Anspruch des Kindes auf Unterhalt herangezogen werden können, hat der erkennende Senat folgendes erwogen:

Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG idF BGBl 1992/311 besteht der Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 27.Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wenn sie ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig betreiben. Das Studium wird ernsthaft und zielstrebig betrieben, wenn im ersten Studienabschnitt nach jedem Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- oder Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden nachgewiesen wird. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Die Erbringung des Studiennachweises ist Voraussetzung für den Anspruch nach dem zweiten und den folgenden Studienjahren des ersten Studienabschnittes. Der Nachweis ist erstmals zu Beginn des Studienjahres 1993/94 und unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigung der im § 3 des Studiensförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage dieser Novelle (465 BlgNR 18. GP 6) wird hiezu unter anderem ausgeführt, daß durch die Novelle auch der bereits nach jetziger Rechtslage und Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs verlangte Studienfortgang näher umschrieben werden solle, um eine einheitliche Verwaltungspraxis zu gewährleisten. Die Verankerung des Studienfortgangs als Anspruchsvoraussetzung für die Familienbeihilfe finde ihre Begründung auch im geltenden Unterhaltsrecht. Demnach erlösche der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch des Kindes, wenn der Studienfortgang nicht erfolgreich ist. Auch aus dieser Sicht sei die weitere Gewährung der Familienbeihilfe im Falle eines mangelhaften Studienfortgangs nicht gerechtfertigt.

Der Gesetzgeber hat also den Zusammenhang zwischen dem Anspruch auf Familienbeihilfe und dem Unterhaltsanspruch ausdrücklich betont. Der erkennende Senat hält es ebenfalls für gerechtfertigt, die Kriterien, die bei einem Anspruch auf Familienbeihilfe dafür maßgebend sind, daß ein Studium als ernsthaft und zielstrebig betrieben anzusehen ist, auch für den Unterhaltsanspruch des Kindes heranzuziehen. Dies entspricht offensichtlich dem Willen des Gesetzgebers, der den Anspruch auf Familienbeihilfe und den Unterhaltsanspruch in der Frage der Beurteilung des Studienfortgangs gleich behandelt wissen wollte. Für andere Fragen ist die Gleichbehandlung hingegen nicht angebracht. Vor allem erlischt daher der Unterhaltsanspruch nicht schematisch (schon oder erst) mit der Vollendung des 27.Lebensjahres, sondern (schon oder erst) mit dem Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit. Bei der Lösung der Frage, ob der Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit durch ein Studium hinausgeschoben wird, kann nicht allein das Lebensalter herangezogen werden, sondern es kommt im Sinn der schon bisher ergangenen Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz (EFSlg 62.639, 48.208, 43.173 ua) auf die durchschnittliche Studiendauer an.

Durch ein Studium wird daher der Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit grundsätzlich hinausgeschoben, wenn das Kind es ernsthaft und zielstrebig betreibt. Das Studium wird im allgemeinen ernsthaft und zielstrebig betrieben, wenn die im § 2 Abs 1 lit b FLAG idF BGBl 1992/311 angeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Der Anspruch auf Unterhalt erlischt jedoch trotzdem, wenn die durchschnittliche Studiendauer erreicht wird und nicht besondere Gründe vorliegen, die ein längeres Studium gerechtfertigt erscheinen lassen.

Hier ist allerdings noch zu beachten, daß die Vorschrift des § 2 Abs 1 lit b FLAG idF BGBl 1992/311 erstmals auf das Studienjahr 1993/94 anzuwenden ist. Der Oberste Gerichtshof hat aber keine Bedenken, die in dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzungen für den Bereich des Unterhaltsrechts auch für frühere Zeiträume heranzuziehen, weil mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgegangen werden kann, daß der Gesetzgeber den Studienerfolg auch für frühere Zeiträume nach denselben Kriterien beurteilt hätte, und daß es daher dem Willen des Gesetzgebers entspricht, daß sie im Bereich des Unterhaltsrechts auch für frühere Zeiträume herangezogen werden.

Geht man von diesen Überlegungen aus, so hat der Beklagte das Studium an der Technischen Universität nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben. Er hat allerdings in der Folge die Studienrichtung gewechselt. Hiezu hat der erkennende Senat schon ausgesprochen, daß bei einem Wechsel des Studiums zu berücksichtigen ist, ob subjektive oder objektive Gründe gegeben sind, also ein entschuldbarer Irrtum des Kindes über seine persönlichen Voraussetzungen oder über die mangelnden Berufsaussichten anzunehmen ist. Beim ersten Wechsel, vor allem nach kurzer Studiendauer von einem Semester, sei dabei kein strenger Maßstab anzulegen (ÖA 1992, 87). Der Beklagte hat die Studienrichtung zwar nicht nach kurzer Studiendauer gewechselt. Dennoch kann es aber entgegen der Ansicht des Erstgerichtes noch als entschuldbare Fehleinschätzung gewertet werden, daß er erst nach Ablauf von drei Jahren zur Überzeugung gelangte, daß ein anderes Studium für ihn vorteilhafter sei. In diesem Punkt unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von jenem, der der Entscheidung ÖA 1992, 87 zugrundelag, weil damals seit dem Abitur sechs Jahre verstrichen waren und das Kind die Studienrichtung in dieser Zeit zweimal wechselte und offensichtlich in der Zwischenzeit an einem Studium überhaupt keine Interesse hatte.

