OGH vom 14.12.1949, 2Ob74/49
Norm
Mietengesetz § 19 Abs 1;
Mietengesetz § 19 Abs 2 Z 3;
Kopf
SZ 22/197
Spruch
Zur Frage der Haftung des Eigentümers für Schäden, die die Mieter seines Hauses durch Haltung von Hühnern dem Eigentümer des Nachbargrundstückes verursachen (§ 364 ABGB.).
Entscheidung vom , 2 Ob 74/49.
I. Instanz: Bezirksgericht Deutschlandsberg; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Der Kläger war Eigentümer einer Liegenschaft, die aus einem Garten, einer Wiese und einem Acker besteht und unmittelbar an das der beklagten Partei gehörige Haus angrenzt. In diesem Hause wurden von den Mietern Hühner gehalten, durch deren Ausschwärmen die Früchte auf den Grundstücken des Klägers geschädigt und insbesondere ein mit Mais bebauter Acker kahlgefressen wurde. Der Kläger hat von der beklagten Partei Abhilfe begehrt, diese hat auch ihre Mieter zur Abstellung des Übelstandes aufgefordert, die Mieter haben sich aber an die ihnen erteilte Weisung nicht gehalten.
Das Erstgericht hat dem Begehren des Klägers stattgegeben, das dahin ging, der beklagten Partei jede Beeinträchtigung seiner Grundstücke durch die Hühner aus dem Hause der Beklagten zu untersagen und die Beklagte zum Ersatz des Schadens zu verurteilen.
Das Berufungsgericht hat über Berufung der beklagten Partei das Klagebegehren abgewiesen.
Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Klägers Folge gegeben und das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Aus den Feststellungen der Untergerichte ergibt sich, daß die Einwirkungen nach den örtlichen Verhältnissen das gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benützung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Ein bloßes Verbot, dem sich die Mieter nicht gefügt haben, stellt keine wirksame Hinderung der Beeinträchtigung des klägerischen Grundstückes dar, wenn es die Beklagte dabei bewenden ließ. Über den Umfang der Gebrauchsbefugnis der Mieter am Bestandobjekt entscheidet die Vereinbarung und in Ermangelung einer solchen der Zweck des Vertrages und die Verkehrsauffassung. Da die Art der Verwahrung der Hühner weder dem bedungenen Gebrauche noch der Verkehrsauffassung entsprechen kann, ist die Beklagte berechtigt, die Mieter im Klagewege zu einer Unterlassung der Beeinträchtigung und wegen ihres rechtswidrigen Verhaltens auch zum Schadenersatz zu verhalten und den Anspruch auf Unterlassung im Wege der Exekution nach § 354 EO. durchzusetzen. Sie wird aber auch unter Umständen, wenn etwa die Zwangsvollstreckung nicht zu dem angestrebten Erfolge führt oder wenn ihr infolge der Durchführung der Maßnahmen zur Verhinderung der Beeinträchtigung uneinbringliche Kosten in nennenswerter Höhe entstehen, aber auch dann, wenn die Mieter durch ihr rücksichtsloses, anstößiges oder sonst grob ungehöriges Verhalten die Herstellung der dem Nachbarrecht entsprechenden Verhältnisse vereiteln, sofern es sich nicht um Fälle handelt, die den Umständen nach als geringfügig zu bezeichnen sind, eine auf § 19 Abs. 1 MietG. gestützte Aufkündigung gegen die schuldtragenden Mieter mit Erfolg durchsetzen können. Es darf nicht außer acht gelassen werden, daß die Mieter durch ihr Verhalten nicht nur Interessen des Klägers und der Allgemeinheit an der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Grundstücke schädigen, sondern daß auch die Beklagte im Falle einer gegen sie gerichteten Exekutionsführung des Klägers der Gefahr der Verhängung von Geldstrafen oder Haft bis zur Gesamtdauer eines Jahres ausgesetzt ist. Es würde daher ein Tatbestand vorliegen, der dem des § 19 Abs. 2 Z. 3 MietG. ähnlich und an Gewicht gleich ist. Die Beklagte wird allerdings zunächst durch in entsprechende Form gekleidete Maßnahmen die Ernstlichkeit ihres Verbotes den Mietern zum Ausdrucke bringen müssen. Nach ihrem bisherigen Verhalten und dem der Hausverwaltung konnte bei den Mietern der Eindruck entstanden sein, daß sie die geflissentliche Mißachtung der Anordnungen hinzunehmen bereit ist. Es bleibt ihr auch unbenommen, auf andere Weise, etwa durch Anlegung eines Hühnerhofes, die rechtswidrige Beeinträchtigung auszuschalten. Damit erledigt sich auch der Einwand des Berufungsgerichtes, daß die Verhinderung der Beeinträchtigung nicht vom Willen der Beklagten abhängt. Hat die Beklagte Maßnahmen ergriffen, die voraussichtlich zur Verhinderung der Beeinträchtigung führen können, könnte sie einer gegen sie gerichteten Exekutionsführung die Einwendungen nach § 36 Z. 1 EO. entgegensetzen, mögen auch diese Maßnahmen wegen der für ihre Durchsetzung erforderlichen Zeit zu einem Erfolg noch nicht geführt haben oder wegen unvorhersehbarer Hindernisse nicht zum Erfolg führen; denn wenn sie unverzüglich diese Maßnahmen trifft, läge ein Zuwiderhandeln gegen das im Urteil ausgesprochene Untersagungsgebot, das für die Vollstreckbarkeit des urteilsmäßigen Anspruches des Klägers maßgebend ist, nicht vor.
Es kann bei dieser Rechtslage unerörtert bleiben, ob sich der Kläger auch durch die Geltendmachung der ihm nach §§ 1320 und 1321 ABGB. eingeräumten Befugnisse wirksamen Schutz verschaffen könnte, was nach der Sachlage ohnedies sehr zweifelhaft ist. Der Kläger ist nicht gehalten, es auf weitere Schädigungen ankommen zu lassen und kann seinen Anspruch auch gegen die Beklagte geltend machen, ohne daß ihm zugemutet werden könnte, eine unwirtschaftliche Beaufsichtigung des