Nach Ansicht des erkennenden Senates wäre es nicht gerechtfertigt, das Erlöschen der Unterhaltspflicht allein deshalb anzunehmen, weil das Kind erst nach einer längeren als der angemessenen, aber noch tolerierbaren Überlegungsfrist mit dem Studium einer neuen Studienrichtung beginnt, dieses aber dann ernsthaft und zielstrebig betreibt. Kann die Überschreitung der angemessenen Überlegungsfrist noch als entschuldbar angesehen werden, so schadet es nicht, wenn das erste Studium nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben wurde, weil gerade ein mangelnder Studienfortgang sehr oft den Grund für den Wechsel der Studienrichtung bilden wird. Soweit die für die Entscheidung in Anspruch genommene Frist über das angemessene Maß hinausgeht, darf dies allerdings nicht zu Lasten des Unterhaltspflichtigen gehen (vgl EFSlg 48.207). Die Frage des Erlöschens des Unterhaltsanspruchs wird daher so zu beurteilen sein, als ob das Kind schon nach Ablauf der angemessenen, in der Regel mit einem Jahr anzunehmenden Überlegungsfrist mit dem zweiten Studium begonnen hätte. Von diesem Zeitpunkt an ist daher die durchschnittliche Dauer des neuen Studiums zu berechnen.

Im übrigen kann die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes auch dann nicht gebilligt werden, wenn man § 2 Abs 1 lit b FLAG idF BGBl 1992/311 nicht berücksichtigt. Gemäß § 2 Abs 1 der Studienordnung Betriebswirtschaft (Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom BGBl 1984/173 idF BGBl 1988/460, 1990/699 und 1991/160) besteht das Diplomstudium der Studienrichtung Betriebswirtschaft aus zwei Studienabschnitten in der Dauer von je vier Semestern. Gemäß dem nachfolgenden Abs 5 wird jeder Studienabschnitt mit einer Diplomprüfung abgeschlossen. Die erste Diplomprüfung ist gemäß § 5 Abs 2 der Studienordnung eine Gesamtprüfung, die in Form von Teilprüfungen über das Gesamtgebiet der einzelnen Prüfungsfächer abzuhalten ist. Da im § 5 Abs 1 lit a der Studienordnung drei Diplomprüfungsfächer vorgesehen sind, gibt es drei Teilprüfungen. Dazu kommen noch drei Vorprüfungen über die im § 5 Abs 1 lit b der Studienordnung angeführten Vorprüfungsfächer. Gemäß § 4 Abs 1 der Studienordnung setzt die Zulassung zu Teilprüfungen der ersten Diplomprüfung unter anderem die Erbringung der im Studienplan gemäß § 27 Abs 2 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes (AHStG) vorgeschriebenen Leistungsnachweise aus diesem Fach voraus. Gemäß § 27 Abs 2 AHStG ist die Zulassung zu Diplomprüfungen unter anderem von der positiven Beurteilung der Teilnahme an den vorgeschriebenen Übungen, Proseminaren, Seminaren, Privatissima, Praktika, Arbeitsgemeinschaften und Konservatorien abhängig zu machen. Es ist daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes auch unter diesem Gesichtspunkt für die Entscheidung von Bedeutung, an wievielen Lehrveranstaltungen der angeführten Art der Beklagten mit positiver Beurteilung teilgenommen hat.

Das Berufungsgericht hat sich somit zu Unrecht mit der in der Berufung des Beklagten enthaltenen Beweisrüge nicht auseinandergesetzt, wonach auf Grund der vorliegenden Beweisergebnisse als erwiesen angenommen hätte werden müssen, daß er außer der schon vom Erstgericht festgestellten erfolgreichen Teilnahme an elf Lehrveranstaltungen noch an weiteren Lehrveranstaltungen erfolgreich teilgenommen hat. Das Berufungsverfahren leidet deshalb an einem Verfahrensmangel, der für die Entscheidung wesentlich ist. Dies wird dem Sinn nach in der Revision, wenn auch unrichtig, jedoch gemäß § 85 Abs 2 ZPO unschädlich unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache, geltend gemacht. Die Rechtssache war daher gemäß § 510 Abs 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.